BFH Urteil v. - IX R 44/05

Zur beibehaltenen Zuordnungsentscheidung übernommener Verbindlichkeiten zum Privatvermögen bei Hofübergabe

Leitsatz

Wird im Rahmen der Hofübergabe neben landwirtschaftlichem Betriebsvermögen auch ein im Privatvermögen befindliches Einfamilienhaus übertragen und übernimmt der Vermögensempfänger gemäß Übergabevertrag als Gegenleistung für die Übertragung des Hauses die privaten Verbindlichkeiten des Übergebers für die Finanzierung des Hauses, ist die von den Vertragsparteien ausdrücklich beibehaltene Zuordnungsentscheidung der übernommen Verbindlichkeiten zum Privatvermögen der Ermittlung der Anschaffungskosten für Zwecke der Eigenheimzulage gem. § 9 Abs. 2 Satz 2 EigZulG i. V. mit § 8 Satz 1 EigZulG zugrunde zu legen. Es macht eigenheimzulagenrechtlich keinen Unterschied, ob der Vermögensempfänger den zur Ablösung der Verpflichtung erforderlichen Betrag an den Übergeber zahlt oder ob er die Verpflichtung vom Übergeber übernimmt.

Gesetze: EigZulG § 8; EigZulG § 9; EStDV § 7; ZPO § 554

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Mit notariellem Vertrag vom Dezember 1997 übertrug der Vater des Klägers, Revisionsbeklagten und Anschlussrevisionsklägers (Kläger) seinen landwirtschaftlichen Betrieb (Hof im Sinne der Höfeordnung) sowie ein in seinem Privatvermögen befindliches, 1994 auf einer der beiden Hofstellen errichtetes Einfamilienhaus dem Kläger. Alle Rechte, Nutzungen, Gefahr und Lasten gingen im November 1997 auf den Kläger über. Im April 1998 genehmigte das Landwirtschaftsgericht den Vertrag.

Die Herstellungskosten des Einfamilienhauses hatte der Vater des Klägers mit einem Darlehen finanziert, das im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages noch mit 113 312 DM valutierte. Ein weiteres betriebliches Darlehen belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 136 854 DM.

In § 4 des notariellen Vertrages verpflichtete sich der Kläger zur Übernahme der Grundschulden; weiterhin heißt es dort: „Zu den Bedingungen der entsprechenden Schuldurkunden übernimmt der Übernehmer auch die Bedienung der den Grundpfandrechten zugrundeliegenden Darlehen mit Wirkung vom Übergabestichtag an und stellt seine Eltern insoweit im Innenverhältnis frei; soweit hiermit auch die privaten Verbindlichkeiten des Übergebers für die Finanzierung des Wohnhauses übernommen werden, geschieht das als Gegenleistung für die Übertragung des Wohnhauses.”

Im Jahre 1999 beantragte der Kläger Eigenheimzulage ab 1997 für das von ihm selbst genutzte Einfamilienhaus sowie Kinderzulage für zwei haushaltszugehörige Kinder, deren Festsetzung der Beklagte, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ablehnte.

Den Einspruch des Klägers wies es mit Einspruchsentscheidung vom (im Tenor des Urteils des Finanzgerichts —FG— fälschlich mit bezeichnet) als unbegründet zurück. Das FG gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 249, veröffentlichten Urteil teilweise statt.

Das FA hat Revision, der Kläger hat Anschlussrevision eingelegt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 8 Satz 1 des EigenheimzulagengesetzesEigZulG— in der ab 1997 gültigen Fassung).

Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Bescheid über Eigenheimzulage dahingehend zu ändern, dass die Eigenheimzulage für die Jahre 1998 bis 2000 auf je 3 284 DM und für das Jahr 2001 auf 1 479 DM festgesetzt wird, im Übrigen die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen und im Wege der Anschlussrevision, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung und den Ablehnungsbescheid aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Eigenheimzulage in Höhe von 5 500 DM jährlich festzusetzen.

II. Die Revision des FA ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Zu Recht ist das FG bei der Festsetzung des Fördergrundbetrags der Eigenheimzulage nicht von einer niedrigeren Bemessungsgrundlage als 25 016 DM ausgegangen.

1. Nach § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG hat ein Steuerpflichtiger Anspruch auf Eigenheimzulage für die entgeltliche Anschaffung einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus, die er gemäß § 4 EigZulG zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Übernimmt der Erwerber im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge Verbindlichkeiten des Veräußerers, so liegen in steuerrechtlicher Beurteilung grundsätzlich Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts vor (vgl. zum Begriff der Anschaffungskosten § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs), und zwar unabhängig davon, ob das Wirtschaftsgut im Übrigen unentgeltlich übertragen wird (vgl. , BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter C. II. 3. b). Dem Erwerber entstehen durch die Begleichung der Verbindlichkeit Aufwendungen, die er auf sich nimmt, um Eigentümer der Wohnung zu werden (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 171, 202, BStBl II 1993, 704; vom IX R 25/06, BFH/NV 2007, 313, m.w.N.). Für die steuerliche Beurteilung kommt es dabei allein darauf an, dass die Wohnung —wie vom FG für den Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO)— zum Privatvermögen und nicht zum ebenfalls übertragenen landwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehört (vgl. , BFH/NV 2006, 1634, unter II. 1., m.w.N., und in BFH/NV 2007, 313, unter II. 2.).

Eine derartige Zusammensetzung des übertragenen Vermögens erfordert es, die übernommenen Verbindlichkeiten auf die unterschiedlichen Wirtschaftsgüter aufzuteilen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1634). Der Trennung der Vermögen entspricht es dabei grundsätzlich, die von den Vertragsparteien ausdrücklich beibehaltene Zuordnungsentscheidung des übernommenen Darlehens zum Privatvermögen der Ermittlung der Anschaffungskosten für Zwecke der Eigenheimzulage gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 EigZulG i.V.m. § 8 Satz 1 EigZulG zugrunde zu legen (vgl. BFH-Be-schluss in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter C. II. 3. b; BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1634). Es macht eigenheimzulagenrechtlich keinen Unterschied, ob der Vermögensempfänger den zur Ablösung der Verpflichtung erforderlichen Betrag an den Übergeber zahlt oder ob er die Verpflichtung vom Übergeber übernimmt (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, a.a.O.). Die dem Betriebsvermögen zuzuordnenden Verbindlichkeiten bleiben bei der Ermittlung der Anschaffungskosten der Wohnung außer Ansatz, da der Übernehmer an die Buchwerte der negativen Wirtschaftsgüter des Betriebes seines Vorgängers gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1997 gebunden ist (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter C. II. 3. b); , BFHE 163, 334, BStBl II 1991, 450). Nach der so ermittelten Bemessungsgrundlage richtet sich dann auch die Kappung gemäß § 9 Abs. 6 Satz 1 EigZulG.

Die noch im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 1998, 190, Rz 59) i.V.m. (BStBl I 1993, 80, Rz 47) vertretene Auffassung zur Aufteilung von Anschaffungskosten bei Übertragung von sog. Mischvermögen, auf die sich FA und FG beziehen, hat das BMF zwischenzeitlich mit Schreiben vom (Der Betrieb 2007, 602) aufgegeben.

2. Danach kommen die durch die Revision des FA begehrte niedrigere Festsetzung der Eigenheimzulage und ihre Begrenzung auf eine Bemessungsgrundlage von 11 331 DM nicht in Betracht.

Der Kläger hat im notariellen Vertrag vom Dezember 1997 die Darlehensverbindlichkeit übernommen, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages noch mit 113 312 DM valutierte und deren Valuta der Finanzierung der Herstellungskosten des im Privatvermögen befindlichen Einfamilienhauses gedient haben. Diese Darlehensverbindlichkeit haben der Kläger und der Vater des Klägers als Vertragsparteien übereinstimmend dem privaten Hausgrundstück zugeordnet. Die Anschaffungskosten des Klägers für das Hausgrundstück betragen daher 113 312 DM.

III. Die Anschlussrevision (§ 155 FGO i.V.m. § 554 Abs. 1 der ZivilprozessordnungZPO—) ist unzulässig (§ 126 Abs. 1 FGO).

Das Begehren des Klägers muss als Anschlussrevision gewertet werden, denn er hat sich nicht mit dem Antrag begnügt, die Revision des FA zurückzuweisen (vgl. , BFHE 174, 4, BStBl II 1994, 599, unter 2.). Vielmehr begehrt er, das angefochtene Urteil, mit dem das FG seine Klage teilweise abgewiesen hat, aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Eigenheimzulage höher als ausgeurteilt festzusetzen.

Nachdem das angefochtene Urteil dem Kläger am zugestellt worden war, war die Einlegungsfrist der Revision (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO) am abgelaufen. Die Anschließung ist gemäß § 155 FGO i.V.m. § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO innerhalb eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung zu erklären (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 84). Die Revisionsbegründung des FA wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers am zugestellt, die Frist zur Anschließung endete, da der ein Sonntag war, am (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO). Die Anschlussrevision des Klägers ging erst am und damit verspätet beim BFH ein.

Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) rechtfertigen, sind vom Kläger nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1834 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 44/2007 S. 7
JAAAC-53154