BAG Urteil v. - 6 AZR 873/06

Leitsatz

[1] Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG außerordentlich, hat der Arbeitnehmer, der die Unwirksamkeit der Kündigung geltend machen will, gem. § 13 Abs. 1 Satz 2, § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage zu erheben (Aufgabe von - BAGE 24, 401).

Gesetze: KSchG § 4; KSchG § 7; KSchG § 13 Abs. 1

Instanzenzug: ArbG Detmold 3 Ca 630/05 vom LAG Hamm 16 Sa 2151/05 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revision noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte und Annahmeverzugsansprüche.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem als Kraftfahrer zu einem Bruttomonatsverdienst iHv. 1.495,00 Euro beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht geschlossen. Nach vorheriger Abmahnung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom , das dem Kläger noch am selben Tage durch Boten zugeleitet wurde, wegen Arbeitsverweigerung fristlos.

Mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen und später erweiterten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom und - soweit in der Revision noch von Bedeutung - Vergütungsansprüche für den Monat März 2005 geltend gemacht.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom nicht fristlos, sondern fristgemäß mit Ablauf des aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.495,00 Euro brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung gelte als wirksam, weil der Kläger erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist Kündigungsschutzklage erhoben habe. Deshalb bestünden auch keine Annahmeverzugsansprüche.

Die Vorinstanzen haben die Klage in dem in der Revision noch anhängigen Umfang abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Die Revision ist zulässig. Die Revisionsschrift ist ordnungsgemäß unterzeichnet. Die Unterschrift erfüllt die förmlichen Anforderungen des § 130 ZPO. Sie enthält einen individuellen Schriftzug, der sich - ohne lesbar sein zu müssen - als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht der vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt (zu diesen Anforderungen - AP ZPO § 130 Nr. 17 = EzA ZPO § 519 Nr. 11).

II. Die Revision ist nicht begründet. Die Kündigung vom gilt gem. § 13 Abs. 1 Satz 2, § 4 Satz 1, § 7 KSchG als wirksam. Der Kläger hat erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist mit einem beim Arbeitsgericht am eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger noch nicht die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt hat.

1. Nach der Senatsrechtsprechung gilt die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG auch bei ordentlichen Kündigungen innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 4 Satz 1 KSchG, der insoweit keine Einschränkung enthält. Die zum in Kraft getretene Fassung des § 4 Satz 1 KSchG fordert vom Arbeitnehmer nicht nur, innerhalb der Drei-Wochen-Frist die mangelnde soziale Rechtfertigung geltend zu machen, er hat vielmehr auch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Kündigungsschutzklage zu erheben, wenn er geltend machen will, die Kündigung sei aus anderen Gründen rechtsunwirksam. Damit werden auch außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes liegende Unwirksamkeitsgründe von der Drei-Wochen-Frist erfasst. Das entspricht dem Zweck der Neuregelung des § 4 Satz 1 KSchG. Nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist soll Klarheit darüber herrschen, ob die Kündigung wirksam ist oder nicht. Allein die mangelnde Schriftform kann noch nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist geltend gemacht werden, weil § 4 Satz 1 KSchG nur für schriftliche Kündigungen gilt (Senat - 6 AZR 283/05 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 56 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 73).

2. Nichts anderes gilt, wenn der Arbeitgeber innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG eine außerordentliche Kündigung erklärt. Die vom Bundesarbeitsgericht zu der bis zum geltenden Fassung des Kündigungsschutzgesetzes vertretene Auffassung, § 1 Abs. 1 und § 14 KSchG regelten den persönlichen Geltungsbereich für den ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes in der Weise, dass § 14 KSchG eine bestimmte Personengruppe, nämlich die Angestellten in leitender Stellung, allgemein ausschließe und § 1 Abs. 1 KSchG für den dann verbleibenden Kreis der Arbeitnehmer nochmals diejenigen ausscheide, die noch nicht länger als sechs Monate beschäftigt seien ( - BAGE 24, 401; - BAGE 1, 272; - BAGE 2, 194), ist durch die zum in Kraft getretene Neufassung des Kündigungsschutzgesetzes überholt und wird aufgegeben.

a) § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG verweist für die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung einschränkungslos auf § 4 Satz 1 und die §§ 5 bis 7 KSchG. Während § 14 Abs. 1 KSchG die dort genannten Personen ausdrücklich aus dem Geltungsbereich der §§ 1 bis 14 KSchG herausnimmt, sieht § 1 Abs. 1 KSchG lediglich vor, dass die Kündigung durch den Arbeitgeber der sozialen Rechtfertigung bedarf, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat. Weitergehende Rechtsfolgen in Bezug auf die Kündigungsschutzklage regelt § 1 Abs. 1 KSchG nicht. Durch diese Bestimmung wird - anders als durch § 14 Abs. 1 KSchG - gerade nicht der gesamte erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes für unanwendbar erklärt. Da nach der seit dem geltenden Fassung des Kündigungsschutzgesetzes gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG auch Arbeitnehmer in sog. Kleinbetrieben die Drei-Wochen-Frist einzuhalten haben (v. Hoyningen-Huene/Linck 14. Aufl. § 23 Rn. 45; KR-Friedrich 8. Aufl. § 4 KSchG Rn. 11a; HaKo-Gallner 2. Aufl. § 4 KSchG Rn. 2b; Richardi DB 2004, 486, 489), gibt es neben § 14 Abs. 1 KSchG keine Vorschrift, die Arbeitnehmer vollständig vom Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ausschließt.

b) Die Anwendung von § 13 Abs. 1 Satz 2, § 4 Satz 1 KSchG auf außerordentliche Kündigungen innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG entspricht dem Zweck der Drei-Wochen-Frist, alsbald Klarheit zu erlangen, ob die Kündigung wirksam ist oder nicht. Es gibt keinen Grund, Arbeitnehmer, die noch nicht die Wartezeit erfüllt haben, von diesem Erfordernis auszunehmen. Im Gegenteil: Fände die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG nicht auch auf außerordentliche Kündigungen innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG Anwendung, könnte der kurzzeitig beschäftigte Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung bis zur Grenze der Verwirkung (§ 242 BGB) geltend machen. Damit wären Arbeitnehmer, die innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG gekündigt werden, gegenüber den Arbeitnehmern bessergestellt, die schon lange Jahre beschäftigt sind und deshalb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2, § 4 Satz 1 KSchG innerhalb der Frist von drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben müssen, um den Eintritt der Fiktionswirkung des § 7 KSchG zu verhindern. Für diese unterschiedliche Behandlung gibt es keinen sachlichen Grund (ebenso APS/Biebl 2. Aufl. § 13 KSchG Rn. 14; HaKo-Fiebig § 13 Rn. 12; KR-Friedrich § 13 KSchG Rn. 26; v. Hoyningen-Huene/Linck § 4 Rn. 14).

c) Soweit der Senat hiermit von der Rechtsprechung des Zweiten Senats abweicht, liegen die Voraussetzungen für eine Anrufung des Großen Senats nach § 45 Abs. 3 ArbGG nicht vor. Die abweichenden Entscheidungen des Zweiten Senats sind zur alten Gesetzesfassung ergangen und durch die zum in Kraft getretene Neufassung des Kündigungsschutzgesetzes überholt.

3. Der Kläger hat gegen die ihm am zugegangene außerordentliche Kündigung erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist mit einem am beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben. Die Kündigung gilt deshalb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2, § 7 KSchG als wirksam. Ob tatsächlich ein Kündigungsgrund vorlag, bedarf deshalb keiner Prüfung mehr. Annahmeverzugsansprüche bestehen wegen der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht.

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
BB 2007 S. 2015 Nr. 37
DB 2007 S. 1986 Nr. 36
NJW 2007 S. 2716 Nr. 37
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2007 S. 2635
StuB-Bilanzreport Nr. 16/2007 S. 636
StuB-Bilanzreport Nr. 21/2007 S. 834
ZIP 2008 S. 384 Nr. 8
VAAAC-53056

1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein