BFH Urteil v. - I R 14/06 BStBl 2007 II S. 808

Ende der Körperschaftsteuerbefreiung mit Eröffnung des Konkursverfahrens oder Insolvenzverfahrens

Leitsatz

Die Körperschaftsteuerbefreiung einer Körperschaft, die nach ihrer Satzung steuerbegünstigte Zwecke verfolgt, endet, wenn die eigentliche steuerbegünstigte Tätigkeit eingestellt und über das Vermögen der Körperschaft das Konkurs- oder Insolvenzverfahren eröffnet wird.

Gesetze: KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9AO § 52AO § 53AO § 60 Abs. 2AO § 63 Abs. 1 und 2EGInsO Art. 103 Satz 1InsO § 1KO § 1KO § 3KO § 6KO § 117 Abs. 1BGB a.F. § 42BGB a.F. § 86

Instanzenzug: (EFG 2006, 1195) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der Stiftung X. Das Konkursverfahren war mit Beschluss vom eröffnet worden und ist bislang nicht abgeschlossen. Die Beteiligten streiten darüber, ob X im Streitjahr 1998 noch nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit war.

Nach ihrer Satzung betätigte sich X selbstlos im Sinne evangelischer Diakonie als Wesens- und Lebensäußerung der evangelischen Kirche und in praktischer Ausübung christlicher Nächstenliebe, vornehmlich in der Jugend- und Suchtkrankenhilfe sowie in der Arbeit für psychisch Kranke. Sie betrieb psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstellen, eine Fachklinik als Rehabilitationseinrichtung für Suchtkranke sowie ein Alten- und Pflegeheim. Ihr Stiftungsvermögen bestand unter anderem aus einem bebauten Grundstück. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) stellte X bis einschließlich 1997 nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer frei, weil sie ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken i.S. der §§ 51 ff. der Abgabenordnung (AO) diene.

Mit Wirkung vom gliederte X den Bereich der stationären und ambulanten Suchthilfebetreuung auf eine neu gegründete GmbH aus, deren Stammkapital sie zu 80 v.H. hielt. Ihr Grundstück vermietete sie an eine als gemeinnützig anerkannte Einrichtung. Den Pachtvertrag für das Alten- und Pflegeheim kündigte sie mit Wirkung vom . Das Haus wurde vom folgenden Tage an von einer anderen Gesellschaft gepachtet und unter anderem Namen als Alten- und Pflegeheim fortgeführt. Spätestens Ende 1997 stellte X sämtliche früheren Tätigkeiten ein. Seit 1998, dem Streitjahr, erwirtschaftete X neben den Mieteinnahmen aus ihrem Grundbesitz nur noch Zinseinnahmen aus bestehenden Bankguthaben (Gewinn 1998: 64 593,32 DM).

Das FA war der Auffassung, X sei ab 1998 nicht mehr steuerbefreit, und erließ einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Niedersächsische (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1195) statt.

Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG ist eine Körperschaft von der Körperschaftsteuer befreit, wenn sie nach ihrer Satzung, ihrem Stiftungsgeschäft und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient. Welche Voraussetzungen die Körperschaft hinsichtlich ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung im Einzelnen erfüllen muss, um die Steuerbefreiung zu erlangen, ist in den §§ 51 ff. AO geregelt. Danach setzt die Steuerbefreiung u.a. voraus, dass die tatsächliche Geschäftsführung auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke gerichtet ist und den Bestimmungen entspricht, die die Satzung über die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 AO). Diese Bedingungen müssen während des ganzen Veranlagungszeitraums, für den die Steuerbefreiung beansprucht wird, erfüllt sein (§ 63 Abs. 2 i.V.m. § 60 Abs. 2 AO).

2. X ist danach im Streitjahr 1998 nicht von der Körperschaftsteuer befreit, weil ihre tatsächliche Geschäftsführung nicht mehr auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet war.

a) X hatte in der Vergangenheit entsprechend ihrem Satzungszweck einen gemeinnützigen Zweckbetrieb mit Suchtkrankenhilfe sowie ein Alten- und Pflegeheim unterhalten. Nach den Feststellungen des FG hat sie ihre laufenden Geschäfte hieraus bereits 1997 vollständig eingestellt und endgültig aufgegeben. Aktivitäten zur Verwirklichung ihres Satzungszweckes entfaltete sie dementsprechend in der Folgezeit nicht mehr. Vielmehr beschränkte sich ihre Tätigkeit im Streitjahr und auch in der Zeit danach auf die Vermietung ihres Grundstückes und die Vereinnahmung von Zinsen aus Bankguthaben. Da die eigentliche steuerbegünstigte Tätigkeit endgültig eingestellt wurde und die Vermögensverwaltung kein steuerbegünstigter Zweck i.S. der §§ 52 bis 54 AO ist (Senatsurteil vom I R 104/73, BFHE 114, 495, BStBl II 1975, 458; , juris), liegen die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG im Streitjahr nicht vor (Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2. Aufl., § 8 Rz 31).

b) Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass X die Erträge aus der Vermögensverwaltung zur Begleichung von Schulden verwendet hat, die aus der steuerbegünstigten Tätigkeit herrühren. Diese Verbindlichkeiten wurden zwar durch die satzungsmäßigen Aktivitäten ausgelöst; deren Tilgung nach Einstellung der satzungsmäßigen Tätigkeit ist jedoch nicht steuerbegünstigt. Ob und ggf. für welche Zeitspanne einer nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i.V.m. §§ 51 ff. AO steuerbefreiten Körperschaft ähnlich einer Anlaufphase (vgl. Senatsurteil vom I R 29/02, BFHE 203, 251, BStBl II 2003, 930) auch eine Abwicklungsphase zuzubilligen ist, innerhalb derer trotz Beendigung der eigentlichen steuerbegünstigten Tätigkeit ihre Geschäftsführung noch als auf die Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet angesehen werden kann und die Körperschaftsteuerbefreiung daher fortbesteht (vgl. Becker/ Meining, Finanz-Rundschau —FR— 2006, 686), kann im Streitfall offenbleiben. Die Geschäftsführung entspricht jedenfalls dann nicht mehr den Bestimmungen der Satzung hinsichtlich der Voraussetzungen der Steuervergünstigung, wenn —wie hier— die eigentliche steuerbegünstigte Tätigkeit eingestellt und über das Vermögen der Körperschaft das Konkurs- oder Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

Denn hierdurch ändert sich der Zweck der Körperschaft. Statt den in § 53 AO genannten Personenkreis selbstlos zu unterstützen oder die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 AO), zielt sie nur noch darauf ab, alle Gläubiger durch Verwertung ihres Vermögens zu befriedigen (§ 3 der KonkursordnungKO—; § 1 der Insolvenzordnung). Zwar gehört zur steuerbegünstigten Tätigkeit auch die Begleichung von Schulden aus laufenden Geschäften der ideellen Tätigkeit (Becker/Meining, FR 2006, 686); wie aus § 63 AO ersichtlich, gilt dies jedoch nur, wenn die Tätigkeit daneben noch auf die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke gerichtet ist und die Befriedigung der Gläubiger nicht ausschließlicher Zweck der Körperschaft wird.

Mit Eröffnung des Konkursverfahrens verlor X gemäß § 86 i.V.m. § 42 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis geltenden Fassung ihre Rechtsfähigkeit (zur Rechtslage seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung s. Gotthardt in Schauhoff, a.a.O., § 21 Rz 41, 76). Ihre Organe waren nach § 6 KO i.V.m. Art. 103 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom (BGBl I 1994, 2911) nicht mehr befugt, das zur Konkursmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Das alleinige Verwaltungs- und Verfügungsrecht übt seither allein der Kläger als Konkursverwalter aus, der das zur Konkursmasse gehörende Vermögen zu verwerten und zur gemeinschaftlichen Befriedigung aller persönlichen Gläubiger zu verwenden hat (§ 117 Abs. 1 i.V.m. § 3 KO). Da X im Streitjahr nur noch Interessen ihrer Gläubiger, nicht aber die der Allgemeinheit gefördert hat, ist sie nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit. Ob sie nach Beendigung des Konkursverfahrens möglicherweise wieder ihre satzungsmäßigen Zwecke verfolgen kann, ist unerheblich. Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung sind für jeden Veranlagungszeitraum gesondert zu prüfen und müssen jeweils während des gesamten Veranlagungszeitraums vorliegen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 808
BB 2007 S. 1774 Nr. 33
BFH/NV 2007 S. 1793 Nr. 9
BStBl II 2007 S. 808 Nr. 17
DB 2007 S. 1734 Nr. 32
DStR 2007 S. 1438 Nr. 33
DStRE 2007 S. 1141 Nr. 17
DStZ 2007 S. 612 Nr. 19
EStB 2007 S. 328 Nr. 9
GmbHR 2007 S. 1007 Nr. 18
HFR 2007 S. 1012 Nr. 10
KÖSDI 2007 S. 15694 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2007 S. 2725
StB 2007 S. 322 Nr. 9
StBW 2007 S. 6 Nr. 17
StuB-Bilanzreport Nr. 16/2007 S. 631
WPg 2007 S. 847 Nr. 19
ZIP 2007 S. 1570 Nr. 33
WAAAC-51320