Leitsatz
[1] Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Vorabentscheidung folgende Fragen vorgelegt:
a) Sind die Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner, der seinen satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO international zuständig?
b) Falls die Frage zu a) zu verneinen ist:
Fällt die Insolvenzanfechtungsklage unter die Ausnahmebestimmung des Art. 1 Abs. 2 lit. b Brüssel I-VO oder bestimmt sich die internationale Zuständigkeit für Insolvenzanfechtungsklagen nach dieser Verordnung?
Gesetze: EuInsVO Art. 3 Abs. 1; Brüssel I-VO Art. 1 Abs. 2 lit. b
Instanzenzug: LG Marburg 2 O 209/04 vom OLG Frankfurt/Main 15 U 200/05 vom
Gründe
I.
Am überwies die F. GmbH (i. F.: Schuldnerin) 50.000,-- € auf ein Konto der Beklagten bei der K. Bank in Düsseldorf. Die Beklagte ist eine Gesellschaft belgischen Rechts, die ihren Sitz in Belgien hat. Aufgrund des am gestellten Antrags der Schuldnerin wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen durch das Amtsgericht Marburg am eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Er verlangt mit einer beim Landgericht Marburg eingereichten Klage Rückzahlung des Betrages unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung.
Das Landgericht hat über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt und sie als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Zur Beantwortung der vorstehenden Vorlagefragen, von denen die Entscheidung des Rechtsstreits abhängt, ist Art. 3 Abs. 1 EuInsVO und Art. 1 Abs. 2 lit. b EuGVVO auszulegen. Die Verordnungen sind auf Art. 61 lit. c, Art. 65 und 67 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (im Folgenden: EGV) gestützt. Da dem Senat die Auslegung nicht eindeutig erscheint, hat er eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften einzuholen (Art. 68 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 234 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 EGV).
1. Das Berufungsgericht hält das Landgericht Marburg für den erhobenen Rückgewähranspruch aus Insolvenzanfechtung nicht für zuständig. Nach den Vorschriften der EuGVVO sei ein Gerichtsstand im Inland nicht begründet. Die Bestimmung des Art. 1 Abs. 2 lit. b EuGVVO, wonach die Verordnung auf Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren nicht anzuwenden ist, beziehe sich nicht auf die Insolvenzanfechtung. Im Hinblick auf das in den Erwägungsgründen zum Ausdruck gekommene Regelungsziel der EuGVVO, eine umfassende Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet der Zivil- und Handelsstreitigkeiten herbeizuführen, seien die enumerativ aufgezählten Ausnahmetatbestände eng auszulegen. Der Begriff "Konkurse" erfasse deshalb nur insolvenzrechtliche Sammelverfahren, nicht aber die als kontradiktorisches Parteiverfahren ausgestaltete Insolvenzanfechtung, auch wenn diese in engem und unmittelbarem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren stehe. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO enthalte keine Regelung der internationalen Zuständigkeit für Annexverfahren im Zusammenhang mit der Insolvenz wie die Insolvenzanfechtung. Eine analoge Anwendung der Vorschrift komme mangels einer planwidrigen Regelungslücke nicht in Betracht. Aus den Vorschriften der deutschen Zivilprozessordnung ergebe sich ebenfalls keine Zuständigkeit des Landgerichts Marburg.
Die Revision meint dagegen, Art. 3 Abs. 1 EuInsVO regele auch die internationale Zuständigkeit für die Insolvenzanfechtungsklage, deshalb seien die deutschen Gerichte zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen. Die Klage falle nicht in den Anwendungsbereich der EuGVVO. Jedenfalls sei nach deutschem Prozessrecht eine internationale Notzuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben, weil die Klage in Belgien nicht zur sachlichen Entscheidung angenommen würde.
2. Der Europäische Gerichtshof hat im Urteil vom (Gourdain/Nadler - Rs C-133/78, EuGHE 1979, 733) ausgeführt, dass nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 des Brüsseler EWG-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom (im Folgenden: EuGVÜ) Einzelverfahren, die sich auf ein Insolvenzverfahren beziehen, nicht in den Regelungsbereich des Abkommens fallen, wenn sie unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und sich eng innerhalb des Rahmens dieses Verfahrens halten. Der Bundesgerichtshof hat in Anwendung dieses Rechtssatzes mit Urteil vom (IX ZR 27/89, ZIP 1990, 246) entschieden, dass Anfechtungsklagen des Konkursverwalters unter die Ausnahmebestimmung des Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVÜ fallen.
Auf den vorliegenden Fall ist in zeitlicher Hinsicht die EuInsVO anzuwenden, weil das Insolvenzverfahren nach ihrem Inkrafttreten eröffnet worden ist (Art. 43 Satz 1 EuInsVO). Die angefochtene Rechtshandlung selbst erfolgte zwar bereits vor Inkrafttreten der EuInsVO. Die Ausnahmeregelung des Art. 43 Satz 2 EuInsVO betrifft jedoch nur die Anwendung der kollisions- und materiellrechtlichen Regelungen der Verordnung.
Nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO sind für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Eine ausdrückliche Regelung der internationalen Zuständigkeit für Einzelverfahren, die sich auf ein Insolvenzverfahren beziehen, enthält die EuInsVO nicht. Art. 25 Abs. 1 Unterabs. 2 EuInsVO betrifft nur die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen, auch wenn diese Entscheidungen von einem anderen Gericht getroffen werden.
3. a) Nach einer im deutschsprachigen juristischen Schrifttum verbreiteten Auffassung ist Art. 3 Abs. 1 EuInsVO auf Einzelverfahren, die unmittelbar aus einem Insolvenzverfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen, entsprechend anzuwenden (vgl. Duursma-Kepplinger in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Europäische Insolvenzverordnung Art. 25 Rn. 48; Paulus, Europäische Insolvenzverordnung Art. 25 Rn. 21; Haß/Herweg in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Nr. 550 Art. 3 EuInsVO Rn. 23; MünchKomm-BGB/Kindler, 4. Aufl. Internationales Insolvenzrecht Rn. 583; Nerlich/Römermann/Mincke, InsO, Art. 3 EuInsVO Rn. 15 ff; Kübler/Prütting/Kemper, InsO, Art. 3 EuInsVO Rn. 10 ff; HK-InsO/Stephan, 4. Aufl. Art. 3 EuInsVO Rn. 13; Willemer, Vis attractiva concursus und die Europäische Insolvenzverordnung, S. 206, 212; Lorenz, Annexverfahren bei Internationalen Insolvenzen, S. 114 ff; Carstens, Die Internationale Zuständigkeit im europäischen Insolvenzrecht, S. 106 ff; Haubold IPrax 2002, 157, 159 f, 162; Stürner IPRax 2005, 416, 419; Paulus ZInsO 2006, 295, 298; Ringe ZInsO 2006, 700, 701; Mankowski/Willemer NZI 2006, 650, 651; in diese Richtung tendierend auch Leipold in Festschrift Ishikawa S. 221, 224-239).
Andere meinen, dass diese Einzelverfahren jedenfalls nach dem Inkrafttreten der EuInsVO entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs in den Anwendungsbereich der EuGVVO fallen; der Ausschlusstatbestand in Art. 1 Abs. 2 lit. b EuGVVO sei nunmehr entsprechend enger auszulegen (vgl. MünchKomm-InsO/Reinhart, EuInsVO Art. 3 Rn. 4, Art. 25 Rn. 6 f; EGInsO Art. 102 Rn. 144; Zöller/Geimer, ZPO 26. Aufl. Anh I Art. 1 EuGVVO Rn. 35 f; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht 5. Aufl. Rn. 3561; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. Art. 1 Rn. 128 ff; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 1 EuGVVO Rn. 21a ff; Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung S. 192; Thole ZIP 2006, 1383, 1386 f; Schwarz NZI 2002, 290, 294; wohl auch Lüke in Festschrift Schütze, S. 467, 482 f).
Nach einer dritten Meinung ist die internationale Zuständigkeit für die genannten Einzelverfahren weiterhin dem autonomen nationalen Recht der einzelnen Mitgliedstaaten zu entnehmen (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht 8. Aufl. Art. 1 EuGVVO Rn. 36; FK-InsO/Wimmer, 4. Aufl. Anh I nach § 358 Rn. 52; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht 4. Aufl. Rn. 1083; Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom , S. 228 f; Oberhammer ZInsO 2004, 761, 765).
b) Für die Auffassung der Revision (Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO) könnte Erwägungsgrund 6 der EuInsVO sprechen, wonach sich die Verordnung gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf Vorschriften beschränken soll, die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Entscheidungen regeln, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen. In Ansehung dieses Erwägungsgrundes verwundert es allerdings, dass die Verordnung selbst keine ausdrückliche Regelung der Zuständigkeit für solche Einzelentscheidungen trifft. Die Aussagen, die hierzu in den Randnummern 77, 194 und 195 des erläuternden Berichts von Virgos/Schmit zu dem - insoweit wörtlich übereinstimmenden, letztlich aber nicht in Kraft getretenen - Europäischen Übereinkommen über Insolvenzverfahren vom (in Stoll, Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht) getroffen werden, sind nicht eindeutig. Einerseits wird in Rn. 77 Bezug genommen auf den Übereinkommensentwurf der Gemeinschaft von 1982, der in Art. 15 den Gerichten des Staates der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach der Theorie der "vis attractiva concursus" bestimmte enumerierte Zuständigkeiten für die sich aus der Insolvenz ergebenden Klagen übertragen sollte. Weiter heißt es dort, dass in das Übereinkommen weder eine solche Theorie noch eine solche Vorschrift übernommen wurde und Art. 3 des Übereinkommens dieses Problem nicht behandelt. Andererseits, meint der Bericht, sollen die Klagen, die unmittelbar aus der Insolvenz hervorgehen und in engem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren stehen, nun "logischerweise" in den Anwendungsbereich des Übereinkommens und seiner Zuständigkeitsvorschriften fallen, weil andernfalls zwischen dem Übereinkommen über Insolvenzverfahren und der EuGVÜ nicht zu rechtfertigende Rechtslücken verbleiben würden.
Im Hinblick auf diese Entstehungsgeschichte erscheint zweifelhaft, ob das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung der Zuständigkeit für insolvenzbezogene Einzelentscheidungen auf einem Versehen des europäischen Verordnungsgebers beruht oder eine Regelung absichtlich unterblieben ist, weil ein Konsens zwischen den Mitgliedstaaten über die Berechtigung und die Reichweite einer gemeinschaftsrechtlichen "vis attractiva concursus" nicht herbeigeführt werden konnte (vgl. Duursma-Kepplinger aaO Rn. 39 mit weiteren Nachweisen). Ob die Zuständigkeit der Gerichte des Eröffnungsstaates des Insolvenzverfahrens auf insolvenzbezogene Einzelentscheidungen im Wege einer Analogie zu Art. 3 Abs. 1 EuInsVO begründet werden kann, bedarf daher einer Entscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften.
Die Zuweisung solcher Entscheidungen an die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, kann zwar der Effizienz und Wirksamkeit eines grenzüberschreitenden Verfahrens zugute kommen (vgl. Erwägungsgrund 8). Es fragt sich jedoch, ob nach dem Willen des Normgebers, wie er auch in der EuGVVO zum Ausdruck gekommen ist (vgl. Abschnitt 3, 4 und 6 des Kapitels II, Art. 35 Abs. 1), die Interessen des Anfechtungsgegners zurücktreten sollten, die sonst durch die verdrängten Gerichtsstandsbestimmungen geschützt werden.
c) Gegen eine Analogie könnte die Regelung des Art. 18 Abs. 2 EuInsVO sprechen. Die Vorschrift erwähnt die Insolvenzanfechtungsklage im Zusammenhang mit einem Partikularinsolvenzverfahren gemäß Art. 3 Abs. 2 EuInsVO ausdrücklich. Das Problem der Insolvenzanfechtungsklagen ist vom Verordnungsgeber also durchaus gesehen worden; in diesem Zusammenhang hat er offenbar eine außerhalb des Verfahrensstaates liegende Zuständigkeit ohne weiteres für möglich gehalten.
d) Für die Ansicht der Revision könnte Art. 25 Abs. 1 Unterabs. 2 in Verbindung mit Unterabs. 1 EuInsVO angeführt werden. Die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Erststaates wird danach bei den unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehenden und in engem Zusammenhang damit stehenden Entscheidungen nicht mehr im Rahmen des Verfahrens der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nachgeprüft (vgl. Art. 68 Abs. 2, Art. 41, 45, 35 Abs. 3 EuGVVO). Dagegen bestünden Bedenken, wenn die Zuständigkeit für die Einzelentscheidungen nicht nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften der EuInsVO oder der EuGVVO zu beurteilen wäre, sondern ihre Bestimmung dem nationalen Recht der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen bliebe (vgl. Leipold aaO, S. 239; Duursma-Kepplinger aaO, Rn. 28, 36). Dadurch könnte auch Art. 3 EuGVVO unterlaufen werden, der die im internationalen Rechtsverkehr als störend angesehenen "exorbitanten" Gerichtsstände gegen einen Beklagten, der innerhalb ihres geographischen Anwendungsbereichs wohnt, ausschalten will. Darüber hinaus kann die Anwendung des nationalen Rechts bei der Frage der Zuständigkeit für die insolvenzbezogenen Einzelentscheidungen auch zu negativen Kompetenzkonflikten führen, wenn in dem Mitgliedstaat der Verfahrenseröffnung, dessen Gerichte angerufen werden, keine Zuständigkeit für diese Entscheidung nach nationalem Recht besteht, der aus Sicht dieses Staates zur Entscheidung berufene andere Mitgliedstaat aber eine "vis attractiva concursus" kennt und deshalb die dortigen Gerichte ihre Zuständigkeit verneinen.
e) Zugunsten der Auffassung der Revision spricht möglicherweise auch Erwägungsgrund 4 der EuInsVO, wonach die Verordnung missbräuchlichem "forum shopping" begegnen will. Eine Zuständigkeitskonzentration im Staat der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wäre geeignet, Vermögensverschiebungen im Vorfeld der Insolvenz in einen anderen Mitgliedstaat, in dem die Insolvenzanfechtung nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist, zu verhindern.
f) Die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, dass die aus der Insolvenz hervorgehenden Einzelverfahren der EuGVVO zu unterstellen sind, beruft sich insbesondere darauf, dass mit der Ausnahme für "Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren" in Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVÜ dem geplanten Übereinkommen über Insolvenzverfahren nicht vorgegriffen werden sollte (vgl. Lüke, Festschrift Schütze aaO, S. 469). Schließt die EuInsVO den offen gehaltenen Regelungsbereich nicht lückenlos, weil ihr eine Regelung der internationalen Zuständigkeit für die insolvenzbezogenen Einzelverfahren nicht zu entnehmen ist, könnte eine engere Auslegung des Art. 1 Abs. 2 lit. b EuGVVO geboten sein, als sie der Europäische Gerichtshof in der Entscheidung vom (aaO) für die entsprechende Vorschrift des EuGVÜ vorgenommen hat, um eine lückenlose Anwendbarkeit der in Betracht kommenden europarechtlichen Normen sicherzustellen. Allerdings ist die EuGVVO zeitlich nach der EuInsVO erlassen worden. Hätte der Verordnungsgeber beabsichtigt, die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit für die insolvenzbezogenen Einzelverfahren mangels einer entsprechenden Regelung in der EuInsVO der EuGVVO zu überlassen, hätte er dies in Art. 1 Abs. 2 lit. b EuGVVO klarstellen können (vgl. Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 1 Brüssel I-VO Rn. 22d). Schließlich kann zweifelhaft sein, ob es mit dem Regelungszweck der EuGVVO zu vereinbaren ist, lediglich die Zuständigkeitsvorschriften dieser Verordnung auf die insolvenzbezogenen Einzelverfahren anzuwenden, wenn sich deren Anerkennung und Vollstreckung nach Art. 25 Abs. 1 EuInsVO richtet.
4. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der Beantwortung der Vorlagefragen ab, weil deutsche Gerichte zur sachlichen Entscheidung berufen sind, wenn Art. 3 Abs. 1 EuInsVO so auszulegen ist, dass die Gerichte des Staates, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, auch für Insolvenzanfechtungsklagen international zuständig sind. Eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte könnte zwar unter dem Gesichtspunkt der internationalen Notzuständigkeit (vgl. dazu Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht 6. Aufl. Rn. 397; Linke, Internationales Zivilprozessrecht 4. Aufl. Rn. 205; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts 2. Aufl. Rn. 130; Geimer, aaO Rn. 1030; Schack, aaO Rn. 397) auch dann gegeben sein, wenn sich aus der EuInsVO keine Zuständigkeit für diese Klage ergibt und allein deutsches Zivilprozessrecht Anwendung findet. Das würde aber voraussetzen, dass die Anfechtungsklage nicht unter die EuGVVO fällt, weil in diesem Fall die belgischen Gerichte international zuständig wären.
Fundstelle(n):
DB 2007 S. 1693 Nr. 31
NJW 2007 S. 2512 Nr. 34
NWB-Eilnachricht Nr. 29/2007 S. 2458
RIW 2007 S. 698 Nr. 9
WM 2007 S. 1582 Nr. 33
ZIP 2007 S. 1415 Nr. 30
XAAAC-50903
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja