BAG Urteil v. - 10 AZR 295/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BetrVG § 77 Abs. 3; BetrVG § 77 Abs. 5; BGB § 133; BGB § 305b; HmbPersVG § 83 Abs. 1 Satz 2; HmbPersVG § 83 Abs. 2 Satz 2

Instanzenzug: ArbG Hamburg 21 Ca 447/04 vom LAG Hamburg 8 Sa 55/05 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines restlichen 14. Monatsgehalts für das Jahr 2003 und eines vollen 14. Monatsgehalts für das Jahr 2004.

Die Beklagte ist die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg. Diese ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit ca. 370 Arbeitnehmern. Sie hat insbesondere die Aufgabe, die ambulante vertragsärztliche Versorgung in ihrem Zuständigkeitsbereich sicherzustellen sowie die Qualität und die ordnungsgemäße Abrechnung der ärztlichen Leistungen zu kontrollieren. Die Beklagte ist nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband. Als juristische Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in Hamburg könnte sie der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. angehören, einem Mitgliedsverband der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände.

Die Klägerin ist seit dem bei der Beklagten als Angestellte beschäftigt. In § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom selben Tag ist vereinbart, dass für das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) gelten, soweit nicht zwischen dem Vorstand und dem Personalrat der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg besondere Vereinbarungen getroffen wurden, die Bestandteil dieses Vertrags sind.

Eine von der Beklagten und dem bei ihr gebildeten Personalrat am getroffene besondere Vereinbarung regelte ua. die Arbeitszeit sowie die Anwendung von Tarifverträgen. Ferner verpflichtete sich die Beklagte in dieser besonderen Vereinbarung, mit dem Gehalt für den Monat April ihren Arbeitnehmern eine weitere zusätzliche Sonderzahlung in Höhe von zwei Dritteln eines Monatsgehalts zu zahlen. Die besondere Vereinbarung vom wurde in der Folgezeit durch mehrere, im Wesentlichen inhaltsgleiche Vereinbarungen ersetzt. In einer als Betriebsvereinbarung bezeichneten Dienstvereinbarung vom regelten Geschäftsführung, Vorstand und Personalrat der Beklagten weitgehend die Arbeitsbedingungen. Da diese Vereinbarung zunächst auf gelbem Papier gedruckt war, wurde sie bei der Beklagten allgemein als "Betriebsvereinbarung Gelbe Seiten" (BV Gelbe Seiten) bezeichnet. In dieser heißt es ua.:

"I. Allgemeine Regelungen

...

8. Vergütungen und Löhne:

a) Die Höhe der Vergütungen und Löhne bemißt sich nach dem Vergütungstarifvertrag oder dem Manteltarifvertrag in der jeweils aktuellen Fassung oder nach der einzelvertraglich getroffenen Vereinbarung. Die Eingruppierung der Beschäftigten erfolgt nach einzelvertraglicher Regelung; dabei kann von den Bestimmungen des § 22 BAT abgewichen werden.

...

c) Ferner gelten in jeweils aktueller Fassung:

...

- Der Tarifvertrag über eine Zuwendung an Angestellte

...

e) Zusätzlich erhalten die Mitarbeiter eine weitere Sonderzahlung. Die Sonderzahlung wird in Höhe des Gehaltes bzw. Lohnes für den Monat April einschließlich der in Monatsbeträgen gezahlten Zulagen geleistet.

...

Die Sonderzahlung ist mit der April-Vergütung fällig. Ausscheidende Mitarbeiter erhalten die anteilige Sonderzahlung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

...

XII. Schlußbestimmungen

1. ...

2. Diese Vereinbarung löst alle bisherigen Vereinbarungen zwischen dem Personalrat und dem Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg ab.

Sie tritt am in Kraft.

3. Die Regelungen dieser Vereinbarung können mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende einzeln oder in ihrer Gesamtheit gekündigt werden.

Die Kündigung ist erstmals möglich zum ."

Die Beklagte kündigte die BV Gelbe Seiten zum . Für die Zeit ab dem legte sie mit dem Personalrat in neuen Vereinbarungen einzelne Leistungen fest, die in der BV Gelbe Seiten geregelt waren. Eine Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Personalrat über die Zahlung eines 14. Monatsgehalts kam nicht zustande.

In einem Schreiben vom teilte die Beklagte ihren Arbeitnehmern unter der Überschrift "Sonderzahlung" ua. Folgendes mit:

"Liebe Mitarbeiterin, lieber Mitarbeiter,

die KV Hamburg gewährt ihren Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnisse vor dem wirksam begründet wurden, im Abrechnungsmonat 04.2004 letztmalig eine Sonderzahlung nach den Vorschriften der zum gekündigten Dienstvereinbarung (Betriebsvereinbarung) vom , Abschnitt I Allgemeine Regelungen, Ziffer 8 Vergütungen und Löhne, Buchstaben e bis h.

...

Der Bemessungszeitraum für die Sonderzahlung ist 05.2003 bis 12.2003. Die Bezugsgröße ist grundsätzlich das Entgelt des Abrechnungsmonats 12.2003 und wird nach § 26 BAT einschließlich der in Monatsbeträgen gezahlten Zulagen ermittelt.

Die anteilige, letztmalig gezahlte Sonderzahlung wird ohne Anerkennung ihrer Rechtspflicht gewährt. Die letztmalige Gewährung begründet keinen Anspruch auf Festsetzung dieser Leistung in der Zukunft.

..."

Die Beklagte zahlte der Klägerin im April 2004 entsprechend ihrer Ankündigung im Schreiben vom kein volles, sondern nur ein anteiliges 14. Monatsgehalt für die Monate Mai bis Dezember 2003. Mit anwaltlichem Schreiben vom forderte die Klägerin die Beklagte ohne Erfolg auf, an sie weitere 731,98 Euro brutto zu zahlen. Im April 2005 erhielt die Klägerin kein 14. Monatsgehalt mehr.

Die Klägerin hat gemeint, ihr stehe ein 14. Monatsgehalt zu, so dass die Beklagte an sie für das Jahr 2003 weitere 731,98 Euro brutto und für das Jahr 2004 2.175,54 Euro brutto zu zahlen habe. Ihr Anspruch auf ein 14. Monatsgehalt ergebe sich aus einer mündlichen Zusage der Beklagten vor der Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrags, aus § 2 dieses Vertrags und aus der Regelung in Abschn. I Nr. 8 Buchst. e BV Gelbe Seiten. Die Beklagte habe ihr in einem Anfang August 1977 geführten Einstellungsgespräch mitgeteilt, dass sie ihre Arrbeitnehmer zwar grundsätzlich in Anlehnung an die Vorschriften des BAT vergüte, wegen der höheren Gehälter in der "freien Wirtschaft" jedoch beschlossen habe, jedem Beschäftigten jährlich 14 Monatsgehälter zu zahlen. Damit habe sie sich einverstanden erklärt. Ihr stehe ein 14. Monatsgehalt jedoch nicht nur auf Grund der mündlichen Zusage der Beklagten im Einstellungsgespräch zu, sondern auch auf Grund der Bezugnahme in § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags auf die zwischen der Beklagten und dem Personalrat geschlossenen Dienstvereinbarungen. Damit seien die bei der Beklagten geltenden Dienstvereinbarungen, insbesondere die BV Gelbe Seiten, konstitutiv und lediglich eingeschränkt dynamisch in Bezug genommen worden. Jedenfalls hätten die entsprechenden Regelungen in den Dienstvereinbarungen ihren Anspruch auf ein 14. Monatsgehalt begründet. Die Kündigung der BV Gelbe Seiten durch die Beklagte verstoße gegen § 83 HmbPersVG und § 2 KSchG und sei deshalb nicht wirksam. Jedenfalls gelte die Regelung in Abschn. I Nr. 8 Buchst. e BV Gelbe Seiten weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werde.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin

1. 731,98 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit ,

2. weitere 2.175,54 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit

zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, ein Anspruch der Klägerin auf ein restliches 14. Monatsgehalt für das Jahr 2003 und auf ein volles 14. Monatsgehalt für das Jahr 2004 ergebe sich weder aus einer mündlichen Zusage noch aus der Bezugnahmeklausel im schriftlichen Arbeitsvertrag. Die von ihr zum gekündigte BV Gelbe Seiten wirke nicht nach.

Das Arbeitsgericht hat - soweit für die Revision von Bedeutung - die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts insoweit zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Zahlungsansprüche weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen, soweit die Klägerin die Zahlung eines restlichen 14. Monatsgehalts für das Jahr 2003 und eines vollen 14. Monatsgehalts für das Jahr 2004 beansprucht hat.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, die Parteien hätten die Zahlung eines 14. Monatsgehalts vor der Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrags nicht in einem im August 1977 geführten Vorstellungsgespräch mündlich vereinbart. Das Vorbringen der Klägerin zum Inhalt dieses Gesprächs rechtfertige die Annahme einer solchen Abrede nicht. Selbst wenn bereits im August 1977 ein Arbeitsvertrag zwischen den Parteien in der von der Klägerin behaupteten Weise zustande gekommen wäre, müsste im Wege der Auslegung der Inhalt dieses Vertrags ermittelt werden. Diese Auslegung führe nicht zu einem vertraglichen Anspruch der Klägerin auf ein 14. Monatsgehalt. Sage der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer in einem Einstellungsgespräch bestimmte Leistungen zu, so liege darin regelmäßig keine Aussage über die Rechtsgrundlage der Leistung. Der Arbeitnehmer könne aus dem Umstand, dass nicht ausdrücklich auf eine bestimmte kollektivrechtliche Anspruchsgrundlage hingewiesen werde, redlicherweise nicht den Schluss ziehen, die Leistung solle mit ihm einzelvertraglich vereinbart werden. Es sei davon auszugehen, dass Arbeitnehmern bekannt sei, dass sich Vergütungssysteme aus Komponenten unterschiedlicher Rechtsnatur zusammensetzen könnten. Nur wenn der Arbeitgeber zweifelsfrei zum Ausdruck bringe, eine bestimmte Leistung solle unabhängig vom Schicksal ihrer gegenwärtigen Rechtsgrundlage zukünftig verlangt werden können, liege eine eigenständige individualvertragliche Zusage vor. Einen solchen Inhalt des Einstellungsgesprächs habe die Klägerin nicht behauptet. Unstreitig sei vielmehr, dass die Parteien im Einstellungsgespräch mit Ausnahme der tariflichen Eingruppierung über die Rechtsgrundlagen der zu erwartenden Vergütung nicht gesprochen hätten.

Ein Anspruch auf ein 14. Monatsgehalt ergebe sich nicht aus § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags. Die Parteien hätten eine Fortgeltung der zwischen dem Vorstand und dem Personalrat getroffenen besonderen Vereinbarungen über den Zeitpunkt ihrer kollektivrechtlichen Beendigung hinaus nicht vereinbart.

Die Klägerin könne ihren Anspruch auch nicht aus der BV Gelbe Seiten herleiten. Diese Dienstvereinbarung sei bis zum wirksam gewesen, soweit sie einen Anspruch auf ein 14. Monatsgehalt begründet habe. Ein 14. Monatsgehalt sei tariflich nicht geregelt gewesen und werde für die Angestellten des öffentlichen Dienstes üblicherweise auch nicht durch Tarifvertrag geregelt. Die Beklagte habe die BV Gelbe Seiten jedoch zum wirksam gekündigt. Die Bestimmungen der BV Gelbe Seiten wirkten nicht nach.

II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis und teilweise auch in der Begründung stand. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht erkannt, dass für das von der Klägerin beanspruchte 14. Monatsgehalt eine Anspruchsgrundlage fehlt.

1. Der Anspruch ergibt sich nicht aus einer mündlichen Abrede der Parteien vor dem Abschluss des schriftlichen Arbeitsvertrags.

a) Bei den von der Klägerin behaupteten und vom Landesarbeitsgericht als wahr unterstellten mündlichen Äußerungen der Parteien in dem im August 1977 geführten zweiten Vorstellungsgespräch handelt es sich um nichttypische Erklärungen. Deren Auslegung durch die Tatsachengerichte ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt und ob sie rechtlich möglich ist (st. Rspr., vgl. - EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 18; - 10 AZR 108/05 -; - 6 AZR 585/01 - BAGE 105, 205, 208; - 7 AZR 241/01 - BAGE 101, 262; - 5 AZR 296/99 - BAGE 96, 237, 241 mwN). Die Auslegung der von der Klägerin behaupteten Erklärungen der Parteien bezüglich der Zahlung von jährlich 14 Monatsgehältern durch das Landesarbeitsgericht hält dieser eingeschränkten Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.

b) Gemäß § 133 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war ( - EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 18; - 6 AZR 434/00 - AP BBiG § 10 Nr. 10 = EzA BBiG § 10 Nr. 6, zu I 3 der Gründe; - 10 AZR 323/01 - EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 110, zu II 1 b der Gründe).

c) Das Landesarbeitsgericht hat weder gegen diese Auslegungsgrundsätze und -regeln verstoßen noch wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen, soweit es die von der Klägerin behauptete Vergütungszusage der Beklagten vor der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags als Hinweis auf die zu dieser Zeit bei der Beklagten bestehende Vergütungsregelung ausgelegt hat. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, wonach die Klägerin die Mitteilungen der Beklagten zur Höhe ihrer Vergütung nicht so verstehen durfte, dass ihr ein 14. Monatsgehalt auf Dauer einzelvertraglich zustehen sollte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar haben nach § 305b BGB individuelle Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen und damit auch vor den vom Arbeitgeber vorformulierten Vertragsbedingungen in einem Formulararbeitsvertrag. Die von der Klägerin behauptete mündliche Erklärung der Beklagten, ihre Arbeitnehmer und damit auch die Klägerin erhielten jährlich 14 Monatsgehälter, muss jedoch nicht als Vertragsangebot im rechtsgeschäftlichen Sinn, sondern kann auch entsprechend der Auslegung des Landesarbeitsgerichts als Hinweis auf die zu dieser Zeit bei der Beklagten bestehende Vergütungsregelung verstanden werden (vgl. -; - 6 AZR 494/86 -). Informiert ein öffentlicher Arbeitgeber einen Arbeitnehmer während eines Einstellungsgesprächs über kollektivrechtlich geregelte Arbeitsbedingungen, gibt er noch keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen ab, wenn er sich nicht zugleich verpflichtet, diese Arbeitsbedingungen ungeachtet des Fortbestandes der kollektiven Regelungen auch in Zukunft beizubehalten (vgl. - AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 9 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 33). Dass die Beklagte der Klägerin vor der Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrags im Rahmen einer im Einzelnen ausgehandelten, individuellen Vertragsabrede mündlich zugesagt hat, die bestehende Vergütungsregelung künftig auch dann anzuwenden und an sie jährlich 14 Monatsgehälter zu zahlen, wenn die Vereinbarungen zwischen dem Vorstand und dem Personalrat einen solchen Anspruch nicht mehr vorsehen, hat die Klägerin nicht behauptet.

2. Jedenfalls im Ergebnis zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch erkannt, dass der Anspruch nicht aus § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags der Parteien folgt.

a) Bei den Erklärungen der Parteien in § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags handelt es sich nicht um individuelle, sondern um sog. typische Willenserklärungen. Die Beklagte hat die Formulierungen in dieser Vertragsbestimmung in einer Vielzahl von Fällen verwendet. Die Auslegung sog. typischer Willenserklärungen durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachprüfbar (st. Rspr., vgl. - EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 18, zu B I 1 a der Gründe; - 6 AZR 698/01 -, zu 1 der Gründe; - 5 AZR 637/98 - BAGE 93, 212, 215; - 4 AZR 14/99 - BAGE 93, 328, 338, jeweils mwN). Dieser uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung hält die Auslegung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis stand.

b) Mit der Vereinbarung in § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags, dass für das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) gelten, soweit nicht zwischen dem Vorstand und dem Personalrat der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg besondere Vereinbarungen getroffen wurden, die Bestandteil dieses Vertrags sind, haben die Parteien dem Wortlaut nach keine ausdrückliche Regelung über die Zahlung von jährlich 14 Monatsgehältern getroffen. Es fehlt - anders als in dem Fall, der der Entscheidung des Senats vom (- 10 AZR 34/03 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 254 = EzA BGB 2002 § 133 Nr. 3) zu Grunde lag - eine für die Begründung eines solchen Entgeltanspruchs typische Formulierung. Die Parteien haben nicht vereinbart, dass die Beklagte der Klägerin jährlich 14 Monatsgehälter zahlt.

c) Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht der Regelung in § 2 des Arbeitsvertrags auch keine konkludente arbeitsvertragliche Zusage in der Weise entnommen, dass der Klägerin jährlich 14 Monatsgehälter unabhängig von der Geltung der in Bezug genommenen besonderen Vereinbarungen zwischen dem Vorstand und dem Personalrat zustehen sollten.

aa) Das Landesarbeitsgericht hat auf Grund der von ihm angenommenen tarifvertragersetzenden Funktion der vom Vorstand und dem Personalrat getroffenen besonderen Vereinbarungen auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Bezugnahme auf tarifvertragliche Regelungen im Arbeitsvertrag hingewiesen und die Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrags als konstitutive und dynamische Verweisung auf die zwischen der Beklagten und ihrem Personalrat getroffenen Vereinbarungen ausgelegt. Allerdings sind Verweisungen im Arbeitsvertrag auf ohnehin anwendbare gesetzliche, tarifliche oder betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften im Zweifel deklaratorisch gemeint ( - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 254 = EzA BGB 2002 § 133 Nr. 3). Die Arbeitsvertragsparteien wollen in der Regel durch die Verweisung auf ohnehin geltende kollektive Regelungen keinen eigenständigen individualvertraglichen Geltungsgrund für diese Regelungen schaffen. Sie bringen regelmäßig durch eine solche Verweisung nur zum Ausdruck, dass nicht sämtliche für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Bestimmungen im Text des Arbeitsvertrags wiedergegeben, sondern darüber hinaus in den genannten kollektiven Vereinbarungen enthalten sind ( - BAGE 108, 299, 302). Die Verweisungsklausel stellt dann schon kein Rechtsgeschäft dar. Ihr liegen keine Willenserklärungen zu Grunde, durch die Rechtsfolgen bewirkt werden sollen. Es handelt sich um einen bloßen rechtlichen Hinweis ( - aaO). Soweit das Landesarbeitsgericht bei der Auslegung von § 2 des Arbeitsvertrags auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf Tarifverträge zurückgegriffen hat, hat es nicht berücksichtigt, dass mit einer im Arbeitsvertrag vereinbarten Anwendung von Tarifverträgen in der Regel eine Gleichstellung nicht tarifgebundener Arbeitnehmer mit tarifgebundenen Arbeitnehmern erreicht werden soll und ein solches Gleichstellungsbedürfnis bei der Verweisung auf Betriebs- und Dienstvereinbarungen nicht besteht.

bb) Die Regelung in § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags erschöpft sich allerdings nicht in der Bezugnahme auf die zwischen dem Vorstand und dem Personalrat getroffenen besonderen Vereinbarungen. Die Parteien haben in dieser Vertragsvorschrift darüber hinaus bestimmt, dass die genannten besonderen Vereinbarungen Bestandteil des Arbeitsvertrags sind. Selbst wenn § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags auf Grund dieser Abrede einen rechtsgeschäftlichen Inhalt hätte, würde diese Vertragsbestimmung den Anspruch nicht begründen. Der Klausel lässt sich nicht der Wille der Vertragsparteien entnehmen, es sollten die bei Abschluss des Arbeitsvertrags geltenden besonderen Vereinbarungen unabhängig von ihrem kollektivrechtlichen Fortbestand und allein mit ihrem seinerzeit gültigen Inhalt als vertraglich vereinbart gelten. Hätten die Parteien eine solche konstitutive, statische Verweisung auf die Dienstvereinbarungen gewollt, um der Klägerin einen individuellen Besitzstand zu sichern, hätten sie dies eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Grundsätzlich gilt die sog. Zeitkollisionsregel, wonach die jüngere Betriebs- oder Dienstvereinbarung die ältere Betriebs- oder Dienstvereinbarung ablöst, ohne dass es darauf ankommt, ob die bisherige Norm für den Arbeitnehmer günstiger war (vgl. - BAGE 96, 249). Die Beklagte konnte deshalb die bei Abschluss des Arbeitsvertrags geltenden Dienstvereinbarungen zusammen mit dem Personalrat fortentwickeln und mangels einer entgegenstehenden Abrede der Parteien auch zum Nachteil der Klägerin ändern. Auch die Klägerin geht davon aus, dass die Regelungen der bei Abschluss des Arbeitsvertrags geltenden besonderen Vereinbarungen zwischen Vorstand und Personalrat nicht ungeachtet ihres kollektivrechtlichen Fortbestandes Inhalt des Arbeitsvertrags geworden sind. Sie stützt ihren Anspruch auf jährlich 14 Monatsgehälter auf § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags iVm. Abschn. I Nr. 8 Buchst. e Abs. 1 BV Gelbe Seiten. Diese am abgeschlossene Dienstvereinbarung ist am und damit erst viele Jahre nach Abschluss des Arbeitsvertrags in Kraft getreten.

cc) Abschn. I Nr. 8 Buchst. e Abs. 1 BV Gelbe Seiten begründet den Anspruch der Klägerin nicht.

(1) Nach dieser Bestimmung erhalten die Mitarbeiter eine weitere Sonderzahlung in Höhe des Gehalts bzw. des Lohns für den Monat April einschließlich der in Monatsbeträgen geleisteten Zulagen. Nach § 83 Abs. 1 Satz 2 HmbPersVG können jedoch Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nur Gegenstand von Dienstvereinbarungen sein, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Dienstvereinbarungen ausdrücklich ermöglicht. Sind Gegenstand einer Betriebsvereinbarung Arbeitsentgelte oder sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, ohne dass der Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt, und verstößt eine Betriebsvereinbarung somit gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, ist sie unwirksam ( - EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 3; - 1 ABR 64/03 - BAGE 114, 162; - 1 ABR 9/02 - AP BetrVG 1972 § 21a Nr. 1 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 3, zu B II 2 c aa der Gründe; - 1 AZR 631/98 - BAGE 91, 244, 257). Dies gilt auch für Dienstvereinbarungen, die unter Verstoß gegen § 83 Abs. 1 Satz 2 HmbPersVG durch Tarifvertrag geregelte oder üblicherweise geregelte Arbeitsentgelte oder sonstige Arbeitsbedingungen festlegen.

(2) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts wird die in Abschn. I Nr. 8 Buchst. e Abs. 1 BV Gelbe Seiten vereinbarte weitere Sonderzahlung in Höhe des Gehalts bzw. Lohns für den Monat April von dem Regelungsverbot des § 83 Abs. 1 Satz 2 HmbPersVG erfasst. Die Tarifvertragsparteien haben für die unter den Geltungsbereich des BAT fallenden Angestellten im Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom (Zuwendungstarifvertrag) und den nachfolgenden Änderungstarifverträgen die Anspruchsvoraussetzungen und die Höhe der den vom Geltungsbereich des BAT erfassten Angestellten in jedem Kalenderjahr zustehenden Zuwendung geregelt, ohne den Abschluss ergänzender Dienstvereinbarungen zuzulassen. Deshalb verstößt eine Dienstvereinbarung, die die Höhe der jährlichen Zuwendung anders festlegt, gegen § 83 Abs. 1 Satz 2 HmbPersVG und ist unwirksam. Dabei kommt es entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht darauf an, ob in der Dienstvereinbarung die Höhe der tariflich geregelten Zuwendung abweichend festgelegt oder zusätzlich zur tariflichen Zuwendung eine weitere Sonderzahlung vereinbart wird. In beiden Fällen liegt eine grundsätzlich nicht zulässige Aufstockung der tariflichen Zuwendung vor (vgl. zur Nichtigkeit von Betriebsvereinbarungen zur Erhöhung der tariflichen Vergütung und jährlichen tariflichen Zuwendung - BAGE 82, 89).

(3) Auch wenn die in Abschn. I Nr. 8 Buchst. e Abs. 1 BV Gelbe Seiten geregelte weitere Sonderzahlung in Höhe der Vergütung für April entsprechend der Auffassung der Klägerin als Teil des Jahresgehalts verstanden wird, gilt nichts anderes. Die Höhe der Vergütung der unter den Geltungsbereich des BAT fallenden Angestellten war in den Vergütungstarifverträgen zum BAT geregelt. Der Anspruch auf die weitere Sonderzahlung ist nicht an andere Voraussetzungen als die tarifliche Vergütung geknüpft, wie zB an zusätzliche Leistungen des Angestellten, und konnte deshalb nach § 83 Abs. 1 Satz 2 HmbPersVG nicht Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein.

(4) Ohne Bedeutung ist, dass die Beklagte keinem Arbeitgeberverband als Mitglied angehört. Ebenso wie die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG hängt die des § 83 Abs. 1 Satz 2 HmbPersVG nicht davon ab, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Beide Vorschriften sollen die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gewährleisten, indem sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang zur Regelung von Arbeitsbedingungen einräumen (vgl. zu diesem Zweck des § 77 Abs. 3 BetrVG - BAGE 82, 89). Diese Befugnis soll nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. Personalrat abweichende Vereinbarungen treffen. Ausgehend von diesem Normzweck kann die Sperrwirkung nicht von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers abhängen. Die Sperrwirkung einer tariflichen Regelung reicht so weit wie deren Geltungsanspruch ( -BAGE 114, 162, 171). Bei Tarifgebundenheit der Beklagten hätten der Zuwendungstarifvertrag und die Vergütungstarifverträge für die vom BAT erfassten Angestellten Anwendung gefunden. Die Klägerin hat selbst behauptet, dass die Beklagte als juristische Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in Hamburg der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. und somit einem Mitgliedsverband der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände angehören könnte.

dd) Allerdings kann eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auch kollektivrechtlich unwirksame Betriebs- oder Dienstvereinbarungen erfassen. Nicht jeder kollektivvertragliche Unwirksamkeitsgrund hindert den inhaltsgleichen Arbeitsvertrag (vgl. zur geltungsverschaffenden arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf unwirksame Betriebsvereinbarungen Rieble/Schul RdA 2006, 339, 346 ff.; zu deren Umdeutung in eine vertragliche Einheitsregelung (Gesamtzusage oder gebündelte Vertragsangebote) vgl. - AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 23 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 14; - 4 AZR 532/95 - BAGE 85, 208). Selbst wenn zugunsten der Klägerin eine solche geltungsverschaffende Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrags angenommen würde, hätte die Klägerin trotzdem keinen Anspruch auf ein restliches 14. Monatsgehalt für das Jahr 2003 und ein volles 14. Monatsgehalt für das Jahr 2004, weil die Beklagte die BV Gelbe Seiten zum gekündigt hat.

(1) Gemäß Abschn. XII Nr. 3 Satz 1 BV Gelbe Seiten konnten die Regelungen der BV Gelbe Seiten mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende einzeln oder in ihrer Gesamtheit gekündigt werden. Nach Abschn. XII Nr. 3 Satz 2 BV Gelbe Seiten war die Kündigung erstmals zum möglich.

(2) Von dieser Kündigungsmöglichkeit hat die Beklagte zum Gebrauch gemacht. Für die Kündigung von Betriebsvereinbarungen ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass diese unter Einhaltung der dreimonatigen Frist des § 77 Abs. 5 BetrVG gekündigt werden können und grundsätzlich keine weiteren Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung bestehen, insbesondere die Kündigung einer Betriebsvereinbarung keines sachlichen Grundes bedarf ( - 1 ABR 58/05 -; - 1 AZR 604/02 - BAGE 108, 299, 305; - 3 AZR 21/98 - BAGE 91, 310, 314). Das gilt auch für Dienstvereinbarungen nach dem HmbPersVG, wenn diese eine Kündigung vorsehen und die Kündigung nicht an das Vorliegen von Kündigungsgründen knüpfen. Die Regelung in § 83 Abs. 2 Satz 2 HmbPersVG, wonach Dienstvereinbarungen, soweit in ihnen nichts anderes bestimmt ist, wirksam bleiben, bis sie durch neue Dienstvereinbarungen ersetzt sind, schließt die Kündigung einer Dienstvereinbarung jedenfalls dann nicht aus, wenn in dieser wie in der BV Gelbe Seiten die Möglichkeit der Kündigung ausdrücklich vorgesehen ist. Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass § 83 Abs. 2 Satz 2 HmbPersVG der Kündigung einer Dienstvereinbarung nicht entgegensteht, wenn die Dienstvereinbarung eine Kündigungsregelung enthält ( - 6 P 12/00 - AP LPVG Hamburg § 83 Nr. 1).

Fundstelle(n):
DB 2007 S. 2097 Nr. 38
DAAAC-50807

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