BFH Beschluss v. - V B 13/06

Anspruch auf rechtliches Gehör; ordnungsgemäße Beweiswürdigung

Gesetze: FGO § 96 Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war in den Streitjahren (1998 und 1999) als Immobilienmakler unternehmerisch tätig. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hatte er im Jahr 1994 das Haus B-Straße in X erworben und bis April 1999 zu eigenen Wohnzwecken genutzt. In den Streitjahren ließ er Baumaßnahmen an dem Haus durchführen. Im Antrag auf Baugenehmigung vom wurde im Abschnitt „Zweckbestimmung des Vorhabens” als Gebäudeart „Wohngebäude” angegeben und das Vorhaben mit „Umbau des Wohnhauses, Dachgeschossausbau, Abriss Erdgeschossanbau und Wiederaufbau” beschrieben. In der Baubeschreibung wurde als Zweckbestimmung des Gebäudes „Einfamilien-Wohnhaus” angegeben und im „Erhebungsvordruck für Baugenehmigung” wurde die Frage, ob sich der Nutzungsschwerpunkt des Gebäudes zwischen Wohn- und Nichtwohnbau ändere, verneint.

In den im August 2000 (für 1998) und am (für 1999) beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) eingegangenen Umsatzsteuererklärungen machte der Kläger zunächst keine Vorsteuerbeträge aus den Umbaumaßnahmen geltend. Am 28. und reichte der Kläger berichtigte Umsatzsteuererklärungen ein, in denen er nunmehr Vorsteuerbeträge aus den Baumaßnahmen in Anspruch nahm. Zur Begründung trug er vor, das Haus B-Straße in X habe nach dem Umbau an Unternehmen vermietet werden sollen, die das Grundstück ausschließlich zur Erzielung von Umsätzen verwenden würden, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.

Das FA lehnte den Antrag auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen 1998 und 1999 ab. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Zur Begründung seines Urteils führte das FG im Wesentlichen aus, der Vorsteuerabzug nach § 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) setze voraus, dass der Unternehmer im Zeitpunkt des Leistungsbezugs die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht gehabt habe, die Eingangsumsätze für steuerpflichtige Ausgangsumsätze zu verwenden. Derartige Anhaltspunkte seien nicht erkennbar; vielmehr lägen objektive Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger das Haus auch nach dem Umbau mit seiner Familie weiterhin als Wohnhaus habe nutzen wollen.

Die vom Kläger vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen seiner Ehefrau, des A und des mit dem Umbau befassten Architekten ergäben keine Anhaltspunkte für die vom Kläger behauptete Vermietungsabsicht.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger sämtliche Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend.

Der Kläger trägt vor, durch die eidesstattlichen Versicherungen seiner Ehefrau, des A und des Architekten sei seine, des Klägers, Absicht zur gewerblichen Vermietung des Hauses nachgewiesen. Die Beweiswürdigung des FG sei fehlerhaft. Daraus folge vorliegend eine Verletzung der §§ 9 und 15 UStG sowie der Abschn. 148 und 192 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR). Außerdem stelle es eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, wenn das FG sein, des Klägers, gesamtes Vorbringen gegen ihn verwende.

Das FG habe auch gegen seine Verpflichtung zur Sachaufklärung aus § 76 FGO verstoßen. Wenn es den eidesstattlichen Versicherungen nicht habe folgen wollen, sei es verpflichtet gewesen, die Personen, deren eidesstattliche Versicherungen er vorgelegt habe, als Zeugen zu vernehmen. Darin, dass das FG ohne eine solche Beweisaufnahme entschieden habe, sei eine Überraschungsentscheidung zu sehen.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

1. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Der Kläger hat nicht dargelegt, um welche entscheidungserhebliche Rechtsfrage, die das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, es seiner Ansicht nach geht (vgl. , BFH/NV 2003, 60, mit Nachweisen). Soweit der Kläger geltend macht, grundsätzliche Bedeutung habe die Frage, wie eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung zu erfolgen habe, so ist diese Frage geklärt (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 96 Rz 15 ff., mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

2. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, inwieweit die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordere. Die Voraussetzungen der Divergenz sind nicht erfüllt, weil der Kläger, soweit er auf Entscheidungen des BFH, des Bundesgerichtshofs und des Reichsgerichts Bezug nimmt, keine tragenden und abstrakten Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausgearbeitet und einander gegenübergestellt hat, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. BFH-Beschlüsse vom V B 159/05, BFH/NV 2006, 1892; vom V B 163/04, juris; vom V B 36/05, BFH/NV 2007, 69).

3. Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe den Sachverhalt und die vorgelegten Beweise falsch gewürdigt, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Eine fehlerhafte Sachverhalts- oder Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung durch den BFH im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entzogen (Gräber/ von Groll, a.a.O., § 115 Rz 76, 82, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

4. Es wird auch kein Verfahrensfehler geltend gemacht, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Wird —wie hier— die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, auf deren Beachtung der Betroffene verzichten kann (hier: Vorschriften über die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme), so muss der Beschwerdeführer vortragen, dass er den Verstoß in der Vorinstanz gerügt habe bzw. aus welchen entschuldbaren Gründen er an einer solchen Rüge vor dem FG gehindert gewesen sei (BFH-Beschlüsse vom IX B 194/03, BFH/NV 2005, 1354; in BFH/NV 2007, 69). Ausweislich der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem hat der Kläger weder die Vernehmung von Zeugen beantragt noch das Absehen von der Erhebung eines Zeugenbeweises gerügt. Dieses Versäumnis ist auch nicht, wie der Kläger meint, unter Hinweis auf eine angebliche Überraschungsentscheidung des FG zu entschuldigen. Eine Überraschungsentscheidung liegt nicht vor (vgl. zum Begriff , BFH/NV 2005, 1355). Dem Kläger war schon aus dem Gerichtsbescheid vom bekannt, dass das FG keine objektiven Anhaltspunkte für die Absicht einer gewerblichen Vermietung erkennen konnte. Der Kläger konnte sich nicht darauf verlassen, dass sich diese Beurteilung allein aufgrund der eidesstattlichen Versicherungen, die nach der Würdigung durch das FG keine Aussage über die Streitjahre enthielten, zwingend ändern würde.

Es liegt auch keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) vor. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs beinhaltet die Verpflichtung des Gerichts, das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, nicht aber —wie der Kläger meint— diesem inhaltlich zu folgen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1677 Nr. 9
ZAAAC-50107