BFH Beschluss v. - X B 34/06

Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (hier: Pensionsrückstellung)

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 6a Abs. 3

Instanzenzug:

Gründe

Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) ausdrücklich auf das Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—; dazu unten 2.) und sinngemäß auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; hierzu unten 1.) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

1. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht kommt den von ihnen formulierten drei Rechtsfragen eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu, weil sie bereits höchstrichterlich geklärt sind.

a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die grundsätzliche Bedeutung muss im Hinblick auf eine bestimmte (abstrakte und im Streitfall entscheidungserhebliche) Rechtsfrage gegeben sein. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig sein (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. die Nachweise bei Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 28). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es u.a. dann, wenn die in Rede stehende Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, welche eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 28, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

b) Nach diesen Maßstäben kommt der von den Klägern herausgestellten ersten Rechtsfrage, ob „in der Zusage von Versorgungsbezügen in Festbeträgen (statt einer teildynamischen Pensionszusage) automatisch die Vorwegnahme künftiger Entwicklungen i.S. von § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG zu sehen” ist, eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu, weil sie nicht (mehr) klärungsbedürftig ist.

Zutreffend haben die Kläger diese Rechtsfrage unter Hinweis darauf verneint, dass eine solche —starre— Automatik nicht besteht. Diese Sichtweise entspricht auch —worauf die Kläger selbst zu Recht hingewiesen haben— der eindeutigen Auffassung der Finanzverwaltung. So wird in Tz. 1 des Schreibens des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom (BStBl I 2004, 1045) klargestellt, dass auch „überdurchschnittlich hohe Versorgungszusagen…steuerrechtlich anzuerkennen (seien), soweit die Zusagen betrieblich veranlasst sind und arbeitsrechtlich keine Reduzierung der Versorgungszusagen aufgrund planwidriger Überversorgung möglich ist (...)”. Damit im Einklang stehend wird in Tz. 6 des zitierten BMF-Schreibens hervorgehoben, die „Frage, ob durch überdurchschnittlich hohe Versorgungszusagen künftige Einkommens- und Lohnentwicklungen vorweggenommen (würden) und somit ein Verstoß gegen…§ 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG…(vorliege, richte) sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles. Maßgebend (sei), ob unter Heranziehung objektiver Merkmale das überdurchschnittlich hohe Versorgungsniveau von vorneherein beabsichtigt (worden sei) oder eine Vorwegnahme künftiger Einkommens- und Lohnentwicklungen anzunehmen (sei)”. In Tz. 7 des genannten BMF-Schreibens heißt es schließlich, „von einer möglichen Vorwegnahme künftiger Einkommensentwicklungen (könne) regelmäßig (Hervorhebung durch den angerufenen Senat) ausgegangen werden, wenn die sog. 75 %-Grenze i.S. der (BFHE 178, 134, BStBl II 1996, 420) und I R 70/03 (BFHE 206, 37, BStBl II 2004, 937) und I R 79/03 (BFHE 206, 52, BStBl II 2004, 940) überschritten (werde)”.

Diese Äußerungen werden in der Literatur zu Recht dahin gehend interpretiert, dass die Zusage einer gemessen am aktuellen Arbeitsentgelt überhöhten, d.h. die erwähnte 75 %-Grenze überschreitenden betrieblichen Altersversorgung lediglich ein Indiz bzw. ein Anhalt für eine steuerrechtlich unzulässige Vorwegnahme künftiger Lohntrends bilde und deshalb nicht zwingend —im Sinne eines strikten Automatismus— zur steuerrechtlichen Versagung einer entsprechenden Pensionsrückstellung führen müsse (vgl. Pitzke, Neue Wirtschafts-Briefe —NWB— Fach 17, 1913, 1914, unter IV. und IV.1.). Maßgebend für „die Beantwortung der Frage, ob das hohe Versorgungsniveau einer Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von vorneherein beabsichtigt (worden sei) oder ob durch die Höhe künftige Einkommens- und Lohnentwicklungen vorweggenommen werden (sollten, seien) die Umstände des jeweiligen Einzelfalles ...” (Pitzke, NWB Fach 17, 1913, 1914, unter IV.).

Diese Auffassung liegt auch dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) zugrunde. Auf dessen S. 7 hat das FG ausgeführt, dass sich die Beantwortung der Frage, „ob durch überdurchschnittlich hohe Versorgungszusagen künftige Einkommens- und Lohnentwicklungen vorweggenommen werden, so dass ein Verstoß gegen…§ 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG vorliegt,…nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles (richte)”. Auch der BFH folgt dieser Linie. Dies ergibt sich bereits aus dem grundlegenden (BFHE 117, 367, BStBl II 1976, 142). Wenn der BFH dort (unter II.B.1. 1.3.) ausgeführt hat, die „Überhöhung” des zugesagten Altersruhegeldes stelle „nicht etwa einen Ausgleich für unzureichende, d.h. unter dem üblichen Lohnniveau liegende Aktivbezüge dar —einen derartigen Sachverhalt (habe) das FG weder festgestellt noch (hätten) ihn die Kläger behauptet—”, sondern „erkläre sich vielmehr daraus, dass der Kläger bei der Bestimmung der als Versorgungsbezüge zugesagten festen Bezüge einen künftigen säkularen = ungewissen Einkommenstrend berücksichtigt (habe)”, so lässt sich dies nur vor dem Hintergrund erklären, dass eine „Überversorgung” der pensionsberechtigten Arbeitnehmer nicht in jedem Fall und im Sinne einer starren „Automatik” zu einer steuerrechtlichen Versagung der (vollen) Pensionsrückstellung führen muss. Im Urteil in BFHE 178, 134, BStBl II 1996, 420 (unter II.2.c bb, am Ende) hebt der BFH hervor, dass die Zusage einer Rente, die über die üblicherweise durch Betriebsrenten abgedeckten Einkommensausfälle hinausgehe, in aller Regel (Hervorhebung durch den beschließenden Senat), mit anderen Worten also nicht stets und zwangsläufig, nur durch die Annahme zu erklären sei, dass künftig wesentliche inflationäre Einkommensentwicklungen eintreten würden.

c) Auch der zweiten von den Klägern formulierten Rechtsfrage, ob „auch eine Pensionszusage an fremde dritte Arbeitnehmer hinsichtlich einer etwaig bestehenden Überversorgung auf Angemessenheit zu prüfen” ist, kommt mangels Klärungsbedürftigkeit eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu.

aa) Klarstellend weist der beschließende Senat zunächst darauf hin, dass die Frage der Angemessenheit und Drittüblichkeit der in (Austausch-)Verträgen zwischen einander nahestehenden Personen und zwischen Kapitalgesellschaften und deren (beherrschenden) Gesellschaftern vereinbarten (Gegen-)Leistungen sowie die damit ggf. zusammenhängenden Probleme der verdeckten Entnahme und verdeckten Gewinnausschüttung strikt von der im Streitfall allein zu beurteilenden Problematik zu unterscheiden sind, ob in einem festen Betrag zugesagte Versorgungsbezüge, welche gemessen an der Höhe des aktuellen Arbeitslohns zu einer „Überversorgung” führen, nach Maßgabe der Regelung in § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf einen angemessenen Umfang zu kürzen sind.

bb) Bezüglich des hier ausschließlich in Rede stehenden letztgenannten Problems entspricht es der ständigen und einmütigen Rechtsprechung des BFH und ist damit nicht mehr klärungsbedürftig, dass die Frage der im Hinblick auf die Wertung des § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG vorzunehmenden Korrekturen einer Pensionsrückstellung sämtliche Arbeitnehmer des Betriebsinhabers (Steuerpflichtigen) und nicht nur diesem nahestehende Personen und Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft betrifft (vgl. dazu schon BFH-Urteil in BFHE 117, 367, BStBl II 1976, 142, betreffend Einzelunternehmer, der sowohl nahe Angehörige als auch —überwiegend— fremde Arbeitnehmer beschäftigte; ferner BFH-Urteil in BFHE 178, 134, BStBl II 1996, 420, betreffend GmbH, die sowohl ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer als auch den übrigen —fremden— Arbeitnehmern Pensionszusagen erteilte). Dieser Rechtsprechung hat sich das FG im angefochtenen Urteil angeschlossen. Zutreffend hat das Gericht in diesem Zusammenhang hervorgehoben, im „Hinblick auf den in Art. 3 des Grundgesetzes aufgestellten Gleichbehandlungsgrundsatz (sei) offenkundig, dass die von der Rechtsprechung entwickelte 75 %-Grenze für nicht mit dem Arbeitgeber verwandte Arbeitnehmer und für Verwandte gleichermaßen gelten (müsse). Der BFH (lege) daher für beide Personengruppen einheitliche Maßstäbe an, da ansonsten unterschiedliche Rückstellungsmöglichkeiten für Pensionsansprüche von Gesellschafter-Geschäftsführern und deren Ehegatten einerseits (maximal 75 %) und sonstigen Arbeitnehmern andererseits (über 75 %) ermöglicht und damit Verwandte schlechter als sonstige Arbeitnehmer gestellt würden” (S. 8 des angefochtenen Urteils).

Substantiierte Einwände, inwiefern und aus welchen Gründen die —wie vorstehend dargelegt— bereits höchstrichterlich beantwortete Frage weiterhin umstritten sei, insbesondere welche neuen und gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung der FG und/oder im Schrifttum gegen die Rechtsprechung des BFH vorgebracht worden seien (vgl. hierzu z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 33), haben die Kläger nicht erheben können.

d) Schließlich ist auch der dritten von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfrage, ob „die in Anlehnung an die BAG-Rechtsprechung aus dem Jahr 1972 als Kriterium für eine Überversorgung gebildete 75 %-Grenze vor dem Hintergrund des stetig gesunkenen und —jedenfalls bis zum Jahr 2030— weiterhin sinkenden Rentenniveaus sowie der Bemühungen des Gesetzgebers bezüglich der Bildung einer privaten und betrieblichen Altersvorsorge der Höhe nach (noch) gerechtfertigt” sei, keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen. Denn auch diese Rechtsfrage bedarf jedenfalls in Bezug auf den hier zu beurteilenden Streitzeitraum (1998 und 1999) keiner höchstrichterlichen Klärung mehr. Mit Recht hat schon das FG (vgl. S. 9 des angefochtenen Urteils) darauf hingewiesen, dass der BFH im Urteil in BFHE 206, 37, BStBl II 2004, 937, das ebenfalls die Streitjahre 1998 und 1999 betrifft, „in Kenntnis der demografischen Entwicklung und der zukünftig zu erwartenden geringeren Renten” an der in ständiger Rechtsprechung angewendeten 75 %-Grenze festgehalten habe. „Da die 75 %-Grenze in Anlehnung an die frühere Beamtenversorgung entwickelt worden sein dürfte, (sei) umgekehrt sogar nicht ausgeschlossen, dass angesichts der sinkenden Versorgungsbezüge auch bei sonstigen Arbeitnehmern eine Absenkung der Grenze erwogen werden könnte.”

Ergänzend bemerkt der angerufene Senat, dass bei der Ermittlung, ob die sog. 75 %-Grenze überschritten wird, sämtliche am Bilanzstichtag zugesagten Versorgungsansprüche im rechnerischen Pensionsalter unter Einschluss der zu erwartenden Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen sind (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 178, 134, BStBl II 1996, 420, unter II.3.b; in BFHE 206, 37, BStBl II 2004, 937, unter II.2.a; in BFHE 206, 52, BStBl II 2004, 940, unter II.1.; vom I R 62/03, BFHE 207, 443, BStBl II 2005, 176, unter II.2.a; vgl. ferner BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 1045, 1046, Tz. 12; Pitzke, NWB Fach 17, 1913, 1915, unter V.2.). Ein sinkendes Rentenniveau mindert also „automatisch” die Höhe der im Rahmen der 75 %-Grenze anzusetzenden Versorgungsansprüche und erhöht damit —der Förderung der betrieblichen Altersversorgung Rechnung tragend— zugleich das Potenzial für die steuerrechtlich anzuerkennenden Pensionsrückstellungen.

2. Aus den unter 1. genannten Gründen kommt die Zulassung der Revision auch nicht wegen des Erfordernisses einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) in Betracht (zur Qualifikation dieses Zulassungsgrundes als speziellen Tatbestand der „Grundsatzrevision” vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 38).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1703 Nr. 9
KAAAC-50096