BFH Urteil v. - II R 50/06

Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG in Fällen der Änderung im Gesellschafterbestand; Anlaufhemmung der Verjährung

Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 2a; GrEStG § 6 Abs. 3; GrEStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a; AO § 169; AO § 170

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist infolge Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der Grundbesitz KG (KG) geworden. Diese erwarb mit Vertrag vom von der Grundbesitz Objekt KG Grundstücke zu einem Kaufpreis von ... DM. An beiden Gesellschaften waren die gleichen Gesellschafter beteiligt. Mit Vertrag vom trat die X-AG (AG) als persönlich haftende Gesellschafterin in die KG ein. Sie war am Festkapital der KG mit 80 % beteiligt; die Anteile der bisherigen Gesellschafter reduzierten sich entsprechend auf 20 %. Der Vertrag vom wurde vom Notar der damals zuständigen Finanzbehörde nicht angezeigt.

Die ursprünglich zuständige Finanzbehörde stellte mit Bescheid vom gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin den Erwerb laut Vertrag vom unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 6 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steuerfrei. Mit Bescheid vom hob der inzwischen zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) den Vorbehalt der Nachprüfung auf und setzte die Grunderwerbsteuer auf 0 € fest.

Am erhielt das FA durch eine Kontrollmitteilung Kenntnis vom Vertrag vom (Eintritt der AG in die KG) und setzte mit nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geändertem Bescheid vom die Grunderwerbsteuer für den Erwerb laut Vertrag vom gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin auf ... DM fest. Es berücksichtigte hierbei, dass die ursprünglichen Gesellschafter nach dem Beitritt der AG an der KG nur noch zu 20 % beteiligt waren.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin u.a. den Ablauf der Festsetzungsfrist geltend machte, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) nahm an, die Klägerin habe nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG den Eintritt der AG in die KG anzeigen müssen; demnach sei keine Festsetzungsverjährung eingetreten.

Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG.

Sie beantragt, den Grunderwerbsteuerbescheid vom , die Einspruchsentscheidung vom sowie die Vorentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom sowie der Steuerbescheid vom waren aufzuheben.

Das FG hat zu Unrecht angenommen, die Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG erstrecke sich auch auf Umstände —im Streitfall die Änderung im Gesellschafterbestand durch Gesellschaftsvertrag vom —, die zur Versagung der Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG führen. Eine Anzeigepflicht besteht in Fällen der Änderung im Gesellschafterbestand, die nach § 5 und § 6 Abs. 3 GrEStG befreiten Einbringungsfällen folgt, erst mit der Einfügung des § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG.

1. Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Abweichend hiervon beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).

Die Umstände einer auf einem vorgefassten Plan beruhenden Änderung im Gesellschafterbestand in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand, der dazu führt, dass die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG zu versagen ist (vgl. , BFHE 200, 426, BStBl II 2003, 358, m.w.N.), sind nicht nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG anzuzeigen; der Anlauf der Festsetzungsfrist wird daher nicht gehemmt.

a) Eine ausdrückliche Regelung einer Anzeigepflicht für solche Umstände enthält § 19 GrEStG nicht. Sie ergibt sich auch nicht aus der im Streitjahr geltenden Fassung des § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG. Nach dieser Vorschrift müssen Steuerschuldner Anzeige erstatten über „Änderungen des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a)” (zu den verschiedenen Gesetzesfassungen vgl. Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl., § 19 Rn. 1 und 17 ff.).

Aus dem Klammerzusatz „§ 1 Abs. 2a” ergibt sich eindeutig, dass sich die Anzeigepflicht auf Rechtsgeschäfte bezieht, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllen können (vgl. , juris STRE200451140). Dies entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers. Er wollte durch diese Vorschrift „eine Anzeigepflicht für Erwerbsvorgänge im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG” einführen (Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses zum Jahressteuergesetz 1997, BRDrucks 804/1/96, S. 15). Die Anzeigepflicht flankiert damit nach der erkennbaren Absicht des Gesetzgebers die Neufassung des § 1 Abs. 2a GrEStG, durch die die Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Personengesellschaften der Grunderwerbsteuer unterworfen werden sollte, wenn sie im wirtschaftlichen Ergebnis einer Übertragung des Grundstücks gleich kommt (Finanzausschuss in BRDrucks 804/1/96, S. 14). Ein über diese Absicht hinausreichender Wille des Gesetzgebers ist weder erkennbar noch hat er im Gesetzestext Niederschlag gefunden. Dieses Verständnis entspricht für das Streitjahr auch der Verwaltungsauffassung. Eine Anzeigepflicht besteht danach nur dann, „wenn eine vollständige oder wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG eingetreten ist” (abgestimmter Ländererlass Finanzministerium Baden-Württemberg 3-S 4501/6 vom , BStBl I 1998, 925). Eine Verletzung dieser Anzeigepflicht kann nur Folgen für den Erwerbsvorgang haben, auf den sie sich bezieht.

Auch systematische Überlegungen sprechen dagegen, eine Anzeigepflicht für die Umstände einer Versagung der Steuervergünstigung gemäß § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG aus § 19 Abs. 1 GrEStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung) zu folgern. Denn die Vorschrift enthält Anzeigepflichten für Erwerbsvorgänge und bezieht sich damit auf § 1 GrEStG. Demgegenüber geht es bei der auf einem vorgefassten Plan beruhenden Änderung im Gesellschafterbestand in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand nicht um einen Erwerbsvorgang, sondern darum, die Steuervergünstigung gemäß § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG ganz oder teilweise zu versagen.

b) Aus diesem Grund kann die Anzeigepflicht auch nicht aus § 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG folgen. Nach dieser Vorschrift sind auch „alle übrigen Erwerbsvorgänge anzuzeigen, über die ein Gericht, eine Behörde oder ein Notar eine Anzeige nach § 18 nicht zu erstatten hat”. Ein solcher Erwerbsvorgang liegt aber nicht vor, wenn es um die Umstände der Versagung einer Steuervergünstigung gemäß § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG geht.

c) Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Grundsätzen. Sie war daher aufzuheben.

2. Die Sache ist spruchreif. Der Klage war stattzugeben und die Einspruchsentscheidung vom sowie der Steuerbescheid vom waren aufzuheben.

Die Änderung der Steuerfestsetzung durch Bescheid vom war nicht mehr zulässig (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Da für die Klägerin eine Pflicht, den Vertrag vom dem FA anzuzeigen, nicht bestand, begann die Festsetzungsfrist nicht gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, sondern gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, also mit Ablauf des Jahres 1999. Der Beginn der Festsetzungsfrist war auch nicht deswegen gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt, weil der Vertrag vom der Finanzbehörde vom Notar nicht angezeigt worden ist. Die Nichtanzeige durch den Notar kann keine Anlaufhemmung zu Lasten des Steuerpflichtigen bewirken (vgl. , BFHE 210, 65, BStBl II 2005, 780). Die Festsetzungsfrist ist somit gemäß § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO zum abgelaufen.

Tatsächliche Feststellungen, die für eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung sprechen könnten, hat das FG nicht getroffen noch das FA vorgetragen. Sie sind auch nicht erkennbar. Es spricht daher nichts für eine Verlängerung der Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1535 Nr. 8
NAAAC-48508