BAG Urteil v. - 9 AZR 557/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 253; ZPO § 256; BGB § 273; BGB § 611

Instanzenzug: ArbG Ludwigshafen 7 Ca 3516/04 vom LAG Rheinland-Pfalz 6 Sa 20/06 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über das Recht der Klägerin, ihre Arbeitsleistung zurückzubehalten.

Die Klägerin ist seit bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Zuletzt war sie als "Office-Trainerin" in der EDV-Entwicklung eingesetzt. Bei den Kunden, die sie zu betreuen hatte, handelte es sich im Wesentlichen um konzernangehörige Unternehmen. Als der Klägerin im Frühjahr 2004 bekannt wurde, dass ihr Abteilungsleiter über ihre Arbeitskollegin V. bei Kunden erkunden lies, ob diese mit der Arbeitsleistung der Klägerin zufrieden seien, kam es zu Gesprächen zwischen der Klägerin und dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten sowie dem Abteilungsleiter. Nachdem diese Gespräche aus ihrer Sicht ohne befriedigendes Ergebnis blieben, fühlte sich die Klägerin durch den damaligen Geschäftsführer der Beklagten, ihren Abteilungsleiter sowie ihre Arbeitskollegin V. "gemobbt". Vermittlungsversuche des Betriebsratsvorsitzenden, des Personalleiters des Kunden, bei dem die Klägerin eingesetzt war, und des Konzernpersonalleiters blieben in der Folgezeit erfolglos.

Vom bis war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. An diese Erkrankung schlossen sich ein dreiwöchiger Urlaub und eine Wiedereingliederungsmaßnahme an. Nach Wiederaufnahme ihrer Arbeitstätigkeit kündigte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom die Zurückbehaltung ihrer Arbeitsleistung wegen "permanenter Mobbing-Attacken" an, denen sie ausgesetzt sei. Ab erbrachte die Klägerin keine Arbeitsleistung mehr. Seit dem war sie dann wegen psychosomatischer Erkrankungen fortlaufend arbeitsunfähig. Nach der Entlassung aus einer psychosomatischen Klinik am wurde der Klägerin weiterhin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.

Mit dem hat die Beklagte die Zahlung von Arbeitsvergütung eingestellt.

Die Klägerin hat Klage auf Vergütungszahlung für den Zeitraum bis , auf Zahlung einer der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes und eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 20.000,00 Euro erhoben. Zusätzlich hat sie die Feststellung begehrt, dass ihr die Zurückbehaltung ihrer Arbeitskraft ab dem zustehe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Im von der Klägerin angestrengten Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Feststellungsklage abgetrennt und als eigenständiges Verfahren weitergeführt. In diesem abgetrennten Verfahren hat die Klägerin beantragt,

gegenüber der Beklagten festzustellen, dass der Klägerin ab dem ein Zurückbehaltungsrecht ihrer Arbeitsleistung zusteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückzuweisen. Sie bestreitet das Vorliegen von "Mobbing-Handlungen" gegenüber der Klägerin.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Gründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat die Feststellungsklage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass zum einen "die zu beantwortende Frage kein Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO darstellt" und zum anderen "ein Interesse an alsbaldiger Feststellung fehlt". Ob das Landesarbeitsgericht die Klage als unzulässig oder unbegründet betrachtet hat, geht aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht hervor.

Das Berufungsurteil ist zwar rechtsfehlerhaft, jedoch konnte der Senat nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden. Die Sache ist zur Entscheidung reif.

II. Die Feststellungsklage ist unzulässig.

1. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts besteht für die Feststellung des Bestehens eines Zurückbehaltungsrechtes ein Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage sind insoweit unbegründet.

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Zwar können nach § 256 Abs. 1 ZPO nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich jedoch nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken. Sie kann sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (st. Rspr. vgl. Senat - 9 AZR 571/05 - zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen mwN).

b) Die Klägerin begehrt die Feststellung des Bestehens eines Zurückbehaltungsrechtes an ihrer Arbeitsleistung ab dem . Streitgegenstand ist damit das Bestehen oder Nichtbestehen der Verpflichtung der Klägerin, die im Arbeitsvertrag gemäß § 611 Abs. 1 BGB versprochenen Dienste zu leisten. Somit bezieht sich die Feststellungsklage auf eine Folge des bestehenden Arbeitsverhältnisses und zwar auf die Frage, ob die Klägerin nach § 611 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, ab dem ihre Arbeitsleistung zu erbringen oder ob ihr § 273 Abs. 1 BGB das Recht einräumt, diese geschuldete Leistung solange zu verweigern, bis die Beklagte als Arbeitgeberin ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung nachgekommen ist, die behaupteten "Mobbing-Handlungen" zu unterbinden.

Die Klägerin hat auch ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Die Feststellungsklage ist die einzige Möglichkeit, mit Rechtskraftwirkung die zwischen den Parteien bestehende rechtliche Ungewissheit über das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechtes zu beseitigen ( -BAGE 75, 332).

2. Die Feststellungsklage ist allerdings unzulässig, weil der Klageantrag nicht hinreichend bestimmt ist, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

a) Der Klageantrag muss den erhobenen Anspruch nach Inhalt und Umfang konkret bezeichnen und die Art der Klage ergeben. Bei Feststellungsanträgen ist erforderlich, dass sich dann, wenn dem Antrag in der Sache stattgegeben wird, der objektive Umfang der Bindungswirkung der gerichtlichen Entscheidung hinreichend feststellen lässt ( - AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 50 = EzA ZPO § 253 Nr. 20).

b) Diesen Anforderungen genügt der Feststellungsantrag der Klägerin nicht.

Zunächst legt der Senat den Klageantrag zugunsten der Klägerin dahingehend aus, dass sie ein Zurückbehaltungsrecht nicht zeitlich unbegrenzt, sondern nur für den Zeitraum geltend macht, in dem sie den behaupteten "permanenten Mobbing-Attacken" ausgesetzt ist. Dem Wortlaut ihres Antrages nach begehrt die Klägerin zwar die Feststellung des Zurückbehaltungsrechtes ab dem ohne zeitliche Begrenzung. Allerdings ist für das Verständnis eines Klageantrages nicht an dem buchstäblichen Wortlaut der Antragsfassung zu haften. Vielmehr hat das Gericht den erklärten Willen zu erforschen, wie er aus der Klagebegründung, dem Prozessziel und der Interessenlage hervorgeht. Die für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) sind auch für die Auslegung von Klageanträgen heranzuziehen. Auch das Revisionsgericht ist zur Auslegung von Klageanträgen befugt (Senat - 9 AZR 301/00 - BAGE 97, 241).

Aus dem gesamten Vorbringen der Klägerin ergibt sich, dass sie sich nicht mehr in der Lage sieht, ihre Arbeitsleistung für die Beklagte zu erbringen, weil ihr auf Grund von "Mobbing-Attacken" gesundheitliche Beeinträchtigungen drohen. Daraus folgt, dass sie nicht ein auf unbestimmte Dauer gerichtetes Zurückbehaltungsrecht in Anspruch nimmt, sondern nur ein solches für die Zeit, während der die sog. "Mobbing-Situation" besteht.

c) Auch ein solcher in diesem Sinne ausgelegter Feststellungsantrag ist nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Durch ein Urteil, das feststellt, dass die Klägerin ab berechtigt ist, ihre Arbeitsleistung zurückzubehalten, solange sie "Mobbing-Attacken" oder einer "Mobbing-Situation" ausgesetzt ist, würde nicht klar, wie lange und unter welchen Voraussetzungen dieses Zurückbehaltungsrecht besteht. So ist der Begriff des "Mobbings" derart unbestimmt, dass auf Grund eines dem Klageantrag entsprechenden Feststellungsurteils weder objektiv noch subjektiv für die Beklagte erkennbar wäre, wann die Klägerin diesem "Mobbing" nicht mehr ausgesetzt ist, so dass deren Zurückbehaltungsrecht erlischt. Damit der Klageantrag zu einem Rechtsklarheit schaffenden Feststellungsurteil führen könnte, hätte die Klägerin konkret die Tatsachen angeben müssen, aus denen sie die "Mobbing-Situation" ableitet, dh. welche Umstände ihrer Arbeit oder welche Handlungen oder Äußerungen ihrer Vorgesetzten oder Arbeitskollegen sie als "Mobbing" betrachtet. Nur dann würde klar, ob die Beklagte Maßnahmen getroffen hat, welche die Entstehung einer sog. "Mobbing-Situation" künftig ausschließen. Um diesem Erfordernis an einen hinreichend bestimmten Klageantrag zu genügen, hätte die Klägerin zB angeben müssen, mit welchen Vorgesetzten oder Mitarbeitern sie nicht mehr zusammenarbeiten kann oder mit welchen Tätigkeiten sie nicht mehr betraut werden darf, weil im Rahmen dieser Aufgaben oder bei einer Zusammenarbeit mit diesen Personen "Mobbing-Situationen" entstünden. Nur dann könnte im Rahmen der Begründetheitsprüfung der Klage festgestellt werden, ob durch diese konkret von der Klägerin behaupteten Umstände eine "Mobbing-Situation" entsteht, welche ein Zurückbehaltungsrecht der Klägerin begründen kann.

III. Die Klägerin hat die Kosten des erfolglosen Revisionsverfahrens nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
DB 2007 S. 1420 Nr. 25
DB 2007 S. 1876 Nr. 34
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2007 S. 4293
NAAAC-46324

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein