BAG Urteil v. - 2 AZR 676/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: KSchG § 1 Abs. 3; BetrVG § 102 Abs. 1

Instanzenzug: ArbG Paderborn 1 Ca 2275/04 vom LAG Hamm 14 Sa 438/05 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von zwei betriebsbedingten Kündigungen, über einen Antrag auf Weiterbeschäftigung und über Annahmeverzugslohnansprüche.

Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der bundesweit im Bereich Abfall- und Wertstoffentsorgung tätigen T-Unternehmensgruppe. Sie befasst sich mit der Sammlung, Aufbereitung und Vermarktung von Kunststoffabfällen. Am Standort H, wo auch die Geschäftsführung der Beklagten ansässig ist, beschäftigte sie 103 Arbeitnehmer, am Standort R 58 Arbeitnehmer, am Standort He 24 Arbeitnehmer und am Standort S 35 Arbeitnehmer.

Die 44 Jahre alte, ledige Klägerin war bei der Beklagten seit dem als Betriebsleiterin tätig. Nach § 1 Nr. 2 des schriftlichen Anstellungsvertrages vom war ihr "die Leitung des Standortes H" übertragen worden. Ihr Arbeitsvertrag enthält keine Versetzungsklausel. Im Unternehmen der Beklagten existiert eine Stellenbeschreibung für "die Betriebsleiter" aller Standorte der Beklagten.

Die Beklagte entschloss sich, die ca. 125 km von H entfernte Produktionsstätte R zum zu schließen und einen Teil der Betriebsmittel nach H zu verlegen. Sie bot den in R beschäftigten Mitarbeitern im Rahmen von Änderungskündigungen eine Übernahme nach H an. Vier Mitarbeiter machten von dem Angebot Gebrauch, ua. der 38 Jahre alte, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Betriebsleiter A, der seit Oktober 2000 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt war. Nach § 1 Abs. 1 seines schriftlichen Anstellungsvertrages vom mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Fa. K GmbH & Co. KG, R, wurde A zum Betriebsleiter mit "Dienstsitz in R" bestellt. In § 1 Abs. 5 des Anstellungsvertrages heißt es weiter:

"(5) Die Firma behält sich jedoch vor, dem Mitarbeiter anstatt oder neben diesem Aufgabengebiet auch eine andere, seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen. Der Mitarbeiter ist bereit, im Bedarfsfall - nach Abstimmung, max. 3 Monate - eine Tätigkeit auch an einem anderen Ort zu übernehmen, wobei die Maßgaben gemäß § 315 Abs. 3 BGB beachtet werden. Hierdurch bedingte Mehraufwendungen werden in Form einer angemessenen Trennungsentschädigung, Reisekostenabrechnung und Umzugkostenbeteiligung übernommen."

Die Beklagte bot A im Rahmen einer Änderungskündigung vom die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in H zum an. Mit Schreiben vom erklärte sich A mit der Änderung einverstanden. Seit dem wird er in H als Betriebsleiter tätig.

Die Beklagte hörte den Betriebsrat des Standortes H mit Anhörungsbogen vom zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin an. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung nicht. Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum .

Nach nochmaliger Anhörung des Betriebsrates kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich erneut mit Schreiben vom zum .

Die Klägerin hat sich gegen beide Kündigungen gewandt und ihre Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits verlangt. Sie hat ferner die Zahlung ihrer Bruttomonatsvergütung für Januar 2005 in Höhe von 3.450,00 Euro begehrt.

Sie hat die Auffassung vertreten, ihr Arbeitsplatz sei nicht weggefallen. In H seien keine betrieblichen Änderungen eingetreten. Die Beklagte könne sich nicht auf den durch die Umsetzung des Betriebsleiters der Niederlassung R selbst verursachten Personalüberhang in H berufen. Auch sei die soziale Auswahl betriebs- und nicht unternehmensbezogen durchzuführen. Die Standorte R und H bildeten keinen einheitlichen Betrieb. Sie seien eigenständige Betriebe, was sich schon daran zeige, dass die Standorte eine eigene Verwaltungsorganisation mit eigenem Betriebsleiter hätten. Deshalb komme eine Sozialauswahl zwischen den Arbeitnehmern beider Betriebe nicht in Betracht. Dies gelte umso mehr, als auch die räumliche Entfernung ebenso für einen eigenständigen Betrieb spreche, wie die Tatsache, dass - von der Beklagten unbeanstandet - in H ein eigener Betriebsrat gewählt worden sei. Im Übrigen stünden die Arbeitsverträge von A und ihr einer erforderlichen Austauschbarkeit entgegen: Sie sei nur als Betriebsleiterin für H eingestellt worden. Die zweite Kündigung sei gleichfalls sozial nicht gerechtfertigt. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, warum das Beschäftigungsbedürfnis für einen Betriebsleiter entfallen sei. Im Übrigen habe A eine geringere Betriebszugehörigkeit. Sie bestreite auch die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung; dem Betriebsrat seien die Sozialdaten nicht vollständig dargelegt worden.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt:

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom nicht beendet worden ist,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom nicht beendet worden ist,

3. die Beklagte zu verurteilen, sie über den hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreites weiterzubeschäftigen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.450 Euro brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt:

Sie habe den Standort R wegen seiner defizitären Lage geschlossen und die bisher dort erbrachten Tätigkeiten in den Standort H eingegliedert. Beide Standorte bildeten im Übrigen - wie auch die weiteren Niederlassungen - einen einheitlichen Betrieb iSd. § 23 KSchG. Die maßgeblichen Personalentscheidungen seien einheitlich von der Geschäftsleitung in H gefällt worden, die örtlichen Betriebsleiter hätten nur technische Kompetenzen gehabt. Nach Aufgabe des Standorts R und seiner Eingliederung in die Niederlassung H habe eine Sozialauswahl zwischen den Betriebsleitern durchgeführt werden müssen. Sie sei zu Lasten der Klägerin, die den geringsten Sozialschutz aufweise, ausgefallen. Jedenfalls die zweite Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Nach der Versetzung A nach H sei auf jeden Fall ein Betriebsleiter überflüssig. Bei der sozialen Auswahl sei A längere Vorbeschäftigungszeit im Unternehmen zu berücksichtigen. Die Betriebsratsanhörungen seien ordnungsgemäß erfolgt. Der Personalleiter der T-Unternehmensgruppe H habe anlässlich einer eingehenden Erörterung des Kündigungssachverhalts dem Betriebsratsvorsitzenden S die Sozialdaten der Klägerin und A mitgeteilt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist begründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine der Klage stattgebenden Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kündigung vom lägen keine dringenden betrieblichen Erfordernisse zugrunde. Im Beschäftigungsbetrieb H seien keine Umstände eingetreten, die eine Kündigung bedingt hätten. Es könne dahinstehen, ob alle Standorte der Beklagten einen einheitlichen Betrieb bildeten. Selbst wenn dies der Fall wäre, habe die Beklagte die Stilllegung des Standortes R jedenfalls als eigenständige Betriebsstilllegung abgewickelt und allen Mitarbeitern gekündigt, ohne eine soziale Auswahl unter sämtlichen Arbeitnehmern ihrer Standorte getroffen zu haben. Daher sei es ihr verwehrt, sich nunmehr auf eine Ausstrahlung des Stilllegungsvorgangs auf den Betrieb H zu berufen, auch wenn sie den Mitarbeitern der Niederlassung R Ersatzarbeitsplätze in H angeboten habe. Sie habe wegen der großen Entfernung davon ausgehen können, dass nur wenige Mitarbeiter von dem Weiterbeschäftigungsangebot Gebrauch machen würden.

Die weitere Kündigung vom sei gleichfalls sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Durch die Übernahme A nach H habe die Beklagte dort nun zwei Betriebsleiter gehabt, obwohl sie nur einen benötigt habe. Der entstandene Personalüberhang sei nicht betrieblich verursacht worden, sondern die Folge einer Personalentscheidung der Beklagten. Im Ergebnis liege eine unzulässige Austauschkündigung vor. Dementsprechend sei die Beklagte sowohl zur Weiterbeschäftigung der Klägerin als auch zur Zahlung des Annahmeverzugslohns für Januar 2005 verpflichtet.

B. Dem folgt der Senat nicht. Die Kündigungen der Beklagten lassen sich auf Grund der bisherigen tatrichterlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht als sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 und 3 KSchG qualifizieren. Dazu bedarf es vielmehr im Rahmen des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG noch einer eingehenden Prüfung der Vergleichbarkeit zwischen der Klägerin und A. Da der Rechtsstreit auch im Übrigen noch nicht entscheidungsreif war, war die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

I. Zu Unrecht geht das Landesarbeitsgericht davon aus, das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei durch die Kündigung vom nicht zum beendet worden. Auf Grund der nicht ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen ist noch nicht erkennbar, dass es der Kündigung an dringenden betrieblichen Erfordernissen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG mangelt.

1. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt ist, weil dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, geht es um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Diese kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das Landesarbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil die Rechtsbegriffe selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. vgl. zuletzt etwa Senat - 2 AZR 154/05 - AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 46 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 143; - 2 AZR 244/04 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 80 = EzA KSchG § 2 Nr. 52; - 2 AZR 24/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 132 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 135). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab wird die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht gerecht.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur - 2 AZR 549/01 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 59 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 49 und - 2 AZR 697/01 - BAGE 104, 138; - 2 AZR 456/98 - BAGE 92, 79) können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie zB Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (zB Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. In der Regel entsteht das inner- oder außerbetrieblich veranlasste Erfordernis für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG nicht unmittelbar und allein durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktionsrückgang usw.), sondern auf Grund einer durch wirtschaftliche oder technische Entwicklungen veranlassten Entscheidung des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidung) (vgl. ua. Senat - 2 AZR 155/77 - BAGE 31, 157; - 2 AZR 212/85 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 11 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 37; - 2 AZR 369/89 - BAGE 65, 61; - 2 AZR 141/99 - BAGE 92, 71). Diese Entscheidung begründet ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirkt (Senat - 2 AZR 154/05 - AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 46 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 143). Ist eine derartige unternehmerische Entscheidung getroffen worden, so ist sie nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (Senat - 2 AZR 141/99 - BAGE 92, 71).

3. In Anwendung dieser Grundsätze ist das Landesarbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Kündigung vom nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

a) Ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann auf Grund der Schließung des Standortes R und der Eingliederung dieses Betriebsteils in den Standort H vorliegen.

aa) Die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen rechtfertigen die Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht, im Beschäftigungsbetrieb H seien keine Umstände eingetreten, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes eines Betriebsleiters geführt hätten. Das Landesarbeitsgericht hat sich dabei weder mit dem Vortrag der Beklagten, die Betriebsstätten hätten einen (einheitlichen) Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes gebildet, noch mit dem für die rechtliche Bewertung erheblichen Umstand auseinandergesetzt, der Standort sei zwar aufgegeben, die Betriebsstätte R aber im Wesentlichen in die Betriebsstätte H verlagert und dort eingegliedert worden. Wäre letzteres der Fall, was im Einzelnen noch vom Landesarbeitsgericht aufzuklären ist, läge keine Betriebsstilllegung der Betriebsstätte R vor, sondern wäre durch die Eingliederung und Verschmelzung beider Betriebsstätten eine - neue - Betriebsstätte entstanden.

bb) Durch eine unternehmerische Organisationsentscheidung der Beklagten, den Standort aufzugeben, die Betriebsstätte R zum zu verlegen und in die Betriebsstätte H einzugliedern, wäre der Arbeitsplatz eines Betriebsleiters durch eine entsprechende organisatorische Änderung weggefallen.

Für die Annahme eines dringenden betrieblichen Erfordernisses reicht es aus, wenn das betriebliche Beschäftigungsbedürfnis für eine Gruppe von Mitarbeitern entfällt. Erst die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG hat die Funktion, festzulegen, welchen von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern des Betriebs die Kündigung trifft, wenn das betriebliche Beschäftigungsbedürfnis für eine Gruppe von Mitarbeitern entfällt (Senat - 2 AZR 158/04 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 73 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 61).

cc) Die vorstehenden Erwägungen gelten erst recht, wenn der mit der Schließung der Betriebsstätte R verbundene Arbeitskräfteüberhang für einen Betriebsleiter in einem aus den Standorten H und R gebildeten einheitlichen Betrieb entstanden wäre. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb ggf. auch aufzuklären haben, ob die einzelnen Standorte und Betriebsstätten einen einheitlichen Betrieb im kündigungsrechtlichen Sinne gebildet haben. Die Existenz zweier Betriebsräte steht der kündigungsrechtlichen Wertung nicht zwingend entgegen.

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auf Grund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Ob die Kündigung vom wegen einer fehlerhaften Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt ist, kann gleichfalls noch nicht abschließend entschieden werden (§ 563 Abs. 1 ZPO).

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfolgt die soziale Auswahl betriebsbezogen ( - 2 AZR 158/04 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 73 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 61; - 2 AZR 612/85 - AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 4 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 22; - 2 AZR 140/84 - BAGE 48, 314; - 2 AZR 177/86 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 15 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 24; - 2 AZR 320/94 - BAGE 79, 66). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn sich der Arbeitgeber ein betriebsübergreifendes Versetzungsrecht vorbehalten hat (Senat - 2 AZR 158/04 - aaO; - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 66).

Ob die Beklagte insoweit die Grenzen einer betriebsbezogenen Sozialauswahl überschritten und die Auswahl vielmehr auf die Unternehmensebene ausgedehnt hat (Senat - 2 AZR 158/04 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 73 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 61; - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 66), hängt von der Beantwortung der zu I. aufgeworfenen Fragen ab.

2. Auch bei Annahme eines einheitlichen Betriebes mit Betriebsstätten in R und in H setzt die Einbeziehung der Klägerin und des Betriebsleiters A in eine Sozialauswahl voraus, dass beide iSd. § 1 Abs. 3 KSchG vergleichbar wären. Hierzu hat das Landesarbeitsgericht weder ausreichende Feststellungen getroffen noch die Individualvereinbarungen einer hinreichenden Auslegung unterzogen.

a) Die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG erstreckt sich innerhalb eines Betriebs nur auf die Arbeitnehmer, die miteinander vergleichbar sind. Dabei bestimmt sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit steht der Vergleichbarkeit nicht entgegen ( - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 46 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 43; - 2 AZR 697/01 - BAGE 104, 138). An einer Vergleichbarkeit fehlt es jedoch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig im Rahmen des Direktionsrechts auf den anderen Arbeitsplatz umsetzen oder versetzen kann ( - aaO; - 2 AZR 697/01 - aaO; zuletzt - 2 AZR 38/05 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144; zusammenfassend: ErfK/Ascheid 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 481 mwN; KR-Etzel 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 621 mwN). Maßgebend ist demnach, ob der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, einen Einsatz ohne Änderung des Arbeitsvertrags rechtlich zulässt. Die Vergleichbarkeit kann grundsätzlich auch nicht dadurch herbeigeführt werden, dass der Arbeitsvertrag eines von einem betrieblichen Ereignis betroffenen Arbeitnehmers erst anlässlich dieses Ereignisses entsprechend abgeändert wird.

b) Ob insbesondere in dem mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossenen Arbeitsvertrag A ein fester Tätigkeitsort mit ihm vereinbart worden ist und deshalb A auf Grund eines fehlenden Weisungsrechts der Beklagten in H nicht einsetzbar gewesen wäre, bleibt einer noch nachzuholenden, umfassenden Vertragsauslegung vorbehalten. In deren Rahmen wird allerdings zu berücksichtigen sein, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein anderes tatsächliches Umfeld bestand.

III. Das Landesarbeitsgericht wird, falls die erste Kündigung vom sozial ungerechtfertigt sein sollte, auch die Kündigung vom erneut prüfen müssen. Die bisher vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung trägt die Annahme einer Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG nicht.

Ob dieser Kündigung ein dringendes betriebliches Bedürfnis zugrunde liegt, kann auf Grund der bisherigen tatrichterlichen Feststellungen und der fehlenden tatrichterlichen Bewertung noch nicht abschließend festgestellt werden. Seit dem wird der Betriebsleiter A tatsächlich in H und damit im gleichen Betrieb wie die Klägerin beschäftigt. Damit liegt an sich ein Arbeitskräfteüberhang für die Tätigkeit eines Betriebsleiters vor. Ob es der Beklagten, wie die Klägerin meint, nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB verwehrt ist, sich ihr gegenüber auf die geänderten Verhältnisse im Betrieb H zu berufen (vgl. Senat - 2 AZR 514/04 -AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 51; - 2 AZR 260/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121; - 2 AZR 320/94 -BAGE 79, 66), wird das Berufungsgericht erneut prüfen müssen. Es bestehen in Anbetracht der besonderen Umstände des Einzelfalles erhebliche Zweifel, dass die Beklagte durch die Vertragsänderung mit A einen Arbeitsplatzverlust der Klägerin wider Treu und Glauben herbeigeführt hat.

IV. Sollten die Kündigungen vom und nach § 1 KSchG sozial gerechtfertigt sein, weil ein dringendes betriebliches Bedürfnis zur Kündigung der Klägerin vorlag (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG) und die Beklagte eine ordnungsgemäße Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG vorgenommen hat, wird das Landesarbeitsgericht noch die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung prüfen müssen.

1. Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind. Diesen Kündigungssachverhalt muss er in der Regel unter Angabe von Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann. Teilt der Arbeitgeber objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung nicht oder zunächst nicht stützen will, dann ist die Anhörung ordnungsgemäß, weil eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung der Kündigungsgründe nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG führt. Eine in diesem Sinne objektiv unvollständige Anhörung verwehrt es dem Arbeitgeber allerdings, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen. Der Arbeitgeber kommt dagegen seiner Unterrichtungspflicht nicht nach, wenn er aus seiner Sicht dem Betriebsrat bewusst unrichtige oder unvollständige Sachdarstellungen unterbreitet (st. Rspr., vgl. Senat - 2 AZR 329/03 - BAGE 110, 331; - 2 AZR 599/01 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50; - 2 AZR 103/88 - BAGE 59, 295; KR-Etzel 7. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 62).

2. Die Klägerin hat vorinstanzlich gerügt, dem Betriebsrat sei weder ihr Lebensalter, noch das des Mitarbeiters A mitgeteilt worden. Dem hierauf von der Beklagten gehaltenen Sachvortrag, der Personalleiter H habe die Sozialdaten dem Betriebsratsvorsitzenden S mündlich mitgeteilt (Zeugnis H), ist das Landesarbeitsgericht nicht nachgegangen. Dies wird es ggf. nachzuholen haben. Der Arbeitgeber muss im Regelfall alle maßgeblichen Sozialdaten des von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmers und der weiteren Arbeitnehmer, die er in eine Sozialauswahl einbezogen hat, unaufgefordert mitteilen (Senat - 2 AZR 327/94 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 67; - 2 AZR 429/83 (A) - BAGE 45, 277, 281; - AP BGB § 613a Nr. 173 = EzA BGB § 613a Nr. 161). Entsprechend dem Zweck des § 102 Abs. 1 BetrVG, dem Betriebsrat ein Bild von der beabsichtigten Kündigung zu vermitteln, ist bei einer betriebsbedingten Kündigung im Regelfall die Mitteilung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers auch dann unverzichtbar, wenn der Arbeitgeber keine Sozialauswahl vorgenommen hat (Senat - 2 AZR 327/94 - aaO; - aaO).

V. Da nicht festgestellt ist, ob die Kündigung der Beklagten vom das Arbeitsverhältnis nicht zum beendet hat, steht auch noch nicht fest, ob die Beklagte nach § 615 BGB verpflichtet war, der Klägerin ihre Vergütung für den Monat Januar 2005 als Annahmeverzugslohn in der geltend gemachten Höhe zu zahlen und sie ggf. bis zum Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.

Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 2206 Nr. 30
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2007 S. 4298
FAAAC-46305

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein