BGH Beschluss v. - IX ZB 153/06

Leitsatz

[1] a) Solange die Vergütung des Insolvenzverwalters nicht bestandskräftig festgesetzt ist, unterliegt der dahingehende Anspruch der regelmäßigen Verjährung.

b) Durch die Stellung eines Vergütungsantrags wird die Verjährung des Insolvenzverwaltervergütungsanspruchs gehemmt.

c) Ist das Insolvenzverfahren zu einem Zeitpunkt beendet worden, zu dem die Verwertungsmaßnahmen noch nicht abgeschlossen oder noch nicht einmal aufgenommen waren, muss im Rahmen der Bemessung der Verwaltervergütung auch der Ertrag der noch nicht verwerteten, einem Absonderungsrecht unterliegenden Massegegenstände Teil der Berechnungsgrundlage sein. Wären solche Gegenstände auch ohne die vorzeitige Beendigung des Verfahrens nicht verwertet worden, sind sie nicht zu berücksichtigen.

Gesetze: InsO § 63; InsVV § 1 Abs. 2 Nr. 1; BGB a.F. § 195; BGB a.F. § 196 Abs. 1 Nr. 15; BGB a.F. § 198; BGB a.F. § 201; BGB a.F. § 209; BGB n.F. § 195; BGB n.F. § 199; BGB n.F. § 204; EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1; EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 2; EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4

Instanzenzug: AG Bonn 96 IN 63/01 vom LG Bonn 6 T 87/06 vom

Gründe

I.

Der weitere Beteiligte, der zuvor als Sachverständiger ein Gutachten zum Vorliegen eines Eröffnungsgrundes erstattet hatte, wurde am zum Insolvenzverwalter in dem am selben Tage wegen Zahlungsunfähigkeit eröffneten Verfahren über das Vermögen der B. GmbH & Co. KG (fortan: Schuldnerin) bestellt, die in B. zwei Hotels betrieb ( ). Am 24. Oktober 2001 legte die Schuldnerin gegen den Eröffnungsbeschluss sofortige Beschwerde ein. Nachdem die dem Insolvenzantrag zugrunde liegende Forderung von einem Dritten beglichen worden war, wurde der Eröffnungsbeschluss am 26. November 2001 aufgehoben. Die sofortige Wirksamkeit dieses - später rechtskräftig gewordenen - Beschlusses wurde angeordnet.

Am hat der weitere Beteiligte die Festsetzung einer Vergütung beantragt. Nach dem berichtigten Antrag vom Oktober 2002 hat er 34.999,80 € zuzüglich Auslagenersatz und Umsatzsteuer verlangt. Das Amtsgericht - Insolvenzgericht - hat die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht die Vergütung auf 23.147,61 € zuzüglich Auslagenersatz und Umsatzsteuer ermäßigt. Dagegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde. Sie meint, dem weiteren Beteiligten stehe keine Vergütung zu.

II.

Das statthafte (§§ 7, 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 567 Abs. 2, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) Rechtsmittel ist zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Es führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist der angefochtene Beschluss allerdings nicht deshalb fehlerhaft, weil der Vergütungsanspruch etwa noch nicht fällig ist.

Im Allgemeinen wird der Anspruch des Insolvenzverwalters nach Erledigung der zu vergütenden Tätigkeit fällig (MünchKomm-InsO/Nowak, § 63 Rn. 7; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 63 Rn. 20; HmbKomm-InsO/Büttner/Henningsmeier, § 63 Rn. 9; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung 4. Aufl. vor § 1 InsVV Rn. 50; Kübler/Prütting/Eickmann/Prasser, InsO vor § 1 InsVV Rn. 5; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren 2. Aufl. Rn. 49; Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO vor § 1 InsVV Rn. 48; vgl. ferner , NZI 2003, 31). Zu den von dem Insolvenzverwalter zu erledigenden Aufgaben gehört nach § 66 Abs. 1 InsO, dass er bei der Beendigung seines Amtes einer Gläubigerversammlung Rechnung legt. Grundsätzlich schuldet er eine derartige Rechnungslegung auch dann, wenn sein Amt vorzeitig endet (vgl. , NZI 2006, 165; MünchKomm-InsO/Nowak, § 66 Rn. 36; Uhlenbruck, aaO § 66 Rn. 17; a.A. Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 1 InsVV Rn. 46: Vermögensverzeichnis genügt). Indes ist Adressat der Rechnungslegung nach § 66 Abs. 1 InsO grundsätzlich die Gläubigerversammlung (Uhlenbruck, aaO § 66 Rn. 5). Eine solche kann es nicht (mehr) geben, nachdem der Insolvenzeröffnungsbeschluss aufgehoben worden ist. Kommt es nicht zu einer Verfahrenseröffnung, etwa weil der Antrag abgewiesen worden ist, hat der vorläufige Verwalter gegenüber dem Insolvenzgericht Rechnung zu legen (Uhlenbruck, aaO § 66 Rn. 15). Entsprechendes mag für den endgültigen Verwalter gelten, wenn das Verfahren zunächst eröffnet und später auf Rechtsmittel hin die Eröffnung aufgehoben worden ist. Ob den Verwalter in einem solchen Fall eine nachwirkende Pflicht zur Rechnungslegung trifft, kann hier offen bleiben. Denn die Rechtsbeschwerde macht nicht geltend, dass in den Tatsacheninstanzen vorgetragen worden sei, der weitere Beteiligte habe bisher keine abschließende Rechnung gelegt.

2. Die Rechtsbeschwerde kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der weitere Beteiligte habe auf eine Vergütung verzichtet. Insofern hat das Beschwerdegericht keinen Vortrag der Schuldnerin verfahrensfehlerhaft übergangen.

a) Die Schuldnerin hat unter Beweisantritt vorgetragen, der weitere Beteiligte habe vor Erlass der den Eröffnungsbeschluss aufhebenden Entscheidung gegenüber dem damit befassten Richter telefonisch erklärt, dass er lediglich für die Erstellung des Gutachtens Gebühren begehre.

Das Beschwerdegericht hat diesen Vortrag als unsubstantiiert behandelt. Es sei nicht dargelegt, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen konkreten Umständen der Verzicht erklärt worden sei. Auch aus den Akten ergäben sich dafür keine Anhaltspunkte.

b) Ob diese Begründung tragfähig ist, kann dahinstehen. Ein etwaiger Verzicht könnte nur dann bindend sein, wenn er gegenüber der für die Festsetzung der Vergütung zuständigen Stelle ausgesprochen worden wäre. Das wäre das Insolvenzgericht und - nach Einlegung einer Vergütungsbeschwerde - das im Vergütungsfestsetzungsverfahren übergeordnete Beschwerdegericht gewesen. Nach dem Vorbringen der Schuldnerin hat das Telefongespräch, auf welches sie sich bezieht, jedoch zwischen dem weiteren Beteiligten und dem Vorsitzenden der Beschwerdekammer, die über die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses zu entscheiden hatte, stattgefunden. Mit der Vergütung war der Vorsitzende also nicht befasst.

3. Der Vergütungsanspruch des weiteren Beteiligten ist auch nicht verjährt.

a) Auf die Verjährung des Vergütungsanspruchs finden die entsprechenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in der seit dem geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). An diesem Tag bestand der Vergütungsanspruch bereits, er war auch fällig und noch nicht verjährt. Da er noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, gilt für ihn die dreijährige Regelverjährung des § 195 BGB n.F. (Uhlenbruck, aaO; FK-InsO/Lorenz, aaO vor § 1 InsVV Rn. 21; HmbKomm-InsO/Büttner/Henningsmeier, aaO § 63 Rn. 9; Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO Rn. 51; Kübler/Prütting/Eickmann/Prasser, aaO vor § 1 InsVV Rn. 8; Keller, aaO Rn. 51).

b) Ist die Verjährungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit dem geltenden Fassung kürzer als in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, so wird nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB die kürzere Frist von dem 1. Januar 2002 an berechnet. Andernfalls bestimmt sich der Beginn der Verjährung für den Zeitraum vor dem nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB).

Ob die neue Verjährungsfrist kürzer ist als die alte, richtet sich nach der Einordnung des Vergütungsanspruchs eines Insolvenzverwalters nach altem Recht. Ob der Vergütungsanspruch von § 195 a.F. oder § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB a.F. erfasst wird, ist umstritten (für die Anwendung von § 195 BGB LG Stade ZInsO 2005, 367; Eickmann, Vergütungsverordnung 2. Aufl. vor § 1 Rn. 58; Kübler/Prütting/Eickmann/Prasser, aaO vor § 1 InsVV Rn. 8; Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, aaO vor § 1 InsVV Rn. 50; für § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB Jaeger/Weber, KO 8. Aufl. § 85 Rn. 4; Kuhn/Uhlenbruck. KO 11. Aufl. § 85 Rn. 12n; MünchKomm-InsO/Nowak, § 63 Rn. 9). Der Senat braucht diese Frage nicht zu entscheiden. Wenn der Vergütungsanspruch nach altem Recht der 30-jährigen Regelverjährung nach § 195 BGB a.F. unterfällt, ist die Verjährungsfrist nach neuem Recht kürzer. Die danach geltende dreijährige Frist begann dann ab dem zu laufen. Beträgt die Verjährungsfrist nach altem Recht hingegen nur zwei Jahre (§ 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB a.F.), bestimmt sich der Beginn der Verjährung für den Zeitraum vor dem nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Gemäß § 201 Satz 1 BGB a.F. beginnt die Verjährung der in den §§ 196, 197 BGB a.F. bezeichneten Ansprüche mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in welchem der nach den §§ 198 bis 200 BGB a.F. maßgebende Zeitpunkt - das ist die Fälligkeit (vgl. BGHZ 53, 222, 225; MünchKomm-BGB/Grothe, 4. Aufl. § 198 Rn. 1) - eingetreten ist. Verjährungsbeginn ist also wiederum der .

c) Vergeblich wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des Beschwerdegerichts, dass der Ablauf der Verjährung durch den Vergütungsfestsetzungsantrag des weiteren Beteiligten gehemmt worden ist.

aa) Gemäß § 209 Abs. 1 BGB a.F., § 17 Abs. 3 Satz 1 KostO a.F. wird die Verjährung eines Anspruchs durch gerichtliche Geltendmachung unterbrochen. Nach §§ 204, 209 BGB n.F., § 17 Abs. 3 Satz 1 KostO n.F., § 2 Abs. 3 Satz 2 JVEG bewirkt die gerichtliche Geltendmachung eine Hemmung der Verjährung. Für die insolvenzrechtliche Vergütung fehlt eine derartige Regelung. Sie muss in einer Rechtsanalogie zu den genannten Vorschriften gefunden werden (ebenso LG Stade ZInsO 2005, 367, 368; Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO Rn. 51 und § 8 InsVV Rn. 45; HmbKomm-InsO/Büttner/Henningsmeier, aaO § 63 Rn. 9; Kübler/Prütting/Eickmann/Prasser, aaO vor § 1 InsVV Rn. 10; Keller, aaO Rn. 51; Zimmer ZVI 2004, 662, 664). Mit der Stellung seines Vergütungsantrags hat der Insolvenzverwalter das Festsetzungsverfahren in Gang gesetzt. Auf die Dauer der Bearbeitung durch das Insolvenzgericht, das die Vergütung festsetzen muss, hat der Insolvenzverwalter keinen hinreichenden Einfluss. Insofern unterscheidet sich seine Rechtsposition nicht von derjenigen eines Klägers, der einen Anspruch vor einem Prozessgericht geltend macht. Hier wie dort ist es deshalb geboten, den Umstand, dass sich der Inhaber des Anspruchs zu dessen Durchsetzung gerichtlicher Hilfe bedienen muss, hinsichtlich des Laufs der Verjährung zu berücksichtigen.

Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 EGBGB bestimmt sich für die am bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche auch die Hemmung der Verjährung für den Zeitraum vor dem nach dem bisherigen Recht. Diese Bestimmung ist im vorliegenden Fall nicht relevant, weil im Zeitraum vor dem - wie oben unter b ausgeführt - kein Unterbrechungs- oder Hemmungstatbestand verwirklicht worden ist. Der Festsetzungsantrag vom hat in entsprechender Anwendung von § 204 Abs. 1 BGB n.F. die Verjährung des Vergütungsanspruchs des weiteren Beteiligten gehemmt.

4. Mit ihrer Rüge, die Vergütung hätte nicht ohne weiteres in der Höhe, wie vom Beschwerdegericht beschlossen, festgesetzt werden dürfen, hat die Rechtsbeschwerde Erfolg.

a) Das Beschwerdegericht hat bei der Berechnung der Vergütung einen Wert der Insolvenzmasse von 927.260,33 € zugrunde gelegt. Hierbei hat es, den Angaben des weiteren Beteiligten folgend, die beiden Betriebsgrundstücke mit 3.465.000,00 DM bewertet und hiervon Belastungen in Höhe von 1.679.861,90 DM abgezogen.

b) Die Rechtsbeschwerde weist darauf hin, dass gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV Massegegenstände, die mit Absonderungsrechten belastet sind, bei der Insolvenzverwaltervergütung nur berücksichtigt werden, wenn sie durch den Verwalter verwertet worden sind. Im vorliegenden Fall sind die Hotelgrundstücke nicht verwertet worden. Selbst bei Durchführung des Insolvenzverfahrens hätte, so macht die Rechtsbeschwerde geltend, allenfalls das Grundstück verwertet werden müssen. Daraus wären der Masse 261.638,10 DM zugeflossen. Allenfalls dieser Betrag hätte zur Grundlage der Insolvenzverwaltervergütung gemacht werden dürfen. Diese könne bei vorzeitiger Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht nach einem Wert der Insolvenzmasse berechnet werden, der bei durchgeführtem Verfahren nicht angefallen wäre.

c) Dies ist im rechtlichen Ansatz zutreffend. Wird das Insolvenzverfahren vorzeitig - bevor die Verwertungsmaßnahmen abgeschlossen oder aufgenommen worden sind - beendet, müssen im Rahmen der Vergütungsbemessung auch die noch nicht verwerteten Massegegenstände Teil der Berechnungsgrundlage sein (MünchKomm-InsO/Nowak, § 1 InsVV Rn. 4; FK-InsO/Lorenz, aaO § 1 InsVV Rn. 12; HK-InsO/Irschlinger, 4. Aufl. § 1 InsVV Rn. 3). Allerdings ist die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV unmittelbar nicht anwendbar. Für den vorliegenden Fall, in dem die Beendigung des Verwalteramtes mit der Beendigung des Verfahrens zusammenfällt, wird angenommen, der Verwertungserlös und die "freie Spitze" seien fiktiv zu berechnen (Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 1 InsVV Rn. 70; Kübler/Prütting/Eickmann/Prasser, aaO § 1 Rn. 31; Keller, aaO Rn 150, 161). Andere sprechen sich für eine Schätzung aus (FK-InsO/Lorenz, aaO § 1 InsVV Rn. 10). Im Ergebnis macht dies hier keinen Unterschied. Nach der einen wie der anderen Auffassung muss das Verwertungsergebnis berücksichtigt werden, das ohne die vorzeitige Beendigung des Verfahrens erzielt worden wäre. Wären dann Massegegenstände nicht verwertet worden, weil eine vollständige Befriedigung der Gläubiger ohnedies zu erreichen gewesen wäre, ist der Wert jener Gegenstände vergütungsrechtlich nicht zu berücksichtigen.

IV.

Insofern ist die Sache jedoch noch nicht entscheidungsreif. Es ist nicht festgestellt, dass bereits die Verwertung des Grundstücks ausgereicht hätte, sämtliche Gläubiger der Schuldnerin zu befriedigen. Dies wird das Beschwerdegericht nachzuholen haben.

Fundstelle(n):
BB 2007 S. 1245 Nr. 23
WM 2007 S. 1072 Nr. 23
ZIP 2007 S. 1070 Nr. 22
UAAAC-45863

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja