BFH Beschluss v. - VII B 189/06

Erforderlichkeit der gerichtlichen Verfolgung des Kaufpreisanspruchs nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV

Gesetze: MinöStV § 53 Abs. 1 Nr. 3

Instanzenzug: VM

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) belieferte jahrelang eine GmbH & Co. KG (KG) mit versteuertem Mineralöl. Zur Bezahlung der Lieferungen hatte sie ein Zahlungsziel von 45 Tagen eingeräumt. Nachdem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG gestellt worden war, stellte die Klägerin die Belieferung ein. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldete die Klägerin die Forderungen aus insgesamt vier Lieferungen beim Insolvenzverwalter an. Den Antrag, ihr den im Verkaufspreis enthaltenen Mineralölsteueranteil gemäß § 53 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) zu vergüten, lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) mit der Begründung ab, dass das vereinbarte Zahlungsziel von 45 Tagen und das sich hieran anschließende Mahnsystem nicht geeignet gewesen seien, den eingetretenen Zahlungsausfall zu verhindern.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Klägerin der begehrte Vergütungsanspruch nicht zustehe. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liege ein einen solchen Anspruch ausschließender Systemfehler im Rechnungs- und Mahnwesen des Verkäufers vor, wenn von der Lieferung des Mineralöls bis zur gerichtlichen Geltendmachung der Kaufpreisforderung mehr als etwa zwei Monate verstreichen könnten. Im Streitfall wäre die dritte und letzte Mahnung mit der Androhung der gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche erst geraume Zeit nach Ablauf der Frist von zwei Monaten nach der Belieferung der KG abgesandt worden. Da ein vorwerfbarer Systemfehler im Rechnungs- und Mahnwesen vorliege, sei es nicht entscheidungserheblich, dass inzwischen das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet worden sei und ob die Gewährung eines Zahlungsziels von 45 Tagen branchenüblich sei.

Mit Schriftsatz vom legte die Klägerin Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein, ohne die Beschwerde jedoch zu begründen. Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin von der Geschäftsstelle des beschließenden Senats unter Hinweis auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die nach § 116 Abs. 3 FGO vorgeschriebene Frist zur Begründung der Beschwerde bereits abgelaufen sei, ging die Begründung am per Telefax ein. Gleichzeitig mit der Begründung beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Fristversäumung.

Zur Begründung seines Antrages trägt er vor, dass die Fristversäumung allein auf das Verschulden der zuständigen Kanzleimitarbeiterin Frau X zurückzuführen sei. Diese habe versehentlich und aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen, unter Missachtung der am Tag der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ihr über Phonodiktat gegebenen Anweisung zur Notierung der Begründungsfrist, diese nicht notiert, sondern lediglich eine Wiedervorlage der Akte auf den mit dem Stichwort „Begründung Nichtzulassungsbeschwerde” verfügt. Frau X habe sich stets als zuverlässige Mitarbeiterin erwiesen. In sämtlichen Akten, die sie bearbeitet habe, seien stets die einzuhaltenden Fristen notiert worden. Mit den in steuerrechtlichen Angelegenheiten zu beachtenden Fristen —auch mit den Fristen für die Einlegung und Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde— sei sie vertraut gewesen. Die Fristen würden im Computerprogramm der Kanzlei erfasst und könnten nicht verloren gehen. Der zuständige Anwalt erhalte aus diesem Programm am jeweiligen Freitag einer Woche einen Ausdruck der Fristen, die in der folgenden Woche endeten und damit zu bearbeiten seien. Außerdem erhalte jeder Anwalt täglich eine Wiedervorlageliste der wieder vorzulegenden Akten. Als er, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, den Wiedervorlagezettel für die Akte am erhalten habe, habe er die Akte weiter „verfristet”, da er davon habe ausgehen können, dass das als zuverlässig bekannte Sekretariat die Begründungsfrist notiert haben würde, denn die Wiedervorlage sei ebenfalls mit dem Vermerk „Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde” notiert worden.

In der als Anlage beigefügten eidesstattlichen Versicherung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin diese Ausführungen im Wesentlichen wiederholt. Frau X habe stets zuverlässig gearbeitet, was er zunächst in kürzeren und dann in längeren Abständen kontrolliert habe. Er habe deshalb auf eine ordnungsgemäße Notierung der Rechtsmittelbegründungsfrist vertrauen dürfen, zumal auch die diktierte Wiedervorlagefrist mit dem entsprechenden Titel „Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde” notiert gewesen sei. Bei Auftreten von schwierigen anderen Fristen werde das Sekretariat in diese Fristen eingewiesen. Diese Ausführungen werden durch die eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten Frau X bestätigt.

In der Sache selbst begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob ein Vergütungsanspruch zu versagen sei, wenn der Mineralölhändler ohne vorausgehende Mahnungen innerhalb von zwei Monaten die gerichtliche Beitreibung verfolge und wenn dem Abnehmer im Sinne eines Systemfehlers des Mahnsystems ein Zahlungsziel von 45 Tagen eingeräumt worden sei. Darüber hinaus stelle sich die weitere Frage, ob die rechtzeitige gerichtliche Verfolgung des Anspruchs oder der geforderten Zwischenschritte zur Betreibung unter Berücksichtigung der neu gefassten Dienstvorschrift der Bundesfinanzverwaltung (Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung-Nachrichten 34/2005) entbehrlich sei, wenn das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet werde.

Die Vereinbarung eines Zahlungsziels von 45 Tagen sei in der Mineralölbranche üblich. Nach der Rechtsprechung des BFH seien Mahnungen entbehrlich, sofern die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs i.S. von § 53 Abs. 1 MinöStV rechtzeitig erfolge. Von diesem Grundsatz sei das FG abgewichen. Sofern nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) ein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt worden sei, seien nach der neu gefassten Dienstvorschrift der Bundesfinanzverwaltung Mahnungen nicht mehr durchzuführen. Der Streitfall gebe Anlass, die Rechtsprechung des BFH an die geänderten tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. Nach neuerer Auffassung des beschließenden Senats müsse nicht in jedem aussichtslosen Fall den Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV Genüge getan werden.

Die Rechtsprechung des BFH bedürfe einer grundlegenden Kurskorrektur. Denn sie beruhe auf der Prämisse, dass es bei der Entlastungsregelung um eine Abwälzung des Steuerrisikos vom Mineralölhandel auf die Allgemeinheit gehe. Tätsächlich ziele die Regelung jedoch auf eine zumindest teilweise Beseitigung einer den Mineralölhandel treffenden Belastung ab. Es stelle sich die grundlegende Frage, ob es der Mineralölhändler verdiene, mit dem Mineralölsteueranteil der ausgefallenen Kaufpreisforderung belastet zu bleiben. Da es sich um eine Billigkeitsregelung handle, sei die Entscheidung über die Gewährung des Entlastungsanspruchs ausschließlich danach auszurichten, ob der Mineralölhändler das ihm nach einer wertenden Gesamtbetrachtung festzustellende Zumutbare unternommen habe. Eine schematische Anwendung des Wortlauts von § 53 MinöStV habe der Gesetzgeber nicht gewollt.

Die Finanzverwaltung habe sich entschieden, Fälle der vorläufigen Insolvenz einheitlich zu regeln. Komme es somit auf die gerichtliche Verfolgung nicht mehr an, könne ein Vergütungsanspruch nach § 53 Abs. 1 MinöStV nicht versagt werden. Dem sollte sich die Rechtsprechung anschließen.

Das HZA ist der Beschwerde mit dem Hinweis auf ihre Unzulässigkeit entgegengetreten.

II. Zwar ist der Klägerin Wiedereinstellung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Fristversäumung zu gewähren, doch hat die Beschwerde keinen Erfolg.

1. Wiedereinsetzung ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Das Verschulden eines Prozessbevollmächtigten ist der Partei zuzurechnen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Nicht zuzurechnen sind Fristversäumnisse, die durch Angestellte eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters auf Grund eines sog. Büroversehens verschuldet sind. Beruft sich ein durch einen Prozessbevollmächtigten vertretener Beteiligter auf ein solches Büroversehen, so muss er innerhalb der Antragsfrist des § 56 Abs. 2 Nr. 1 FGO darlegen, dass kein Organisationsfehler vorliegt, insbesondere muss er vortragen, durch welche Maßnahmen er gewährleistet hat, dass in seinem Büro die Fristen entsprechend seinen Anordnungen notiert und kontrolliert werden und wann bzw. wie er die Einhaltung dieser Belehrungen überwacht hat (BFH-Beschlüsse vom VII B 150/02, BFH/NV 2002, 1489, und vom VIII R 9/00, BFH/NV 2002, 43). Die Anforderungen an die Darlegungspflicht dürfen jedoch nicht überspannt werden (vgl. , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2003, 74, m.w.N.).

Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin innerhalb der nach § 56 Abs. 2 FGO vorgeschriebenen Frist ausreichende Angaben darüber gemacht, in welcher Weise er seiner Verpflichtung zur Einweisung und Kontrolle des Büropersonals nachgekommen ist und dass die sonst äußerst zuverlässige Mitarbeiterin Frau X aus nicht nachvollziehbaren Gründen die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht notiert habe. Selbst ein festgestellter Organisationsmangel wäre im Allgemeinen nicht ursächlich für die Fristversäumung, wenn eine diesen Mangel ausgleichende konkrete Einzelanweisung an zuverlässige Bürobedienstete erteilt, jedoch von diesen nicht befolgt worden ist (, BFH/NV 2004, 1036, m.w.N.). Ein Rechtsanwalt oder Steuerberater darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine zuverlässige Büroangestellte seine konkreten Anweisungen befolgt.

2. Eine Zulassung der Revision kommt indes nicht in Betracht, weil die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die Gewährung eines Zahlungsziels von 45 Tagen und ein dadurch bedingter Systemfehler im Mahnsystem zur Versagung des Vergütungsanspruchs führen kann, so zu entscheiden ist, wie es das FG getan hat, so dass es bereits an der Klärungsbedürftigkeit fehlt, und die weiter aufgeworfene Rechtsfrage einer Klärung im angestrebten Revisionsverfahren nicht fähig ist.

a) Nach § 53 Abs. 1 MinöStV wird dem Verkäufer von nachweislich nach § 2 des Mineralölsteuergesetzes 1993 versteuertem Mineralöl auf Antrag die im Verkaufspreis enthaltene und beim Warenempfänger wegen Zahlungsunfähigkeit ausgefallene Steuer erstattet oder vergütet, wenn der Zahlungsausfall trotz vereinbarten Eigentumsvorbehalts, laufender Überwachung der Außenstände, rechtzeitiger Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und gerichtlicher Verfolgung des Anspruchs nicht zu vermeiden war.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats müssen die in § 53 Abs. 1 MinöStV genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein, so dass mangels Vergütungsfähigkeit der gesamte Anspruch entfällt, wenn auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist (Senatsurteil vom VII R 33/00, BFHE 195, 78, 81). Zu ihnen gehört die rechtzeitige Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und die gerichtliche Verfolgung des Anspruchs. Da der Vorschrift kein schuldnerschützender Charakter zukommt, sondern sie vielmehr zur Erhaltung des dem Gläubiger evtl. zustehenden Vergütungsanspruchs dient, bleibt es dem Gläubiger überlassen, ob er den in der Vorschrift aufgezeigten typischen Weg (letzte Mahnung unter Fristsetzung und Androhung gerichtlicher Verfolgung) einschlägt, oder unter Verzicht auf diese Zwischenschritte seinen Kaufpreisanspruch unmittelbar gerichtlich verfolgt. In seiner Entscheidung vom VII B 247/98 (BFHE 188, 217) hat der Senat ausgeführt, dass ein Mahnsystem hinzunehmen wäre, bei dem sichergestellt sei, dass im Falle der Nichtbegleichung der Forderung spätestens etwa zwei Monate nach der Belieferung die gerichtliche Verfolgung in die Wege geleitet werde. In besonders gelagerten Fällen kann allerdings ein unverzügliches Handeln des Lieferanten gefordert werden (Senatsentscheidungen vom VII B 144/04, BFH/NV 2005, 1384, und vom VII R 42/04, BFHE 212, 347).

b) Die vom Senat eingeräumte Frist von zwei Monaten ist ausreichend bemessen, so dass keine Veranlassung besteht, sie weiter auszudehnen. Räumt der Lieferant seinem Abnehmer ein Zahlungsziel von über sechs Wochen ein, und betreibt er erst nach Ablauf dieser Frist das außergerichtlich Mahnverfahren, hat er dennoch sicherzustellen, dass eine gerichtliche Geltendmachung rechtzeitig, d.h. etwa zwei Monate nach der Belieferung, erfolgen kann. Nach den Feststellungen des FG, gegen die Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind, hat die Klägerin in ihren Rechnungen um eine sofortige Überweisung gebeten, jedoch mündlich ein Zahlungsziel von 45 Tagen eingeräumt. Durch die großzügige Kreditierung der Kaufpreissumme ist sie bewusst das Risiko einer verspäteten gerichtlichen Verfolgung des Kaufpreisanspruchs eingegangen. Denn wie das FG festgestellt hat, wäre allein die Androhung der gerichtlichen Verfolgung erst geraume Zeit nach Ablauf der von der Senatsrechtsprechung entwickelten Frist von etwa zwei Monaten nach der Belieferung der KG erfolgt. Zu Recht hat das FG geurteilt, dass das Mahnsystem der Klägerin als nicht ausreichend erachtet werden kann, um den durch die Senatsrechtsprechung konkretisierten Anforderungen des § 53 MinöStV gerecht zu werden.

Im Übrigen geht die Klägerin im Gegensatz zu den vom FG getroffenen Feststellungen bei der Formulierung ihrer ersten Frage davon aus, dass eine gerichtliche Beitreibung innerhalb einer Frist von zwei Monaten erfolgt ist. Insoweit liegt dieser Frage ein vom Streitfall abweichender Sachverhalt zugrunde, so dass sie in dem angestrebten Revisionsverfahren auch gar nicht geklärt werden könnte.

c) Der weiteren Rechtsfrage, ob eine gerichtliche Verfolgung des Kaufpreisanspruchs bei Eröffnung eines „vorläufigen Insolvenzverfahrens” —d.h. bei Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht— entbehrlich ist, kommt ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung zu. Denn abgesehen davon, dass die Entscheidung des FG hierauf nicht beruht, hat der Senat diese Frage bereits entschieden, so dass sie auch nicht mehr klärungsbedürftig ist.

Mehrfach hat der Senat dargelegt, dass der Gläubiger auf eine rechtzeitige gerichtliche Verfolgung seines Anspruchs auch dann nicht verzichten kann, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt und die Sequestration des Schuldnervermögens angeordnet ist (Senatsbeschlüsse vom VII B 232/00, BFH/NV 2001, 1609, und vom VII B 64/02, BFH/NV 2003, 84) oder wenn Anträge auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung (Senatsurteil vom VII R 7/02, BFHE 200, 475) oder auf Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens (Senatsentscheidungen vom VII B 52/05, BFH/NV 2006, 1159, und vom VII B 144/04, BFH/NV 2005, 1384) gestellt sind. Maßgebend für diese Rechtsauffassung war für den Senat, dass es für einen Außenstehenden typischerweise nicht möglich ist, die Vermögenssituation eines sich für zahlungsunfähig erklärenden Schuldners zuverlässig abzuschätzen. Auch besteht die Möglichkeit, dass der Schuldner oder ein Gläubiger den von ihm gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wieder zurücknimmt (§ 13 Abs. 2 InsO). In Kenntnis eines Antrages auf Insolvenzeröffnung darf der Gläubiger daher nicht untätig abwarten, ob das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet wird, sondern muss auch jetzt noch die ihm rechtlich möglichen und zumutbaren gerichtlichen Maßnahmen, wie z.B. die Erwirkung eines Mahnbescheids —selbst wenn sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie hätten durchgeführt werden müssen, dem Mineralölhändler aussichtslos erscheinen—, ergreifen, um im Falle einer Ablehnung des Insolvenzantrages unverzüglich auf die weitere Durchsetzung seiner Ansprüche hinwirken zu können. Wer untätig bleibt, verliert seinen Vergütungsanspruch, selbst wenn später das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet wird und die Forderungen zur Tabelle angemeldet werden (Senatsentscheidungen in BFH/NV 2001, 1609, und in BFHE 200, 475, m.w.N.).

In Fortentwicklung dieser Rechtsprechung hat der Senat in seinem Urteil vom VII R 15/06 (BFH/NV 2007, 109) ausgeführt, dass ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens —und evtl. die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht— die Einleitung eines Mahnverfahrens nicht entbehrlich macht und dass die Anmeldung des Kaufpreisanspruchs zur Tabelle die in § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV normierte Anspruchsvoraussetzung der gerichtlichen Verfolgung nicht zu erfüllen vermag. Denn nicht in jedem Fall, in dem der Schuldner oder Gläubiger einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt haben, kann davon ausgegangen werden, dass eine gerichtliche Verfolgung der Ansprüche von vornherein aussichtslos erscheint und deshalb unter keinen Gesichtspunkten geeignet wäre, die Stellung des Mineralölhändlers zu verbessern. Insbesondere bei Eröffnung eines „vorläufigen Insolvenzverfahrens” kann die Erlangung eines Pfandrechts Vorteile bieten.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass das „vorläufige Insolvenzverfahren” nicht zu einer Verteilung des Schuldnervermögens führen soll, sondern lediglich der Sichtung des Vermögensbestandes und der Werterhaltung und Bestandswahrung dient und dass zwischen der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein erheblicher Zeitraum liegen kann. In diesem Zwischenstadium, in dem Ungewissheit darüber besteht, ob es überhaupt zur Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens kommt, sind die Gläubiger grundsätzlich nicht daran gehindert, die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu betreiben. Will das Insolvenzgericht dies verhindern, hat es die Möglichkeit, nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu untersagen oder einstweilen einzustellen und damit dem Ziel der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung den Vorrang gegenüber der Einzelzwangsvollstreckung einzuräumen. Allerdings ist eine solche Beschränkung der Vollstreckung nur bei beweglichen Gegenständen möglich, so dass Grundpfandrechte bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin verwertet werden dürfen. Selbst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind aussonderungsberechtigte Gläubiger insoweit privilegiert, als bei Grundstücken das absolute Vollstreckungsverbot des § 89 InsO durch die Regelungen in § 30d und in § 153b des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung relativiert wird.

Unterlässt das Insolvenzgericht eine Anordnung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO oder besteht für den Gläubiger die Aussicht, in das unbewegliche Vermögen des Schuldners zu vollstrecken, kann der Erlass eines Mahnbescheids und das Bemühen um die Erlangung eines Pfändungspfandrechts allein deshalb Sinn machen, weil mit dieser Vorgehensweise Absonderungsrechte begründet werden können, die dem Inhaber bei Beachtung der in § 88 InsO festgelegten Monatsfrist insolvenzfeste Vorzugsrechte einräumen (§ 50 Abs. 1 InsO). Deshalb erscheint es dem Senat nicht sachgerecht, von vornherein und in jedem Fall auf die gerichtliche Geltendmachung des Kaufpreisanspruchs zu verzichten, sobald ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden ist. Denn auch in dieser Situation wird ein die Grundsätze ordnungsgemäßer kaufmännischer Geschäftsführung beachtender und sorgfältig handelnder Mineralöllieferant alle Möglichkeiten ausschöpfen, um sich den Vergütungsanspruch nach § 53 Abs. 1 MinöStV zu erhalten. Kommt es nicht zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, weil eine hierzu ausreichende Masse nicht vorhanden ist, oder weil es dem Schuldner gelingt, die Zahlungen allgemein wieder aufzunehmen und dadurch die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, ist der Mineralölhändler gehalten, eine gegen den Warenempfänger bereits eingeleitete Einzelzwangsvollstreckung weiter zu betreiben.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1353 Nr. 7
LAAAC-45772