BGH Urteil v. - IX ZR 127/05

Leitsatz

[1] Die Sicherungsabtretung der einem Scheck zugrunde liegenden Forderung an die den Scheck einziehende Bank ist als inkongruente Sicherung anfechtbar.

Gesetze: InsO § 131; AGB-Banken Nr. 15 Abs. 2

Instanzenzug: LG Weiden i.d. OPf. 1 O 163/04 vom OLG Nürnberg 8 U 3614/04 vom

Tatbestand

Der Beklagte ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, die ein Autohaus betrieb. Die Schuldnerin unterhielt bei der Klägerin, einer Bank, ein auf Guthabenbasis geführtes Girokonto. Am reichte die Schuldnerin auf dieses Konto einen Scheck in Höhe von 59.967,95 € zur Gutschrift ein. Der Scheck war der Schuldnerin von der Firma M. zur Begleichung einer Kaufpreisforderung übergeben worden.

Aufgrund der Einreichung des Schecks führte die Klägerin am einen Überweisungsauftrag der Schuldnerin über 51.505 € aus. Am stellte die Schuldnerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am selben Tag wurde durch Beschluss des Amtsgerichts der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt und beauftragt, Außenstände einzuziehen und alle eingehenden Gelder auf ein Anderkonto einzuzahlen.

Am wurde der Scheck von der bezogenen Bank wegen eines Formfehlers nicht eingelöst. Es erfolgte eine Rückbelastung auf dem Konto der Schuldnerin, das sich sodann wegen der durchgeführten Überweisung mit 51.612,71 € im Soll befand.

In der Folgezeit übersandte die Firma M. an die Schuldnerin einen neuen Scheck zur Bezahlung der Kaufpreisforderung, der auf Anweisung des Beklagten aber nicht über das Konto der Schuldnerin bei der Klägerin, sondern über das Anderkonto eingezogen wurde.

Am wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin begehrt den Ausgleich des Negativsaldos auf dem Konto. Sie ist der Auffassung, dass der Beklagte dadurch unberechtigt über die sicherungsabgetretene Kaufpreisforderung verfügt habe, dass er den neuen Scheck angenommen, über das Anderkonto eingezogen und dadurch das Erlöschen der abgetretenen Kaufpreisforderung bewirkt habe. Ihr stehe deshalb ein Ersatzabsonderungsrecht in Höhe des Negativsaldos zu.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr im Wesentlichen stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren in vollem Umfang weiter.

Gründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur vollständigen Abweisung der Klage.

I.

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe gemäß Nr. 15 Abs. 2 ihrer AGB im Wege der Sicherungsabtretung die zugrunde liegende Kaufpreisforderung der Schuldnerin erworben. Die Zedentin habe die zunächst fortbestehende Einziehungsbefugnis auch ohne ausdrücklichen Widerruf der Klägerin mit Einreichung des Insolvenzantrages verloren. Die gleichwohl durchgeführte Einziehung habe das im Insolvenzverfahren entstehende Absonderungsrecht der Klägerin vereitelt. Ihr stehe deshalb ein Ersatzabsonderungsrecht zu. Die vom Beklagten erklärte Anfechtung der Sicherungsabtretung greife nicht durch. Die Klägerin habe die Sicherung nicht in inkongruenter Weise erworben; die Sicherungsabtretung habe eine konkrete Forderung betroffen, nämlich die Forderung der Schuldnerin, die mit dem am eingereichten Scheck habe erfüllt werden sollen. Diese Abtretung habe der Sicherung der Klägerin für den Fall der Rückbelastung gedient. Mit der - vorläufigen - Kontogutschrift habe die Schuldnerin ein Äquivalent erhalten. Die Voraussetzungen für die Anfechtung einer kongruenten Deckung gemäß § 130 InsO lägen nicht vor.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung in einem wesentlichen Punkt nicht Stand. Da der Beklagte die Sicherungsabtretung wirksam angefochten hat, steht der Klägerin ein Ersatzabsonderungsrecht analog § 48 InsO nicht zu.

1. Zutreffend ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Klägerin die Kaufpreisforderung der Schuldnerin zunächst im Wege der Sicherungsabtretung nach Nr. 15 Abs. 2 ihrer AGB erworben hatte. Dies wird von der Revision nicht in Frage gestellt.

Nach Nr. 15 Abs. 1 ihrer AGB (Nr. 15 entspricht Nr. 15 der AGB-Banken) erwarb die Klägerin zur Sicherung ihrer Ansprüche aus der Kontoverbindung an dem (ersten) eingereichten Scheck im Zeitpunkt der Einreichung Sicherungseigentum. Nach Nr. 15 Abs. 2 der AGB ging auf sie zugleich die zugrunde liegende Forderung über.

Durch die Zahlung mittels erneutem Scheck erlosch die zugrunde liegende Forderung auch mit Wirkung gegenüber der Klägerin, weil die Sicherungsabtretung der Forderung gemäß Nr. 15 Abs. 2 der AGB der Firma M. nicht bekannt war (§ 362 Abs. 1, § 407 Abs. 1 BGB). Zugleich wurde das Entstehen eines (künftigen) Absonderungsrechts der Klägerin verhindert (, ZIP 2002, 2182, 2183; v. - IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009, 1010). Ein Ersatzabsonderungsrecht zugunsten der Klägerin ist dadurch jedoch nicht entstanden. Dies hätte vorausgesetzt, dass der Beklagte die Einziehung unberechtigt vorgenommen hat (BGHZ 144, 192, 198; , ZIP 1998, 793, 797; v. - IX ZR 222/02, ZIP 2004, 326, 328; v. - IX ZR 154/03, ZIP 2006, 959, 961; v. aaO S. 1011) und die Sicherungsabtretung nicht wirksam angefochten worden ist.

2. Ob die Einziehungsbefugnis der Schuldnerin mit Einreichung ihres Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen ist, wie das Berufungsgericht angenommen hat, kann dahingestellt bleiben.

3. Das Berufungsgericht hat jedenfalls verkannt, dass der Beklagte die Sicherungsabtretung der Forderung an die Klägerin wirksam gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO angefochten hat. Schon aus diesem Grund liegt ein Ersatzabsonderungsrecht nicht vor.

a) Die mit der Einreichung des ersten Schecks gemäß Nr. 15 Abs. 2 AGB-Banken verbundene Sicherungsabtretung der zugrunde liegenden Forderung stellt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts eine inkongruente Deckung dar.

Der Senat hat zu Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken entschieden, dass ein Pfandrecht an einem Anspruch auf Erteilung einer Gutschrift erst mit Eingang der Zahlung auf dem Konto des Kunden entsteht. Selbst wenn man Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken dahin auslegt, dass die Bank und der Kunde sich nicht nur über die Pfandrechtsbestellung dinglich einig sind, sondern zugleich einen schuldrechtlichen Anspruch darauf begründen, würde dieser erst in demjenigen Zeitpunkt auf einen bestimmten Pfandgegenstand konkretisiert, in dem die verpfändete Forderung entsteht (BGHZ 150, 122, 126; , ZIP 2005, 1651, 1652).

b) Nichts anderes gilt für Nr. 15 Abs. 2 der AGB-Banken. Bei der Vorausabtretung einer Forderung tritt die Wirkung der Abtretung gemäß § 140 Abs. 1 InsO frühestens mit dem Entstehen der Forderung ein (, WM 2003, 896, 897; v. - IX ZR 183/03, ZIP 2004, 1819, 1821 m.w.N.). Da die Abtretung hier erst zum Zeitpunkt der Scheckeinreichung erfolgte, ist dieser Zeitpunkt maßgebend.

Eine pauschale Einigung dahin, sämtliche Forderungen, die künftig zum Einzug eingereichten Schecks oder Wechseln zugrunde liegen, sollten abgetreten werden, ist nicht geeignet, eine kongruente Sicherheit im Voraus zu begründen. Absprachen, die es dem Ermessen der Beteiligten oder dem Zufall überlassen, ob und gegebenenfalls welche konkrete Sicherheiten erfasst werden, rechtfertigen die Besserstellung einzelner Gläubiger unter Durchbrechung des insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht (vgl. BGHZ 150, 122, 126; aaO S. 1652). Ob sich Nr. 15 Abs. 2 der AGB eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Abtretung entnehmen lässt, kann deshalb dahinstehen.

Bei Einreichung des Schecks wurde von der Schuldnerin eine (neue) schuldrechtliche Verpflichtung zur Abtretung der dem konkret eingereichten Scheck zugrunde liegenden Forderung nicht begründet. Ob eine solche Abtretungsverpflichtung, bezogen auf die konkret individualisierte, dem gleichzeitig eingereichten Scheck zugrunde liegende Forderung, die Kongruenz begründet hätte, kann daher dahinstehen.

Hätte die Schuldnerin den zweiten Scheck über das Konto der Klägerin eingezogen, hätte diese allerdings die Gutschrift mit dem Negativsaldo verrechnen dürfen, weil ihr ein fälliger Anspruch gegen die Schuldnerin zustand. Das Konto durfte nach den vertraglichen Vereinbarungen nur im Guthaben geführt werden. Die Verrechnung wäre eine kongruente Erfüllung der Kreditforderung der Klägerin (vgl. BGHZ 150, 122, 126 f) und nur unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar gewesen. Dies ändert indessen nichts an der hier vorliegenden Inkongruenz der Sicherungsabtretung.

c) Da die Sicherungsabtretung zwei Tage vor Einreichung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte, sind die Anfechtungsvoraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ohne weiteres gegeben.

d) Die Anfechtbarkeit nach § 131 InsO ist auch nicht gemäß § 142 InsO ausgeschlossen. Bei inkongruenter Sicherung oder Deckung finden die Vorschriften über das Bargeschäft keine Anwendung (BGHZ 123, 320, 328; , ZIP 2004, 1509, 1510; HK-InsO/Kreft, 4. Aufl. § 142 Rn. 8 f; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 142 Rn. 7).

III.

Das Berufungsurteil ist damit aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO. Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BB 2007 S. 1072 Nr. 20
DB 2007 S. 1188 Nr. 21
NJW 2007 S. 2324 Nr. 32
WM 2007 S. 897 Nr. 19
ZIP 2007 S. 924 Nr. 19
NAAAC-44503

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja