EuGH Urteil v. - C-392/04

Auf Einzelgenehmigungen anwendbare Gebühren und Abgaben bei Telekommunikationsdiensten

Leitsatz

[1] 1) Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste steht der Erhebung einer Gebühr für Einzelgenehmigungen entgegen, bei deren Berechnung die Kosten des allgemeinen Verwaltungsaufwands berücksichtigt werden, die der Regulierungsbehörde im Zusammenhang mit der Erteilung dieser Genehmigungen über einen Zeitraum von 30 Jahren entstehen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich nämlich, dass die den Unternehmen, die Inhaber von Einzelgenehmigungen sind, von den Mitgliedstaaten auferlegten Gebühren nur die Verwaltungskosten decken sollen, die für die durch die Erteilung dieser Genehmigungen verursachte Arbeit anfallen. Der Begriff Verwaltungskosten ist zwar ausreichend weit, um "allgemeine" Verwaltungskosten abzudecken, doch dürfen sich diese nur auf die vier in Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 ausdrücklich genannten Tätigkeiten beziehen. Zudem muss die Gebühr in Relation zu dem damit verbundenen Aufwand stehen und mit ausreichenden Einzelheiten in geeigneter Form veröffentlicht werden, damit die Kenntnisnahme ohne Schwierigkeiten möglich ist. Die Berechnung dieser Kosten für einen Zeitraum von 30 Jahren erfordert jedoch eine Hochrechnung der künftig möglicherweise anfallenden Ausgaben, die definitionsgemäß nicht die tatsächlich getätigten Ausgaben darstellt. Ohne eine Regelung zur Überprüfung des Betrages der geforderten Gebühr kann dieser Betrag nicht in strikter Relation zu dem anfallenden Aufwand stehen, wie es Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 ausdrücklich verlangt.

2) Das Gemeinschaftsrecht verlangt nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig geworden ist. Durch die Beachtung dieses Grundsatzes lässt sich verhindern, dass Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalten, unbegrenzt in Frage gestellt werden können. In bestimmten Fällen kann jedoch eine Schranke für diesen Grundsatz bestehen. Die für den Erlass einer Verwaltungsentscheidung zuständige Behörde ist nämlich nach dem in Artikel 10 EG verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit verpflichtet, ihre Entscheidung zu überprüfen und eventuell zurückzunehmen, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens, die Behörde ist nach nationalem Recht befugt, diese Entscheidung zurückzunehmen. Zweitens, die Entscheidung ist infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden. Drittens, das Urteil beruht, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war. Viertens, der Betroffene hat sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt. Maßgeblich ist also, dass das Unternehmen sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ausgeschöpft hat. Im Übrigen verlangt das Äquivalenzprinzip, dass bei der Anwendung sämtlicher für Rechtsbehelfe geltenden Vorschriften einschließlich der vorgesehenen Fristen nicht danach unterschieden wird, ob ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht oder gegen internes Recht gerügt wird. Folglich muss, wenn nach den für Rechtsbehelfe geltenden nationalen Vorschriften ein nach innerstaatlichem Recht rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, zurückzunehmen ist, sofern seine Aufrechterhaltung "schlechthin unerträglich" wäre, die gleiche Verpflichtung zur Rücknahme unter den gleichen Voraussetzungen im Fall eines Verwaltungsakts gelten, der gegen Gemeinschaftsrecht verstößt. Ist somit die Behörde nach nationalem Recht verpflichtet, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, wenn diese offensichtlich mit innerstaatlichem Recht unvereinbar ist, so muss im Fall offensichtlicher Unvereinbarkeit dieser Entscheidung mit Gemeinschaftsrecht die gleiche Verpflichtung bestehen. Insoweit ist es Sache des nationalen Gerichts, gemäß Artikel 10 EG in Verbindung mit Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 zu beurteilen, ob eine mit dem Gemeinschaftsrecht klar unvereinbare Regelung wie die Erhebung einer sehr hohen Gebühr, die die für einen Zeitraum von 30 Jahren geschätzten allgemeinen Kosten abdeckt, offensichtlich rechtswidrig im Sinne des betreffenden nationalen Rechts ist. Ist dies der Fall, hat das nationale Gericht daraus alle sich nach seinem nationalen Recht in Bezug auf die Rücknahme dieser Bescheide ergebenden Konsequenzen zu ziehen.

Gesetze: Richtlinie 97/13/EG Art. 11 Abs. 1; EG Art. 10

Gründe

1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste (ABl. L 117, S. 15) sowie von Artikel 10 EG.

2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen der i-21 Germany GmbH (im Folgenden: i-21) bzw. der Arcor AG & Co. KG, ehemals ISIS Multimedia Net GmbH & Co. KG (im Folgenden: Arcor), einerseits und der Bundesrepublik Deutschland andererseits über die von den genannten Gesellschaften für die Erteilung einer Telekommunikationslizenz gezahlten Gebühren.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 sieht vor:

"Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass von dem Unternehmen im Rahmen der Genehmigungsverfahren nur die Gebühren erhoben werden, die die für die Ausstellung, Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung der jeweiligen Einzelgenehmigungen anfallenden Verwaltungskosten abdecken. Die Gebühren für eine Einzelgenehmigung müssen in Relation zu dem damit verbundenen Aufwand stehen und sind mit ausreichenden Einzelheiten in geeigneter Form zu veröffentlichen, damit die Kenntnisnahme ohne Schwierigkeiten möglich ist."

4 Die Richtlinie 97/13 wurde durch die Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108, S. 33) aufgehoben.

Nationales Recht

5 Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 wurde in Deutschland durch das Telekommunikationsgesetz (TKG) vom (BGBl. I S. 1120) und die vom Bundesministerium für Post und Telekommunikation auf der Grundlage dieses Gesetzes erlassene Telekommunikations-Lizenzgebührenverordnung (TKLGebV) vom (BGBl. I S. 1936) umgesetzt.

6 § 48 Absatz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vom (BGBl. I S. 1253) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 3050) bestimmt:

"Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts

Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

..."

7 Im Hinblick darauf, dass es sich um Bescheide über die Gebühr für die Erteilung einer Telekommunikationslizenz handelt, weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die betreffenden Unternehmen im Fall der Rücknahme der Bescheide gemäß § 21 des Verwaltungskostengesetzes vom (BGBl. I S. 821) Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht erhobenen Beträge hätten.

8 Aus den Vorlagebeschlüssen geht hervor, dass die Verwaltungsbehörde nach der deutschen Rechtsprechung für die Rücknahme eines bestandskräftigen rechtswidrigen Verwaltungsakts gemäß § 48 VwVfG grundsätzlich über ein Ermessen verfügt. Dieses Ermessen könne jedoch auf null reduziert sein, wenn die Aufrechterhaltung des betreffenden Verwaltungsakts "schlechthin unerträglich" sei, weil sie gegen die guten Sitten, gegen Treu und Glauben, gegen die Billigkeit oder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße oder offensichtlich rechtswidrig sei.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9 i-21 und Arcor sind zwei Telekommunikationsunternehmen. Mit Bescheiden vom und vom wurde Erstere zu Gebühren in Höhe von rund 5 420 000 Euro und Letztere zu Gebühren in Höhe von rund 67 000 Euro jeweils für die Einzelgenehmigung für Telekommunikationsdienste herangezogen. Sie zahlten diese Gebühren ohne Beanstandung und fochten die Bescheide nicht binnen der Frist von einem Monat ab ihrer Bekanntgabe an.

10 Nach der Telekommunikations-Lizenzgebührenverordnung wird bei der Berechnung der Gebühr von einer Vorauserhebung der Kosten des allgemeinen Verwaltungsaufwands der nationalen Regulierungsbehörde für einen Zeitraum von 30 Jahren ausgegangen.

11 Mit Urteil vom stellte das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen eines Verfahrens wegen Aufhebung eines fristgerecht angefochtenen Lizenzgebührenbescheids fest, dass die Telekommunikations-Lizenzgebührenverordnung mit höherrangigem Recht, nämlich dem Telekommunikationsgesetz und dem Grundgesetz, nicht vereinbar sei, und bestätigte die Aufhebung des betreffenden Bescheides durch die Berufungsinstanz.

12 Nach Erlass dieses Urteils verlangten i-21 und Arcor die Erstattung der von ihnen geleisteten Gebühren. Ihre Anträge hatten jedoch keinen Erfolg. Ihre daraufhin beim Verwaltungsgericht erhobenen Klagen wurden mit der Begründung abgewiesen, dass ihre Gebührenbescheide bestandskräftig geworden seien und dass die Weigerung der Behörde, diese Bescheide zurückzunehmen, in den vorliegenden Fällen nicht zu beanstanden sei.

13 Nach Auffassung von i-21 und Arcor sind die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts nicht nur aus dem Blickwinkel des nationalen Rechts, sondern auch aus dem des Gemeinschaftsrechts rechtsfehlerhaft; sie legten daher Sprungrevision an das Bundesverwaltungsgericht ein. i-21 macht geltend, sie habe eine Gebühr entrichten müssen, die mehr als tausendmal höher sei als jene, die Telekommunikationsunternehmen nach dem genannten Urteil vom auferlegt werde.

14 Das Bundesverwaltungsgericht führt in seinen Vorlagebeschlüssen aus, die Revisionsanträge hätten allein nach nationalem Recht beurteilt keinen Erfolg. Es handele sich nicht um Fälle, in denen die Aufrechterhaltung der Gebührenbescheide "schlechthin unerträglich" sei und in denen das Ermessen der Behörde dahin verdichtet sei, dass ihr keine andere Möglichkeit bleibe, als die Bescheide zurückzunehmen. Die Aufrechterhaltung der Gebührenbescheide verstoße nämlich weder gegen Treu und Glauben oder den allgemeinen Gleichheitssatz noch gegen die guten Sitten oder die Billigkeit, und die in Rede stehenden Bescheide beruhten auch nicht auf einer offensichtlich rechtswidrigen Regelung.

15 Das vorlegende Gericht hat jedoch Zweifel hinsichtlich der Tragweite des Gemeinschaftsrechts. Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 könnte einer Regelung wie der in den Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen. Für diesen Fall sei zu klären, ob Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 in Verbindung mit Artikel 10 EG betreffend die Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit das Ermessen der Regulierungsbehörde insbesondere angesichts des Urteils vom in der Rechtssache C-453/00 (Kühne & Heitz, Slg. 2004, I-837) beschränke.

16 Das Bundesverwaltungsgericht fragt sich insbesondere, ob Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 dahin zu verstehen ist, dass er den Mitgliedstaaten eine Verpflichtung auferlegt, bei der Bemessung der Gebühr die Vorgaben der Richtlinie zu wahren und ihre Einhaltung sicherzustellen. Zu diesen Vorgaben gehöre der Zweck, den Markteintritt neuer Wettbewerber erheblich zu erleichtern. Die Aufrechterhaltung der streitigen Gebührenbescheide stelle für die betreffenden Unternehmen eine Beschränkung des Wettbewerbs dar; diese Unternehmen seien insbesondere gegenüber den Unternehmen, die die an sie gerichteten Bescheide fristgerecht und mit Erfolg angefochten hätten, benachteiligt. Sofern Artikel 11 als Verbot einer solchen Beschränkung des Wettbewerbs zu verstehen sei, könne aus dem in Artikel 10 EG verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit die Verpflichtung folgen, die streitigen Gebührenbescheide in Anwendung des nationalen Rechts zurückzunehmen, ohne dass die Behörde insoweit über einen Ermessensspielraum verfüge.

17 Das Bundesverwaltungsgericht hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 1997 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste (Lizenzierungsrichtlinie) dahin zu verstehen, dass er der Erhebung einer Lizenzgebühr entgegensteht, bei deren Berechnung von einer Vorauserhebung der Kosten des allgemeinen Verwaltungsaufwands einer nationalen Regulierungsbehörde für einen Zeitraum von 30 Jahren ausgegangen worden ist?

Bei Bejahung der Frage 1:

2. Sind Artikel 10 EG und Artikel 11 der Lizenzierungsrichtlinie dahin zu verstehen, dass sie es gebieten, einen Gebührenbescheid, mit dem Gebühren im Sinne der Frage 1 festgesetzt worden sind und der nicht angefochten worden ist, obwohl das nationale Recht das ermöglichte, aufzuheben, wenn das nationale Recht dies zulässt, aber nicht fordert?

18 Mit Beschluss vom sind die Rechtssachen C-392/04 und C-422/04 zu gemeinsamem mündlichem Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

Zur ersten Frage

Erklärungen der Parteien

19 i-21, Arcor und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sind der Auffassung, dass Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 einer Gebühr, wie sie die in den Ausgangsverfahren streitige deutsche Regelung vorsehe, entgegenstehe.

20 Die deutsche Regierung macht dagegen geltend, dass dieser Artikel auf die vorliegenden Rechtssachen nicht anwendbar sei, da die Richtlinie 97/13 durch die Richtlinie 2002/21 aufgehoben worden sei und diese für die weitere Anwendung von Artikel 11 keine Übergangsmaßnahmen enthalte.

21 Jedenfalls verbiete Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 es nicht, eine Gebühr wie die in der fraglichen deutschen Regelung vorgesehene zu erheben. Zum einen umfassten die dort erwähnten Verwaltungskosten auch die Kosten des allgemeinen Verwaltungsaufwands. Zum anderen bestimme diese Vorschrift nicht, dass die Gebühr nur die tatsächlich entstandenen Verwaltungskosten enthalten dürfe und nicht künftige Verwaltungskosten. Deren Berücksichtigung stelle eine Sicherheitsgarantie für die Unternehmen dar, die dadurch sicher sein könnten, dass künftig keine weiteren Abgaben für die Lizenz erhoben würden.

Antwort des Gerichtshofes

22 Zunächst ist das Argument der deutschen Regierung zu prüfen, Artikel 11 der Richtlinie 97/13 sei auf die vorliegenden Rechtssachen nicht anwendbar, da diese Richtlinie durch eine spätere Richtlinie aufgehoben worden sei.

23 Hierzu ist festzustellen, dass die Richtlinie 97/13 durch Artikel 26 der Richtlinie 2002/21 gemäß deren Artikel 28 Absatz 1 Unterabsatz 2 mit Wirkung vom aufgehoben wurde.

24 Aus dem Wortlaut dieser Artikel 26 und 28 Absatz 1 Unterabsatz 2 ergibt sich jedoch, dass der Gesetzgeber die kraft der Richtlinie 97/13 entstandenen Rechte und Pflichten unberührt lassen wollte und dass die Richtlinie 2002/21 nur für nach dem begründete Rechtsverhältnisse gilt.

25 Daher ist trotz der Aufhebung der Richtlinie 97/13 durch die Richtlinie 2002/21 nach Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 zu prüfen, ob eine Gebühr, wie sie i-21 und Arcor durch Gebührenbescheide vom und vom , also zu einer Zeit, in der die Richtlinie 2002/21 noch nicht anwendbar war, auferlegt wurde, zulässig ist.

26 Zu prüfen ist ebenfalls, ob der Begriff "Verwaltungskosten" im Sinne dieses Artikels die Kosten des allgemeinen Verwaltungsaufwands für die Einzelgenehmigungen für einen Zeitraum von 30 Jahren erfasst.

27 Der Gerichtshof hat die Tragweite von Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 bereits geprüft.

28 Im Urteil vom in den Rechtssachen C-292/01 und C-293/01 (Albacom und Infostrada, Slg. 2003, I-9449, Randnr. 25) hat er darauf hingewiesen, dass nach Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 die den Unternehmen, die Inhaber von Einzelgenehmigungen sind, von den Mitgliedstaaten auferlegten Gebühren nur die Verwaltungskosten decken sollen, die für die durch die Erteilung dieser Genehmigungen verursachte Arbeit anfallen.

29 Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, wie sie der Gerichtshof in Randnummer 25 des Urteils Albacom und Infostrada ausgelegt hat, erfasst diese Arbeit nur vier Tätigkeiten, nämlich Ausstellung, Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung der Einzelgenehmigungen. Zudem muss die Gebühr in Relation zu dem damit verbundenen Aufwand stehen und mit ausreichenden Einzelheiten in geeigneter Form veröffentlicht werden, damit die Kenntnisnahme ohne Schwierigkeiten möglich ist.

30 Diese Anforderungen entsprechen den in der Begründungserwägung 2 der Richtlinie 97/13 genannten Vorgaben, dass Einzelgenehmigungen verhältnismäßig, transparent und nichtdiskriminierend sein müssen.

31 Daher ist zu prüfen, ob die Art und Weise der Berechnung der in den Ausgangsverfahren streitigen Gebühr, bei der die allgemeinen Kosten berücksichtigt werden, die über einen Zeitraum von 30 Jahren durch die Erteilung der Einzelgenehmigungen verursacht werden, Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 im Licht dieser Vorgaben entspricht.

32 Hierzu ist erstens festzustellen, dass der Begriff Verwaltungskosten ausreichend weit ist, um "allgemeine" Verwaltungskosten abzudecken.

33 Diese allgemeinen Verwaltungskosten dürfen sich jedoch nur auf die vier in Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 ausdrücklich genannten, oben in Randnummer 29 aufgeführten Tätigkeiten beziehen.

34 Nach den dem Gerichtshof unterbreiteten Angaben umfasst die Berechnung der in den Ausgangsverfahren streitigen Gebühr jedoch Ausgaben für andere Aufgaben, wie die allgemeine Überwachungstätigkeit der Regulierungsbehörde und insbesondere die Kontrolle etwaigen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung.

35 Eine derartige Kontrolle geht über die durch die Erteilung der Einzelgenehmigungen unmittelbar verursachte Arbeit hinaus, so dass die Berücksichtigung der dafür anfallenden Ausgaben gegen Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 verstößt.

36 Zweitens ist sicherzustellen, dass die allgemeinen Verwaltungskosten für die vier in Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 genannten Tätigkeiten über einen Zeitraum von 30 Jahren geschätzt und in die Berechnung der Gebühr einbezogen werden können.

37 Aus den von i-21, Arcor und der Kommission vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen geht hervor, dass die Zuverlässigkeit einer Schätzung über eine so lange Zeitspanne angesichts der Merkmale des Telekommunikationssektors problematisch ist. Da dieser Sektor in voller Entwicklung begriffen ist, erscheint es nämlich schwierig, die Marktsituation und die Zahl der Telekommunikationsunternehmen in mehreren Jahren vorherzusagen, geschweige denn in einem Zeitrahmen von 30 Jahren. Somit ist die Zahl der künftig zu verwaltenden Einzelgenehmigungen und damit auch die Höhe der für diese Verwaltung anfallenden allgemeinen Kosten ungewiss. Zudem ist die anwendbare Regelung erheblichen Änderungen unterworfen, wie die neuen Richtlinien zeigen, die 2002 erlassen wurden, darunter die Richtlinie 2002/21, durch die die Richtlinie 97/13 aufgehoben wurde. Auch diese Änderungen der Rechtslage können jedoch das Ausmaß der durch die Einzelgenehmigungen verursachten Kosten beeinflussen.

38 Aus der Unzuverlässigkeit der Schätzung und ihrer Auswirkungen auf die Berechnung der Gebühr ergeben sich Folgen für deren Vereinbarkeit mit den Geboten der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz und der Nichtdiskriminierung.

39 Zunächst erfordert die Berechnung der allgemeinen Kosten für einen Zeitraum von 30 Jahren eine Hochrechnung der künftig möglicherweise anfallenden Ausgaben, die definitionsgemäß nicht die tatsächlich getätigten Ausgaben darstellt. Ohne eine Regelung zur Überprüfung des Betrages der geforderten Gebühr kann dieser Betrag nicht in strikter Relation zu dem anfallenden Aufwand stehen, wie es Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 ausdrücklich verlangt.

40 Sodann könnte durch ein solches Berechnungssystem, da es nicht auf den tatsächlich anfallenden Ausgaben beruht, die in Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 vorgeschriebene Veröffentlichung der die Gebühren betreffenden Einzelheiten und damit das Gebot der Transparenz beeinträchtigt werden.

41 Schließlich trägt die Verpflichtung sämtlicher Telekommunikationsunternehmen zur Zahlung eines Betrages, der den allgemeinen Kosten für einen Zeitraum von 30 Jahren entspricht, nicht dem Umstand Rechnung, dass bestimmte Unternehmen möglicherweise nur für einige Jahre auf dem Markt tätig sind, und kann daher zu einer Ungleichbehandlung führen.

42 Aus alldem ergibt sich, dass Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 der Erhebung einer Gebühr für Einzelgenehmigungen entgegensteht, bei deren Berechnung die Kosten des allgemeinen Verwaltungsaufwands berücksichtigt werden, die der Regulierungsbehörde im Zusammenhang mit der Erteilung dieser Genehmigungen über einen Zeitraum von 30 Jahren entstehen.

Zur zweiten Frage

Erklärungen der Parteien

43 i-21, Arcor und die Kommission sind, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, der Auffassung, dass Artikel 10 EG in Verbindung mit Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 die Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts wie der in den Ausgangsverfahren streitigen Gebührenbescheide verbiete und die Erstattung der zu Unrecht erhobenen Beträge durch den Mitgliedstaat vorschreibe.

44 i-21 trägt vor, die Aufrechterhaltung eines solchen Verwaltungsakts widerspreche dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts und dem Erfordernis, dessen praktische Wirksamkeit zu wahren. Der Gerichtshof erkenne zwar den Grundsatz der Rechtssicherheit an, doch habe dieser nicht immer Vorrang gegenüber dem Legalitätsprinzip. Im Urteil Kühne & Heitz habe der Gerichtshof ausgeführt, dass ein durch ein letztinstanzliches Urteil bestandskräftig gewordener Verwaltungsakt unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden könne, wenn er gemeinschaftsrechtswidrig sei. Nach Ansicht von i-21 muss dies erst recht gelten, wenn es sich um einen Verwaltungsakt handele, der nicht Gegenstand eines Urteils gewesen und nur bestandskräftig geworden sei, weil er nicht fristgerecht angefochten worden sei.

45 Arcor trägt vor, das Urteil Kühne & Heitz sei nicht einschlägig, da es eine indirekte Kollision zwischen einer nationalen Verfahrensvorschrift und einer materiellrechtlichen Vorschrift des Gemeinschaftsrechts betreffe, bei der die Erste die Anwendung der Zweiten ausschließe. Der Ausgangsrechtsstreit sei als ein Fall der direkten Kollision zwischen zwei materiellrechtlichen Vorschriften anzusehen. Nach Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 in Verbindung mit Artikel 10 EG seien unter Verstoß gegen diesen Artikel 11 erhobene Beträge zu erstatten, während die nationale Regelung diese Erstattung ausschließe. In einem solchen Fall müsse das Gemeinschaftsrecht dem entgegenstehenden nationalen Recht vorgehen.

46 Die Kommission hält dagegen das Urteil Kühne & Heitz für einen geeigneten Ausgangspunkt und erinnert daran, dass ein Verwaltungsakt, der nicht fristgerecht angefochten worden sei, grundsätzlich nicht zurückgenommen werden müsse. In den vorliegenden Fällen müsse geprüft werden, ob die Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Gebührenbescheide unter dem Blickwinkel des Artikels 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 als "schlechthin unerträglich" anzusehen sei. Die Kommission prüft dies im Hinblick auf das Äquivalenz- und das Effektivitätsprinzip.

47 Zum Äquivalenzprinzip macht die Kommission geltend, dass ein nach nationalem Recht offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakt nach deutschem Recht nicht aufrechterhalten werden könne. Nehme man diese Prüfung auch nach Gemeinschaftsrecht vor, so ergebe sich, dass die in den Ausgangsverfahren streitigen Gebührenbescheide und die Vorschriften, auf denen sie beruhten, im Hinblick auf Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 offensichtlich rechtswidrig seien.

48 Zum selben Ergebnis gelangt die Kommission in Bezug auf das Effektivitätsprinzip. Die Aufrechterhaltung der Gebührenbescheide mache die Ausübung der durch Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 verliehenen Rechte während der gesamten Nutzungsdauer der Lizenzen praktisch unmöglich, indem sie eine Überkompensation ermögliche, die schließlich zu einer Beschränkung des Wettbewerbs während eines Zeitraums von 30 Jahren führe.

Antwort des Gerichtshofes

49 Zunächst ist der Rahmen zu bestimmen, in den sich die gestellte Frage einfügt. Entgegen dem Vorbringen von Arcor betrifft die zweite Frage nicht eine Kollision zwischen zwei materiellrechtlichen Vorschriften über die Erstattung von zu Unrecht erhobenen Gebühren. Denn weder Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 noch das Telekommunikationsgesetz und die Telekommunikations-Lizenzgebührenverordnung, wie sie in den dem Gerichtshof vorliegenden Akten dargestellt worden sind, behandeln eine solche Erstattung.

50 Die Frage betrifft vielmehr das Verhältnis zwischen Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 und § 48 VwVfG, wie ihn das Bundesverwaltungsgericht auslegt. Nach dieser Vorschrift werden Gebührenbescheide nach Ablauf einer bestimmten Frist bestandskräftig, und ihre Adressaten verfügen über keinen Rechtsbehelf mehr, um einen aus Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 abgeleiteten Anspruch geltend zu machen, vorbehaltlich der Verpflichtung der zuständigen Behörde zur Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, dessen Aufrechterhaltung "schlechthin unerträglich" ist.

51 Entsprechend dem Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt das Gemeinschaftsrecht nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig geworden ist (vgl. Urteil Kühne & Heitz, Randnr. 24). Durch die Beachtung dieses Grundsatzes lässt sich verhindern, dass Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalten, unbegrenzt in Frage gestellt werden können (vgl. entsprechend Urteil vom in der Rechtssache C-310/97 P, Kommission/AssiDomän Kraft Products u. a., Slg. 1999, I-5363, Randnr. 61).

52 Der Gerichtshof hat jedoch anerkannt, dass in bestimmten Fällen eine Schranke für diesen Grundsatz bestehen kann. In Randnummer 28 des Urteils Kühne & Heitz hat er entschieden, dass die für den Erlass einer Verwaltungsentscheidung zuständige Behörde nach dem in Artikel 10 EG verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit verpflichtet ist, ihre Entscheidung zu überprüfen und eventuell zurückzunehmen, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens, die Behörde ist nach nationalem Recht befugt, diese Entscheidung zurückzunehmen. Zweitens, die Entscheidung ist infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden. Drittens, das Urteil beruht, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war. Viertens, der Betroffene hat sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt.

53 Die Rechtssache Kühne & Heitz unterscheidet sich jedoch völlig von den Ausgangsverfahren. Die Kühne & Heitz NV hatte nämlich sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ausgeschöpft, während in den Ausgangsverfahren i-21 und Arcor von ihrem Recht, die an sie gerichteten Gebührenbescheide anzufechten, nicht Gebrauch gemacht haben.

54 Folglich ist das Urteil Kühne & Heitz entgegen der Auffassung von i-21 nicht erheblich für die Feststellung, ob eine Verwaltungsbehörde in einer Situation wie derjenigen der Ausgangsverfahren zur Rücknahme bestandskräftiger Entscheidungen verpflichtet ist.

55 In den beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren wird die Erstattung von Gebühren, die aufgrund bestandskräftiger Gebührenbescheide entrichtet wurden, mit der Begründung begehrt, dass die zuständige Verwaltungsbehörde gemäß § 48 VwVfG in der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rücknahme dieser Bescheide verpflichtet sei.

56 Daher stellt sich die Frage, ob es zum Schutz der Rechte der Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erforderlich sein kann, dass ein nationales Gericht, bei dem solche Verfahren anhängig sind, das Bestehen einer solchen Verpflichtung der Verwaltungsbehörde bejaht.

57 Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung mangels einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats sind; sie dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzprinzip), und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip) (vgl. insbesondere Urteile vom in der Rechtssache C-78/98, Preston u. a., Slg. 2000, I-3201, Randnr. 31, und vom 7. Januar 2004 in der Rechtssache C-201/02, Wells, Slg. 2004, I-723, Randnr. 67).

58 Was zunächst das Effektivitätsprinzip angeht, so dürfen danach die Vorschriften, die für die Behandlung von Gebührenbescheiden gelten, die auf eine mit Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 unvereinbare Regelung gestützt sind, die Ausübung der durch diese Richtlinie verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

59 Die betreffenden Unternehmen müssen somit gegen solche Bescheide innerhalb einer angemessenen Frist ab ihrer Bekanntgabe einen Rechtsbehelf einlegen und die ihnen aus dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13, erwachsenden Rechte geltend machen können.

60 In den Ausgangsverfahren ist nicht vorgetragen worden, dass die Vorschriften über die Einlegung eines Rechtsbehelfs und insbesondere die dafür vorgesehene Einmonatsfrist unangemessen seien.

61 Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass nach § 48 Absatz 1 VwVfG ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, zurückgenommen werden kann.

62 Was sodann das Äquivalenzprinzip betrifft, so verlangt es, dass bei der Anwendung sämtlicher für Rechtsbehelfe geltenden Vorschriften einschließlich der vorgesehenen Fristen nicht danach unterschieden wird, ob ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht oder gegen internes Recht gerügt wird.

63 Folglich muss, wenn nach den für Rechtsbehelfe geltenden nationalen Vorschriften ein nach innerstaatlichem Recht rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, zurückzunehmen ist, sofern seine Aufrechterhaltung "schlechthin unerträglich" wäre, die gleiche Verpflichtung zur Rücknahme unter den gleichen Voraussetzungen im Fall eines Verwaltungsakts gelten, der gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.

64 Aus den Ausführungen des vorlegenden Gerichts geht hervor, dass das nationale Gericht zur Beurteilung des Merkmals "schlechthin unerträglich" geprüft hat, ob die Aufrechterhaltung der in den Ausgangsverfahren streitigen Gebührenbescheide die im nationalen Recht geltenden Grundsätze der Gleichbehandlung, der Billigkeit, der guten Sitten oder von Treu und Glauben verletzt oder ob die Unvereinbarkeit der Gebührenbescheide mit höherrangigem Recht offensichtlich ist.

65 Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht beeinträchtigt, da Unternehmen wie i-21 und Arcor, deren Gebührenbescheide aufrechterhalten worden seien, ihre Befugnis, diese Bescheide anzufechten, nicht ausgeübt hätten. Ihre Lage sei daher mit der von Unternehmen, die diese Befugnis ausgeübt und die Rücknahme der an sie gerichteten Gebührenbescheide erwirkt hätten, nicht vergleichbar.

66 Bei einer solchen Anwendung des in der in den Ausgangsverfahren streitigen Regelung vorgesehenen Grundsatzes der Gleichbehandlung wird nicht danach unterschieden, ob der Rechtsstreit einen dem nationalen Recht oder einen dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Sachverhalt zum Gegenstand hat; sie stellt daher offensichtlich keine Beeinträchtigung des Äquivalenzprinzips dar.

67 Im Übrigen ist nicht vorgetragen worden, dass die Grundsätze der guten Sitten, von Treu und Glauben oder der Billigkeit je nach Art des Rechtsstreits unterschiedlich angewandt worden wären.

68 Hingegen ist die Frage aufgeworfen worden, ob das Merkmal der offensichtlichen Rechtswidrigkeit in der gleichen Weise angewandt wurde. Nach Auffassung der Kommission hat das nationale Gericht geprüft, ob die Regelung, auf die die Gebührenbescheide gestützt waren, im Hinblick auf höherrangige Rechtsvorschriften, nämlich das Telekommunikationsgesetz und das Grundgesetz, offensichtlich rechtswidrig war, jedoch habe es diese Untersuchung im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Die Regelung verstoße offensichtlich gegen Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13, so dass das Äquivalenzprinzip nicht beachtet worden sei.

69 Ist die Behörde nach nationalem Recht verpflichtet, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, wenn diese offensichtlich mit innerstaatlichem Recht unvereinbar ist, so muss im Fall offensichtlicher Unvereinbarkeit dieser Entscheidung mit Gemeinschaftsrecht die gleiche Verpflichtung bestehen.

70 Um zu beurteilen, wie klar Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 ist und ob die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit diesem Artikel offensichtlich ist oder nicht, sind die Ziele dieser Richtlinie heranzuziehen, die zu den Maßnahmen gehört, die zur vollständigen Liberalisierung der Telekommunikationsdienste und -infrastrukturen getroffen wurden, und bezweckt, den Markteintritt neuer Wettbewerber zu erleichtern (vgl. in diesem Sinne Urteil Albacom und Infostrada, Randnr. 35). Insoweit kann die Erhebung einer sehr hohen Gebühr, die die für einen Zeitraum von 30 Jahren geschätzten allgemeinen Kosten abdeckt, den Wettbewerb ernsthaft beeinträchtigen, wie das vorlegende Gericht in seinen Vorabentscheidungsersuchen ausgeführt hat, und stellt im Rahmen dieser Beurteilung einen erheblichen Faktor dar.

71 Es ist Sache des nationalen Gerichts, anhand des Vorstehenden zu beurteilen, ob eine mit dem Gemeinschaftsrecht klar unvereinbare Regelung wie jene, die den in den Ausgangsverfahren streitigen Gebührenbescheiden zugrunde liegt, offensichtlich rechtswidrig im Sinne des betreffenden nationalen Rechts ist.

72 Folglich ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Artikel 10 EG in Verbindung mit Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 97/13 gebietet, dass das nationale Gericht beurteilt, ob eine mit dem Gemeinschaftsrecht klar unvereinbare Regelung wie jene, die den in den Ausgangsverfahren streitigen Gebührenbescheiden zugrunde liegt, offensichtlich rechtswidrig im Sinne des betreffenden nationalen Rechts ist. Ist dies der Fall, hat das nationale Gericht daraus alle sich nach seinem nationalen Recht in Bezug auf die Rücknahme dieser Bescheide ergebenden Konsequenzen zu ziehen.

Kostenentscheidung:

Kosten

73 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Fundstelle(n):
JAAAC-43259

1Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg