BGH Beschluss v. - IX ZB 280/05

Leitsatz

[1] Zur Bemessung der Vergütung des Insolvenzverwalters, wenn nach Einreichung des Schlussberichts bekannt wird, dass der Schuldner, in dessen Insolvenzverfahren die Teilungsmasse bislang 0 € betrug, kurz vor Einreichung eine Erbschaft gemacht hat, die die Summe der Insolvenzforderungen um ein Vielfaches übersteigt.

Gesetze: InsVV § 2 Abs. 1; InsVV § 3

Instanzenzug: AG Bielefeld 43 IN 819/03 vom LG Bielefeld 23 T 644/05 vom

Gründe

I.

Mit wurde der (weitere) Beteiligte zum Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners bestellt. Am reichte er den Schlussbericht ein und teilte dem Insolvenzgericht mit, dass das Verfahren abschlussreif sei. Die Summe der anerkannten angemeldeten Forderungen betrug 84.185,23 €, die Masse 0 €. Der Beteiligte beantragte die Mindestvergütung von 500 € zuzüglich Auslagen von 75 € und Umsatzsteuer von 92 €, zusammen 667 €.

Nachträglich erfuhr der Beteiligte, dass der Vater des Schuldners am verstorben war und vom Schuldner zur Hälfte beerbt wurde. Der Wert des Erbteils betrug 758.000 €.

Auf der Grundlage dieses Wertes beantragte er am eine Vergütung von 42.910 € zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer, insgesamt 53.545,60 €.

Mit Beschluss vom hat das Amtsgericht die Vergütung auf 12.873 € festgesetzt, zuzüglich 2.574,30 € Auslagen und 2.471,57 € Umsatzsteuer, insgesamt 17.918,87 €. Die Abweisung des weitergehenden Antrags wurde nicht rechtskräftig.

Auf Antrag des Beteiligten hat das weitere Auslagen in Höhe von 3.675,50 € nebst 588,11 € Umsatzsteuer festgesetzt. Den Antrag, eine über den Beschluss vom hinausgehende Vergütung festzusetzen, hat es zurückgewiesen.

Die gegen den Beschluss vom gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten ist ohne Erfolg geblieben. Das Landgericht hat als Berechnungsgrundlage für die Vergütungsfestsetzung eine Masse von 758.000 € zugrunde gelegt und hieraus gemäß § 2 Abs. 1 InsVV eine Regelvergütung von 42.910 € berechnet. Diese hat es, wie das Amtsgericht, gemäß § 3 Abs. 2 InsVV um 70 Prozentpunkte gekürzt.

Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte seinen erhöhten Vergütungsantrag in vollem Umfang weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 64 Abs. 3, § 6 Abs. 1, § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).

1. Die Rechtsbeschwerde meint, der angegriffene Beschluss werfe die entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige Frage auf, ob und in welcher Höhe ein Erbanfall im Insolvenzverfahren, für das bereits ein Schlussbericht erstellt und eingereicht sei, vergütungsmindernd wirke, wenn festgestellt sei, dass das Insolvenzverfahren im Hinblick auf den Erbanfall einen größeren Arbeitsaufwand verursacht habe als ohne diesen. Dieser erhöhte Arbeitsaufwand rechtfertige die Regelvergütung und verbiete einen Abschlag gemäß § 3 Abs. 2 InsVV.

Diese Frage ist weder entscheidungserheblich noch klärungsbedürftig. Das vom Insolvenzschuldner während des Insolvenzverfahrens erworbene Vermögen gehört gemäß § 35 InsO zur Insolvenzmasse, also auch der Nachlass, wenn der Schuldner während des Insolvenzverfahrens Erbe geworden ist (vgl. , ZIP 2006, 1258; zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ 167, 352). Abweichend von den früher geltenden Regelungen in § 1 Abs. 2, § 8 Abs. 3 der Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirates (VergVO) ist die für die Vergütung gemäß § 1 Abs. 1 InsVV maßgebliche Teilungsmasse nicht durch den Gesamtbetrag der Insolvenzforderungen nach oben begrenzt (vgl. Kübler/Prütting/Lüke, InsO § 63 Rn. 3; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV 3. Aufl. § 1 Rn. 2; MünchKomm-InsO/Nowak, § 63 Rn. 17).

Demgemäß hat das Landgericht das Erbe zutreffend in die Bemessungsgrundlage gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 InsVV einbezogen. Ohne den Erbfall wäre im Hinblick auf diesen Arbeit nicht angefallen. Es wäre aber auch bei einer Masse von 0 € geblieben. Das Landgericht hat den Erbanfall damit nicht als vergütungsmindernd angesehen, sondern die Vergütung, die ohne den Erbanfall festzusetzen gewesen wäre (500 €), um 2.474,6 % (12.373 €) erhöht (zuzüglich Umsatzsteuer). Außerdem hat es statt 75 € Auslagen insgesamt 6.249,80 € Auslagen zuzüglich Umsatzsteuer festgesetzt.

Die allenfalls denkbare Frage, ob es vergütungsmindernd berücksichtigt werden kann, wenn sich in einem Verfahren die Insolvenzmasse nach Einreichung des Schlussberichts infolge einer Erbschaft des Schuldners von 0 € auf 758.000 € erhöht, und der Arbeitsaufwand des Verwalters in Folge der Erbschaft höher war als bei einem üblichen Verfahren mit einem von vorneherein vorhandenen Massewert von 758.000 €, stellt sich nicht. Denn derartiges ist weder festgestellt noch geltend gemacht. Im Übrigen kann es nicht darauf ankommen, zu welchem Zeitpunkt die im Rahmen des Insolvenzverfahrens angefallene Arbeit zu erledigen war.

2. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, die Entscheidung des Beschwerdegerichts offenbare ein grundlegendes Missverständnis des rechtlichen Ansatzpunktes der Senatsrechtsprechung zum Erfordernis einer im Endergebnis angemessenen Gesamtwürdigung bei der Festsetzung der Vergütung, ist dies unzutreffend.

Nach der Rechtsprechung des Senats sind in Betracht kommende Zu- und Abschlagstatbestände gemäß § 3 InsVV im Einzelnen zu beurteilen. Der Tatrichter ist aber nicht gezwungen, einzelne mögliche Zu- und Abschlagstatbestände gesondert zu bewerten. Er muss vielmehr in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung von Überschneidungen der einzelnen Tatbestände und einer aufs Ganze bezogenen Angemessenheitsbetrachtung den Gesamtzuschlag oder den Gesamtabschlag festlegen. Welchen Begründungsaufwand der Tatrichter für erforderlich halten darf und muss, hängt vom Einzelfall ab (, ZIP 2003, 1757; v. - IX ZB 136/03, NZI 2004, 448; v. - IX ZB 285/03, ZIP 2005, 1371; v. - IX ZB 20/05, ZIP 2006, 858; v. - IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204, 1205).

Diese Anforderungen hat das Beschwerdegericht nicht verkannt. Es hat den vorgenommenen Abschlag von insgesamt 70 % nachvollziehbar und rechtsfehlerfrei begründet. Die Beurteilung der Angemessenheit der Höhe des Abschlags ist Aufgabe des Tatrichters.

3. Der Rechtsbeschwerdeführer rügt, das Beschwerdegericht habe wesentlichen Sachvortrag unberücksichtigt gelassen; damit macht er den Zulässigkeitsgrund der Einheitlichkeitssicherung geltend.

Wesentlicher Sachvortrag ist jedoch nicht übergangen worden. Dies hat der Senat im Einzelnen überprüft. Von einer Begründung zu jeder Einzelfrage wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen. Hingewiesen wird nur auf folgendes:

Die Betrachtungen des Beschwerdeführers leiden daran, dass sie auch hier als zugrunde zu legendes Vergleichsverfahren für eine Vergütungsbemessung ohne Abschläge ein masseloses Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person und die dort durchschnittlich üblichen Anforderungen zugrunde legt. Um ein solches Verfahren handelt es sich jedoch nicht. Gegen die vom Beschwerdegericht vorgenommene Abschläge bestehen nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 InsVV keine Bedenken (vgl. aaO S. 1207).

Der weitere Beteiligte macht in diesem Zusammenhang geltend, das Beschwerdegericht habe seinen Vortrag übergangen, dass der Insolvenzschuldner über Teile des Erbes erst in neun Jahren verfügen dürfe; im Falle der Verwertung des Erbes hätte das Insolvenzverfahren diesen Zeitraum fortgedauert, weshalb er dann allein bis zu 40.000 € an Auslagenpauschale gemäß § 8 Abs. 3 InsVV hätte verlangen können. Dadurch wäre der Schuldner erheblich schlechter gestellt worden.

Zutreffend ist, dass für das vorliegende Verfahren, das vor dem eröffnet wurde, noch die alte Fassung von § 8 Abs. 3 InsVV anwendbar wäre (§ 19 InsVV i.d.F. der Ersten Änderungsverordnung vom , BGBl. I S. 2569). Dieser Teil des Erbes musste aber gerade nicht verwertet werden, um die Insolvenzgläubiger zu befriedigen. Die mit der Fortführung des Verfahrens verbundenen Auslagen sind deshalb gerade nicht angefallen. Der Fall zeigt nur, dass die beschränkende Änderung des § 8 Abs. 3 InsVV durch den Verordnungsgeber zweckmäßig war.

4. Der Beschwerdeführer macht schließlich geltend, die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruhe auf sachfremden Erwägungen, soweit sie berücksichtige, dass der Massezufluss nicht auf einer Tätigkeit des Insolvenzverwalters beruhe und rein zufällig erfolgt sei.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass diese Ausführungen lediglich unstreitige Tatsachen wiedergeben. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang meint, der Schuldner hätte bei einem Erbanfall in der Wohlverhaltensperiode gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Hälfte des Erbes herausgeben müssen, wovon der Treuhänder sodann gemäß § 14 InsVV 13.000 € erhalten hätte, übersieht er, dass der Treuhänder in diesem Fall auch die Aufgaben eines Treuhänders hätte wahrnehmen müssen, die dem Beschwerdeführer gerade nicht oblagen. Ob in einem solchen außerordentlichen Fall die Treuhändervergütung entsprechend § 3 Abs. 2 InsVV zu kürzen wäre, bedarf hier keiner Erörterung.

Fundstelle(n):
WM 2007 S. 787 Nr. 17
ZIP 2007 S. 639 Nr. 13
KAAAC-41121

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein