BGH Beschluss v. - XII ZB 112/06

Leitsatz

[1] Die Verstrickungswirkung des § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO entfällt erst dann, wenn der beigeordnete Rechtsanwalt die Kostenforderung nicht mehr nach § 126 Abs. 1 ZPO im eigenen Namen geltend machen kann. Erst dann kann der Gegner gegen die Kostenforderung Einwendungen oder Einreden aus der Person der berechtigten Prozesspartei erheben.

Gesetze: ZPO § 126

Instanzenzug: AG Berlin-Pankow/Weißensee 20 F 6277/03 vom KG Berlin 19 WF 56/06 vom

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Kostenfestsetzung aus einem rechtskräftig abgeschlossenen Rechtsstreit.

Mit Urteil vom wies das Amtsgericht die Klage auf Rückzahlung überzahlten Ehegattenunterhalts ab. Die Berufung wurde durch zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden in beiden Instanzen dem Kläger auferlegt. Zuvor war der Beklagten mit Beschluss vom für die erste Instanz und mit Beschluss vom für die Berufungsinstanz Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Mit Schriftsatz vom rechnete der Kläger gegenüber der Kostenforderung mit einem titulierten Anspruch auf Nutzungsentschädigung gegen die Beklagte auf.

Mit Beschluss vom setzte das Amtsgericht auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten die aufgrund der rechtskräftigen Urteile vom Kläger an ihn zu erstattenden Kosten auf 2.757,67 € fest. Der - unter Hinweis auf die zuvor ausgesprochene Aufrechnung - eingelegten sofortigen Beschwerde half die Rechtspflegerin nicht ab. Das Kammergericht wies die sofortige Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss zurück. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, die vom Beschwerdegericht zugelassen wurde, weil streitig und bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt sei, ob die Sperrwirkung des § 126 Abs. 2 ZPO auch dann gelte, wenn der Kostenschuldner die Aufrechnung erklärt habe, bevor der gegnerische Rechtsanwalt die Forderung nach § 126 ZPO im eigenen Namen geltend mache.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO), aber nicht begründet.

Das Amtsgericht hat die an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu erstattenden Kosten zu Recht antragsgemäß festgesetzt, weil die gegen die - nach Grund und Höhe unstreitige - Kostenforderung erklärte Aufrechnung des Klägers wegen eines Aufrechnungsverbots nach § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO unwirksam ist.

1. Unstreitig steht der Beklagten gegen den Kläger in Folge der rechtskräftigen Urteile des Amtsgerichts und des Kammergerichts eine Kostenforderung in Höhe von 2.757,67 € zu.

Nach § 126 Abs. 1 ZPO war der beigeordnete Rechtsanwalt auch berechtigt, diese Forderung - wie geschehen - im eigenen Namen beizutreiben.

2. Die Kostenforderung ist nicht durch die vom Kläger erklärte Aufrechnung mit einer titulierten Gegenforderung erloschen.

a) Nach § 126 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann der Gegner gegen einen Kostenerstattungsanspruch nur mit Kosten aufrechnen, die nach der in demselben Rechtsstreit ergangenen Kostenentscheidung vom Antragsteller zu erstatten sind. Wechselseitige Kostenerstattungsansprüche aus demselben Rechtsstreit, die regelmäßig auf teilweises Obsiegen und Unterliegen zurückzuführen sind, können deswegen schon im Rahmen der Kostenfestsetzung im Wege des Kostenausgleichs verrechnet werden. Solche Gegenforderungen hat der Kläger hier aber nicht geltend gemacht.

b) Im Übrigen ist eine Einrede aus der Person der Partei nach § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO gegen den Kostenerstattungsanspruch ihres beigeordneten Rechtsanwalts nicht zulässig. Der Kostenschuldner ist deswegen zunächst auch an der Einrede gehindert, dass er die Kosten bereits an die bedürftige Partei bezahlt habe, dass diese ihm die Kosten erlassen habe oder dass er der Partei gegenüber (oder diese ihm gegenüber) aufgerechnet habe.

Diese Vorschrift findet ihren Grund in § 126 Abs. 1 ZPO, wonach ein der Partei im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt seine Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beitreiben kann. Die Vorschrift will dem beigeordneten Rechtsanwalt - über die Gebühren im Rahmen der Prozesskostenhilfe hinaus - seinen Vergütungsanspruch sichern, zumal er nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe keine Vergütungsansprüche mehr gegen die eigene Partei geltend machen darf. Allerdings werden die berechtigte Partei und der ihr beigeordnete Rechtsanwalt dadurch nicht zu Gesamtgläubigern im Sinne des § 428 BGB; auch im Innenverhältnis sind sie nicht nach § 430 BGB zu gleichen Anteilen berechtigt. Vielmehr steht die Kostenforderung auch dann weiterhin der Partei zu, während § 126 Abs. 1 ZPO eine gesetzliche Prozessstandschaft für den beigeordneten Rechtsanwalt - oder im Falle des Anspruchsübergangs nach § 59 RVG für die Staatskasse - betrifft (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZR 254/94 - FamRZ 1997, 1141).

Bei der Auslegung des § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB ist deswegen auch zu berücksichtigen, dass die Vorschrift die Vergütungsansprüche des beigeordneten Rechtsanwalts sichern will. Der Ausschluss von Einreden aus der Person der Partei (sog. Verstrickung) ist deswegen so lange gerechtfertigt, wie der beigeordnete Rechtsanwalt die Kostenforderung noch im eigenen Namen geltend machen kann. Unerheblich ist demgegenüber - wie das Beschwerdegericht zu Recht ausführt -, ob der beigeordnete Rechtsanwalt sein Beitreibungsrecht nach § 126 Abs. 1 ZPO im Zeitpunkt der Aufrechnung bereits ausgeübt hatte (so inzwischen einhellige Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, vgl. OLG Stuttgart Rpfleger 1987, 218, OLG Koblenz Rpfleger 1994, 422, OLG Frankfurt Rpfleger 1990, 468 und jetzt auch OLGR Schleswig 1996, 335; MünchKomm/ Wax ZPO 2. Aufl. § 126 Rdn. 18; Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. § 126 Rdn. 7; Zöller/Philippi 26. Aufl. § 126 Rdn. 16).

c) Die sich aus § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergebende Verstrickung des Kostenerstattungsanspruchs entfällt nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift erst dann, wenn - z.B. durch den Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses für die Partei - eindeutig feststeht, dass der Anspruch nicht mehr von dem beigeordneten Rechtsanwalt geltend gemacht werden kann. Erst dann bedarf es einer Sicherung der Vergütungsansprüche des beigeordneten Rechtsanwalts nicht mehr, so dass auch Einwendungen allein aus der Person der Partei den Kostenerstattungsanspruch zum Erlöschen bringen können (vgl. Senatsurteil vom - XII ZR 39/93 - NJW 1994, 3292; OLG Schleswig NJW-RR 2004, 717; KGR 2004, 556; KGR 2003, 245 und OLG München NJW-RR 1998, 214). Unabhängig davon sind Abreden der Parteien nur wirksam, wenn sie dazu führen, dass ein Kostenerstattungsanspruch erst gar nicht entsteht, und die deshalb ein Beitreibungsrecht des beigeordneten Anwalts aus § 126 Abs. 1 ZPO von vornherein ausschließen (Senatsbeschluss vom - XII ZR 285/02 - FamRZ 2007, 123). Nur solches muss sich der beigeordnete Rechtsanwalt und ggf. in seiner Rechtsnachfolge die Staatskasse stets entgegenhalten lassen (Senatsbeschluss vom - XII ZR 209/05 - FamRZ 2006, 853).

d) Umgekehrt tritt eine dauerhafte Verstrickung ein, wenn der beigeordnete Rechtsanwalt einen noch bestehenden Kostenerstattungsanspruch im eigenen Namen beitreibt. Dann können Einreden, die allein in der Person der Partei begründet sind, die Forderung nicht mehr zu Fall bringen. So liegt der Fall hier, weil der Prozessbevollmächtigte der Beklagten den noch "verstrickten" Kostenerstattungsanspruch mit dem in eigenem Namen gestellten Kostenfestsetzungsantrag vom beigetrieben hat.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 1147 Nr. 16
VAAAC-40102

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja