BGH Urteil v. - III ZR 72/06

Leitsatz

[1] § 12 Abs. 2 BKleingG ist zugunsten eines Kindes des verstorbenen Pächters auch dann nicht entsprechend anzuwenden, wenn die auf der Kleingartenparzelle befindliche Laube gemäß § 18 Abs. 2 BKleingG berechtigt zu Wohnzwecken genutzt wurde und das Kind des Nutzers mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt lebte.

Gesetze: BKleingG § 12 Abs. 2; BKleingG § 18 Abs. 2

Instanzenzug: AG Hamburg 48 C 254/04 vom LG Hamburg 334 S 61/05 vom

Tatbestand

Der Kläger, ein Kleingartenverein, verlangt von den Beklagten die Herausgabe und Räumung einer auf seinem Gelände befindlichen Parzelle. Die Beklagten sind Söhne und Erben des am verstorbenen G. L. . Dieser war seit 1963 Mitglied des Klägers. Er hatte die Kleingartenparzelle gepachtet und dort ein Behelfsheim errichtet, das er bis zu seinem Tode bewohnte. Die Beklagten wuchsen dort auf. Der Beklagte zu 1 zog 2002 zur Pflege seines Vaters erneut in das Behelfsheim. Seither ist er auch förderndes Vereinsmitglied. Der Beklagte zu 2 gehört dem Kläger seit etwa 20 Jahren an.

Der Kläger ist der Auffassung, das Pachtverhältnis über den betroffenen Grundstücksteil sei mit dem Ableben des Vaters der Beklagten beendet und bestehe mit den Beklagten nicht fort. Diese haben die Ansicht vertreten, zwischen ihnen und dem Kläger sei ein Kleingartenpachtvertrag schlüssig zustande gekommen. Jedenfalls hätten sie einen Anspruch auf Abschluss eines solchen Vertrags.

Das Amtsgericht hat die Beklagten zur Herausgabe der von allen Baulichkeiten, Unrat und Müll geräumten Parzelle an den Kläger verurteilt. Auf die Berufung hat das Landgericht die Klage insoweit abgewiesen, als der Kläger die Beseitigung der auf der Parzelle befindlichen Baulichkeiten verlangt hat. Im Übrigen hat es das Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.

Gründe

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, mit dem Tod des Vaters der Beklagten sei der bis dahin bestehende Pachtvertrag gemäß § 12 Abs. 1 BKleingG beendet. Das Pachtverhältnis sei auch nicht einvernehmlich mit den Beklagten fortgesetzt und monatelang erfüllt worden. Vielmehr habe der Kläger die Weiternutzung der Parzelle durch die Beklagten nicht widerspruchslos hingenommen. Diese hätten aufgrund der zwischen den Parteien geführten Verhandlungen deutlich erkennen müssen, dass der Kläger den Abschluss eines neuen Pachtvertrages von bestimmten, noch zu erfüllenden Voraussetzungen abhängig gemacht habe.

Der Kläger verhalte sich auch nicht dadurch treuwidrig und rechtsmissbräuchlich, dass er den Abschluss eines neuen Pachtvertrages mit den Beklagten verweigere. Ein Kontrahierungszwang bestehe insbesondere nach der Satzung des Klägers nicht. Die Beklagten könnten sich weiter nicht darauf berufen, dass es bei dem Kläger üblich sei, auch Familienangehörigen die Fortsetzung des Pachtvertrages eines verstorbenen Mitglieds zu ermöglichen.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Beklagten sind gemäß § 546 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 BKleingG, § 581 Abs. 2 und § 1922 Abs. 1 BGB zur Herausgabe und im erkannten Umfang zur Räumung der vormals von ihrem Vater gepachteten Kleingartenparzelle verpflichtet.

1. Das bestehende Kleingartenpachtverhältnis endete gemäß § 12 Abs. 1 BKleingG mit dem Ableben des Vaters der Beklagten. Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung festgestellt, dass aus dem anschließenden Verhalten der Parteien keine Umstände folgen, aus denen auf den konkludenten Abschluss eines neuen Pachtvertrages zu schließen ist. Insoweit erhebt die Revision auch keine Rügen.

2. Die Beklagten haben gegen den Kläger weiter keinen Anspruch auf Begründung eines Kleingartenpachtverhältnisses, der dem Herausgabe- und Räumungsanspruch des Klägers gemäß § 242 BGB entgegengesetzt werden kann.

Von Ausnahmen abgesehen kann jedes Privatrechtssubjekt, zu denen auch der Kläger gehört, frei entscheiden, ob, mit wem und zu welchen Bedingungen es Verträge mit Dritten schließt. Diese Abschlussfreiheit ist Bestandteil der Vertragsfreiheit und als Teil des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich gewährleistet (z.B.: BVerfGE 8, 274, 328; Bamberger/Roth/H.-W. Eckert, BGB, § 145, Rn. 8. 12). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht zugunsten der Beklagten nicht.

a) § 12 Abs. 2 BKleingG ist auf Sachverhalte wie den vorliegenden nicht entsprechend anwendbar. Dies scheitert zum einen daran, dass die Beklagten nicht zusammen mit ihrem Vater den Kleingartenpachtvertrag geschlossen haben, wie dies § 12 Abs. 2 BKleingG für das Fortsetzungsrecht des überlebenden Ehegattens oder Lebenspartners vorsieht. Zum anderen liegt keine planwidrige Regelungslücke vor (vgl. zu diesem Erfordernis einer Analogie z.B. BGHZ 149, 165, 174; - NJW 2003, 1932, 1933 jeweils m.w.N.). Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise kann nur bei einer Ehe oder Lebenspartnerschaft davon ausgegangen werden, dass der überlebende Teil aufgrund der gemeinsamen Lebensgestaltung eine ebenso enge und schutzwürdige Beziehung zu der Gartenparzelle hat wie der verstorbene Kleingärtner. Dass das Bundeskleingartengesetz im Gegensatz zu dem Wohnungsmietrecht (siehe § 563 Abs. 2 Satz 1 BGB) ein Eintrittsrecht der Kinder des verstorbenen Kleingärtners nicht vorsieht, beruht darauf, dass es bei der Fortsetzung eines Kleingartenpachtverhältnisses grundsätzlich nicht um den Schutz des Lebensmittelpunkts der in dem Haushalt des verstorbenen Mieters wohnenden Angehörigen geht, den § 563 BGB bezweckt (vgl. hierzu Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Mietrechtsreformgesetzes BT-Drucks. 14/4553, S. 60; MünchKommBGB/Häublein, 4. Aufl., § 563, Rn. 1; Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 563 Rn. 1). Dies ist auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn - wie es hier hinsichtlich des Beklagten zu 1 in Betracht kommt - die Laube gemäß § 18 Abs. 2 BKleingG zu Wohnzwecken genutzt wurde und das Kind des verstorbenen Nutzers mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt lebte. Da der Gebrauch einer Laube zum Wohnen mit einer kleingärtnerischen Nutzung an sich unvereinbar ist, ist das bestandsgeschützte Recht zur Wohnnutzung nach § 18 Abs. 2 BKleingG an die Person des Altnutzers gebunden (vgl. Senatsurteil vom - III ZR 163/03 - VIZ 2004, 371, 372). Diese enge Bestandsschutzregel darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass § 12 Abs. 2 BKleingG erweiternd ausgelegt und dadurch die gesetzlich unerwünschte Wohnnutzung durch die Angehörigen des verstorbenen Pächters perpetuiert wird.

b) Aufgrund der Satzung des Klägers können die Beklagten den Abschluss eines Kleingartenpachtvertrags über die betroffene Parzelle nicht verlangen, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet ausgeführt hat.

c) Auch auf § 242 BGB können die Beklagten einen Anspruch auf Abschluss eines Kleingartenpachtvertrages nicht stützen. Dies gilt selbst dann, wenn es, wie sie geltend machen, bei dem Kläger üblich sein sollte, dass die interessierten Erben eines Kleingärtners das Pachtverhältnis fortsetzen und ohne weiteres einen Pachtvertrag erhalten.

Dem Berufungsgericht ist insoweit darin beizupflichten, dass einem etwaigen Anspruch der Beklagten auf Abschluss eines Kleingartenpachtvertrags jedenfalls entgegensteht, dass der Beklagte zu 1, wie er zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht eingeräumt hat, ungeachtet der zwischenzeitlich vorgenommenen Rückbauten weiterhin in dem Behelfsheim wohnt und er diesen Zustand auch melderechtlich verfestigt hat. Dies widerspricht den Erklärungen der Beklagten über ihre Nutzungsabsichten und dem Inhalt des von ihnen verlangten Vertrags. Nutzt eine der Parteien eine Kleingartenparzelle bereits vor Abschluss des Pachtvertrages in einer Weise, die im Fall seines Bestehens zur Abmahnung und gegebenenfalls zur Kündigung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG) berechtigen würde, ist es nicht sachwidrig, wenn der Verpächter den Vertragsschluss verweigert, selbst wenn nach den üblichen Gepflogenheiten ein solcher zu erwarten war. Das Verhalten des Beklagten zu 1 begründet, wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seinem außergerichtlichen Schreiben vom zutreffend zum Ausdruck gebracht hat, berechtigte Zweifel an der künftigen Vertragstreue der Beklagten.

d) Damit kommt es nicht mehr auf die von der Revision erörterte Frage an, ob die Erwägung des Berufungsgerichts zutrifft, dass der Kläger zum Abschluss eines Pachtvertrages mit dem Beklagten auch deshalb nicht verpflichtet ist, weil er ansonsten entgegen § 3 Abs. 2 BKleingG die Nutzung einer übergroßen Laube ermöglichen würde.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 850 Nr. 12
QAAAC-39380

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja