BAG Urteil v. - 7 AZR 805/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art. 20 Abs. 3; HRG (in der ab geltenden Fassung) § 57a Abs. 1; HRG (in der ab geltenden Fassung) § 57b Abs. 1; HRG (in der ab geltenden Fassung) § 57b Abs. 3; HRG (in der ab geltenden Fassung) § 57f Abs. 1

Instanzenzug: ArbG Bielefeld 6 Ca 3046/04 vom LAG Hamm 11 Sa 549/05 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund Befristung am geendet hat.

Der Kläger ist seit dem auf Grund mehrerer befristeter Arbeitsverträge, zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft, seit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bielefeld beschäftigt. Vom bis zum , vom bis zum und vom bis zum bestand kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien. Vom Wintersemester 1994/1995 bis zum Wintersemester 1997/1998 war der Kläger als Doktorand im Promotionsstudiengang eingeschrieben. Der Kläger schloss die am begonnene Promotion am ab. Den letzten befristeten Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien am für die Zeit vom bis zum . Nach § 2 des Arbeitsvertrags war das Arbeitsverhältnis "nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG (einschließlich Beschäftigungszeiten, die nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG noch nicht ausgeschöpft worden sind) befristet".

Mit der am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung zum geltend gemacht und die Auffassung vertreten, die Befristung könne nicht auf § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG in der ab geltenden Fassung des 5. HRGÄndG gestützt werden, da das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz am für nichtig erklärt habe. Den Vorschriften der §§ 57a ff. HRG in der bis zum geltenden Fassung (aF) genüge die Befristungsabrede nicht. Die am erfolgte Neuregelung der §§ 57a ff. HRG in der Fassung des HdaVÄndG (nF) sei auf seinen Arbeitsvertrag nicht anzuwenden, da er Vertrauensschutz genieße und die Laufzeit seines Arbeitsvertrags bereits vor der Neuregelung abgelaufen sei. Außerdem verstoße die rückwirkende Inkraftsetzung der §§ 57a ff. HRG nF gegen das Rechtsstaatsprinzip und sei daher verfassungswidrig.

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Interesse, beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Befristung vom nicht zum aufgelöst ist.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die rechtzeitig erhobene Befristungskontrollklage gegen die im letzten Arbeitsvertrag vom vereinbarte Befristung zum zu Recht abgewiesen. Die Befristung ist nach § 57a Abs. 1 Satz 1, § 57b Abs. 1, § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG idF des HdaVÄndG vom (HRG nF) gerechtfertigt. Zwar lagen die hochschulrahmenrechtlichen Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am nicht vor. Die §§ 57a ff. HRG idF des 5. HRGÄndG waren nach der Entscheidung des nichtig ( - BVerfGE 111, 226, 246, 270, 273). Das HdaVÄndG hat die §§ 57a ff. HRG idF des 5. HRGÄndG aber rückwirkend wieder in Kraft gesetzt. Hierdurch ist nachträglich die hochschulrahmen-rechtliche Rechtsgrundlage für die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags der Parteien geschaffen worden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der die Befristung tragenden Normen bestehen nicht. Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz für das Zeitvertragsrecht des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Die zeitliche Rückerstreckung der §§ 57a ff. HRG nF auf die in der Zeit zwischen dem und dem abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal an Hochschulen verstößt nicht gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Gebot des Vertrauensschutzes. Das HdaVÄndG stellt nur die Rechtslage wieder her, von der beide Parteien beim Abschluss des Arbeitsvertrags am ausgehen mussten.

I. Die von den Parteien im Vertrag vom für die Zeit vom bis zum vereinbarte Befristung bedurfte keines sachlichen Grundes. Sie ist nach § 57f Abs. 1 Satz 1 iVm. § 57a Abs. 1 Satz 1, § 57b Abs. 1 HRG nF gerechtfertigt.

1. Nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG nF ist die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 57a Abs. 1 Satz 1 HRG nF genannten Personals, das nicht promoviert ist, bis zur Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach abgeschlossener Promotion ist gemäß § 57b Abs.1 Satz 2 1. Halbs. HRG nF eine Befristung bis zur Dauer von sechs Jahren zulässig; die zulässige Befristungsdauer verlängert sich nach § 57b Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. HRG nF in dem Umfang, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG nF und Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG nF zusammen weniger als sechs Jahre betragen haben.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Nach § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF sind die §§ 57a ff. HRG nF auf den am abgeschlossenen Arbeitsvertrag anzuwenden. Der Kläger war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wissenschaftlicher Mitarbeiter iSd. § 57a Abs. 1 Satz 1 HRG nF an einer Hochschule. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Kläger wurde zwar nach Abschluss der Promotion am bis zum und damit länger als sechs Jahre befristet an der Universität Bielefeld beschäftigt. Die zweieinhalbmonatige Überschreitung der in § 57b Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. HRG nF normierten sechsjährigen Befristungsdauer war jedoch nach § 57b Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. HRG nF zulässig, da die Zeit der befristeten Beschäftigung des Klägers vor seiner Promotion und die Promotionszeit ohne Beschäftigung zusammen nur fünf Jahre und zwei Monate und damit weniger als sechs Jahre betragen hat. Das Arbeitsverhältnis konnte deshalb nach Abschluss der Promotion am für sechs Jahre und 10 Monate befristet werden, somit bis zum . Diese Höchstdauer wurde durch die im Arbeitsvertrag vom vereinbarte Befristung zum nicht überschritten.

2. Das Zitiergebot des § 57b Abs. 3 Satz 1 HRG nF ist eingehalten. Danach ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des HRG beruht.

Diese Voraussetzung erfüllt § 2 des Arbeitsvertrags, wonach das Arbeitsverhältnis nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG (einschließlich Beschäftigungszeiten, die nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG noch nicht ausgeschöpft worden sind) befristet war.

II. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der die Befristung tragenden Vorschriften bestehen nicht. Dies hat der Senat bereits in dem den Parteien übersandten Urteil vom (- 7 AZR 234/05 - zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen <zVv.>, zu III der Gründe) entschieden. Die §§ 57a bis 57f HRG nF sind nicht verfassungswidrig. Die in § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF enthaltene Erstreckung der §§ 57a ff. HRG nF auf die in der Zeit vom bis zum abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge stellt insbesondere keine mit Art. 12 Abs. 1 GG iVm. mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbare Rückwirkung dar. An dieser Auffassung hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers in der Revisionsinstanz fest.

1. Der Bundesgesetzgeber hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung des Zeitvertragsrechts des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Hochschulen. Auch die sich aus Art. 72 Abs. 2 GG für die konkurrierende Gesetzgebung ergebenden Anforderungen an das Gesetzgebungsrecht des Bundes sind erfüllt (vgl. hierzu ausführlich - zVv., zu III 1 a bis III 1 c der Gründe). Gegenteiliges macht auch die Revision nicht geltend.

2. § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF ist nicht wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG 14 iVm. dem sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden Rückwirkungsverbot unwirksam. § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF enthält zwar eine echte Rückwirkung. Der Gesetzgeber konnte aber ohne Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes den zeitlichen Geltungsbereich der §§ 57a ff. HRG nF auf Befristungsabreden erstrecken, die vom bis zur Verkündung der Entscheidung des vereinbart wurden. Durch die Nichtigkeitserklärung des gesamten 5. HRGÄndG bestand für die seit dem geschlossenen und bis zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht bestandskräftig abgewickelten befristeten Verträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal eine Regelungslücke. Schutzwürdiges Vertrauen der Vertragsparteien, das die rückwirkende Regelungskompetenz des Gesetzgebers begrenzt hat, konnte in der Zeit zwischen der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bis zum Inkrafttreten des § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF nicht entstehen. Mit den gegenüber der rückwirkenden Inkraftsetzung der §§ 57a ff. HRG nF von der Revision angeführten Argumenten hat sich der Senat bereits in der Entscheidung vom (- 7 AZR 234/05 - zVv., zu III 3 der Gründe) ausführlich auseinandergesetzt, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.

III. Soweit der Kläger mit der Revision geltend machtt, er habe darauf vertraut, dass sein Arbeitsverhältnis auf keinen Fall am endet werde, weil der Dekan bei dem Kanzler der Universität einen Antrag auf Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrags gestellt habe, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Befristung. Für die Wirksamkeit der Befristung sind ausschließlich die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden tatsächlichen Umstände von Bedeutung. Während der Vertragslaufzeit eintretende Änderungen berühren die Wirksamkeit der vereinbarten Befristung grundsätzlich nicht (vgl. zur Sachgrundbefristung - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 264, zu B II 2 d cc (1) der Gründe; - 7 AZR 523/02 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 252 = EzA BGB 2002 § 620 Nr. 4, zu 1 c der Gründe). Im Übrigen konnte der Kläger allein auf Grund des Antrags des Dekans nicht davon ausgehen, dass der Kanzler diesem auch entsprechen würde.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
YAAAC-39321

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein