Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main - S 0166 A - 11 - St 23

Abtretung von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen an Inkassounternehmen bzw. an durch Inkassounternehmen vertretene Gläubiger

Bei den Finanzämtern sind vermehrt Abtretungsanzeigen (§ 46 Abs. 3 AO) eingereicht worden, nach denen Erstattungs- bzw. Vergütungsansprüche des Steuerpflichtigen entweder unmittelbar an ein Inkassounternehmen oder an einen durch ein Inkassounternehmen vertretenen Gläubiger (in der Regel ein Kreditinstitut) abgetreten werden.

Für die Behandlung derartiger Abtretungsanzeigen gilt Folgendes:

1. Allgemeines

1.1 Der Inkassovertrag ist ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. d. § 675 BGB, mit dem der Gläubiger das Inkassobüro unter Erteilung einer Geldempfangsvollmacht beauftragt und bevollmächtigt, die offene Forderung gegen den Schuldner einzuziehen. Der Gläubiger ist zwar auch nach Erteilung des Einziehungsauftrages i. d. R. noch Inhaber der Forderung, jedoch muss er im Rahmen des Geschäftsbesorgungsvertrages auf eigene Tätigkeiten gegenüber dem Schuldner verzichten. Er kann mithin nicht mehr selbst mit diesem verhandeln und vorerst keine gerichtlichen Schritte gegen ihn einleiten. Darüber hinaus muss der Gläubiger alle Zahlungen, die auf die Forderung an ihn geleistet werden, dem Inkassobüro zur Vermeidung der Weiterverfolgung des Einziehungsauftrages mitteilen.

1.2 Das Inkassobüro schuldet nicht den Erfolg in Form der Realisierung der Forderung, sondern auf die Erlangung der Zahlung gerichtete Dienste. Bei dem Inkassovertrag handelt es sich damit um einen Dienstvertrag, auf den über § 675 BGB die Auftragsregeln der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und ggf. § 671 Abs. 2 BGB Anwendung finden, und nicht um einen Werkvertrag.

1.3 Da es sich bei der geschäftsmäßigen Einziehung fremder Forderungen regelmäßig um eine gewerbsmäßige Tätigkeit auf kaufmännischer Grundlage handelt, bedarf die Tätigkeit des Inkassobüros der behördlichen Erlaubnis nach Art. 1 § 1 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG).

1.4 Die Tätigkeit des Inkassounternehmens ist regelmäßig auf die außergerichtliche Einziehung voraussichtlich unbestrittener bzw. bereits ausgeklagter Forderungen und die rechtliche Beratung des Gläubigers in Bezug auf die Einziehung beschränkt. Führt die außergerichtliche Tätigkeit nicht zum Erfolg, darf ein Inkassobüro nach dem RBerG nicht selbst den Rechtsweg beschreiten, sondern muss, sofern die weitere Verfolgung der Forderung durch den Auftraggeber gewünscht wird, einen Rechtsanwalt beauftragen. Der Rechtsanwalt betreibt sodann das gerichtliche Mahn-, Klage- und Vollstreckungsverfahren.

1.5 Inkassounternehmen sind zum Zwecke der Erfüllung des ihnen erteilten Auftrags dazu übergegangen, sich selbst Ansprüche des Schuldners (Steuerpflichtigen) nach § 46 Abs. 1 AO abtreten zu lassen oder ihren Auftraggeber (Gläubiger und Abtretungsempfänger, regelmäßig ein Bankunternehmen) bei Abschluss des Abtretungsvertrages (§ 398 BGB) zu vertreten.

1.6 Als Grund der Abtretung ist in Abschn. III Ziffer 3 der Abtretungsanzeige regelmäßig angegeben: „Verpflichtung gegenüber … (Name des Gläubigers)” oder „Tilgung einer Schuld”. Häufig ist daneben auch das Feld „Sicherungsabtretung” angekreuzt.

Die Überweisung des abgetretenen Erstattungs- bzw. Vergütungsbetrages soll entsprechend den Angaben in Abschn. IV der Abtretungsanzeige auf ein Konto des Inkassounternehmens erfolgen.

2. Inkassounternehmen als Abtretungsempfänger

2.1 Der geschäftsmäßige Erwerb und die geschäftsmäßige Einziehung von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen ist nur bei Sicherungsabtretungen zulässig und nur Unternehmen, denen das Betreiben von Bankgeschäften nach § 32 des Kreditwesengesetzes erlaubt ist, gestattet (§ 46 Abs. 4 S. 2 und 3 AO).

2.2 Zum einen handelt es sich bei den aufgetretenen Abtretungen an Inkassounternehmen nicht um Sicherungsabtretungen, sondern um Abtretungen mit reinem Erfüllungscharakter. Zum anderen ist den Inkassounternehmen eine Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften nicht erteilt worden. Folglich ist der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen nach 46 Abs. 1 AO Inkassounternehmen nicht gestattet.

2.3 Geschäftsmäßig handelt, wer die Tätigkeit selbständig in Wiederholungsabsicht ausübt. Hauptberuflichkeit oder Entgeltlichkeit ist für eine Annahme der Geschäftsmäßigkeit nicht erforderlich ( BStBl 1986 II S. 124).

Deshalb reichen entsprechende organisatorische Vorkehrungen für den Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen, wie z.B. vorbereitete Formulare oder besondere Karten, für die Annahme einer Geschäftsmäßigkeit aus, ohne aber dafür notwendige Voraussetzung sein zu müssen.

Von der Geschäftsmäßigkeit des Erwerbs kann bei Inkassounternehmen wegen der Vielzahl der eingereichten Abtretungsanzeigen sowie vor allem der Verwendung von Formschreiben ausgegangen werden.

2.4 Derartige Abtretungen an Inkassounternehmen sind deshalb nichtig (§ 46 Abs. 5 AO). Hierauf ist das Inkassounternehmen schriftlich hinzuweisen.

Besteht das Inkassounternehmen auf Auszahlung des Erstattungs- bzw. Vergütungsanspruchs oder besteht Streit über die Verwirklichung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis, ist ein Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO zu erteilen. Darin ist festzustellen, dass wegen der Nichtigkeit der Abtretung der Erstattungs- bzw. Vergütungsanspruch nicht durch Zahlung an das Inkassobüro zu verwirklichen ist. Als Rechtsmittel gegen den Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO ist der Einspruch gegeben.

2.5 Soweit Inkassounternehmen unter Bezug auf die Rechtsprechung in Ordnungswidrigkeitsverfahren geltend machen, es handele sich nicht um einen Erwerb auf eigene Rechnung, so dass § 46 Abs. 4 AO nicht greife, ist dem nicht zu folgen. Denn bei Auslegung des Tatbestandmerkmals „auf eigene Rechnung” ist auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, abzustellen. Es ist ausreichend, wenn es dem Erwerber der Forderung im weitesten Sinne darum geht, den Steuererstattungsbetrag wirtschaftlich für sich zu nutzen. Es genügt daher, dass der Erwerber die wirtschaftlichen Vorteile (z. B. Erhalt einer sicheren Forderung gegen den Fiskus anstelle einer zweifelhaften gegen den jeweiligen Schuldner) für sich beanspruchen will. Es kommt somit nicht darauf an, dass der Erstattungsbetrag dem einziehenden Gläubiger gutgeschrieben wird. Die Gutschrift zugunsten eines Dritten reicht nämlich aus, sofern das Geschäft gleichzeitig einen wirtschaftlichen Vorteil für den Einziehenden bringt.

3. Inkassounternehmen als Vertreter des Abtretungsempfängers

3.1 Nach § 46 Abs. 4 AO sind Kreditinstitute befugt, Steuererstattungs- und Vergütungsansprüche im Wege der Sicherungsabtretung geschäftsmäßig zu erwerben.

3.2 Diese Regelung verbietet es den Kreditinstituten grundsätzlich nicht, sich beim Erwerb des Erstattungs- oder Vergütungsanspruchs durch ein (zugelassenes) Inkassounternehmen vertreten zu lassen (§ 80 Abs. 1 Satz 1 AO).

3.3 Da es sich in den bekannt gewordenen Fällen jedoch regelmäßig um Abtretungen mit reinem Erfüllungscharakter handelt, zu denen auch Kreditinstitute nicht befugt sind, und hinsichtlich des Abtretungsempfängers von der Geschäftsmäßigkeit des Erwerbs ausgegangen werden kann, sind auch solche Abtretungen nach § 46 Abs. 5 AO nichtig. Dem steht auch nicht entgegen, dass unter Umständen in Abschn. III der Abtretungsanzeige auch das Feld „Sicherungsabtretung” angekreuzt ist. Dass es sich tatsächlich nicht um Sicherungsabtretungen an die Bank handelt, ergibt sich bereits aus dem Charakter des Inkassovertrages (vgl. hierzu Tz. 1.1).

3.4 Es gelten somit die Ausführungen zur Tz. 2 entsprechend.

4. Schutzwirkung der Abtretungsanzeige

Nach § 46 Abs. 5 AO müssen Abtretender und Abtretungsempfänger bei der Finanzbehörde eingereichte Anzeigen auch bei deren Nichtigkeit gegen sich gelten lassen. Im Hinblick darauf können Rückforderungen bei bereits erfolgten Erstattungen an die Inkassounternehmen unterbleiben.

5. Folgen der Feststellung der Geschäftsmäßigkeit nach § 46 Abs. 4 AO

Ein Verstoß gegen § 46 Abs. 4 AO stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann (§ 383 AO). die OFD bittet, entsprechende Fälle der zuständigen Bußgeld- und Strafsachenstelle zu melden.

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Fundstelle(n):
UAAAC-38774