BAG Beschluss v. - 1 ABR 13/06

Leitsatz

[1] Der Betriebsrat hat nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein Mitbeurteilungsrecht bei der Frage, ob ein bislang außertariflich vergüteter Angestellter nach einer Versetzung weiterhin außertariflich eingruppiert ist oder nunmehr unter eine tarifliche Vergütungsordnung fällt.

Gesetze: BetrVG § 99; BetrVG § 101

Instanzenzug: ArbG Köln 6 BV 320/03 vom LAG Köln 2 TaBV 9/05 vom

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob anlässlich der Versetzung eines außertariflich vergüteten Angestellten eine erneute Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorzunehmen und der Betriebsrat hieran zu beteiligen ist.

Die Arbeitgeberin wendet in ihrem Betrieb den Gehaltstarifvertrag für die Angestellten der Druck- und Medienindustrie in Nordrhein-Westfalen (GTV) an. Oberste Gehaltsgruppe ist die Tarifgruppe 9. Das Tarifgehalt dieser Gruppe betrug im Jahr 2003 4.117,00 Euro brutto. Nicht als Angestellte im Sinne des GTV gelten die Mitarbeiter, deren Arbeitsanforderungen diejenigen der höchsten Tarifgruppe übersteigen. Dieser außertarifliche Bereich ist bei der Arbeitgeberin nicht weiter ausdifferenziert. Zu ihm gehörte der als Assistent der Stabsstelle Qualitätssteuerung eingesetzte Mitarbeiter H.

Mit Schreiben vom hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat zur Versetzung dieses Mitarbeiters auf die Stelle des stellvertretenden Leiters der Abteilung Plattenherstellung an. Das Anhörungsschreiben enthält zur Eingruppierung die Angabe "AT". Am wurde dem Betriebsrat ergänzend mitgeteilt, dass eine Vergütung iHv. 4.300,00 Euro brutto zuzüglich einer Schichtpauschale von 200,00 Euro vereinbart sei. Der Betriebsrat stimmte mit Schreiben vom der Versetzung zu, verweigerte jedoch seine Zustimmung zur Eingruppierung unter Hinweis auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 und 4 BetrVG mit der Begründung, der Mitarbeiter sei in die Gehaltsgruppe 9 einzugruppieren und werde durch die außertarifliche Bezahlung benachteiligt, da das Gehalt bei einer zu erwartenden Erhöhung der Tarifgehälter in Kürze unter demjenigen der Tarifgruppe 9 liegen werde. Abweichend von einer vorangegangenen Ankündigung teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit Schreiben vom mit, dass sie kein Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten werde; ein Mitbestimmungsrecht bestehe hinsichtlich der Eingruppierung nicht, da Herr H schon vor der Versetzung AT-Angestellter gewesen sei.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, er habe nach § 99 BetrVG ein Mitbeurteilungsrecht bei der Frage, ob ein außertariflich vergüteter Arbeitnehmer noch zutreffend eingruppiert sei, wenn ihm eine neue, vom Arbeitgeber gleichfalls als außertariflich erachtete Tätigkeit zugewiesen werde.

Er hat beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, wegen der Eingruppierung des Mitarbeiters H als AT-Angestellter das Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten und durchzuführen.

Für den Fall, dass in der Anhörung vom kein Antrag auf Zustimmung zur Eingruppierung zu sehen sei, hat er hilfsweise beantragt,

der Arbeitgeberin aufzugeben, wegen der Eingruppierung des Mitarbeiters H als AT-Angestellter seine Zustimmung zu beantragen und im Fall der Zustimmungsverweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten und durchzuführen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ihre Entscheidung, einen bereits außertariflich vergüteten Mitarbeiter nach einer Versetzung auch weiterhin außertariflich zu vergüten, sei keine Eingruppierung. Dem Betriebsrat stehe daher über die Mitbestimmung bei der Versetzung hinaus kein Mitbestimmungsrecht zu.

Anders als das Arbeitsgericht hat das Landesarbeitsgericht dem Hauptantrag des Betriebsrats entsprochen. Der Senat hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Arbeitgeberin mit Beschluss vom (- 1 ABN 59/05 -) die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Hauptantrag des Betriebsrats zu Recht stattgegeben. Die Arbeitgeberin ist verpflichtet, wegen der (erneuten) Eingruppierung des Mitarbeiters H ein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten. Der Betriebsrat hat nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein Mitbeurteilungsrecht bei der Frage, ob ein bislang außertariflich vergüteter Angestellter nach einer Versetzung weiterhin außertariflich eingruppiert ist oder nunmehr unter die tarifliche Vergütungsordnung fällt. Da dem Hauptantrag des Betriebsrats entsprochen wurde, fiel der Hilfsantrag nicht zur Entscheidung an.

I. Der Hauptantrag des Betriebsrats ist zulässig. Er ist auf die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens wegen der Eingruppierung des Mitarbeiters H gerichtet. Damit entspricht er der Antragsformulierung, die der Senat in vergleichbaren Fällen für zulässig und sachdienlich erachtet hat (vgl. etwa - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 131, zu B I 2 b der Gründe mwN). Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Ein ihm entsprechender Tenor ist erforderlichenfalls gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1, 3 ArbGG iVm. § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO vollstreckbar ( - BAGE 112, 238, zu B I 2 der Gründe). Das Zustimmungsersetzungsverfahren, dessen Einleitung der Arbeitgeberin aufgegeben werden soll, ist ergebnisoffen (vgl. - 1 ABR 37/03 - aaO). Erst in diesem Verfahren wird geprüft, ob die von der Arbeitgeberin für richtig erachtete Eingruppierung zutreffend ist.

Der Betriebsrat ist antragsbefugt. Er macht mit den auf § 101 BetrVG gestützten Anträgen ein eigenes betriebsverfassungsrechtliches Recht geltend. Neben der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat sind keine weiteren Personen oder Stellen beteiligt. Dies gilt insbesondere für den betroffenen Arbeitnehmer H. Er hat keine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition, die durch die Entscheidung im vorliegenden Verfahren berührt sein könnte.

II. Der Antrag ist begründet. Der Anspruch des Betriebsrats folgt aus § 101 BetrVG. Die Arbeitgeberin hat mit ihrer Beurteilung, der Mitarbeiter H sei auch nach der Versetzung außertariflich zu vergüten, eine (Neu-)Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorgenommen. Hierzu bedurfte sie der Zustimmung des Betriebsrats. Da der Betriebsrat diese fristgerecht mit beachtlicher Begründung verweigert hat, muss die Arbeitgeberin das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchführen.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann dem Arbeitgeber auf Antrag des Betriebsrats gemäß § 101 Satz 1 BetrVG die Durchführung des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG aufgegeben werden, wenn er einen Arbeitnehmer ein- oder umgruppiert, obwohl der Betriebsrat seine hierzu nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderliche Zustimmung frist- und ordnungsgemäß verweigert hat. Der Anspruch dient der Sicherung des Mitbeurteilungsrechts des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen. Er setzt voraus, dass der Arbeitgeber überhaupt eine Ein- oder Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorgenommen hat (vgl. - 1 ABR 35/02 - BAGE 107, 338, zu B I 2 der Gründe mwN).

a) Eine Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG besteht in der rechtlichen Beurteilung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer auf Grund seiner Tätigkeit einer bestimmten Vergütungsgruppe zuzuordnen ist. Diese Beurteilung hat der Arbeitgeber bei jeder Einstellung und Versetzung vorzunehmen. Das folgt bereits aus § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, der für diese Fälle die Unterrichtung des Betriebsrats über die vorgesehene Eingruppierung ausdrücklich vorschreibt. Die Verpflichtung zur Eingruppierung besteht danach auch im Falle der Versetzung. Zwar ist der Arbeitnehmer in einem solchen Fall regelmäßig auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit bereits einer bestimmten Vergütungsgruppe zugeordnet. Eine Versetzung ist aber nach § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG stets mit der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs verbunden. Daher muss der Arbeitgeber auch in diesem Fall die Eingruppierung des Arbeitnehmers überprüfen. Gelangt er hierbei zu dem Ergebnis, dass auf Grund der geänderten Tätigkeit der Arbeitnehmer einer anderen Vergütungsgruppe zuzuordnen ist, handelt es sich um eine Umgruppierung. Ergibt die Prüfung des Arbeitgebers, dass es trotz geänderter Tätigkeit bei der bisherigen Zuordnung verbleibt, liegt eine erneute Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor ( - BAGE 68, 104, zu B II 2 c der Gründe).

b) Eine Eingruppierung ist entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin auch bei der Versetzung von Angestellten vorzunehmen, die bis dahin dem außertariflichen Bereich zugeordnet waren. Die betriebliche Vergütungsordnung, in welche der Arbeitgeber die Arbeitnehmer unter Beteiligung des Betriebsrats einzugruppieren hat, beschränkt sich nicht auf die tarifliche Vergütungsordnung. Zu ihr gehört auch der außertarifliche Bereich. Dieser ist Teil der betrieblichen Vergütungsordnung. Der im Beschluss des Senats vom (- 1 ABR 37/03 - BAGE 112, 238, zu B II 2 a der Gründe) verwendete Begriff der "Ausgruppierung" darf nicht dahin missverstanden werden, ein Arbeitnehmer befinde sich im außertariflichen Bereich außerhalb der betrieblichen Vergütungsordnung; mit dem Ausdruck wurde lediglich der Vorgang einer unvollständigen Umgruppierung vom tariflichen in den in sich gestuften außertariflichen Bereich beschrieben. Der außertarifliche Bereich kann entweder einheitlich sein oder seinerseits noch eine weiter gestufte Vergütungsordnung darstellen (vgl. - 1 ABR 37/03 - aaO).

Die Beurteilung des Arbeitgebers, die Tätigkeit des Arbeitnehmers übersteige die Merkmale der obersten tariflichen Vergütungsgruppe und sei daher dem außertariflichen Bereich zuzuordnen, ist ebenfalls eine Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG (vgl. - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 131, zu B I 2 a der Gründe). Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn ein bislang tariflich eingruppierter Arbeitnehmer erstmals dem außertariflichen Bereich zugeordnet wird (vgl. - 1 ABR 37/03 - aaO). Vielmehr gilt dies auch, wenn einem bereits dem außertariflichen Bereich zugeordneten Arbeitnehmer ein neuer Arbeitsbereich zugewiesen wird. Die Beurteilung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei nach der neuen Tätigkeit weiterhin dem außertariflichen Bereich zuzuordnen und unterfalle nicht der tariflichen Vergütungsordnung, ist eine erneute Eingruppierung des Arbeitnehmers iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. An dieser ist der Betriebsrat zu beteiligen. Dessen Beteiligungsrecht dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Vergütungsordnung in gleichen und vergleichbaren Fällen. Es soll zur innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und Transparenz der im Betrieb vorgenommenen Eingruppierungen beitragen ( - 1 ABR 5/95 - aaO mwN). Um diese geht es auch bei der Frage, ob ein Arbeitnehmer noch der tariflichen Vergütungsordnung unterfällt oder ob er Tätigkeiten erbringt, deren Merkmale diejenigen der obersten tariflichen Vergütungsgruppe übersteigen (vgl. - BAGE 107, 338, zu B I 2 a der Gründe mwN).

2. Hiernach verlangt der Betriebsrat von der Arbeitgeberin zu Recht die Einleitung und Durchführung des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens zur Eingruppierung des Mitarbeiters H.

a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, die Arbeitgeberin habe anlässlich der Versetzung des Mitarbeiters H eine mitbestimmungspflichtige Eingruppierungsentscheidung getroffen. Die von der Arbeitgeberin vorgenommene Eingruppierung bestand in ihrer Beurteilung, der Mitarbeiter H falle auch nach der Versetzung auf die Stelle des stellvertretenden Leiters der Plattenherstellung nicht unter die tarifliche Vergütungsordnung, sondern sei außertariflich zu vergüten. Auch die Arbeitgeberin stellt nicht in Abrede, eine entsprechende Prüfung vorgenommen und die sich daraus ergebende Entscheidung getroffen zu haben. Sie meint lediglich, ihre Beurteilung unterfalle nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats.

b) Rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden ist die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts, die Arbeitgeberin habe mit dem Schreiben vom beim Betriebsrat nicht nur die Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters H, sondern auch eine solche zur erneuten Eingruppierung in den AT-Bereich beantragt. Zwar ließe der objektive Erklärungswert des Schreibens auch ein anderes Verständnis zu. Der Betriebsrat hat aber, wie sich aus seiner Zustimmungsverweigerung vom ergibt, das Schreiben der Arbeitgeberin als Antrag auch auf Zustimmung zur Eingruppierung verstanden. Dies war zumindest vertretbar. Die Arbeitgeberin hat gegen die Auslegung ihres Anhörungsschreibens durch das Landearbeitsgericht keine beachtlichen Rügen erhoben.

c) Die Zustimmung des Betriebsrats zur erneuten Eingruppierung des Mitarbeiters H in den AT-Bereich gilt nicht etwa nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Der Betriebsrat hat mit Schreiben vom seine Zustimmung fristgerecht mit beachtlichen Gründen verweigert.

Fundstelle(n):
DB 2007 S. 527 Nr. 9
KAAAC-37762

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein