BFH Urteil v. - VI R 52/03 BStBl 2007 II S. 317

Aufwendungen für Bewirtung aus Anlass der Übergabe der Dienstgeschäfte und der Verabschiedung in den Ruhestand als Werbungskosten

Leitsatz

1. Die berufliche Veranlassung von Werbungskosten ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles festzustellen.

2. Bewirtungsaufwendungen, die einem Offizier für einen Empfang aus Anlass der Übergabe der Dienstgeschäfte (Kommandoübergabe) und der Verabschiedung in den Ruhestand entstehen, können als Werbungskosten zu berücksichtigen sein.

Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 1EStG § 12 Nr. 1 Satz 2

Instanzenzug: (EFG 2004, 90) (Verfahrensverlauf), , , ,

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten. Der Kläger war Berufssoldat im Rang eines Brigadegenerals. Im Streitjahr 2000 schied er wegen Pensionierung aus dem Dienst bei der Bundeswehr aus. Am…wurden im Rahmen einer militärischen Veranstaltung gemäß einem Kommandostabsbefehl die „Dienstgeschäfte des ...” vom Kläger auf seinen Nachfolger übertragen. Dabei wurde der Kläger in den Ruhestand verabschiedet. Anschließend fand im Offiziersheim ein Empfang statt, an dem Soldaten, Beamte und Arbeitnehmer des Dienstherrn des Klägers sowie geladene Gäste teilnahmen. Dem Kläger wurden Kosten für Speisen und Getränke in Höhe von 1 996 DM in Rechnung gestellt. Nach einer Erstattung durch den Dienstherrn in Höhe von 1 200 DM verblieben 796 DM, die der Kläger als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erkannte die Aufwendungen —auch im Einspruchsverfahren— nicht als Werbungskosten an.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 90 veröffentlichten Gründen ab. Aufwendungen eines Steuerpflichtigen mit festen Bezügen für die Bewirtung anderer Personen seien nur dann als Werbungskosten anzuerkennen, wenn sie rein beruflichen Zwecken dienten. Stünden Bewirtungsaufwendungen auch mit einem herausgehobenen persönlichen Ereignis des Bewirtenden in Zusammenhang, seien die Aufwendungen gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) insgesamt nicht abziehbar. Im Streitfall habe für die Veranstaltung zwar insofern ein beruflicher Anlass bestanden, als die Dienstgeschäfte des Klägers an seinen Nachfolger übergeben worden seien. Außerdem habe die Feier der Kontaktpflege zwischen Vertretern der Rüstungsindustrie und der militärischen Führung gedient. Die Verabschiedung in den Ruhestand stelle jedoch auch ein herausgehobenes persönliches Ereignis im Leben des Klägers dar, mit dem eine persönliche Ehrung verbunden sei. Ohne Bedeutung sei demgegenüber, dass der Kläger nicht als Gastgeber aufgetreten sei.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abänderung des Einkommensteuerbescheids für 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung weitere Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 796 DM zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Der Senat hat die von den Klägern erhobene Verfahrensrüge geprüft. Er erachtet sie nicht für durchgreifend und sieht insoweit von einer Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).

Die Revision hat jedoch mit der Sachrüge Erfolg. Das FG hat die streitigen Aufwendungen zu Unrecht nicht dem Grunde nach als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt.

1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegen Werbungskosten vor, wenn zwischen den Aufwendungen und der jeweiligen Einkunftsart ein Veranlassungszusammenhang besteht (BFH-Beschlüsse vom GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, 216, und vom GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105; , BFHE 136, 488, BStBl II 1983, 17). Das ist bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Fall, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Beruf zusammenhängen und subjektiv zu dessen Förderung getätigt werden (z.B. , BFH/NV 2006, 728, m.w.N.). Dabei ist der objektive Zusammenhang stets zwingend erforderlich, während die subjektive Absicht kein notwendiges Merkmal des Werbungskostenbegriffs ist (vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, 25. Aufl., § 9 Rz 7). Der Werbungskostenabzug kommt nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG jedoch nicht in Betracht bei „Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen”. Ob der Steuerpflichtige Aufwendungen aus beruflichem Anlass tätigt oder ob es sich um Aufwendungen für die Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG handelt, muss anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213; , BFHE 127, 533, BStBl II 1979, 513; vom VI R 46/01, BFHE 198, 563, BStBl II 2002, 579, und vom VI R 61/02, BStBl II 2006, 782).

2. Die berufliche oder private Veranlassung von Aufwendungen für die Ausrichtung von Veranstaltungen wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH durch den Anlass der betreffenden Veranstaltung indiziert (z.B. , BFH/NV 1991, 436; vom VI R 54/88, BFH/NV 1991, 85; vom IV R 58/88, BFHE 167, 46, BStBl II 1992, 524; vom VI R 59/92, BFHE 170, 131, BStBl II 1993, 350; vom VI R 70/93, BFHE 175, 88, BStBl II 1994, 896, und vom IV R 60/96, BFH/NV 1997, 560; , BFH/NV 1999, 467). Aufwendungen für die Bewirtung von Gästen aus Anlass eines in der privaten Sphäre des Einladenden liegenden persönlichen Ereignisses beurteilt der BFH grundsätzlich als nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung (z.B. , BFHE 94, 496, BStBl II 1969, 239; vom IV R 184/83, BFH/NV 1986, 657; in BFHE 167, 46, BStBl II 1992, 524; vom IV R 38/91, BFH/NV 1994, 616, und in BFH/NV 1997, 560; BFH-Beschlüsse vom VIII B 71/93, BFH/NV 1995, 118, und in BFH/NV 1999, 467, jeweils für Geburtstagsfeiern).

Für die Beurteilung der beruflichen oder privaten Veranlassung von Bewirtungskosten ist indessen nicht allein auf den Anlass der Veranstaltung als maßgebliches Indiz abzustellen. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung sind daneben auch weitere Umstände heranzuziehen. Dabei kann auf die Gesichtspunkte zurückgegriffen werden, die der BFH in seiner neueren Rechtsprechung zur Abgrenzung einer Feier des Arbeitgebers von einem privaten Fest des Arbeitnehmers entwickelt hat (vgl. , BFHE 201, 283, BStBl II 2003, 724). Obwohl das genannte Senatsurteil die Unterscheidung zwischen Arbeitslohn und Zuwendungen im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und damit die Einnahmenseite betrifft, steht einer entsprechenden Berücksichtigung nichts entgegen, da es hier ebenso wie im Streitfall auf der Ausgabenseite auf die Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse ankommt. Für die berufliche oder private Veranlassung der Kosten einer Veranstaltung ist folglich auch von Bedeutung, wer als Gastgeber auftritt, wer die Gästeliste bestimmt, ob es sich bei den Gästen um Kollegen, Geschäftsfreunde oder Mitarbeiter (des Steuerpflichtigen oder des Arbeitgebers), um Angehörige des öffentlichen Lebens, der Presse, um Verbandsvertreter oder um private Bekannte oder Angehörige des Steuerpflichtigen handelt. Zu berücksichtigen ist außerdem, in wessen Räumlichkeiten bzw. an welchem Ort die Veranstaltung stattfindet und ob das Fest den Charakter einer privaten Feier aufweist oder ob dies nicht der Fall ist (vgl. auch Offerhaus, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2005, 446, 448; Siegers, Anm. in EFG 2004, 91; Flohr/Gußen, Die Information über Steuer und Wirtschaft —Inf— 1990, 505).

3. Im Streitfall ist das FG bei der Beurteilung der beruflichen Veranlassung der hier zu untersuchenden Aufwendungen teilweise von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben. Zwar obliegt die Beantwortung der Frage, ob Aufwendungen beruflich veranlasst sind, in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG (vgl. , BFHE 208, 572, BStBl II 2005, 349, und , BFH/NV 2004, 1406). Im Streitfall hat die Vorinstanz die nach der Rechtsprechung des BFH maßgeblichen Umstände jedoch nicht vollständig in ihre Überzeugungsbildung einbezogen. Dies stellt einen materiell-rechtlichen Fehler dar. Die Gesamtwürdigung des FG bindet den Senat deshalb nicht gemäß § 118 Abs. 2 FGO. Die Vorinstanz hat allein darauf abgestellt, dass die Verabschiedung in den Ruhestand ein herausragendes, mit einer persönlichen Ehrung verbundenes Ereignis im Leben des Klägers gewesen sei. Das FG hat es demgegenüber als unerheblich angesehen, dass der Kläger nicht als Gastgeber aufgetreten war. Auch die weiteren, nach der Rechtsprechung des BFH im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Umstände hat das FG nicht hinreichend in seine Überzeugungsbildung einbezogen.

4. Der Senat kann im Streitfall auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG jedoch selbst beurteilen, dass die Aufwendungen des Klägers für die fragliche Veranstaltung beruflich veranlasst waren.

Anlass für die Veranstaltung war die Übergabe der Dienstgeschäfte des ..., ein rein berufliches Ereignis, das keinen Bezug zur Lebensführung des Klägers aufweist. Dass der Kläger nach dem hierzu ergangenen Kommandostabsbefehl zugleich in den Ruhestand verabschiedet werden sollte, ändert nichts an dem berufsbezogenen Charakter der Kommandoübergabe. Im Übrigen hat eine Verabschiedung in den Ruhestand ganz überwiegend beruflichen Charakter (ebenso Schmidt/ Drenseck, EStG, 25. Aufl., § 12 Rz 15; Kruse in Festschrift für Klaus Offerhaus zum 65. Geburtstag, Köln 1999, S. 491, 494 f.). Denn sie stellt —ungeachtet der Tatsache, dass sie auch ein persönliches Ereignis im Leben des Klägers ist— in erster Linie den letzten Akt im aktiven Dienst des Klägers bei der Bundeswehr dar. Sie ist folglich Teil der Berufstätigkeit.

Die weiteren Umstände des Streitfalls bestätigen die berufliche Veranlassung der durch die Veranstaltung verursachten Kosten. Der Arbeitgeber des Klägers trat als Gastgeber auf. Er legte die Gästeliste fest. Bei den Gästen handelte es sich um Soldaten, Beamte und Arbeitnehmer des Dienstherrn des Klägers sowie um weitere geladene Gäste, insbesondere aus dem Bereich der Rüstungsindustrie. Persönliche, vom Beruf losgelöste Beziehungen des Klägers zu den Gästen spielten in diesem Zusammenhang keine Rolle. Das FG hat festgestellt, dass die Veranstaltung unter anderem der Kontaktpflege zwischen den eingeladenen Vertretern der Rüstungsindustrie und der militärischen Führung diente. Die Feier fand in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers statt. Organisation und Ablauf der Veranstaltung waren durch den Arbeitgeber im Einzelnen vorgegeben. Die Veranstaltung hatte insgesamt keinen privaten, sondern dienstlichen Charakter. Für die Veranstaltung waren damit auch keine privaten Repräsentationspflichten des Klägers von Bedeutung, die seine gehobene berufliche Stellung mit sich brachten. Sofern sich aus dem (BFHE 170, 131, BStBl II 1993, 350) etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat an seiner dort vertretenen Rechtsauffassung nicht mehr fest.

Letztlich ist es für die berufliche Veranlassung der im Streitfall zu untersuchenden Aufwendungen auch nicht von ausschlaggebender Bedeutung, dass der Kläger als Soldat keine erfolgsabhängigen Bezüge erhielt und nach der Beendigung der aktiven Dienstzeit nur noch ein Ruhegehalt bezog. Denn die berufliche Veranlassung einer Aufwendung hängt grundsätzlich nicht davon ab, ob sie sich konkret auf die Höhe des Arbeitslohns auswirkt (, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368; vgl. auch , EFG 1997, 272, Revision durch nach § 126a FGO zurückgewiesen, nicht veröffentlicht, sowie Dürr in Frotscher, EStG, § 12 Rz 80 „Bewirtungskosten"; Wolf/Schäfer, Der Betrieb 2004, 775, 777). Soweit in der Rechtsprechung des BFH dahin erkannt wurde, dass Aufwendungen von Arbeitnehmern mit feststehenden Bezügen zugunsten anderer, ihnen unterstellter Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers, oder für die Bewirtung anderer Personen in der Regel keine beruflich veranlassten Werbungskosten seien (z.B. , BFHE 141, 18, BStBl II 1984, 557; vom IV R 186/82, BFHE 143, 21, BStBl II 1985, 286, und vom X R 6/84, BFHE 163, 372, BStBl II 1991, 396), beruhte dies nicht auf einem grundsätzlich anderen Verständnis des Veranlassungsprinzips. Vielmehr hat der BFH das Vorliegen erfolgsabhängiger bzw. erfolgsunabhängiger Bezüge lediglich als Indiz für die berufliche oder private Veranlassung der Aufwendungen herangezogen.

5. Die Sache ist allerdings nicht spruchreif. Das FG hat auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung keine Feststellungen dazu getroffen, ob und in welchem Umfang § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG dem vom Kläger begehrten Werbungskostenabzug gegebenenfalls entgegensteht. Dies wird im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein.

Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 317
BB 2007 S. 488 Nr. 9
BBK-Kurznachricht Nr. 5/2007 S. 247
BFH/NV 2007 S. 591 Nr. 3
BStBl II 2007 S. 317 Nr. 7
DB 2007 S. 550 Nr. 10
DStR 2007 S. 340 Nr. 8
DStRE 2007 S. 387 Nr. 6
DStZ 2007 S. 160 Nr. 6
EStB 2007 S. 161 Nr. 5
GStB 2007 S. 10 Nr. 3
GStB 2007 S. 161 Nr. 5
HFR 2007 S. 448 Nr. 5
INF 2007 S. 164 Nr. 5
KÖSDI 2007 S. 15468 Nr. 3
NJW 2007 S. 1773 Nr. 24
NWB-Eilnachricht Nr. 35/2008 S. 3286
NWB-Eilnachricht Nr. 8/2007 S. 596
NWB-Eilnachricht Nr. 9/2008 S. 747
SJ 2007 S. 7 Nr. 8
StB 2007 S. 122 Nr. 4
StuB-Bilanzreport Nr. 5/2007 S. 195
StuB-Bilanzreport Nr. 9/2007 S. 329
KAAAC-37749