Ende der Organschaft bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters
Gesetze: UStG § 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), war Organträgerin der X-GmbH. Im Streitjahr 1999 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH beantragt. Mit Beschluss vom ordnete das Amtsgericht Sicherungsmaßnahmen an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Der Beschluss lautet u.a. wie folgt:
„...
5. Es wird gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO angeordnet, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Der Schuldnerin ist insbesondere die Einziehung von Außenständen untersagt. Drittschuldner haben ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Schuldnerin bei Fälligkeit unter Angabe des vorstehenden Beschlusses an den vorläufigen Insolvenzverwalter zu entrichten. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder und Schecks entgegenzunehmen.”
Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH wurde am eröffnet.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) ging davon aus, dass die Organschaft bis bestanden hatte, erfasste die Umsätze der GmbH bei der Klägerin und setzte die Umsatzsteuer entsprechend fest.
Die Klage mit dem Vortrag, die Organschaft sei bereits mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters am beendet gewesen, hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seines Urteils hat das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen ausgeführt, die Organschaft habe bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens Bestand gehabt, weil der vorläufige Insolvenzverwalter nicht allein über das Vermögen der GmbH habe verfügen dürfen. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis sei daher nicht mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters auf diesen übergegangen. Aus diesem Grund sei auch die Organschaft noch nicht beendet gewesen.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, diene der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Für die Beendigung der Organschaft sei es, entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH— (Urteil vom V R 24/03, BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905), nicht entscheidend, dass die Verfügungsmacht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergehe. Entscheidend sei, dass der Organträger tatsächlich die Kontrolle über die Organgesellschaft verliere.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil die Klägerin keine Zulassungsgründe dargelegt hat.
1. Sowohl die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) als auch die Zulassung zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO) setzt eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, deren Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, voraus (BFH-Beschlüsse vom IX B 81/99, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760; vom I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254; vom V B 163/04). Eine Rechtsfrage ist insbesondere dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage erforderlich machen (BFH-Beschlüsse vom IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II 1999, 587; vom X B 40/99, BFH/NV 2000, 563; vom V B 23/04). So ist es hier. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Organschaft endet, wenn für die Organgesellschaft ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird, ist durch das Urteil in BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905 geklärt. Die Klägerin teilt diese Rechtsauffassung, auf die sich das Urteil des FG stützt, zwar nicht, sie hat aber keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die eine erneute Entscheidung dieser Rechtsfrage erforderlich erscheinen lassen.
Soweit die Klägerin im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom geltend macht, die Organschaft ende zu dem Zeitpunkt, in dem der Insolvenzverwalter den maßgeblichen Einfluss auf die Organgesellschaft erhalte und ihm eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft möglich sei, führt auch dieser Vortrag nicht zur Zulassung der Revision. Das FG hat mit für den Senat bindender Wirkung (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass diese Voraussetzungen gerade nicht erfüllt gewesen sind, weil der vorläufige Insolvenzverwalter nicht allein über das Vermögen der GmbH habe verfügen dürfen.
Auch soweit die Klägerin geltend macht, es sei klärungsbedürftig, wann die Organschaft ende, wenn der vorläufige „schwache” Insolvenzverwalter sich die Befugnisse eines „starken” Insolvenzverwalters anmaße, liegt weder eine grundsätzliche Bedeutung vor noch dient die Beantwortung dieser Frage der Fortbildung des Rechts. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage ist nicht entscheidungserheblich. Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die den Schluss zulassen, dass sich der vorläufige Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH ihm nicht zustehende Befugnisse angemaßt hat. Im Übrigen hat auch die Klägerin hierzu keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen. Die Behauptung, dass der schwache Insolvenzverwalter seine Befugnisse „de facto…im Regelfall extensiv ausnutzt und sich gegenüber der insolventen Gesellschaft als starker Insolvenzverwalter geriert”, betrifft keine in dem hier zu entscheidenden konkreten Einzelfall entscheidungserhebliche Rechtsfrage.
2. Zu der Frage, weshalb die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordere, trifft die Beschwerde keine Aussage. Auch insofern fehlt es an der Darlegung eines Zulassungsgrundes.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 787 Nr. 4
UAAAC-37147