BGH Beschluss v. - AnwZ (B) 87/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 4; ZPO § 580 Nr. 3; ZPO § 580 Nr. 7 b; BRAO § 7 Nr. 5; BRAO § 7 Nr. 9; BRAO § 100 Abs. 1; BRAO § 100 Abs. 2; AO § 227; AO § 261

Instanzenzug: OLG Celle AGH 18/04 (II 10) vom

Gründe

I.

Der Antragsteller war von 1976 bis 2002 als Rechtsanwalt bei dem Amts- und Landgericht G. zugelassen. Mit Bescheid vom widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung wies der Anwaltsgerichtshof mit Beschluss vom zurück. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg (Senatsbeschluss vom - AnwZ(B) 70/00). Mit Schriftsatz vom beantragte der Antragsteller, das Verfahren wieder aufzunehmen und den Widerrufsbescheid aufzuheben. In einem weiteren Schriftsatz vom beantragte er den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit welcher er die Wiedereintragung in die Anwaltslisten begehrte. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom (AnwZ(B) 51/03) zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach § 580 Nr. 7 b ZPO nicht dargetan sind.

Am hat der Antragsteller seine Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragt. Die Antragsgegnerin hat den Antrag mit Bescheid vom zurückgewiesen und zur Begründung auf die Versagungsgründe nach § 7 Nr. 5 BRAO (Unwürdigkeit) und § 7 Nr. 9 BRAO (Vermögensverfall) verwiesen. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt. Mit seinem Rechtsmittel begehrt er in erster Linie festzustellen, dass die Widerrufsverfügung vom "in der Gestalt des " nichtig, jedenfalls rechtswidrig sei, sowie die Antragsgegnerin zu verpflichten, seine Löschung aus den Anwaltslisten rückgängig zu machen. Hilfsweise beantragt er auszusprechen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, ihn wieder zur Rechtsanwaltschaft zuzulassen.

II.

Das Rechtsmittel hat insgesamt keinen Erfolg.

1. Soweit der Antragsteller sich gegen den Bestand der Widerrufsverfügung vom wendet, ist sein Begehren, wie auch die Beschwerdebegründung aufzeigt, als Wiederaufnahmeantrag gegen den Senatsbeschluss vom zu deuten.

Der Wiederaufnahmeantrag ist zwar an sich statthaft, da im Zulassungsverfahren nach der Bundesrechtsanwaltsordnung die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wiederaufnahme des Verfahrens entsprechende Anwendung finden (BGHZ 125, 288; Senatsbeschluss vom - AnwZ(B) 15/95, BRAK-Mitt. 1997, 254). Er bleibt indes ohne Erfolg, da das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes bereits nicht schlüssig dargelegt worden ist. Der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO scheidet schon deshalb aus, da sich auf ihn nur die nicht ordnungsgemäß vertretene Partei, nicht aber ihr Gegner, stützen kann (BGHZ 63, 78). Auch zu den weiter angeführten Restitutionsgründen nach § 580 Nr. 3 und Nr. 7 b ZPO findet sich kein schlüssiger Sachvortrag. Weder handelt es sich bei dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin um einen Zeugen oder Sachverständigen im Sinne des § 580 Nr. 3 ZPO noch stellt dessen - nach Auffassung des Antragstellers - inhaltlich unrichtiger Terminsbericht vom eine Urkunde dar, die eine Wiederaufnahme in entsprechender Anwendung des § 580 Nr. 7 b ZPO rechtfertigen könnte. Der Wiederaufnahmeantrag war daher - ungeachtet der Frage seiner Verfristung (vgl. § 586 Abs. 1 Satz 1 ZPO) - zurückzuweisen.

2. Soweit sich der Antragsteller gegen die Zurückweisung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung wendet, bleibt sein zulässiges Rechtsmittel (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO) in der Sache ebenfalls ohne Erfolg. Dem Antragsteller ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft mit Recht gemäß § 7 Nr. 5 und Nr. 9 BRAO versagt worden.

a) Die vom Beschwerdeführer erhobenen Bedenken gegen die Zuständigkeit der Anwaltsgerichtshöfe ("gesetzlicher Richter") und deren Besetzung vermag der Senat nicht zu teilen. Die Anwaltsgerichtshöfe sind staatliche Gerichte (vgl. Feuerich/Weyland, 6. Aufl., § 100 Rn. 1; zu den früheren anwaltlichen Ehrengerichtshöfen BVerfGE 26,186,195 ff.; 48, 300, 315 ff. sowie nunmehr ), die auf § 100 Abs. 1 BRAO beruhen. Sie unterliegen der Aufsicht durch die Landesjustizverwaltungen (vgl. §§ 100 Abs. 1 Satz 2, 92 Abs. 3 BRAO), welche unter anderem auch über die Besetzung entscheiden (vgl. §§ 101 Abs. 3, 102 Abs. 1, 103 Abs. 1 BRAO). Die erforderliche Unabhängigkeit der richterlichen Mitglieder ist gewährleistet. Die mitwirkenden Berufsrichter werden aus der Zahl der ständigen Mitglieder eines Oberlandesgerichts oder in den Fällen des § 100 Abs. 2 BRAO mehrerer Oberlandesgerichte ernannt. Die anwaltlichen Mitglieder dürfen nicht gleichzeitig dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer oder der Satzungsversammlung angehören oder bei der Rechtsanwaltskammer oder der Satzungsversammlung im Haupt- oder Nebenberuf tätig sein (vgl. §§ 103 Abs. 2 Satz 1, 94 Abs. 3 Satz 2 BRAO). Schließlich verletzt die Rechtswegzuweisung an die Anwaltsgerichte entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht europäisches Gemeinschaftsrecht (vgl. hierzu ).

b) Nach § 7 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn der Bewerber sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn unwürdig erscheinen lässt, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben. Der Unwürdigkeitsvorwurf und die jedenfalls zeitweilige Einschränkung der durch Art. 12 Abs.1 GG geschützten Freiheit der Berufswahl sind danach gerechtfertigt, wenn der Bewerber ein Verhalten gezeigt hat, das ihn bei Abwägung dieses Verhaltens und aller erheblichen Umstände - wie Zeitablauf und zwischenzeitliche Führung - nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf (noch) nicht tragbar erscheinen lässt (Senat, Beschl. vom - AnwZ(B) 67/98, NJW-RR 1999, 1219; Beschl. vom - AnwZ(B) 6/93, NJW 1994, 1730 = BRAK-Mitt. 1994, 108). Maßgeblich für diese Beurteilung ist der Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung. Denn auch ein schwerwiegendes berufsunwürdiges Verhalten kann nach einer mehr oder minder langen Zeit durch Wohlverhalten oder andere Umstände soviel an Bedeutung verlieren, dass es die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht mehr hindern kann.

aa) Der Antragsteller ist mit Urteil des Amtsgerichts G. vom , rechtskräftig seit , wegen (Umsatz-)Steuerhinterziehung in 26 Fällen (Tatzeitraum: 1994 bis November 1998) zu einer Gesamtgeldstrafe von 265 Tagessätzen verurteilt worden. Durch Urteil des Landgerichts G. vom , rechtskräftig seit dem , ist er erneut wegen (Umsatz-)Steuerhinterziehung, diesmal in neun Fällen (Tatzeitraum: 1999 bis 2001), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt worden. Die Dauer der Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt und endete am . Hintergrund dieser Verurteilungen ist, dass der Antragsteller die Auffassung vertritt, das deutsche Umsatzsteuersystem sei verfassungswidrig. Aufgrund der nicht kostendeckenden Gebühren sei er als Rechtsanwalt nicht zur Zahlung von Umsatzsteuer verpflichtet. Ferner ist der Antragsteller durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts G. vom wegen unbefugten Führens von Berufsbezeichnungen zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Die Bewährungszeit endete hier am . Anhaltspunkte dafür, dass die erkennenden Strafgerichte - wie der Antragsteller meint - gegen die Vorlagepflicht nach Art. 234 EGV verstoßen haben könnten, sieht der Senat nicht.

Aus diesen Verurteilungen hat, wie der Anwaltsgerichtshof im Einzelnen, insbesondere mit Blick auf das hartnäckige und wiederholte strafrechtlich relevante Verhalten und dessen Berufsbezogenheit zutreffend ausgeführt hat, die Antragsgegnerin zu Recht die Unwürdigkeit des Antragstellers hergeleitet (vgl. auch Senat, Beschl. vom - AnwZ(B) 28/84, BRAK-Mitt 1985, 107 und Beschl. vom - AnwZ(B) 34/95, BRAK-Mitt. 1996, 73, 74 und 122).

bb) Das Fehlverhalten des Antragstellers hat auch nicht durch zwischenzeitliches Wohlverhalten oder andere Umstände derartig an Bedeutung verloren, dass es nunmehr nicht mehr der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft entgegenstünde. Der Antragsteller zeigt keinerlei Schuldeinsicht, sondern hält hartnäckig an den Auffassungen fest, die zu seinen Verurteilungen geführt haben. Angesichts der erst vor kurzem - am 10. Februar bzw. - abgelaufenen Bewährungszeiten, käme auch einer straffreien Führung ein entscheidendes Gewicht nicht zu (vgl. Senat, Beschl. vom - AnwZ(B) 38/94, NJW-RR 1995, 1016, 1017). Zudem ist der Antragsteller auch nicht unbestraft geblieben, sondern ist durch Urteil des Amtsgerichts G. vom , rechtskräftig seit dem , wegen einer am begangenen vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden.

c) Auch die Annahme des Versagungsgrundes nach § 7 Nr. 9 BRAO ist nicht zu beanstanden.

aa) Dem Antrag auf Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft steht die Bindungswirkung des bestandskräftigen Bescheides vom , mit dem die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls widerrufen worden war, nicht entgegen. Der Antragsteller begehrt seine erneute Zulassung zur Rechtsanwaltschaft mit der Behauptung, dass seine Vermögensverhältnisse (wieder) geordnet seien. Wenn dies zuträfe, dann hätte sich die aus der materiellen Rechtskraft des Senatsbeschlusses vom ergebende Bindung wegen einer Änderung der Sachlage erledigt (st.Rspr.; BGHZ 102, 252; AnwZ (B) 35/96, BRAK-Mitt. 1997, 124).

bb) Die erneute Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist dem Antragsteller in der angegriffenen Verfügung der Antragsgegnerin und der angefochtenen Entscheidung des Anwaltsgerichtshofes jedoch zu Recht versagt worden, weil sich der Antragsteller - entgegen seiner Behauptung im Zulassungsantrag - auch gegenwärtig in Vermögensverfall befindet (§ 7 Nr. 9 BRAO).

Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st.Rspr.; vgl. Senatsbeschluss vom - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Senatsbeschluss vom - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126).

Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Antragsgegnerin betrieb das Finanzamt G. die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Einkommens- und Umsatzsteuer nebst Säumniszuschlägen in Gesamthöhe von ca. 591.000 €. Die Berechtigung dieser Forderung hat der Antragsteller jeweils nur pauschal in Abrede gestellt. An dieser Situation hat sich seitdem nichts zu Gunsten des Antragstellers geändert. Nach Mitteilungen des Finanzamts vom 23./ betrugen die Forderungen des Finanzamts zu diesem Zeitpunkt bereits ca. 687.000 €. Mit Beschluss des Amtsgerichts G. vom - Az. 74 IN /04 - ist die vom Finanzamt G. beantragte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgelehnt worden. Die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgelegte Vermögensaufstellung vom , die Passiva in Höhe von 130.415,85 € und Aktiva in Höhe von 636.355 € ausweist, ist durch nichts belegt. Es fehlt schon jegliche Angabe darüber, in welchem Umfang der dort aufgeführte Grundbesitz (angeblicher Wert: 510.000 €) belastet ist. Auf die Notwendigkeit entsprechender Angaben und der Vorlage diesbezüglicher Nachweise ist der Antragsteller bereits vom Anwaltsgerichtshof hingewiesen worden. Zudem sind in der Aufstellung die Forderungen des Finanzamts nicht enthalten.

Auf das Beschwerdevorbringen, die Finanzbehörden hätten die Steuerforderungen gemäß § 261 AO niedergeschlagen, kommt es hierbei nicht an. Bei der Niederschlagung im Sinne der vorgenannten Vorschrift handelt es sich um eine rein verwaltungsinterne Maßnahme, die keinen Einfluss auf das Steuerschuldverhältnis hat. Sie erfolgt allein in dem Interesse der Verwaltung, unnötigen bzw. aussichtslosen Verwaltungsaufwand zu vermeiden. Sie begründet keinen Rechtsanspruch des Steuerbürgers auf ein weiteres Absehen der Finanzbehörden von der Beitreibung, vielmehr ist sie jederzeit aufzuheben und der Anspruch geltend zu machen, wenn bekannt wird, dass der Vollstreckungsschuldner über pfändbares Vermögen verfügt (vgl. VII B /03). Dafür, dass - wie der Antragsteller geltend macht - die Finanzbehörden verpflichtet seien ("Ermessensreduzierung auf Null"), die Steuerschuld nach § 227 AO erlassen, sieht der Senat keinen Anhalt.

Mit der Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages sowie der sofortigen Beschwerde ist der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos.

Fundstelle(n):
JAAAC-36666

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein