BFH Beschluss v. - V B 100/06

Verstoß gegen Denkgesetz und Erfahrungssätze; nicht protokollierte Äußerungen oder Anträge als Verfahrensmangel

Gesetze: FGO § 94; FGO § 115

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 FGO teils nicht i.S. des § 116 Abs. 3 FGO dargelegt sind und im Übrigen nicht vorliegen.

Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO müssen dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 FGO).

1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) macht geltend, das Finanzgericht (FG) habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verletzt. Der Amtsermittlungsgrundsatz wird durch die Mitwirkungspflichten der Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO begrenzt. Die Sachaufklärungsrüge kann nicht dazu dienen, Beweisanträge zu ersetzen, welche die fachkundig vertretene Partei selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (BFH-Beschlüsse vom VIII B 51/98, BFH/NV 2000, 204; vom VIII B 41/99, BFH/NV 2000, 744; vom III B 7/03, BFH/NV 2004, 645).

Wird deshalb —wie hier— ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, bedarf es der Darlegung, welche Fragen tatsächlicher Art aufklärungsbedürftig waren, welche Beweismittel zu welchem Beweisthema das FG ungenutzt ließ, warum der Kläger nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, warum sich die Notwendigkeit der Beweiserhebung gleichwohl dem FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweiserhebung zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Ferner ist darzulegen, dass der Kläger die nach seiner Ansicht unzulängliche Sachaufklärung vor dem FG gerügt hat oder weshalb ihm eine solche Rüge nicht möglich gewesen sei (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom III B 143/05, BFH/NV 2006, 1058; vom VII B 61/04, BFH/NV 2005, 921). Daran fehlt es.

Soweit der Kläger rügt, der Ordner „Anzeigen” sei im Gerichtssaal präsent gewesen, aber nicht berücksichtigt worden, hat er nicht dargelegt, weshalb er —obwohl er durch seinen Steuerberater fachkundig vertreten war— nicht selbst die seiner Auffassung nach entscheidungserheblichen Beweismittel vorgelegt hat. Gleiches gilt für den Vortrag, es hätte sich eine „Beweiserhebung durch Inaugenscheinnahme oder zumindest durch Fotografien” aufgedrängt.

Der Kläger rügt weiter, das FG habe sich zu Unrecht für seine Annahme, die GmbH sei nach außen als Unternehmer aufgetreten, darauf gestützt, dass sie „Werbung geschaltet” habe, und bei weiterer Sachaufklärung hätte sich ergeben, dass die GmbH sich mit den Anzeigen im weitesten selbst bewarb, indem sie ausschließlich die Frauen durch diese Anzeigen auf das Geschäftsmodell der GmbH aufmerksam machte. Welche weiteren Beweismittel das FG hätte erheben sollen, hat der Kläger jedoch nicht, wie erforderlich, benannt.

2. Der Kläger hat auch nicht schlüssig dargelegt, dass dem FG ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten unterlaufen ist.

a) Ein solcher Verstoß und damit eine Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist gegeben, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder wenn es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat und die angefochtene Entscheidung darauf beruht (zusammenfassend z.B. , BFH/NV 2003, 337, m.w.N.).

b) Der Kläger rügt insoweit, nach den Aussagen des Klägers und des Zeugen P habe jede Dame selbständig ihre Termine mit ihrem jeweiligen Kunden vereinbart, der Kunde habe nur mit der jeweiligen Dame Kontakt gehabt, und verweist insoweit auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung. In den vom Kläger bezeichneteten Absätzen des Protokolls finden sich Aussagen diesen Inhalts nicht. Im Übrigen erschöpft sich die Beschwerdebegründung in diesem Punkt im Grunde in Einwendungen gegen die Beweiswürdigung des Urteils. Einwände, die sich allein gegen die sachliche Richtigkeit des Urteils wenden, wozu auch die Beweiswürdigung des FG gehört, bilden aber keinen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO (BFH-Beschlüsse vom III B 117/02, BFH/NV 2003, 810, und vom VIII B 11/04, BFH/NV 2005, 1810).

3. Auch soweit der Kläger vorträgt, die Beweiswürdigung des FG verstoße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze, liegt ein Rechtsanwendungsfehler vor, der eine Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331; vom VI B 17/01, BFH/NV 2004, 338; in BFH/NV 2005, 1810, jeweils m.w.N.). Für einen schwerwiegenden Fehler, der nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO die Revision eröffnen könnte (vgl. , BFH/NV 2002, 1474), bietet die Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte.

4. Inwiefern das FG den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt haben soll, weil er sich nicht habe zur Frage äußern können, ob eine Organschaft vorliege, hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt, denn diese Frage war ausweislich des Tatbestandes des FG-Urteils Anlass für die im Anschluss an eine Außenprüfung vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) erlassenen streitigen geänderten Umsatzsteuerbescheide. Dass sich das FG mit dieser entscheidungserheblichen Rechtsfrage befasst hat, kann deshalb auch nicht überraschend gewesen sein.

5. Soweit der Kläger vorträgt, das Protokoll über die mündliche Verhandlung sei unvollständig und unrichtig, genügt dies zur Darlegung eines Verfahrensfehlers nicht. Der Kläger hätte insoweit im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde u.a. vortragen müssen, dass das Gericht die Aufnahme bestimmter Äußerungen und Anträge in das Protokoll abgelehnt habe (vgl. § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 der Zivilprozessordnung) und er oder sein Prozessbevollmächtigter von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, die Berichtigung des Protokolls zu beantragen (vgl. BFH-Beschlüsse vom XI B 50/05, BFH/NV 2006, 236; vom V B 107/97, BFH/NV 1998, 859). Das ist nicht geschehen.

6. Macht der Beschwerdeführer geltend, dass die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) gebiete, so muss er zunächst —ebenso wie bei einer auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Nichtzulassungsbeschwerde— eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen. Des Weiteren muss er substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz. 33 a.E., m.w.N.). Auch hieran fehlt es.

Ebenso wenig hat der Kläger schlüssig dargelegt, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO). Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichungsrüge (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 41) muss der Beschwerdeführer u.a. tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. , BFH/NV 2002, 1484; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 42, m.w.N.). Das ist nicht geschehen.

Fundstelle(n):
GAAAC-35643