BGH Beschluss v. - I ZB 39/05

Leitsatz

[1] Unterzeichnet ein Rechtsanwalt, an den eine gerichtliche Entscheidung zugestellt werden soll, das dazu gehörige Empfangsbekenntnis und weist er sein Büro an, das Empfangsbekenntnis noch nicht an das Gericht zurückzusenden, weil er den Lauf der Rechtsmittelfrist berechnen und notieren will, wird aber durch ein Büroversehen das Empfangsbekenntnis zu den Gerichtsakten gereicht, ist die Rechtsmittelfrist mit dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses in Lauf gesetzt.

Gesetze: MarkenG § 85 Abs. 1; ZPO § 174 Abs. 1; ZPO § 233 B; ZPO § 233 Fe

Instanzenzug: Bundespatentgericht 32 W(pat) 79/02 vom

Gründe

I. Gegen die eingetragene Wortmarke "i. " haben die Widersprechenden zu 1 und 2 aus mehreren prioritätsälteren Marken Widerspruch erhoben, der zur Teillöschung der eingetragenen Marke durch das Deutsche Patent- und Markenamt geführt hat. Die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts haben sämtliche Beteiligten angefochten. Der Beschluss des Bundespatentgerichts, mit dem den Beschwerden der Beteiligten nur jeweils teilweise stattgegeben worden ist, ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden zu 1 und 2 nach den in der Gerichtsakte des Bundespatentgerichts befindlichen Empfangsbekenntnissen am zugestellt worden. Die beiden Empfangsbekenntnisse, die vom Verfahrensbevollmächtigten unterzeichnet sind, sind am beim Bundespatentgericht eingegangen. Die gegen den Beschluss des Bundespatentgerichts gerichtete Rechtsbeschwerde haben die Widersprechenden am beim Bundesgerichtshof eingelegt.

Die Widersprechenden haben hierzu ausgeführt:

Der Beschluss des Bundespatentgerichts sei zwar am in der Kanzlei ihres Kölner Verfahrensbevollmächtigten eingegangen. Dieser habe den Beschluss an diesem Tag aber nicht gesehen. Abweichend von dem sonst üblichen Ablauf in der Kanzlei seien ihrem Verfahrensbevollmächtigten nur die zwei Empfangsbekenntnisse vorgelegt worden. Dieser habe die mit dem Datum "" versehenen Empfangsbekenntnisse unterschrieben, jedoch die Anweisung erteilt, die Empfangsbekenntnisse nicht zu versenden, sondern sie ihm nochmals zusammen mit dem Beschluss des Bundespatentgerichts vorzulegen. Offenbar seien die beiden Empfangsbekenntnisse versehentlich an das Bundespatentgericht abgesandt worden. Tatsächlich sei der Beschluss zusammen mit den Empfangsbekenntnissen ihrem Verfahrensbevollmächtigten erstmals nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub am vorgelegt worden; dieser habe die Empfangsbekenntnisse mit dem abgeänderten Datum "" an das Bundespatentgericht gesandt, ohne dass sich die Empfangsbekenntnisse allerdings in den Gerichtsakten befänden.

Die Widersprechenden sind der Ansicht, die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde, deren Lauf erst am begonnen habe, sei am noch nicht abgelaufen gewesen. Hilfsweise beantragen sie, ihnen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

II. Die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundespatentgerichts beim Bundesgerichtshof eingelegt worden (§ 85 Abs. 1 MarkenG). Gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist kann den Widersprechenden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden. Ihr entsprechender Antrag ist zwar zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg (§ 88 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i.V. mit § 233 ZPO).

1. Die Widersprechenden haben die einmonatige Rechtsbeschwerdefrist versäumt, weil die Rechtsmittelfrist am zu laufen begann. An diesem Tag ist der Beschluss des Bundespatentgerichts dem Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden wirksam zugestellt worden (§ 79 Abs. 1 Satz 3, § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, § 174 Abs. 1 ZPO).

a) Voraussetzung einer wirksamen Zustellung gegen Empfangsbekenntnis an eine der in § 174 Abs. 1 ZPO aufgeführten Personen ist neben der Übermittlung des Schriftstücks in Zustellungsabsicht die Empfangsbereitschaft des Empfängers. Die Entgegennahme des zuzustellenden Schriftstücks muss mit dem Willen erfolgen, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen. Zustellungsdatum ist deshalb der Tag, an dem der Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks persönlich Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegennimmt (BGHZ 30, 335, 336; , NJW 1991, 42; Beschl. v. - VI ZB 77/02, NJW 2003, 2460; Urt. v. - VIII ZR 114/05, NJW 2006, 1206, 1207). Auf die Frage, ob der Rechtsanwalt das Schriftstück auch inhaltlich zur Kenntnis genommen hat, kommt es dagegen nicht an (, NJW-RR 1992, 251, 252). Hinzukommen muss, dass der Empfangswille durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses, bei dem es sich um eine öffentliche Urkunde handelt (Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 418 Rdn. 2), beurkundet wird. Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen am ist im Streitfall auszugehen.

b) Der Verfahrensbevollmächtigte der Widersprechenden hat an diesem Tag seinen Annahmewillen nach außen durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses dokumentiert. Die Unterzeichnung hat den objektiven Erklärungsinhalt, das betreffende Schriftstück als zugestellt entgegenzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt war dem Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden der Zugang des Beschlusses des Bundespatentgerichts bekannt; dass er den Inhalt der Entscheidung noch nicht kannte, ist ohne Belang.

Die Anweisung an das Büropersonal, das Empfangsbekenntnis noch nicht an das Gericht abzusenden, steht der Annahme nicht entgegen, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Widersprechenden zum Empfang des Beschlusses des Bundespatentgerichts bereit war. Nach seiner eidesstattlichen Versicherung vom erfolgte seine entsprechende Anweisung, um den Fristablauf für die Rechtsmittelfrist zu berechnen und zu notieren. Daraus ergibt sich keine fehlende Empfangsbereitschaft. Ein nur innerlich gebliebener Vorbehalt des Zustellungsempfängers, das Schriftstück als (noch) nicht zugestellt zu behandeln, ist unbeachtlich (, NJW 1974, 1469, 1470).

2. Die Widersprechenden waren auch nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Rechtsbeschwerdefrist einzuhalten (§ 88 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i.V. mit § 233 ZPO). Ihr Kölner Verfahrensbevollmächtigter hat die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde von einem Monat schuldhaft versäumt; sein Verschulden müssen sich die Widersprechenden nach § 88 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i.V. mit § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

a) Die Widersprechenden haben die Rechtsmittelfrist deshalb versäumt, weil ihr Verfahrensbevollmächtigter davon ausgegangen ist, der Beschluss des Bundespatentgerichts sei erst am wirksam zugestellt worden.

b) Diese Annahme beruht auf einem eigenen Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden. Dieser hätte bereits am nach dem Verbleib des Beschlusses des Bundespatentgerichts forschen müssen und von dem Ergebnis dieser Nachforschung die Bestätigung des Empfangs durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses abhängig machen müssen (, NJW 2000, 2112, 2113).

Jedenfalls hätte der Verfahrensbevollmächtigte der Widersprechenden spätestens bei Vorlage des Beschlusses am die Rechtsbeschwerdefrist, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war, überprüfen müssen. Er hätte sich vor allem an die zwei von ihm am unterzeichneten Empfangsbekenntnisse erinnern und deren Verbleib aufklären müssen. In diesem Fall hätte er festgestellt, dass die Empfangsbekenntnisse vom an das Bundespatentgericht abgeschickt waren. Die Widersprechenden hätten dann durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt noch rechtzeitig Rechtsbeschwerde einlegen lassen können.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.

Fundstelle(n):
BB 2007 S. 72 Nr. 2
NJW 2007 S. 600 Nr. 9
JAAAC-33578

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja