BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 2388/06

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BVerfGG § 93a; BVerfGG § 93a Abs. 2; BVerfGG § 93b; StPO § 406 e Abs. 1 Satz 1; StPO § 406 e Abs. 2 Satz 1

Instanzenzug: LG Halle 28 AR 38/06 vom

Gründe

1. Die Verfassungsbeschwerde wird mangels eines Annahmegrundes gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen. Sie ist unbegründet.

Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, fachgerichtliche Entscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Der Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts unterliegen diese Entscheidungen nur insoweit, als ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung in Frage steht (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>).

Insoweit hat das Gericht auch nicht darüber zu befinden, ob der Vorsitzende der Strafkammer der geschädigten Bank in dem gegen den Beschwerdeführer geführten Ermittlungsverfahren zu Unrecht Akteneinsicht gewährt hat. Gegenstand der Prüfung ist allein, ob der Vorsitzende bei seiner Anordnung grundrechtliche Positionen des Beschwerdeführers außer Acht gelassen hat.

Dies ist nicht der Fall. Weder sind durch das Grundgesetz vorgegebene verfassungsrechtliche Maßstäbe verkannt worden, noch stellt die Gewährung von Akteneinsicht nach dem mitgeteilten Sachverhalt eine unverhältnismäßige und damit sachwidrige Maßnahme dar.

Nach dem Willen des Gesetzgebers ist die Verfolgung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche ein schutzwürdiges Interesse des Verletzten einer Straftat, das zu Akteneinsicht über einen Rechtsanwalt nach § 406 e Abs. 1 Satz 1 StPO berechtigt (vgl. BTDrucks 10/6124, S. 2; siehe hierzu auch Kiethe, wistra 2006, S. 50, 52; LG Düsseldorf, wistra 2003, S. 239). Begrenzt werden kann dieses Verletzteninteresse allerdings u.a. durch entgegenstehende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten, § 406 e Abs. 2 Satz 1 StPO. Zu den schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten zählt auch sein Interesse an der Geheimhaltung persönlicher Daten (vgl. BTDrucks 10/5305, S. 18). Einer Akteneinsicht steht dieses Interesse allerdings nur dann entgegen, wenn es das Informationsinteresse des Verletzten überwiegt. Dies tut es nicht generell. Vielmehr hat die über die Akteneinsicht zu entscheidende Stelle die gegenläufigen Interessen von Verletztem und Beschuldigten gegeneinander abzuwägen, um hierdurch festzustellen, welchem Interesse im Einzelfall der Vorrang gebührt (vgl. Hilger, in: Löwe-Rosenberg, Kommentar zur Strafprozessordnung, 25. Aufl., § 406 e Rn. 10).

Eine solche Interessenabwägung hat der Vorsitzende der Strafkammer unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Übersendungsverfügung der Staatsanwaltschaft vorgenommen. Aus dieser wird deutlich, dass das Interesse des Beschwerdeführers, Informationen aus seinem Lebenskreis für die Verletzte nicht offenbar werden zu lassen, deren Interesse auf Informationsgewinnung für die Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche gegenübergestellt wurde.

Jedenfalls aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es nicht zu beanstanden, dass die Abwägung der gegenläufigen Interessen zu Gunsten der Verletzten ausgefallen ist. Ausweislich der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft ist der Verletzten die Einsicht in die Verfahrensakten seit mehr als zwei Jahren verwehrt worden. Dies lässt es nicht als unangemessen und sachwidrig erscheinen, ihr diese Einsichtnahme nunmehr zu gewähren. Auch der Umfang der gewährten Einsichtnahme ist anhand der Verfügung der Staatsanwaltschaft nachvollziehbar. Danach ist es wegen der Struktur der Strafakten nicht möglich, nur partiell Akteneinsicht zu gewähren.

Bei der Frage der Verfassungsgemäßheit der angegriffenen gerichtlichen Entscheidung ist zudem zu berücksichtigen, dass die Akteneinsicht nicht unmittelbar durch Mitarbeiter der geschädigten Bank, sondern durch einen beauftragten Rechtsanwalt genommen wird. Dieser steht als Organ der Rechtspflege in der Pflicht, seiner Mandantin nur die Auskünfte zukommen zu lassen, die zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche gegen den Beschwerdeführer dringend erforderlich sind, was unter anderem Mitteilungen über den Zustand der Wohnung des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der polizeilichen Durchsuchung ausschließen sollte.

2. Da die Verfassungsbeschwerde in der Sache keinen Erfolg hat, erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 1052 Nr. 15
RAAAC-32385