BSG Urteil v. - B 6 KA 44/05 R

Leitsatz

Beim Abschluss von Vereinbarungen über die Vergütung zahntechnischer Leistungen ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität zu beachten. Dabei ist auch die Entwicklung der Menge der zahntechnischen Leistungen zu berücksichtigen.

Gesetze: SGB V § 57 Abs 2; SGB V § 71 Abs 1; SGB V F: § 88 Abs 2; SGB V F: § 89 Abs 1; SGB V F: § 89 Abs 8

Instanzenzug: SG Kiel S 1 KR 112/01 vom LSG Schleswig L 5 KR 56/04 vom

Gründe

I

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruchs.

Die zu 1. beigeladene Zahntechniker-Innung hatte für März bis Dezember 2000 mit den klagenden Krankenkassen(KKn)-Verbänden (AOK, VdAK, AEV) eine Vergütungsregelung getroffen, durch die die Vergütungen im Vergleich mit der vorangegangenen Regelung um 1,5 % angehoben wurden. Sie kündigte diese Vereinbarung zum . Eine Anschluss-Vereinbarung für 2001 kam nicht zustande.

Im Schiedsamtsverfahren beantragte die Beigeladene zu 1. eine Anhebung der Vergütungen um 1,63 % gemäß der Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der KKn. Sie führte dafür unter anderem an, dass der Anstieg beim Lebenshaltungskostenindex deutlich höher liege, und machte geltend, die von den KKn(-Verbänden) vorgebrachten Mengensteigerungen um mehr als 15 % seien nicht zu berücksichtigen, weil für Zahntechniker keine Mengenbegrenzungsregelung gelte.

Das beklagte Landesschiedsamt (im Folgenden: der Beklagte) beschloss mit Schiedsspruch vom eine Vergütungsanhebung um insgesamt 1,22 % in der Weise, dass die Vergütungen für die Zeit von Januar bis März 2001 unverändert bleiben, dagegen für die Zeit von April bis Dezember 2001 um 1,63 % steigen sollten (mit Ausnahme der Versandposition BEL II - Position 933, die in Höhe der jeweiligen Päckchengebühr der Deutschen Post festgesetzt wurde). Zur Begründung ist in dem Schiedsspruch ausgeführt, dass die Zunahme der Personal- und Sachkosten über der Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Krankenkassen gelegen habe. Dies rechtfertige aber nicht, den für Steigerungen höchstmöglichen Rahmen von 1,63 % auszuschöpfen. Der Anstieg sei vielmehr entsprechend den Verhandlungsergebnissen und Schiedssprüchen in anderen Vertragsgebieten auf 1,22 % zu begrenzen. Die Mengensteigerung um mehr als 15 % sei nicht zu Lasten der Zahntechniker zu berücksichtigen gewesen, weil diese die Mengenentwicklung weder verursachen noch beeinflussen könnten.

Das von den Klägern angerufene Sozialgericht (SG) hat den Beklagten verpflichtet, einen neuen Schiedsspruch zu erlassen (Urteil vom 29. Januar 2004). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beigeladenen zu 1. gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom ). Der Beklagte habe die Grenzen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums überschritten. Er habe den Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht bzw nicht ausreichend berücksichtigt, indem er die Mengenentwicklung unberücksichtigt gelassen habe. Dieser Grundsatz sei verbindlich, und zwar auch für Zahntechniker. Danach seien die Regelungen so zu gestalten, dass Beitragssatzerhöhungen ausgeschlossen würden, es sei denn, diese würden durch Notwendigkeiten der medizinischen Versorgung erforderlich. Die Regelung des § 71 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) statuiere uneingeschränkt das Verbot von Vereinbarungen, in deren Folge es zu Beitragserhöhungen kommen könne. Dafür sei auch die Berücksichtigung von Mengensteigerungen erforderlich, wovon auch das Bundessozialgericht (BSG) ausgehe. Die Bestimmungen der §§ 69 ff SGB V über die Rechtsbeziehungen der Leistungserbringer zu den KKn bezögen in der Vorschrift des § 88 SGB V die zahntechnischen Leistungen und ihre Erbringer ein. Der Anwendung des § 71 SGB V auf die Vergütungen zahntechnischer Leistungen stehe auch nicht entgegen, dass eine direkte Rechtsbeziehung zwischen Zahntechnikern und Versicherten fehle. Eine Differenzierung zwischen Leistungserbringern im engeren und solchen im weiteren Sinne kenne das Gesetz nicht. Die Berücksichtigung der Mengenentwicklung sei nicht auf solche Leistungserbringer beschränkt, die sie beeinflussen könnten. Auch für andere Leistungserbringer, die - wie zB Heil- und Hilfsmittelerbringer sowie nur auf Überweisung tätige Radiologen - die Leistungsmengen nicht beeinflussen könnten, gelte der Grundsatz der Beitragssatzstabilität. Deshalb sei zu berücksichtigen, dass die Ausgaben für zahntechnische Leistungen, deren Umfang kosten- und somit beitragsrelevant sei, in den ersten drei Quartalen des Jahres 2000 um 14,1 % über denen des entsprechenden Vorjahreszeitraumes gelegen hätten.

Die Beigeladene zu 1. rügt mit ihrer Revision die Verletzung von Bundesrecht. Im Rahmen von Vergütungsverhandlungen nach § 88 Abs 2, § 57 Abs 2 SGB V seien Mengenausweitungen bei zahntechnischen Leistungen nicht zu Lasten der Zahntechniker zu berücksichtigen. Überzeugend sei weder die positivistische Handhabung des LSG, dass § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V umfassend formuliert sei und Ausnahmen nur nach Maßgabe seines zweiten Halbsatzes ("es sei denn ...") zulasse, noch die allgemeine Argumentation verschiedener Sozialgerichte, Ausgabenhöhe und Beitragssätze würden außer durch Preise auch durch Mengenentwicklungen beeinflusst. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität knüpfe ausschließlich an die Preiskomponente an. Er sei nur auf die Vereinbarung von Vergütungssätzen, dh auf die Festlegung von Preisen, ausgerichtet. Weder in § 71 Abs 1 noch in § 71 Abs 2 Satz 1 SGB V sei die Einbeziehung der Mengenentwicklung vorgesehen. Ohne Überzeugungskraft sei der Hinweis auf das (BSGE 86, 126 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37), nach dem bei gesamtvertraglichen Regelungen der zahnärztlichen Vergütung auch die Mengenentwicklungen zu berücksichtigen seien. Dies gelte nur für solche Leistungserbringer, die die Mengenentwicklung auch beeinflussen könnten, nicht hingegen für Zahntechniker. Diese seien zwar Leistungserbringer im weiteren Sinn des SGB V, aber keine Leistungserbringer im engeren Sinn des § 71 Abs 1 Satz 1 SGB V. Während Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten Leistungen unmittelbar gegenüber den Versicherten bzw gegenüber den KKn erbrächten, seien zahntechnische Leistungen unselbstständiger Bestandteil zahnärztlicher Behandlungen. Leistungserbringer im engeren Sinn seien allein die Zahnärzte, an die die Versicherten ihre Kostenanteile für zahntechnische Leistungen entrichteten und die gegenüber den Versicherten die Gewährleistung für die zahntechnischen Leistungen übernähmen; nur diese könnten die Mengenentwicklung bei den zahntechnischen Leistungen steuern. Auch sonstige Heil- und Hilfsmittelerbringer, die die Leistungsmenge nicht steuern könnten, seien lediglich insoweit einbezogen, als sie - wie zB die Radiologen - Leistungserbringer im engeren Sinn seien, oder insoweit, als dies ausdrücklich bestimmt sei wie bei den Apothekern, für die eine Mengenbegrenzung normiert sei. Die Zahntechniker würden indessen im Gesetz nur insoweit und nur zu dem Zweck als Leistungserbringer angesehen, als dies für ihre Integration in das Vergütungssystem überhaupt erforderlich sei. Ihnen sei dementsprechend Gestaltungsmacht nur für die Vergütungen, nicht auch für die Leistungsmengen eingeräumt. Die Einbeziehung von Mengenentwicklungen der Zahntechniker wäre auch mit ihrem Grundrecht aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar. Eine gesetzliche Grundlage für Restriktionen wegen der Menge der zahntechnischen Leistungen bestehe nicht. Der Gesetzgeber habe für sie anders als für andere Leistungen - wie Arznei- und Heilmittel, die Krankenhausfinanzierung sowie die Honorierung ärztlicher Behandlungen - gerade kein Budget geschaffen. Es möge zwar wünschenswert sein, diese Lücke über § 71 SGB V zu schließen, doch sei dies rechtlich nicht möglich. Das ergebe sich daraus, dass an Vergütungssätze, nicht aber an Leistungsmengen angeknüpft werde, sowie daraus, dass Zahntechniker nur Leistungserbringer im weiteren Sinn seien. Schließlich scheitere eine Mengensteuerung auch daran, dass die Zahntechniker bei der Leistungserbringung in der Regel nicht wüssten, ob ihre Leistung einem Kassen- oder einem Privatpatienten zugute komme. Auch die Innungen hätten keine näheren Informationen über die Leistungsvolumina. Aus alledem folge, dass keine Vorgabe für das Landesschiedsamt bestehe, Mengenentwicklungen bei zahntechnischen Leistungen zu berücksichtigen, sodass dessen Entscheidung nicht zu beanstanden und das Urteil des LSG fehlerhaft sei.

Die Beigeladene zu 1. beantragt sinngemäß,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom und des Sozialgerichts Kiel vom aufzuheben sowie die Klage abzuweisen.

Die Kläger, der Beklagte und die Beigeladenen zu 2. bis 4. haben keine Anträge gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II

Die Revision der zu 1. beigeladenen Zahntechniker-Innung hat keinen Erfolg.

Die für ihre Zulässigkeit erforderliche Beschwer (dazu zuletzt -, RdNr 13 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 116 vorgesehen) ist gegeben. Denn die Beigeladene zu 1. ist Vertragspartnerin der Vergütungsvereinbarung, deren Inhalt das beklagte Landesschiedsamt im Wege des hier angefochtenen Schiedsspruchs gemäß § 88 Abs 2 sowie § 89 Abs 1 und 8 SGB V (hier anzuwenden in der 2001 gültigen Fassung mit der Änderung zuletzt durch das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz vom , BGBl I 1971) festgesetzt hat, und sie erwirbt aus dem Schiedsspruch Rechtspositionen (vgl BSG SozR 4-5533 Nr 273 Nr 1 RdNr 5 und BSGE 86, 126, 128 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 289; s auch -, juris, RdNr 13).

Die Revision der Beigeladenen zu 1. ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage, die die Kläger zutreffend auf den Erlass eines neuen Verwaltungsaktes durch den Beklagten gerichtet haben (zur Klageart s § 54 Abs 1 iVm § 131 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz <SGG> und BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 10 mwN; s auch Urteil vom aaO und BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 6), zu Recht stattgegeben. Denn der Beklagte hat in dem angefochtenen Schiedsspruch die Mengenentwicklung bei den zahntechnischen Leistungen unberücksichtigt gelassen, hätte diese aber wegen des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs 1 SGB V) berücksichtigen müssen.

Schiedssprüche unterliegen gemäß § 89 SGB V - auf Anfechtung der Vertragsparteien hin - nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle (vgl zB BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, jeweils RdNr 11 mwN, und BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 7; s zuletzt -, juris, RdNr 12). Denn das Schiedsamt hat bei der Festsetzung von Vergütungsverträgen einen Gestaltungsspielraum. Seine Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der in erster Linie zum Vertragsabschluss berufenen Vertragspartner auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter (vgl vorgenannte BSG-Urteile, aaO). Dementsprechend sind sie nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben. In formeller Hinsicht wird geprüft, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und ob sein Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt. Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh insbesondere die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (BSG aaO).

Die Überprüfung anhand dieser Maßstäbe ergibt, dass der angefochtene Schiedsspruch rechtswidrig ist, weil der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs 1 SGB V) nicht im gebotenen Umfang beachtet worden ist. Die aus diesem Grundsatz resultierenden Begrenzungen gelten auch für Vereinbarungen über die Vergütungen für zahntechnische Leistungen, und dabei ist auch die Entwicklung der Menge der zahntechnischen Leistungen zu berücksichtigen.

Durch die Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass dem in § 71 Abs 1 SGB V verankerten Grundsatz der Beitragssatzstabilität bei Vergütungsfestsetzungen Vorrang vor anderen Kriterien zukommt (grundlegend BSGE 86, 126, 135 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 296 ff und stRspr, zB BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 13 und zuletzt -, juris, RdNr 18 f). Dies wird von den Beteiligten auch nicht in Frage gestellt. Der Streit betrifft vielmehr die Reichweite dieses Grundsatzes, und zwar speziell die Frage, inwieweit die aus ihm abzuleitenden Begrenzungen auch für Vereinbarungen von Vergütungen für zahntechnische Leistungen gelten, insbesondere ob und inwieweit diese Begrenzungen auch eine Berücksichtigung des Gesamthonorarvolumens unter Einbeziehung der Mengenentwicklung vorschreiben.

Das BSG hat im Falle von Schiedssprüchen zu Gesamtvergütungsverträgen als Grundlage für die Verpflichtung des Schiedsamts, den Grundsatz der Beitragssatzstabilität umfassend zu beachten - insoweit also die Mengenentwicklung einzubeziehen -, die Regelung des § 85 Abs 3 Satz 2 SGB V herangezogen. In dieser Bestimmung ist die Beachtung dieses Grundsatzes (dazu s BSGE aaO S 135 f bzw S 296) ausdrücklich in Bezug auf das gesamte Ausgabenvolumen der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen vorgeschrieben (s dazu BSGE aaO S 140 bzw S 301).

Die Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ist für Vergütungsvereinbarungen nach § 88 Abs 2 SGB V zwar nicht ausdrücklich vorgegeben. Aber auch ohne dies ist er bei Vereinbarungen über Vergütungen für zahntechnische Leistungen ebenfalls zu beachten. Dies folgt aus der Systematik des SGB V. Die Regelung des § 88 SGB V hat ihren Standort im Rahmen des Vierten Kapitels (§§ 69 ff SGB V) in dessen Zweitem Abschnitt (§§ 72 ff SGB V), und diesem ist der Erste Abschnitt "Allgemeine Grundsätze" (§§ 69 bis 71 SGB V) vorangestellt, ohne dass eine gesetzliche Bestimmung einen Hinweis dahingehend enthält, dass § 71 im Falle des § 88 SGB V nicht anwendbar sein solle. Dessen Geltung folgt auch aus der teleologischen Interpretation unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Voranstellung des § 71 SGB V im Abschnitt "Allgemeine Grundsätze". Dies unterstreicht den hohen Rang des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (zur teleologischen Interpretation vgl zB BSGE 86, 126, 139 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 16 S 300 f; - zur Anwendbarkeit im Ergebnis ebenso zB Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, K § 71 RdNr 15 mwN; - zur heutigen Rechtslage siehe § 57 Abs 2 SGB V mit ausdrücklicher Verweisung auf § 71 SGB V).

Die Anwendung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität im Falle von Vergütungsvereinbarungen über zahntechnischen Leistungen nach § 88 Abs 2 SGB V erstreckt sich auch auf das Ausgabenvolumen und bezieht damit die Mengenentwicklung ein, wenngleich dies nicht wie in § 85 Abs 3 Satz 2 letzter Satzteil SGB V ausdrücklich normiert ist. Diese Schlussfolgerung ergibt sich schon aus der - bereits hervorgehobenen - Voranstellung des § 71 SGB V als "Allgemeinen Grundsatz" iVm mit dem hieraus folgenden hohen Rang dieses Grundsatzes und seinem Sinn und Zweck (ebenso zB Hess in Kasseler Kommentar, SGB V, § 71 RdNr 9c zur Einbeziehung des Auftrags- bzw Verordnungsvolumens bei reinen Preisvereinbarungen; aA Zuck, Kommentar zum Zahntechnikrecht im SGB V, 2005, § 71 RdNr 8 ff). Die Notwendigkeit, bei Anwendung des Maßstabs der Beitragssatzstabilität das Gesamt-Ausgabenvolumen zu berücksichtigen, folgt auch aus der Vorgabe des § 71 Abs 1 SGB V, die Vereinbarungen über Vergütungen so zu gestalten, dass Beitragssatzerhöhungen ausgeschlossen werden. Für die Abwehr von Beitragssatzerhöhungen wären Vereinbarungen, die allein die einzelnen Vergütungssätze in den Blick nähmen, untauglich; vielmehr bedarf es der Betrachtung auch der Vergütungshäufigkeit und damit der Entwicklung der Leistungsgesamtmenge.

Diesem Ergebnis, dass bei Heranziehung des Maßstabs der Beitragssatzstabilität das Ausgabenvolumen insgesamt und damit auch Mengensteigerungen zu berücksichtigen sind, kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass dies zu unterbleiben habe, wenn die Leistungserbringer die Mengenentwicklung nicht beeinflussen könnten. Das BSG hat in seiner Rechtsprechung zum Grundsatz der Beitragssatzstabilität im Rahmen des § 85 Abs 3 SGB V keine Differenzierungen danach vorgenommen, inwieweit die Arztgruppen der nur auf Überweisung tätigen Radiologen, Laborärzte und Pathologen betroffen sind. Ebenso wenig hat es eine Freistellung der nur auf Verordnung tätigen Heil- und Hilfsmittelerbringer erwogen. Die Notwendigkeit der Freistellung dieser Leistungserbringer und damit auch der Zahntechniker kann entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1. auch nicht etwa aus Art 12 Abs 1 GG abgeleitet werden. Dieser könnte erst eingreifen im Falle einer insgesamt unangemessenen Honorarsituation der Gruppe der betroffenen Leistungserbringer (vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 126 ff). Dafür ist aber - jedenfalls für die hier betroffenen Zahntechniker in dem hier in Rede stehenden Jahr 2001 - kein greifbarer Anhaltspunkt gegeben.

Der Auffassung der Revision, es müsse zwischen Leistungserbringern im engeren und im weiteren Sinn in der Weise differenziert werden, dass nur diejenigen mit unmittelbarer Beziehung zu den Versicherten und/oder zu den Krankenkassen in die Verantwortung für die Leistungsmenge einbezogen seien, ist nicht zu folgen. Der maßgeblichen Vorschrift des § 71 SGB V sind Anhaltspunkte dafür, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität im dargestellten umfassenden Sinn nur für Leistungserbringer im engeren Sinn gelte, nicht zu entnehmen. Eine solche einschränkende Auslegung ist auch abzulehnen. Sie liefe der Konzeption des Gebots der Beitragssatzstabilität als umfassender Vorgabe im Interesse der finanziellen Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung entgegen. Das Ausgabenvolumen der KKn wird durch die Vergütungen für Zahntechniker ebenso beeinflusst wie durch die Vergütungen für andere Leistungserbringer, ungeachtet dessen, dass ihre Vergütung über die Zahnärzte vermittelt wird (s hierzu § 30 Abs 2 Satz 1 SGB V für die Eigenanteile der Versicherten; vgl auch § 136b Abs 2 Satz 3 SGB V zur Gewährleistungspflicht der Zahnärzte für zahntechnische Leistungen).

Nach diesen Maßstäben haben die Vorinstanzen den angefochtenen Schiedsspruch zu Recht aufgehoben. Das beklagte Landesschiedsamt durfte nicht eine Erhöhung um 1,22 % festsetzen, ohne zu prüfen, ob dies angesichts der von den KKn(-Verbänden) geltend gemachten Mengensteigerungen um mehr als 15 % mit dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität vereinbar war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
IAAAC-32294