BFH Urteil v. - VI R 14/06 BStBl 2007 II S. 129

Amtsveranlagung: Keine Aussetzung des Verfahrens wegen möglicher Gesetzesänderung

Leitsatz

1. Beträgt die positive oder die negative Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs. 3 und § 24a EStG, jeweils mehr als 800 DM (410 €), ist eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG von Amts wegen durchzuführen.

2. Eine künftige mit Rückwirkung versehene Gesetzesänderung ist kein Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen für die Entscheidung des Rechtsstreits vorgreiflich ist (Anschluss an , juris).

Gesetze: EStG § 46 Abs. 2 Nr. 1FGO § 74

Instanzenzug: (EFG 2006, 896) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) reichte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1997) am beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) ein. Neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 58 836 DM erklärte er negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 44 432 DM. Daneben machte er einen Verlustabzug gemäß § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) lt. Feststellungsbescheid zum in Höhe von 213 664 DM geltend.

Das FA lehnte die Durchführung der Einkommensteuerveranlagung ab.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie den Bescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und das FA zu verpflichten, ihn für den Veranlagungszeitraum 1997 zur Einkommensteuer zu veranlagen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist der Kläger zur Einkommensteuer zu veranlagen.

1. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine Veranlagung von Amts wegen gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht nur dann durchzuführen, wenn die positive Summe der Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren (Nebeneinkünfte), den Betrag von 800 DM (410 €) übersteigt, sondern auch dann, wenn die negative Summe der betreffenden Nebeneinkünfte diesen Betrag übersteigt (vgl. , BFH/NV 2006, 2359, und VI R 47/05, BFH/NV 2006, 2364).

2. Danach hat das Finanzgericht (FG) das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Veranlagung des Klägers nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu Unrecht verneint. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des FG erzielte der Kläger die Freigrenze von 800 DM übersteigende negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

3. Der Senat hat erwogen, das Verfahren im Hinblick auf die geplante Änderung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG durch den Entwurf des Jahressteuergesetzes (JStG) 2007 auszusetzen. In Reaktion auf den Gerichtsbescheid des Senats vom VI R 47/05 und weitere beim erkennenden Senat anhängige Revisionen hatte der Finanzausschuss beim Bundesrat am zum JStG 2007 die Empfehlung ausgesprochen, § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG insoweit zu ändern, als bei der Prüfung der Einkünftegrenze von 410 € (800 DM) „allein positive Einkünfte entscheidend und negative Einkünfte nicht zu berücksichtigen seien” (BRDrucks 622/1/06). Der Finanzausschuss des Bundestags hat diese Empfehlung in seinen Beschluss vom aufgenommen (BTDrucks 16/3036, 25). Unter den besonderen Umständen des Streitfalls kommt eine Aussetzung des Verfahrens jedoch nicht in Betracht. Nach Auffassung des Senats würde sich die prozessuale Lage des Klägers durch eine Verfahrensaussetzung wesentlich verschlechtern und das Gericht würde seine Verpflichtung zur Neutralität gegenüber allen Beteiligten verletzen. Im Übrigen ist die Möglichkeit einer Rechtsänderung kein Rechtsverhältnis i.S. des § 74 FGO, dessen Bestehen oder Nichtbestehen für die Entscheidung des Rechtsstreits vorgreiflich ist (, juris, m.w.N.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 129
BB 2007 S. 82 Nr. 2
BFH/NV 2007 S. 349 Nr. 2
BStBl II 2007 S. 129 Nr. 4
DB 2007 S. 31 Nr. 1
DStR 2007 S. 22 Nr. 1
DStRE 2007 S. 132 Nr. 2
EStB 2007 S. 46 Nr. 2
FR 2007 S. 356 Nr. 7
HFR 2007 S. 248 Nr. 3
INF 2007 S. 85 Nr. 3
KÖSDI 2007 S. 15388 Nr. 1
NJW 2007 S. 623 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 1/2007 S. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 15/2008 S. 1334
StB 2007 S. 43 Nr. 2
StBW 2007 S. 6 Nr. 1
VAAAC-32268