BFH Beschluss v. - VI B 128/05

Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung

Gesetze: FGO § 96 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

I. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels wird allerdings hinsichtlich des Streitjahres 1996 nicht dadurch in Frage gestellt, dass der seit der Einspruchsentscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) von allen Beteiligten irrtümlich als streitig angesehene Betrag von 5 098 DM für die Reise zur Indonesia Air Show in Jakarta tatsächlich als Werbungskosten anerkannt worden ist. In dem Einkommensteuerbescheid 1996 vom hat das FA bei den vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) angesetzten Werbungskosten zwar erhebliche Kürzungen vorgenommen; nach den Arbeitsvermerken des Bearbeiters (Bl. 23 der Einkommensteuer-Akte Bd. II) hat es jedoch die gesamten Kosten der Reise nach Jakarta in Höhe von 5 098 DM nicht beanstandet und die Aufwendungen für die Fahrt zur X-Messe lediglich wegen geringerer Verpflegungs- und Übernachtungspauschalen von 580 DM auf 494 DM abgeändert. Die Beträge von 5 098 DM und 494 DM sind in den anerkannten Fortbildungskosten von insgesamt ... DM enthalten, die zusammen mit dem weiteren Betrag von ... DM (Bewerbungskosten) die vom FA angesetzten ... DM „übrige Werbungskosten” laut Steuerbescheid 1996 vom ergeben.

Dennoch sind die Kläger durch das angefochtene Urteil formell beschwert, da ihrem —wenn auch insoweit irrtümlich aufrecht erhaltenen— Klagebegehren nicht entsprochen wurde. Für die Zulässigkeit des Rechtsmittels kommt es auf die Beschwer durch die finanzgerichtliche Entscheidung, nicht dagegen auf diejenige durch den zugrunde liegenden Verwaltungsakt an (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., Vor § 115 Rz. 12). Aus dem Vorliegen einer Beschwer kann auch auf das für ein Rechtsmittelverfahren erforderliche Rechtsschutzbedürfnis geschlossen werden (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vor § 115 FGO Rz. 24).

II. Die Beschwerde ist jedoch deshalb zurückzuweisen, weil ihre Begründung, mit der grundsätzliche Bedeutung und Verfahrensmängel geltend gemacht werden, teilweise nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht (vgl. hierzu Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 25, 31 ff., 48 ff.; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 116 Rz. 39 ff., 58 ff.) und im Übrigen ein Verfahrensfehler nicht vorliegt.

1. Wegen grundsätzlicher Bedeutung kann die Revision nach ständiger Rechtsprechung nur zugelassen werden, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt, deren Beantwortung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Um den Zulassungsgrund gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO darzulegen, muss der Beschwerdeführer eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche, abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll, und substantiiert auf die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage eingehen. Im Streitfall rügen die Kläger, dass das Finanzgericht (FG) bei der Sachverhaltswürdigung rechtsfehlerhaft einen nicht vorhandenen Erfahrungssatz anwende, woraus sich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergebe. Damit wird jedoch keine klärungsbedürftige Rechtsfrage angesprochen.

2. Soweit die Kläger sich auf eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) berufen, sind entsprechende Verfahrensverstöße des FG nicht schlüssig gerügt oder tatsächlich nicht gegeben.

a) Die Kläger machen geltend, aus dem Umstand, dass der Ehemann sich auf der X-Messe für Gartenleuchten interessiert habe, habe das FG unzutreffend auf private Interessen geschlossen. Ferner habe das FG nicht die Bestätigung des Dr. Z berücksichtigt, wonach der Kläger an zahlreichen fachtechnischen Vorträgen in Paris und Jakarta teilgenommen habe. Die Bestätigung sei von entscheidungserheblicher Bedeutung, die ihr das FG rechtsfehlerhaft nicht zugemessen habe.

Mit diesen Ausführungen wird kein Verfahrensmangel dargelegt. Vielmehr rügen die Kläger nur, dass nach ihrer Auffassung das FG eine unzutreffende Tatsachenwürdigung vorgenommen und über den Sachverhalt falsch entschieden habe. Der Vorhalt unrichtiger Sachverhaltswürdigung enthält jedoch keine Verfahrensrüge i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern die Geltendmachung eines materiellen Rechtsfehlers. Damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (z.B. , BFH/NV 2006, 1869).

b) Die Kläger sehen eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör darin, dass das FG im Urteil Gesichtspunkte herangezogen habe, die nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen seien (nämlich die Frage nach den Deutschkenntnissen und den eigenen Wahrnehmungen des Dr. Z sowie den Umstand, dass der Kläger nicht von seinem Arbeitgeber zu den Messen entsandt wurde). Mit diesem Vorbringen berufen die Kläger sich möglicherweise darauf, dass das FG eine sog. Überraschungsentscheidung getroffen habe. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Verfahrensrüge den Erfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht. Jedenfalls liegt ein Verfahrensfehler nicht vor.

Das rechtliche Gehör ist auch dann verletzt, wenn die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, weil das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, der weder im Besteuerungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren zur Sprache gekommen ist und mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter, selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen, nicht zu rechnen braucht; das Gleiche gilt, wenn das Gericht ohne ersichtlichen Grund vom Sachvortrag des Klägers abweicht (Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 16, Stichwort „Überraschungsentscheidung”, m.w.N.). Im Streitfall ging es um die Anerkennung von Aufwendungen für Reisen als Werbungskosten. Die entscheidungserhebliche Frage der Abgrenzung von beruflich veranlassten Aufwendungen und Kosten der privaten Lebensführung war bereits Gegenstand des Verwaltungsverfahrens. Das FG hatte das Erfordernis der beruflichen Veranlassung anhand einer Würdigung aller verfügbaren, d.h. aus den Akten sich ergebenden Tatsachen zu prüfen. Diese Gesamtwürdigung brauchte das FG nicht bereits in der mündlichen Verhandlung zu treffen. Es war nicht verpflichtet, die für seine Würdigung maßgebenden Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend zu erörtern oder im Voraus anzudeuten (vgl. z.B. , BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539; Beschlüsse vom VIII B 133/94, BFH/NV 1995, 954, m.w.N., und vom II B 169/04, BFH/NV 2006, 583).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 259 Nr. 2
NAAAC-32249