BGH Beschluss v. - 1 StR 377/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 354 Abs. 1a Satz 1; StPO § 354 Abs. 1b; StPO § 354 Abs. 1b Satz 1; StPO § 354 Abs. 1b Satz 2; StPO § 460; StPO § 462; StPO § 462a Abs. 3; StGB § 31 Abs. 1 Nr. 3

Instanzenzug: LG Augsburg vom

Gründe

Der Angeklagte wurde wegen zwei Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, 14 Fällen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und einem Fall des Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision hat hinsichtlich einer Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II 2 g der Urteilsgründe = Fall 6 der Anklage) Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Insoweit hat der Senat, wie auch von der Generalbundesanwältin beantragt, den Angeklagten freigesprochen (§ 354 Abs. 1 StPO). Mit dem Wegfall der hierfür ausgeworfenen Einzelstrafe entfällt zugleich die Gesamtstrafe (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen bleibt die Revision erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

1. Der Angeklagte konsumierte jedenfalls ab 1997/98 bis 2003 und wieder ab 2004 regelmäßig Kokain, "1 bis maximal 2mal wöchentlich in sich steigernder Dosierung, ab 2001/2002 2-3 g, gelegentlich auch 5 g".

Die Strafkammer hat festgestellt, dass er zwischen 1998 und 2004 regelmäßig jedenfalls in 15 Fällen Kokain erworben hat, einmal 3 g, sonst zwischen 10 g und 100 g, oft 50 g, so allein im Frühjahr 2001 innerhalb von maximal vier Wochen vier Mal. In diesen Fällen konnte die Strafkammer Zweifel daran, dass dieses Kokain auch zum Weiterverkauf bestimmt war, nicht überwinden, selbst nicht insoweit, als der Angeklagte innerhalb von höchstens vier Wochen bei einem maximalen wöchentlichen Eigenverbrauch von 10 g insgesamt 200 g kaufte. Sie verkennt zwar nicht, dass die Umstände des Falles auf die Absicht gewinnbringender Weiterveräußerung hindeuten. Konkrete Umstände, die gegen diese Annahme sprechen könnten, führt sie nicht an. Sie hält jedoch die getroffenen Feststellungen für nicht tragfähig genug, um auf die genannte Absicht schließen zu können.

2. Der Senat braucht der Frage, ob die genannten Erwägungen der Strafkammer die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung überspannt haben könnten (vgl. Körner BtMG 5. Aufl. § 29 Rdn. 282, 284 m. w. N.), nicht näher nachzugehen, weil der Angeklagte hierdurch nicht beschwert sein kann.

Den Angeklagten beschwerende Rechtsfehler sind hinsichtlich des Schuldspruchs in allen diesen Fällen nicht zu erkennen, wie dies auch die Generalbundesanwältin zutreffend ausgeführt hat.

II.

Ebenso hält der Schuldspruch rechtlicher Überprüfung stand, soweit der Angeklagte im Fall II 2 e der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurde.

1. Hier war der Angeklagte mit weiteren Tatbeteiligten, darunter C. C. , der in großem Umfang mit Rauschgift handelte, 2001 nach Hamburg gefahren und war nach einem gemeinsamen Probekauf über Kokain im Wert von insgesamt fast 1.000.- DM mit einem Rauschgifthändler über den Erwerb von 500 g Kokain für 40.000.- DM "handelseinig" geworden. Aus nicht näher mitgeteilten Gründen sagte der Angeklagte dieses Geschäft allerdings später wieder ab.

2. Unter Berufung auf die Beweiswürdigung der Strafkammer in den geschilderten Fällen, in denen der Angeklagte nicht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt wurde, hält die Revision die Urteilsgründe im Fall II 2 e für lückenhaft. Sie vermisst die Erörterung der Möglichkeit, dass es dem Angeklagten auch in diesem Fall nicht um Weiterverkauf ging. Darüber hinaus habe die Strafkammer nicht einmal ausdrücklich festgestellt, dass es dem Angeklagten überhaupt darum ging, diese 500 g (gewinnbringend) umzusetzen, obwohl sie diese Annahme ihrem Schuldspruch wegen Handeltreibens offenbar zu Grunde gelegt habe.

3. Der Senat sieht keinen Rechtsfehler. Der Angeklagte hatte 1996 die eidesstattliche Versicherung abgegeben. 2003 wurde hinsichtlich der von ihm beantragten Restschuldbefreiung das Insolvenzverfahren eröffnet. Seine Schulden beliefen sich auf mindestens 80.000.- Euro. Unter Berücksichtigung dieser und aller sonstiger Umstände des Falles erscheint es auch unter Beachtung der Zweifel der Strafkammer in den anderen Fällen nicht als nahe liegende und deshalb erörterungsbedürftige Möglichkeit, dass der Angeklagte 2001 für 40.000.- DM Kokain kaufen wollte, um seinen Eigenbedarf für mindestens jedenfalls rund ein Jahr im Voraus zu decken, oder dass es ihm aus - wie auch immer beschaffenen - sonstigen Gründen nicht um gewinnbringenden Weiterverkauf ging (vgl. auch BGH StraFo 2004, 180 m. w. N.).

III.

Keinen Bestand haben kann dagegen der Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II 2 g der Urteilsgründe.

1. Gegenstand der Verurteilung sind Verhandlungen, die der Angeklagte insbesondere mit H. C. über den Erwerb großer Mengen von Kokain in Kolumbien geführt hatte. C. sollte als Finanzier die Kaufgelder bereitstellen, der Angeklagte zusammen mit einem Kurier das Rauschgift in Kolumbien beschaffen. Der Angeklagte und C. hatten Ende 2004 vereinbart, dass sie gemeinsam im Januar 2005 nach Kolumbien fliegen wollten, "um sich die Sache anzusehen, insbesondere die Lieferanten kennen zu lernen". Hierzu kam es nicht, nachdem sich der Angeklagte, so die Feststellung der Strafkammer, nach einem Gespräch mit seiner Schwester anders besonnen und dies C. mitgeteilt hatte. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte zuvor in Verfolgung des geschilderten Tatplans mit der Verkäuferseite in Kolumbien Kontakt aufgenommen hätte oder gar mit ihr in ernsthafte Verhandlungen eingetreten sei, sind nicht ersichtlich.

2. Revision und Generalbundesanwältin legen im Wesentlichen übereinstimmend zutreffend dar, dass diese Feststellungen eine Verurteilung wegen (vollendeten oder auch nur versuchten) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht tragen. Zwar ist der Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schon dann erfüllt, wenn der Täter bei einem beabsichtigten Ankauf von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln in ernsthafte Verhandlungen mit dem potentiellen Verkäufer eintritt (BGHSt 50, 252 - Großer Senat -). Hier waren die Verhandlungen aber nur innerhalb der (potentiellen) Käuferseite geführt, es ging darum, wie mit einem künftigen Verkäufer in Kontakt zu treten sei, welche Mengen gekauft werden sollten, wie der Kauf zu finanzieren sei, und von wem das Rauschgift im Falle des Kaufes zu transportieren sei. Einen Kontakt mit einem (potentiellen) Verkäufer gab es dagegen noch nicht. In einem solchen Fall liegt auch dann noch kein Handeltreiben vor, wenn die Beteiligten auf der (potentiellen) Käuferseite ihr Verhalten für den Fall der Aufnahme und des Erfolges der geplanten Verhandlungen mit einem (potentiellen) Verkäufer schon abgestimmt haben. Es fehlt in einem solchen Fall zwar nicht an jeder Konkretisierung der beabsichtigten Tat (vgl. hierzu BGH aaO 265 f. m. w. N.), wohl aber an der Konkretisierung hinsichtlich der Aufnahme von Verhandlungen zwischen (potentieller) Verkäufer- und (potentieller) Käuferseite, die für den Tatbestand des Handeltreibens kennzeichnend sind.

3. Freilich haben der Angeklagte und C. , durch ihren gemeinsamen Plan, große Mengen Rauschgift einzukaufen, die Begehung eines Verbrechens verabredet (§ 30 Abs. 2 StGB). Wie die Revision und die Generalbundesanwältin übereinstimmend darlegen, ist der Angeklagte hiervon jedoch zurückgetreten.

Die Generalbundesanwältin hat hierzu im Einzelnen ausgeführt:

" ... der Angeklagte (hat) die Tat jedoch verhindert, indem er C. erklärte, von dem geplanten Geschäft Abstand zu nehmen. Aus den ... Feststellungen ergibt sich ..., dass der vom Angeklagten nunmehr verweigerte Tatbeitrag (Schaffen der Kontakte nach Kolumbien) unerlässliche Voraussetzung für die Durchführung der Tat gewesen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass ... C. auf Grund ihm vom Angeklagten bereits erteilter Detailinformationen in der Lage gewesen wäre, die Rauschgiftgeschäfte in eigener Regie durchzuführen, enthält das Urteil nicht.

Weiß der Zurücktretende, dass die Tat ohne ihn gar nicht begangen werden kann, genügt für einen Rücktritt nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB bloßes Untätigbleiben (vgl. Joecks in MünchKomm StGB § 31 Rdn. 21; Roxin in LK StGB 11. Aufl. § 31 Rdn. 20; Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 31 Rdn. 5 jew. m. RsprNachw)."

Dem stimmt der Senat zu (vgl. auch BGHSt 32,133; BGH NStZ 1999, 395, 396).

4. Der Senat kann keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass ein neuer Tatrichter zu diesem Komplex noch Feststellungen treffen könnte, die eine Verurteilung des Angeklagten tragen könnten. Entsprechend auch dem Antrag der Generalbundesanwältin spricht der Senat daher den Angeklagten im Punkt II 2 g der Urteilsgründe (= Fall 6 der Anklage) frei (§ 354 Abs. 1 StPO).

IV.

Zu den Strafaussprüchen:

1. Der Freispruch im Fall II 2 g der Urteilsgründe führt zum Wegfall der hierfür verhängten Einzelstrafe von vier Jahren, der Einsatzstrafe, und damit zugleich zum Wegfall der Gesamtstrafe.

2. Die übrigen Einzelstrafen können bestehen bleiben.

a) Für sich genommen enthalten sie keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Auch insoweit teilt der Senat die auch durch die Erwiderung der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftete Auffassung der Generalbundesanwältin.

b) Der Senat hat erwogen, ob der Wegfall der Strafe im Fall II 2 g der Urteilsgründe gleichwohl zur Aufhebung der übrigen Einzelstrafen führen kann.

Dies kann insbesondere in Betracht kommen, wenn die höchste Einzelstrafe (Einsatzstrafe) keinen Bestand haben kann oder wenn sämtliche abgeurteilte Taten in einem engen inneren Zusammenhang stehen (vgl. ). Beides ist hier der Fall. Andererseits ist bei der Bemessung der in Rede stehenden Einzelstrafen in keiner Weise auf die unter II 2 g der Urteilsgründe abgeurteilte Tat oder die deshalb verhängte Strafe Bezug genommen.

Letztlich braucht der Senat der Frage eines möglichen Zusammenhangs zwischen der Strafe im Fall II 2 g der Urteilsgründe und den übrigen Strafen aber nicht zu entscheiden, weil er die übrigen Einzelstrafen jedenfalls für angemessen i. S. d. § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO hält (vgl. ; vgl. auch Senge in FS für Hans Dahs 2005, 475, 486 m. w. N.).

c) Besonderheiten des Einzelfalls, die einer Entscheidung gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO hier entgegenstehen könnten (vgl. hierzu zusammenfassend m. w. N., zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) sind nicht ersichtlich.

d) Bei seiner Entscheidung konnte der Senat auch Folgendes nicht außer Acht lassen: Der Angeklagte war innerhalb des Zeitraums, in dem er die hier abgeurteilten Taten begangen hat, auch sonst wiederholt straffällig geworden. 2001 wurde er wegen Betrügereien zu elf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, 2002 wegen Verkehrsunfallflucht zu drei Monaten Freiheitsstrafe. Beide Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt und später erlassen. Die Strafkammer sieht in diesem Verfahrensgang eine besondere Härte für den Angeklagten, und hat ihm deshalb - ersichtlich schon bei der Bemessung der Einzelstrafen - einen sog. Härteausgleich zugebilligt.

Der Angeklagte stellt sich mit dem Erlass der früheren Strafe(n) jedoch besser, als wenn deren Einbeziehung in eine erst noch zu vollstreckende nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe diese nahe liegend erhöht hätte. Eine wie auch immer beschaffene Härte liegt jedenfalls nicht vor, dementsprechend ist ein Härteausgleich nicht veranlasst (BGH NStZ-RR 2004, 330 m. w. N.).

e) Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts, aller für die Strafzumessung bedeutsamer Urteilsfeststellungen und des gesamten auf die Strafzumessung bezogenen Vorbringens der Verfahrensbeteiligten hält der Senat die von der Strafkammer ausgeworfenen Einzelstrafen für angemessen.

3. Die nach alledem hinsichtlich des Strafausspruchs allein gebotene Aufhebung der Gesamtstrafe erfolgt mit der Maßgabe, dass die nunmehr nur noch gebotene Entscheidung über die Gesamtstrafe durch Beschluss gemäß §§ 460, 462 StPO zu erfolgen hat, § 354 Abs. 1b Sätze 1 und 2 StPO. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Gesetzesverletzung bei der Bildung einer Gesamtstrafe i. S. d. § 354 Abs. 1b StPO auch dann gegeben, und dementsprechend eine Verweisung auf das Beschlussverfahren auch dann möglich, wenn im Revisionsverfahren eine Einzelstrafe durch Verfahrenseinstellung wegfällt (vgl. BGH NStZ 2005, 223; ). Fällt, wie hier, eine Einzelstrafe infolge Freispruchs weg, kann nichts anderes gelten.

Die Entscheidung über die Gesamtstrafe aus den nunmehr rechtskräftigen Einzelstrafen obliegt dem gemäß § 462a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht (BGH aaO; Senge aaO 493).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
OAAAC-31229

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