BGH Beschluss v. - IX ZB 232/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 93; ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; InsO § 129; InsO § 129 Abs. 1; InsO § 130; InsO § 131

Instanzenzug: AG Hamburg-St. Georg 910 C 32/04 vom LG Hamburg 303 T 17/04 vom

Gründe

I.

Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, die einen Gebäudedienst betrieb. Er nahm die beklagte Krankenkasse aus Insolvenzanfechtung (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO) auf Rückzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Anspruch, welche die Schuldnerin in der kritischen Zeit durch Banküberweisung erbracht hatte. Die Beklagte trat den vorprozessualen Zahlungsaufforderungen vom und mit Anwaltsschreiben vom und entgegen. Nach Ablauf der bis zum verlängerten Zahlungsfrist reichte der Kläger am die Klageschrift über 1.079,67 € zuzüglich Zinsen ein, die am zugestellt wurde.

Die Beklagte hat die Hauptforderung nach Ankündigung eines auf Abweisung der Klage gerichteten Sachantrages mit am eingegangenem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt. Das Amtsgericht hat insoweit Anerkenntnisurteil erlassen; durch Schlussurteil hat es über den Zinsanspruch entschieden und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger eine Überbürdung der Kosten auf die Beklagte.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen, unter denen im Falle des prozessualen Anerkenntnisses die Prozesskosten nach § 93 ZPO dem Kläger zur Last fallen, sind nicht gegeben.

a) Das Landgericht meint: Die Beklagte habe dem Kläger keine Veranlassung zur Klage gegeben. Sie habe vor der Zahlung die Anspruchsvoraussetzungen des Anfechtungsanspruchs prüfen dürfen. Dazu gehöre die objektive Gläubigerbenachteiligung. Es spreche einiges dafür, dass die Zahlung eines Schuldners unter Ausnutzung einer bloß geduldeten Kontoüberziehung nicht aus dem haftenden Vermögen des Schuldners erfolge und in diesem Fall ein bloßer Gläubigerwechsel vorliege, der die Gläubiger nicht gemäß § 129 Abs. 1 InsO benachteilige. Die vorprozessual nicht beantwortete Frage der Beklagten, ob das Schuldnerkonto nach Abbuchung der angefochtenen Zahlung außerhalb einer eingeräumten "offenen" Kreditlinie geführt worden sei, habe deshalb ihre Berechtigung gehabt. Die Beklagte habe den Klageanspruch auch sofort nach Erteilung dieser Informationen anerkannt. Dass der Betrag dem Kläger erst am gutgeschrieben worden sei, schade nicht.

b) Diese Erwägungen tragen die angefochtene Kostenentscheidung nicht.

aa) Nach § 93 ZPO fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt und nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat. Veranlassung wird durch ein Verhalten gegeben, welches vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt (, WM 1979, 884, 885; vgl. Bork, in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 93 Rn. 13; MünchKomm-ZPO/Belz, 2. Aufl. § 93 Rn. 7; Hk-ZPO/Gierl, § 93 Rn. 8). Daraus folgt, dass es für die Frage, ob der Beklagte Anlass zur Klage gegeben hat, auf sein Verhalten vor dem Prozess ankommt ( aaO).

bb) Im Streitfall hat die Beklagte durch die vorprozessualen Schreiben ihres damaligen anwaltlichen Vertreters keineswegs in Aussicht gestellt, den ihr zur Zahlung aufgegebenen Betrag alsbald auszugleichen, falls sich die Überweisungen der Schuldnerin innerhalb der Kreditlinie gehalten habe, die Ansprüche der Schuldnerin gegen das Kreditinstitut also pfändbar gewesen seien (vgl. BGHZ 147, 193, 196 ff; 157, 350, 355 f) und damit zur Insolvenzmasse der Schuldnerin gehörten (vgl. , WM 2002, 561, 562 f). In beiden anwaltlichen Schreiben ist vielmehr nur davon die Rede, dass es auf die besonderen Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nicht ankomme, wenn es schon an der allgemeinen Anfechtungsvoraussetzung der objektiven Gläubigerbenachteiligung fehle. In dem zweiten Schreiben wird sogar der Eintritt in die Prüfung, ob ein Anfechtungstatbestand nach § 130 oder § 131 InsO gegeben sei, abgelehnt. Hinsichtlich des Erfordernisses der objektiven Gläubigerbenachteiligung hielt sich die Beklagte ebenfalls alle Verteidigungsmöglichkeiten offen, indem sie in beiden Schreiben die erwünschte Auskunft, ob die fragliche Zahlung "aus dem freien und pfändbaren Vermögen" der Schuldnerin stamme, ausdrücklich als eine von mehreren Voraussetzungen des § 129 Abs. 1 InsO bezeichnet hat. Angesichts der von den Sozialversicherern in diesem Zusammenhang üblicherweise vorgebrachten weiteren Einwendungen (vgl. , WM 2003, 1776; v. - IX ZR 70/03, WM 2004, 899; v. - IX ZR 182/01, WM 2006, 190; Beschl. v. - IX ZR 35/05, ZIP 2005, 2217) brauchte der Kläger zum Zeitpunkt der Klageeinreichung nicht damit zu rechnen, dass die Beklagte auf die von ihr zunächst offen gelassenen "anderen Aspekte" des § 129 InsO nicht mehr zurückkommen würde. Seine Klage war daher nicht verfrüht.

Fundstelle(n):
ZIP 2007 S. 95 Nr. 2
DAAAC-18702

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein