OFD Magdeburg - S 2244 - 43 - St 214

Anwendung des § 17 EStG i. d. F. des Steuersenkungsgesetzes im Liquidationsfall und im Veräußerungsfall bei Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft (§ 52 Abs. 34a EStG)

1. Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft

Bei der Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft sind nach § 52 Abs. 4b Nr. 2 und Abs. 34a Satz 1 EStG das Halbeinkünfteverfahren und die auf 1 v. H. abgesenkte Beteiligungsgrenze grundsätzlich ab dem zweiten Wirtschaftsjahr der Kapitalgesellschaft, an der die Anteile bestehen, für das neues Recht gilt, anzuwenden. D. h. bei Körperschaften mit Kalenderjahr gleichem Wirtschaftsjahr fallen Veräußerungsgewinne oder -verluste ab dem Veranlagungszeitraum 2002 unter neues Recht.

Diese Grundsätze sind auf Kapitalgesellschaften, die sich in der Liquidation befinden, nicht übertragbar.

Die Anwendungsvorschriften zum § 17 EStG und § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG für den Anteilseigner setzen den Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres der Kapitalgesellschaft, für das das neue KSt-Recht anzuwenden ist, voraus.

Im Liquidationsfall bestimmt jedoch § 11 KStG – abweichend von dem Grundsatz, dass die Bemessungsgrundlage für die KSt das Einkommen i. S. v. § 8 Abs. 1 KStG ist, welches sich nach einkommensteuerlichen Grundsätzen ermittelt (u. a. ist der Gewinn nach Wirtschaftsjahren zu ermitteln) –, dass bei Auflösung und Abwicklung der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn der Besteuerung unterliegt („Besteuerungszeitraum”). Maßgeblich ist hier also nicht der in einem oder mehreren Wirtschaftsjahr(en), sondern der im Besteuerungszeitraum ermittelte Gewinn.

Es stellte sich daher die Frage, in welchem Verhältnis Besteuerungszeitraum und Wirtschaftsjahr in Liquidationsfällen zueinander stehen. Die Referatsleiter hatten hierzu entschieden, dass es im Abwicklungszeitraum kein Wirtschaftsjahr gibt (vgl. , BStBl 2003 I S. 434). Dies bedeutet, dass die Anwendungsregelungen des § 52 Abs. 4b Nr. 2 und Abs. 34a EStG nicht anwendbar sind, da diese ein Wirtschaftsjahr voraussetzen.

Vielmehr ist § 52 Abs. 1 EStG i. d. F. des StSenkG für die erstmalige Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens sowie der abgesenkten Beteiligungsgrenze maßgebend. Danach fallen sowohl Auflösungsgewinne oder -verluste i. S. d. § 17 Abs. 4 EStG als auch Gewinne oder Verluste aus Anteilsveräußerungen, die während der Liquidation einer inländischen Kapitalgesellschaft anfallen, bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2001 unter neues Recht. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass ein Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG nicht bereits dann vorliegt, sobald die zivilrechtlichen Auflösungsgründe nach § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG – im VZ 2001 – erfüllt sind. Vielmehr muss feststehen, dass der wesentlich beteiligte Gesellschafter mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht mehr rechnen kann sowie, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten anfallen werden und welche im Rahmen des § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Aufgabekosten der Gesellschafter zu tragen hat.

Zwischen der Behandlung der Liquidation auf der Ebene der Kapitalgesellschaft und der Behandlung auf der Ebene des Anteilseigners besteht somit eine Verknüpfung. Denn auf der Ebene der aufgelösten Kapitalgesellschaft ist nach § 34 Abs. 14 Satz 1 KStG ebenfalls ab dem Veranlagungszeitraum 2001 stets neues Recht anzuwenden. Nur das auf den Zeitraum vor dem entfallende Liquidationsergebnis kann nach § 34 Abs. 14 Satz 2 KStG antragsbedingt noch nach altem Recht versteuert werden.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass als Liquidation in diesem Sinne aber nur solche Fälle zu verstehen sind, in denen eine – freiwillige – Auflösung und Abwicklung tatsächlich durchgeführt oder ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Wird dagegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt, findet eine Abwicklung nicht statt und die Regelungen des § 11 KStG sind nicht anzuwenden. In diesen Fällen sind die speziellen Regelungen des § 52 Abs. 4b Nr. 2 und Abs. 34a Satz 1 EStG i. d. F. des StSenkG für die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens und der maßgeblichen Beteiligungshöhe von 1 v. H. zu beachten. Danach ist ein Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft mit Kalenderjahr gleichem Wirtschaftsjahr (§ 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG) im VZ 2001 nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige stets eine Beteiligung von unter 10 v. H. inne hatte. Ist die Beteiligung höher als 10 v. H. kann das Halbeinkünfteverfahren im VZ 2001 jedoch noch nicht angewendet werden.

Das FG Rheinland-Pfalz hat mit , EFG 2005 S. 1347, Haufe-Index: 1349591, entschieden, dass im Fall der Auflösung und Liquidation einer Kapitalgesellschaft der steuerrechtliche Gewinnermittlungszeitraum nach § 11 Abs. 1 KStG als Wirtschaftsjahr zu verstehen ist. Dies hat zur Folge, dass auf Gewinne oder Verluste aus der Auflösung der Kapitalgesellschaft im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG das Halbeinkünfteverfahren entsprechend der Regelung des § 52 Abs. 4b Nr. 2 EStG i. d. F. StSenkG – abweichend von der Grundregel in § 52 Abs. 1 EStG – anzuwenden wäre. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt (Az. des BFH: VIII R 25/05).

Auch das FG Düsseldorf hat in einem , Haufe-Index: 1454516, die Auffassung des FG Rheinland-Pfalz bestätigt. Gegen dieses Urteil ist ebenfalls Revision eingelegt worden (Az. des BFH: VIII R 60/05).

Einsprüche, die sich gegen die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens in entsprechender Anwendung des § 52 Abs. 1 EStG wenden, ruhen gem. § 363 Abs. 2 S. 2 AO.

2. Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft

Bei der Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft sind die auf 1 v. H. abgesenkte Beteiligungsgrenze des § 17 Abs. 1 EStG und das Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c; § 3c Abs. 2 EStG) nach § 52 Abs. 1 EStG i. d. F. des StSenkG bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2001 anzuwenden. Die Regelung des § 52 Abs. 34a Satz 1 EStG ist für Beteiligungen an Auslandsgesellschaften nicht einschlägig, da sie nur Beteiligungen an unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften erfasst. § 52 Abs. 4b Nr. 2 EStG ist ebenfalls auf Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften nicht anwendbar, da diese nie dem Anrechnungsverfahren unterlegen haben.

Dies gilt grundsätzlich nicht nur für Auflösungsgewinne oder -verluste i. S. d. § 17 Abs. 4 EStG, sondern auch für Gewinne oder Verluste aus Anteilsveräußerungen und für Gewinnausschüttungen (H 6 Nr. 40 EStH „Zeitliche Anwendung” 2003).

In diesem Zusammenhang hat der BFH in einem Aussetzungsbeschluss vom , BStBl 2006 II S. 523, entschieden, dass ernstliche Zweifel dahingehend bestehen, ob die – o. g. – Anwendungsvorschriften zu § 17 EStG i. d. F. des StSenkG mit der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art 56 EGV vereinbar sind. Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit stellt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH jede Steuerregelung dar, die zwischen Steuerpflichtigen nach dem Ort ihrer Kapitalanlage unterscheidet.

Maßgeblich für diese Entscheidung war, dass die Anwendungsregelungen zu § 17 EStG i. d. F. des StSenkG danach unterscheiden, ob eine Veräußerung von Anteilen an einer ausländischen oder inländischen Kapitalgesellschaft stattgefunden hat. In dem entschiedenen Verfahren war der Antragsteller an einer AG italienischen Rechts mit Wirtschaftsjahr gleich Kalenderjahr beteiligt. Von seinem gesamten Gesellschaftsanteil von 1,6335 v. H. hatte der Antragsteller im VZ 2001 einen Anteil veräußert. Der hieraus erzielte (hälftige) Veräußerungsgewinn wurde nach § 17 EStG besteuert. Dies stellt für den Antragsteller eine Benachteiligung dar, da die Veräußerung einer vergleichbaren inländischen Beteiligung i. d. R. nicht steuerpflichtig gewesen wäre.

Soweit derartige Sachverhalte noch streitbefangen sind, mithin den VZ 2001 betreffen, sind die Grundsätze des Aussetzungsbeschlusses vom , a. a. O., zu beachten.

OFD Magdeburg v. - S 2244 - 43 - St 214

Fundstelle(n):
DStZ 2006 S. 856 Nr. 24
LAAAC-18585