Saldierung materieller Fehler auch bei Teilverjährung; Bestimmung des Saldierungsrahmens
Leitsatz
1. Ein saldierungsfähiger materieller Fehler i.S. des § 177 Abs. 3 AO 1977 ist auch dann gegeben, wenn das FA einen Grundlagenbescheid nicht rechtzeitig ausgewertet hat und daher durch die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung an einer Auswertung gehindert ist.
2. Zur Ermittlung des Umfangs des Saldierungsrahmens i.S. des § 177 AO 1977 ist nicht allein auf den zu erlassenden Änderungsbescheid abzustellen. Vielmehr sind auch alle Änderungen heranzuziehen, die aufgrund der Anwendung selbständiger Korrekturvorschriften zugunsten und zulasten des Steuerpflichtigen in denjenigen Bescheiden vorgenommen worden sind, die dem zu erlassenden Änderungsbescheid vorangegangen, aber nicht formell bestandskräftig geworden sind.
Gesetze: AO 1977 § 177 Abs. 2, 3
Instanzenzug: (EFG 2004, 1490) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, ist an zahlreichen Personen- und Kapitalgesellschaften beteiligt.
Am stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin auf den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf ... DM fest. Entsprechend der von der Klägerin eingereichten Vermögensaufstellung war darin der Wert der Anteile an Personengesellschaften mit ... DM und der Wert der Anteile an Kapitalgesellschaften mit ... DM enthalten. In der Folgezeit —bis spätestens 1992— ergingen für die Beteiligungsgesellschaften ihrerseits Bescheide über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens bzw. über die Feststellung des gemeinen Werts der Anteile, die vom FA zunächst nicht ausgewertet wurden.
Von 1988 bis 1996 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt, die sich auch auf die Einheitsbewertung zum erstreckte. Die Prüfer ermittelten anhand der mittlerweile ergangenen Grundlagenbescheide den Wert der Beteiligungen an inländischen Personengesellschaften mit ... DM (9 095 933 DM mehr als bisher), vertraten jedoch die Auffassung, dass der Einheitswertbescheid der Klägerin im Hinblick auf das (BFHE 170, 291, BStBl II 1993, 425) wegen Eintritts der Feststellungsverjährung insoweit nicht mehr geändert werden könne. Für den Wert der Beteiligungen der Klägerin an inländischen Kapitalgesellschaften ermittelten die Prüfer einen um ... DM höheren Ansatz als bisher. Die Wertansätze des übrigen Vermögens der Klägerin erhöhten die Prüfer um ... DM; gegenläufig berücksichtigten sie als Schuldposten zusätzliche Steuerrückstellungen in Höhe von 4 095 443 DM.
Das FA folgte den Prüfern und setzte den Einheitswert mit Bescheid vom , in dem es zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob, auf den von den Prüfern ermittelten Betrag von ... DM fest. Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein, mit dem sie den Eintritt der Feststellungsverjährung geltend machte.
Infolge geänderter Anteilsbewertungsbescheide für die P-GmbH (vom ) und die V-GmbH (vom ) erhöhte das FA den Einheitswert mit einem nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid vom auf ... DM.
Nach Hinzuziehung der zwischenzeitlich aus der Klägerin ausgeschiedenen Gesellschafter zum Einspruchsverfahren setzte das FA in der Einspruchsentscheidung vom den Einheitswert auf ... DM herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Es vertrat nunmehr die Auffassung, dass auch hinsichtlich der Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften —mit Ausnahme derjenigen an der P- und V-GmbH— Feststellungsverjährung eingetreten sei, nahm aber in Höhe der im Änderungsbescheid vom zugunsten der Klägerin vorgenommenen Änderungen (4 095 443 DM) eine Saldierung gemäß § 177 Abs. 2 AO 1977 vor.
Mit ihrer Klage vertrat die Klägerin in erster Linie die Auffassung, sämtliche ergangenen Bescheide seien mangels hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit nichtig. Daneben berief sie sich auf den Eintritt der Feststellungsverjährung hinsichtlich der Wertansätze sämtlicher Beteiligungen mit Ausnahme derjenigen an der P- und V-GmbH.
Im Klageverfahren erließ das FA einen maschinell auf den datierten und auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 gestützten Änderungsbescheid, den der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aber schon am erhalten hat. Darin erhöhte es den Einheitswert auf ... DM, weil es nunmehr die Auffassung vertrat, dass weder hinsichtlich der Beteiligungen an Personengesellschaften noch hinsichtlich derjenigen an Kapitalgesellschaften Feststellungsverjährung eingetreten sei. Bei der Ermittlung der Wertansätze legte das FA den Betriebsprüfungsbericht zugrunde, ohne die im Jahr 1997 ergangenen geänderten Anteilsbewertungsbescheide für die P- und V-GmbH zu berücksichtigen. Im Abschnitt „Erläuterungen” verwies das FA auf abgeänderte Anlagen zum Betriebsprüfungsbericht. Diese übersandte es durch ein gesondertes Schreiben, das ebenfalls auf den datiert ist, beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin aber erst am einging.
Mit einem weiteren auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 gestützten Änderungsbescheid vom erhöhte das FA den Einheitswert auf ... DM und berücksichtigte nunmehr die Anteilswerte an der P- und V-GmbH wiederum nach Maßgabe der im Jahr 1997 ergangenen Feststellungsbescheide.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach Beiladung der zwischenzeitlich aus der Klägerin ausgeschiedenen Gesellschafter ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1490 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung sowie die Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den vom , 14./, vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom , vom und vom aufzuheben,
hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den vom dahin gehend zu ändern, dass neben den Beteiligungen an der P- und V-GmbH nur noch das nicht von einer gesonderten Feststellung bei Untergesellschaften abhängige Vermögen der Klägerin berücksichtigt wird.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Entscheidung des Senats in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Der Einheitswert ist auf ... DM herabzusetzen. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1. Die angefochtenen Bescheide sind wirksam.
a) Insbesondere sind sie auch im Hinblick auf die Abgrenzung der bewerteten wirtschaftlichen Einheit inhaltlich hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO 1977. Die zu bewertende wirtschaftliche Einheit ist hier der gewerbliche Betrieb der Klägerin (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes in der am geltenden Fassung —BewG a.F.—). Mit der Benennung der Klägerin in den angefochtenen Einheitswertbescheiden war zugleich die bewertete wirtschaftliche Einheit hinreichend bestimmt abgegrenzt. Denn Umfang und Abgrenzung des gewerblichen Betriebs einer Mitunternehmerschaft ergeben sich aus § 95 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG a.F. § 119 Abs. 1 AO 1977 erfordert nicht, dass in einem Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft sämtliche bewerteten Wirtschaftsgüter und sämtliche einbezogenen Beteiligungen an Unter-Personengesellschaften ausdrücklich genannt werden. Der Streit über die Einbeziehung einzelner Wirtschaftsgüter oder Beteiligungen in den Einheitswert betrifft die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Bescheids, nicht aber dessen inhaltliche Bestimmtheit.
Im Übrigen hat es der (BFHE 142, 70, BStBl II 1984, 816), das die Klägerin für ihre Auffassung herangezogen hat, als ausreichend angesehen, wenn die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit sich aus einer abgegebenen Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts ergibt. Dies ist auch vorliegend der Fall, da aus den Anlagen zu der von der Klägerin eingereichten Vermögensaufstellung alle Beteiligungen an Unter-Personengesellschaften ersichtlich sind.
Da die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit damit in den ergangenen Bescheiden selbst enthalten ist, kommt es nicht auf die von der Revision in den Vordergrund gestellten Fragen an, inwieweit solche Angaben durch Verweise auf Unterlagen, die sich bereits in den Händen des Steuerpflichtigen befinden, ersetzt werden können, und wie konkret derartige Verweise ausgestaltet sein müssen.
b) Der zum Gegenstand des Verfahrens gewordene Änderungsbescheid vom ist nicht deshalb unwirksam, weil ihm nicht nochmals Anlagen beigefügt waren, aus denen die Zusammensetzung des gesamten Beteiligungsvermögens hervorging, und diese Anlagen zu dem am bekannt gegebenen, vorangegangenen Änderungsbescheid der Klägerin erst sechs Tage später übersandt worden sind. In beiden Bescheiden waren der Inhaltsadressat —dessen Benennung hier zugleich die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit bezeichnet— und die Beträge, auf den der Einheitswert jeweils festgestellt wurde, eindeutig angegeben. Damit waren alle Anforderungen erfüllt, die § 119 Abs. 1 und § 157 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 an die Bestimmtheit von Einheitswertbescheiden stellen. Die Anlagen, aus denen sich die Wertansätze der einzelnen Wirtschaftsgüter und Beteiligungen ergaben, betreffen nur die Begründung der Bescheide —mit der Rechtsfolge des § 126 Abs. 3 AO 1977—, nicht aber ihre Bestimmtheit. Jedenfalls bei Bekanntgabe des Bescheids vom , dessen Rechtmäßigkeit hier zu beurteilen ist, waren die Anlagen der Klägerin bereits bekannt.
c) Die angefochtenen Bescheide sind auch nicht deshalb unwirksam, weil das FA die Einheitswertanteile an den Untergesellschaften zunächst der Klägerin selbst —und nicht unmittelbar deren Gesellschaftern— zugerechnet hat. Selbst auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Klägerin würde die Nichtigkeit des angefochtenen Wertfeststellungsbescheids voraussetzen, dass die —bestandskräftigen und gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 bindenden— Zurechnungsfeststellungen für die Anteile an den Unter-Personengesellschaften gleichfalls nichtig wären. Dies ist indes nicht der Fall. Das zweistufige Feststellungsverfahren bei doppelstöckigen Personengesellschaften entspricht vielmehr den gesetzlichen Vorgaben.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist allein die Obergesellschaft als solche Gesellschafter und Mitunternehmer der Untergesellschaft, nicht aber der Gesellschafter der Obergesellschaft (BFH-Entscheidungen vom I R 159/68, BFHE 105, 257, BStBl II 1972, 530, unter 2.; vom GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691, unter C.II. und C.III.3., und vom VIII B 74/99, BFHE 189, 525, BStBl II 1999, 794). Daraus folgt verfahrensrechtlich, dass die im Feststellungsverfahren für die Untergesellschaft festgestellten Besteuerungsgrundlagen der Obergesellschaft —nicht aber unmittelbar deren Gesellschaftern— zuzurechnen sind (BFH-Entscheidungen vom III R 5/87, BFHE 158, 109, BStBl II 1990, 38, unter 1.a; vom IV R 23/93, BFHE 177, 71, BStBl II 1995, 467, unter IV.3.; vom VIII R 8/94, BFHE 179, 216, BStBl II 1996, 297, unter 2.b; vom I R 5/03, BFH/NV 2004, 1, unter II.1.; vom IV R 42/02, BFHE 204, 223, BStBl II 2004, 353, unter 2.a, und vom I B 159/04, BFH/NV 2005, 1560, unter II.4.).
bb) Die von der Klägerin vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere Beurteilung dieser Frage.
Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es nicht an einer gesetzlichen Grundlage für das mehrstufige Feststellungsverfahren (vgl. zu diesem Erfordernis , BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679, unter C.4.a). Rechtsgrundlage für das genannte Verfahren ist vielmehr § 180 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 2 BewG a.F. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 BewG a.F. werden für inländische gewerbliche Betriebe Einheitswerte festgestellt. Mitunternehmerschaften, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben, bilden mit allen Wirtschaftsgütern, die ihnen gehören, einen gewerblichen Betrieb (§ 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG a.F.). Bewertungsrechtlich stellen die Obergesellschaft und die Untergesellschaft daher jeweils eigenständige wirtschaftliche Einheiten dar. Weil die Obergesellschaft zu den „Beteiligten” an der Untergesellschaft gehört (vgl. —zu § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977— BFH-Urteil in BFHE 105, 257, BStBl II 1972, 530, unter 2.), ist ihr der Anteil an der Untergesellschaft zuzurechnen und die Feststellung zugleich i.S. des § 19 Abs. 4 BewG für die Besteuerung von Bedeutung.
Mit dem Hinweis der Klägerin auf den Wortlaut des § 171 Abs. 10 AO 1977, in dem nur von der Bindungswirkung für eine „Steuer” die Rede ist, hat sich der BFH bereits im Urteil vom VIII R 76/97 (BFHE 189, 309, BStBl II 1999, 747, unter 4.a) auseinander gesetzt. Danach ist die genannte Norm auf ein zweistufiges Feststellungsverfahren mit der Maßgabe anwendbar, dass an die Stelle des Begriffs der „Festsetzung einer Steuer” die „gesonderte Feststellung” (der zweiten Stufe) tritt, weil die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 für die gesonderte Feststellung sinngemäß gelten.
Die Äußerung im (BFHE 207, 466, BStBl II 2005, 383, unter II.2.b aa), der Gewinnanteil an der Untergesellschaft werde den Gesellschaftern der Obergesellschaft „unmittelbar zugerechnet”, beschränkt sich ersichtlich auf den dort entschiedenen Spezialfall einer vermögensverwaltenden Obergesellschaft. Die Gesellschafter einer solchen Gesellschaft sind jedoch —anders als die Gesellschafter einer gewerblich tätigen Personengesellschaft— schon begrifflich keine „Mitunternehmer”.
Die von der Klägerin betonten Praktikabilitätsgesichtspunkte (vgl. dazu —insbesondere für Gesellschaften mit einer Vielzahl von Beteiligten— auch BFH-Beschluss in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679, unter C.3.b cc) sprechen eher für als gegen das zweistufige Feststellungsverfahren. Denn die Beteiligungsverhältnisse bei der Obergesellschaft werden dem für die Besteuerung der Untergesellschaft zuständigen FA häufig gar nicht bekannt sein. Ob dieser Gesichtspunkt im Zuge der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens durch die Vorschrift des § 8b Abs. 6 des Körperschaftsteuergesetzes mit Wirkung ab 2002 an Bedeutung verloren hat, kann im Streitfall, der den Feststellungszeitpunkt betrifft, offen bleiben.
Auch die gebotene Effektivität des Rechtsschutzes zwingt nicht zur Durchführung eines einstufigen Feststellungsverfahrens bei mehrstöckigen Personengesellschaften. Denn einem Gesellschafter, der nicht zugleich ein zur Vertretung berufener Geschäftsführer der Gesellschaft i.S. des § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist, fehlt es grundsätzlich ohnehin an der Klagebefugnis gegen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen. Vielmehr wird das Klagerecht in diesen Fällen von der Gesellschaft selbst —in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter— wahrgenommen. Dabei hat die Obergesellschaft im Rechtsbehelfsverfahren gegen Feststellungsbescheide für die Untergesellschaft die Interessen ihrer Gesellschafter zu vertreten. Eine weitere Verkürzung des Rechtsschutzes der Gesellschafter der Obergesellschaft tritt hierdurch nicht ein.
2. Verfahrensrechtliche Grundlage für den Erlass des Änderungsbescheids vom war —wie in diesem Bescheid ausdrücklich angegeben— die Vorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977. Diese Norm ermächtigt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung so lange zur Änderung eines Folgebescheids, wie sich die darin angesetzten Besteuerungsgrundlagen nicht mit den bindenden Feststellungen des entsprechenden Grundlagenbescheids decken (BFH-Entscheidungen vom VIII R 55/82, BFHE 139, 341, BStBl II 1984, 86; vom II R 15/91, BFH/NV 1994, 1, und vom XI B 171/02, BFH/NV 2003, 1286).
Dies gilt auch dann, wenn —wie hier— die Grundlagenbescheide bereits zutreffend ausgewertet worden waren, dies aber in einem späteren Änderungsbescheid irrtümlich rückgängig gemacht wurde. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen wird in den Fällen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 durch die Institute der Festsetzungsverjährung und —in besonderen Fällen— der Verwirkung hinreichend geschützt (, BFHE 181, 388, BStBl II 1997, 261).
Vorliegend waren im vorangegangenen Bescheid vom die bereits im Jahr 1997 geänderten Feststellungsbescheide für die P- und V-GmbH nicht berücksichtigt worden. Das FA war daher —erneut— verpflichtet, die bindenden Anteilswertfeststellungen der Untergesellschaften durch den Erlass eines entsprechenden Änderungsbescheids für die Klägerin umzusetzen. Die Feststellungsfrist war insoweit noch nicht abgelaufen
(dazu noch unten 3.b); Verwirkung war nicht eingetreten.
Für die Ausführungen des FG, wonach der Änderungsbescheid durch das FA auf § 129 AO 1977 gestützt worden sei, fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Damit erübrigen sich auch die Angriffe der Revision gegen die Erörterungen des FG zur Frage der Anwendbarkeit des § 129 AO 1977.
3. Der —nach zwischenzeitlicher Herabsetzung des Einheitswerts— im Bescheid vom erneut vorgenommenen Erhöhung des Ansatzes der Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften auf die im Betriebsprüfungsbericht genannten Werte standen die Vorschriften über die Feststellungsverjährung nicht entgegen.
a) Infolge der im Jahr 1988 bei der Klägerin begonnenen Außenprüfung war der Lauf der Feststellungsfrist zunächst nach § 171 Abs. 4 AO 1977 (i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) gehemmt. Danach läuft die Feststellungsfrist für die Steuern, auf die sich eine Außenprüfung erstreckt, mit der vor Ablauf der Feststellungsfrist begonnen wurde, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind, nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 drei Monate verstrichen sind oder seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Schlussbesprechung oder die letzte Ermittlungsmaßnahme im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden hat, die in § 169 Abs. 2 AO 1977 genannten Fristen verstrichen sind.
Zu Recht hat das FG die Vorschrift des § 171 Abs. 4 AO 1977 insoweit nicht hinter die des § 171 Abs. 10 AO 1977 zurücktreten lassen. Zwar findet die in § 171 Abs. 4 AO 1977 angeordnete Ablaufhemmung keine Anwendung auf Besteuerungsgrundlagen, die gesondert festgestellt werden und deshalb nicht Gegenstand einer Außenprüfung beim Steuerpflichtigen sein können (BFH-Urteil in BFHE 170, 291, BStBl II 1993, 425, zum Verhältnis zwischen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte und dem Einkommensteuerbescheid). Indes kann Gegenstand einer beim Gesellschafter hinsichtlich der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens durchgeführten Außenprüfung auch die Frage der Zurechnung von Anteilen an Kapitalgesellschaften sein, da sich die Bindungswirkung des Anteilsbewertungsbescheids auf den Wert der Anteile beschränkt (vgl. , BFH/NV 2005, 2163, unter II.4.b). Die Differenzierung hinsichtlich des Umfangs der Außenprüfung ist Folge der unterschiedlichen Regelungsgehalte von Bescheiden über die Anteilsbewertung einerseits und über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften andererseits.
Allerdings hat das FG verkannt, dass die durch den Beginn einer Außenprüfung ausgelöste Ablaufhemmung spätestens vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, endet (§ 171 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977). Dies war vorliegend mit Ablauf des Jahres 2000 —und damit vor Erlass des Bescheids vom — der Fall, da die letzten Ermittlungshandlungen der Außenprüfung im Jahr 1996 vorgenommen worden waren.
b) Gleichwohl stellt sich die Entscheidung des FG insoweit im Ergebnis als richtig dar, weil der von der Klägerin am eingelegte Einspruch den Ablauf der Feststellungsfrist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs bis zur unanfechtbaren Entscheidung über den Rechtsbehelf —an der es noch fehlt— gehemmt hat (§ 171 Abs. 3a AO 1977).
Die durch das Gesetz vom (BGBl I 1999, 2601) eingefügte Vorschrift des § 171 Abs. 3a AO 1977 gilt für alle beim In-Kraft-Treten des genannten Gesetzes () noch nicht abgelaufenen Festsetzungs-/Feststellungsfristen (Art. 97 § 10 Abs. 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung —EGAO—). Dies bedeutet, dass die Neuregelung in allen Verfahren anzuwenden ist, in denen die Festsetzungs-/Feststellungsfrist am Tag des In-Kraft-Tretens bei einer Beurteilung auf der Grundlage des vor ihrem In-Kraft-Treten geltenden Rechts noch nicht abgelaufen war.
Da am —dem Tag des In-Kraft-Tretens des § 171 Abs. 3a AO 1977— hinsichtlich der Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften die durch den Beginn der Außenprüfung ausgelöste Ablaufhemmung noch andauerte, ist der Umfang der durch den Einspruch vom ausgelösten Ablaufhemmung insoweit nach der Vorschrift des § 171 Abs. 3a AO 1977 zu beurteilen. Weil der Umfang dieser Ablaufhemmung sich gemäß § 171 Abs. 3a Satz 2 AO 1977 auf den gesamten Steueranspruch erstreckt, war am hinsichtlich der Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften auch die vom FA vorgenommene Änderung zum Nachteil der Klägerin zulässig.
4. Hingegen war bei Erlass des Änderungsbescheids vom die Feststellungsfrist hinsichtlich der Beteiligungen der Klägerin an inländischen Personengesellschaften bereits abgelaufen.
a) Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO 1977 erstreckt sich nicht auf gesondert festzustellende Besteuerungsgrundlagen, die nicht Gegenstand einer Außenprüfung beim Steuerpflichtigen sein können (oben 3.a). Dies gilt auch dann, wenn beim Steuerpflichtigen eine Vielzahl von Grundlagenbescheiden zu berücksichtigen ist; den gegenteiligen Differenzierungsversuchen des FG vermag der Senat —schon mangels geeigneter Abgrenzungskriterien— nicht zu folgen. An der fehlenden Anwendbarkeit des § 171 Abs. 4 AO 1977 in derartigen Fällen hat sich entgegen der Auffassung des FG auch durch die Anfügung des § 171 Abs. 10 Satz 2 AO 1977, der allein die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO 1977 erweitert, nichts geändert.
b) Die vom FG herangezogene Vorschrift des § 171 Abs. 10 Satz 2 AO 1977 ist im Streitfall noch nicht anwendbar, da diese nur für die bei In-Kraft-Treten des Gesetzes vom (BGBl I 1998, 1496) noch nicht abgelaufenen Festsetzungs-/ Feststellungsfristen gilt (Art. 97 § 10 Abs. 8 EGAO). Zu dem danach maßgebenden Zeitpunkt () war die Feststellungsfrist hinsichtlich der Anteile der Klägerin an inländischen Personengesellschaften —bei Beurteilung auf der Grundlage des vor dem In-Kraft-Treten der Neuregelung geltenden Rechts (vgl. dazu oben 3.b)— aber bereits abgelaufen.
Da die letzten Einheitswertbescheide für die Untergesellschaften im Jahr 1992 ergangen waren, waren die jeweiligen Jahresfristen nach § 171 Abs. 10 AO 1977 in der vor dem geltenden Fassung (Art. 97 § 10 Abs. 7 EGAO) sämtlich bis zum Ende des Jahres 1993 abgelaufen. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO 1977 ist insoweit nicht einschlägig. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO 1977 erfasst zwar —anders als diejenige nach der Vorläufervorschrift des § 171 Abs. 3 AO 1977 a.F., die keine Verböserungsmöglichkeit eröffnete (, BFHE 180, 444, BStBl II 1997, 449, und vom IX R 36/03, BFH/NV 2004, 1361)— den gesamten Steueranspruch, gilt aber nur für die am noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen (oben 3.b). Zu diesem Zeitpunkt war die Feststellungsfrist hinsichtlich der Anteile der Klägerin an inländischen Personengesellschaften aber bereits abgelaufen.
Ein rückwirkendes Wiederaufleben einer bereits abgelaufenen Feststellungsfrist kommt nach dem klaren Wortlaut der Übergangsvorschriften des Art. 97 § 10 Abs. 8, 9 EGAO nicht in Betracht. Dies gilt nach dem in den differenzierenden Vorschriften des § 171 AO 1977 zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Teilverjährung (dazu Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, vor § 169 AO 1977 Tz. 4) auch, soweit der Ablauf der Feststellungsfrist nur einen Teil des Steueranspruchs betrifft.
c) Soweit danach hinsichtlich der Beteiligungen an Personengesellschaften die Erhöhungsbeträge wegen des Ablaufs der Feststellungsfrist nicht mehr angesetzt werden können, hat dies jedoch nicht zur Folge, dass auch die bisher —vor Ablauf der Feststellungsfrist nach Maßgabe der bis dahin ergangenen ursprünglichen Grundlagenbescheide— angesetzten Werte für diese Besteuerungsgrundlagen aus der für die Klägerin vorzunehmenden Einheitswertfeststellung herauszunehmen wären.
aa) Dies ergibt sich aus der vorzunehmenden Differenzierung zwischen den Fragenkreisen (1) der Reichweite der Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids, (2) des Vorhandenseins einer Korrekturvorschrift für die begehrte Änderung und (3) dem Umfang einer eingetretenen Teil-Feststellungsverjährung.
(1) Auch die geänderten Grundlagenbescheide über Wert und Zurechnung der Einheitswerte der Unter-Personengesellschaften sind gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 für den angefochtenen Einheitswertbescheid der Klägerin bindend. Die Bindungswirkung bezieht sich auf denjenigen Betrag, der im zeitlich zuletzt ergangenen Grundlagenbescheid festgestellt worden ist.
(2) Ein Steuerbescheid darf nur geändert werden, soweit dies gesetzlich zugelassen ist (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO 1977). Wird —wie hier— ein bindender Grundlagenbescheid geändert, bildet § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 die Rechtsgrundlage für die Anpassung des Folgebescheids an den geänderten Grundlagenbescheid. Im Streitfall wäre das FA durch die zuletzt genannte Norm daher an sich verpflichtet gewesen, im angefochtenen Einheitswertbescheid die für die Untergesellschaften festgestellten Einheitswerte nach Maßgabe der geänderten Grundlagenbescheide anzusetzen.
(3) Nach Ablauf der Feststellungsfrist ist die Änderung einer Feststellung indes nicht mehr zulässig (§ 169 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977); materiell-rechtlich erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis durch den Eintritt der Verjährung (§ 47 AO 1977). Vorliegend war die Feststellungsfrist bei Erlass des Bescheids vom und der nachfolgenden Bescheide lediglich hinsichtlich der Ansätze von Beteiligungen an inländischen Personengesellschaften abgelaufen (vgl. oben a, b); nur insoweit war der Anspruch erloschen und bestand ein Änderungsverbot. Hinsichtlich aller weiteren Besteuerungsgrundlagen war der Ablauf der Feststellungsfrist hingegen gehemmt (vgl. oben 3.).
bb) Nach Maßgabe des dargestellten Zusammenspiels zwischen den Vorschriften über die Bindungswirkung von Grundlagenbescheiden, die Zulässigkeit der Änderung von Steuerbescheiden und das Änderungsverbot bei eingetretener Feststellungsverjährung gibt es für das Begehren der Klägerin, den angefochtenen Bescheid dahin gehend zu ändern, dass die Einheitswertanteile an den Untergesellschaften mit 0 DM angesetzt werden, keine Rechtsgrundlage.
Ein solcher Ansatz stünde materiell-rechtlich in Widerspruch zu den Feststellungen, die in den Grundlagenbescheiden enthalten sind und Bindungswirkung entfalten. Verfahrensrechtlich wäre dieser Ansatz schon wegen des nach Eintritt der Feststellungsverjährung geltenden Änderungsverbots (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) nicht zulässig.
Vor allem aber fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage (Korrekturvorschrift i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO 1977) für die von der Klägerin begehrte Änderung. Die Korrekturvorschriften bezwecken einen Ausgleich zwischen den einander widerstreitenden rechtsstaatlichen Geboten, einerseits materiell rechtmäßige Verwaltungsakte zu erlassen, andererseits aber Rechtssicherheit zu gewährleisten (vgl. Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2004, vor §§ 172 ff. Rn. 1). Das Begehren der Klägerin geht dahin, den —bereits im bestandskräftigen und daher durch den Grundsatz der Rechtssicherheit geschützten Bescheid vom enthaltenen— Ansatz der Beteiligungen an Personengesellschaften dahin gehend zu ändern, dass er materiell noch unrichtiger wird als er bereits ist. Dafür steht keine Korrekturvorschrift zur Verfügung.
Überdies war die von der Klägerin herangezogene Korrekturvorschrift des § 164 Abs. 2 AO 1977 am hinsichtlich der Beteiligungen an inländischen Personengesellschaften schon deshalb nicht anwendbar, weil der Vorbehalt der Nachprüfung insoweit gemäß § 164 Abs. 4 AO 1977 mit Ablauf der Feststellungsfrist entfallen war. Während die erstmalige Beifügung eines Vorbehaltsvermerks (§ 164 Abs. 1 AO 1977) und seine Aufhebung (§ 164 Abs. 3 AO 1977) —anders als Vorläufigkeitsvermerke nach § 165 Abs. 1 AO 1977— stets nur auf die gesamte Steuerfestsetzung/Feststellung bezogen sein können, ergibt sich aus § 164 Abs. 4 AO 1977 in Verbindung mit dem differenzierten System der Ablaufhemmungen des § 171 AO 1977, dass der Wegfall des Vorbehalts der Nachprüfung in Fällen der Teilverjährung nur auf einen Teil des Steueranspruchs bezogen ist.
Diese rechtliche Beurteilung ist nicht davon abhängig, ob in einzelnen oder allen Grundlagenbescheiden zugleich mit der letzten —nicht rechtzeitig in den angefochtenen Bescheid übernommenen— Änderung der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden ist. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 164 Abs. 3 Satz 2 AO 1977, wonach die Aufhebung des Vorbehalts einer Feststellung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich steht. Diese Regelung will lediglich sicherstellen, dass der Steuerpflichtige ungeachtet der für Änderungsbescheide an sich geltenden Beschränkungen des § 351 Abs. 1 AO 1977 und des § 42 FGO den Bescheid, in dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wird, seinem gesamten Inhalt nach —auch soweit dieser Bescheid lediglich einen vorangegangenen Bescheid in sich aufnimmt— anfechten kann. Denn der Steuerpflichtige durfte die Anfechtung der zuvor unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheide im Vertrauen auf deren jederzeitige Änderungsmöglichkeit unterlassen (vgl. auch Begründung des Regierungsentwurfs einer Abgabenordnung vom , BTDrucks VI/1982, 148, zu § 145 des Entwurfs). § 164 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 stellt hingegen keine Korrekturvorschrift dar, die es ermöglichen würde, den Ansatz einer im Folgebescheid bereits erfassten Besteuerungsgrundlage nach Ergehen eines geänderten Grundlagenbescheids, der nicht innerhalb der in § 171 Abs. 10 AO 1977 genannten Frist ausgewertet wird, trotz Eintritts der Festsetzungs-/Feststellungsverjährung und entgegen der Bindungswirkung des nunmehr wirksamen Grundlagenbescheids auf 0 DM herabzusetzen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von der Klägerin angeführten (BFH/NV 1995, 943), der sich lediglich mit der Frage befasst, ob die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung im Grundlagenbescheid die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO 1977 auslöst.
cc) Da das FG sich auf Bl. 18 bis 20 seines Urteils ausführlich mit dem entsprechenden Vorbringen der Klägerin auseinander gesetzt hat, bleibt auch deren Rüge, das angefochtene Urteil sei insoweit nicht mit Gründen versehen, ohne Erfolg.
5. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtene Einheitswertfeststellung ist auf ... DM herabzusetzen.
Die im Bescheid vom hinsichtlich der Beteiligungsansätze an Personengesellschaften vorgenommene Änderung im Umfang von 9 095 933 DM zulasten der Klägerin war zwar wegen des Eintritts der (Teil-)Feststellungsverjährung nicht mehr zulässig. Der angefochtene Feststellungsbescheid ist jedoch insoweit aufrechtzuerhalten, als das FA verpflichtet war, die bereits in der Einspruchsentscheidung gemäß § 177 Abs. 2 AO 1977 vorgenommene Saldierung mit den durch die Betriebsprüfung zugunsten der Klägerin ermittelten Änderungen (4 095 443 DM) beizubehalten.
a) Materielle Fehler i.S. des § 177 Abs. 1, 2 AO 1977 sind alle Fehler, die zur Festsetzung einer Steuer führen, die von der kraft Gesetzes entstandenen Steuer abweicht (§ 177 Abs. 3 AO 1977). Diese Definition umfasst nach ihrem eindeutigen Wortlaut auch Fehler, die darin liegen, dass das FA einen Grundlagenbescheid nicht rechtzeitig ausgewertet hat und nunmehr durch die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung an einer Auswertung gehindert wird (, BFHE 167, 1, BStBl II 1992, 504, unter 3.b; vom X R 90/91, BFHE 175, 64, BStBl II 1994, 849, unter 4., und vom X R 111/92, BFH/NV 1995, 566, unter 4.). Denn auch in einem solchen Fall weicht die festgesetzte Steuer von der kraft Gesetzes entstandenen Steuer ab. Für die Frage, in welcher Höhe die Steuer —durch die Verwirklichung des Steuertatbestands i.S. des § 38 AO 1977— „entstanden” ist, kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darauf an, in welchem Umfang der einmal entstandene Steueranspruch durch den Eintritt späterer Ereignisse nach § 47 AO 1977 erloschen ist. Auch dies ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes.
Ein Unterschied zwischen Fällen, in denen die Saldierung jeweils unselbständige Besteuerungsgrundlagen betrifft (so die Situation in den vorstehend nachgewiesenen BFH-Entscheidungen) und Fällen, in denen der Übernahme einer gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlage der Eintritt der Festsetzungs-/Feststellungsverjährung entgegen steht (dazu bereits Senatsbeschluss vom II B 78/05, BFH/NV 2006, 1620, unter 2.a cc), besteht insoweit nicht. Denn nur der Steueranspruch selbst kann —ganz oder teilweise— verjähren; nicht aber eine Besteuerungsgrundlage (BFH-Urteil in BFHE 167, 1, BStBl II 1992, 504, unter 3.b).
Der Verweis der Klägerin darauf, dass durch die Korrekturvorschriften andere formelle Hindernisse als die Bestandskraft nicht durchbrochen werden können (, BFHE 147, 122, BStBl II 1986, 790, unter c, und vom I R 77/85, BFH/NV 1991, 311, unter II.3.), führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn § 177 AO 1977 ist selbst keine Korrekturvorschrift, sondern begrenzt lediglich die Wirkungen von Korrekturvorschriften. In derartigen Fällen hat der Gesetzgeber dem Grundsatz der Rechtsrichtigkeit erkennbar Vorrang vor dem der Rechtssicherheit eingeräumt, soweit —wie es hier angesichts der aus anderen Gründen bestehenden Änderungsmöglichkeiten der Fall ist— noch kein Rechtsfrieden eingetreten ist (vgl. auch dazu BFH-Urteil in BFHE 167, 1, BStBl II 1992, 504, unter 3.b).
§ 177 Abs. 2 AO 1977 führt in dieser Auslegung nicht etwa dazu, dass ein bereits (teil-)verjährter und daher gemäß § 47 AO 1977 erloschener Steueranspruch neu entsteht (in diese Richtung aber von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler (HHSp), Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 177 AO Rz. 115, Stand Juni 2005). Vielmehr bewirkt die Vorschrift lediglich die Begrenzung der gegenläufigen Festsetzung eines nicht verjährten Teilbetrags.
b) Der Saldierungsrahmen, dessen Umfang für Zwecke der Anwendung des § 177 AO 1977 festzustellen ist, wird nicht allein durch den letzten Änderungsbescheid bestimmt. Vielmehr sind auch alle Änderungen heranzuziehen, die aufgrund der Anwendung selbständiger Korrekturvorschriften zugunsten und zulasten des Steuerpflichtigen in denjenigen Bescheiden vorgenommen worden sind, die dem letzten Änderungsbescheid vorangegangen, aber nicht formell bestandskräftig geworden sind.
Dies folgt aus dem engen systematischen Zusammenhang zwischen den Regelungen des § 177 AO 1977 einerseits und des § 351 Abs. 1 AO 1977 andererseits. So soll die Vorschrift des § 177 Abs. 1 AO 1977 diejenigen Änderungen vorwegnehmen, die der Steuerpflichtige ansonsten in dem durch § 351 Abs. 1 AO 1977 eröffneten Rahmen gegen eine ihm nachteilige Änderung des Steuerbescheids aufgrund selbständiger Korrekturvorschriften geltend machen könnte (Koenig in Pahlke/Koenig, § 177 AO Rn. 2). § 351 Abs. 1 AO 1977 stellt für den Umfang des Änderungsrahmens aber auf den letzten unanfechtbaren Verwaltungsakt ab. Ein Verwaltungsakt, der während eines bereits anhängigen Einspruchsverfahrens ergeht, dieses Verfahren jedoch nicht abschließt, wird nicht unanfechtbar, solange das Einspruchsverfahren andauert; vielmehr wird er selbst Gegenstand des Einspruchsverfahrens (§ 365 Abs. 3 AO 1977). Damit schließt der Änderungsrahmen des § 351 Abs. 1 AO 1977 auch solche Änderungen ein, die in früher ergangenen, aber nicht formell bestandskräftig gewordenen Änderungsbescheiden vorgenommen worden sind (, BFHE 131, 267, BStBl II 1981, 5, unter 2.). Wegen des engen systematischen Zusammenhangs mit der Vorschrift des § 351 Abs. 1 AO 1977 muss Gleiches auch für die Auslegung und Anwendung des § 177 Abs. 1 AO 1977 gelten.
Weil die —im Streitfall einschlägige— Vorschrift des § 177 Abs. 2 AO 1977 die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen gleichstellen will, wenn sie Bescheide zu dessen Gunsten ändert ( XI-VII 3244/79 E, EFG 1982, 523, rkr.; Loose in Tipke/Kruse, § 177 AO Tz. 3, Stand März 2004), ist sie ebenso auszulegen wie die zugunsten des Steuerpflichtigen wirkende Vorschrift des § 177 Abs. 1 AO 1977.
c) Nach diesen Maßstäben ist § 177 Abs. 2 AO 1977 im Streitfall anwendbar.
aa) Bereits bei Erlass des Änderungsbescheids vom lagen die Voraussetzungen für die Änderung des Feststellungsbescheids zugunsten der Klägerin vor, weil zusätzliche Steuerrückstellungen in Höhe von 4 095 443 DM —auf der verfahrensrechtlichen Grundlage des § 164 Abs. 2 AO 1977— als Schuldposten zu berücksichtigen waren. Im Umfang dieser Änderung hätte das FA bereits in diesem Bescheid nach § 177 Abs. 2 AO 1977 gegenläufige materielle Fehler berichtigen müssen. Diese Berichtigung kann indes noch in einem späteren Bescheid vorgenommen werden, solange keiner der seit der Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen ergangenen Änderungsbescheide formell bestandskräftig geworden ist (oben b).
Vorliegend hat das FA die Fehlerberichtigung erstmals in der Einspruchsentscheidung vom vorgenommen, mit der der Einheitswert im Ergebnis von ... DM auf ... DM herabgesetzt worden ist. Zuvor war weder der —mit dem Einspruch angefochtene— Änderungsbescheid vom noch der zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens gewordene Änderungsbescheid vom formell bestandskräftig geworden.
bb) Die materiellen Fehler, die nicht Anlass der Änderung sind, sind hier darin zu sehen, dass das FA geänderte Grundlagenbescheide nicht rechtzeitig ausgewertet hat und nunmehr durch die Vorschriften über die Feststellungsverjährung an einer Auswertung gehindert wird (oben a). Der durch die selbständige Korrekturvorschrift des § 164 Abs. 2 AO 1977 ermöglichten Änderung zugunsten der Klägerin im Umfang von 4 095 443 DM stehen damit materielle Fehler gegenüber, deren Berichtigung einen Saldo von 9 095 933 DM zulasten der Klägerin ergeben würde.
cc) Das Saldierungspotenzial ist auch noch nicht verbraucht. Zwar hat das FA die Fehlersaldierung bereits in der Einspruchsentscheidung vom vorgenommen. Im hier maßgebenden Änderungsbescheid vom machte es dies jedoch —insoweit folgerichtig— wieder rückgängig, weil es die teilverjährten Besteuerungsgrundlagen in vollem Umfang ansetzte und es damit nach Auffassung des FA an einem materiellen Fehler fehlte.
Zwar erweist sich die im Bescheid vom vorgenommene Korrektur wegen Ablaufs der Feststellungsfrist als rechtswidrig; der Wertansatz ist allerdings in demjenigen Umfang beizubehalten, als er auf der bereits in der Einspruchsentscheidung zu Recht vorgenommenen Rechtsfehlersaldierung beruht.
d) Der Einheitswert ergibt sich danach wie folgt:
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- | Einheitswert vor Abrundung lt. Bescheid vom : | ... DM |
- | abzüglich verjährter Teile der Wertansätze der Beteiligungen an Personengesellschaften: | ./. 9 095 933 DM |
- | Wiederaufleben der in der Einspruchsentscheidung vorgenommenen Rechtsfehlersaldierung nach § 177 Abs. 2 AO 1977 im Umfang der im Bescheid vom zugunsten der Klägerin vorgenommenen Änderungen: | + 4 095 443 DM |
- | neuer Einheitswert vor Abrundung: | ... DM |
- | neuer Einheitswert nach Abrundung: | ... DM |
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 87
AO-StB 2006 S. 307 Nr. 12
BB 2006 S. 2460 Nr. 45
BFH/NV 2006 S. 2315 Nr. 12
BStBl II 2007 S. 87 Nr. 4
DB 2006 S. 2502 Nr. 46
DB 2006 S. 2728 Nr. 50
DStRE 2007 S. 55 Nr. 1
DStZ 2006 S. 788 Nr. 23
DStZ 2006 S. 844 Nr. 24
HFR 2006 S. 1189 Nr. 12
INF 2006 S. 881 Nr. 23
KÖSDI 2006 S. 15353 Nr. 12
KÖSDI 2007 S. 15419 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 44/2006 S. 3703
SJ 2007 S. 12 Nr. 1
StB 2006 S. 445 Nr. 12
StBW 2006 S. 6 Nr. 23
StuB-Bilanzreport Nr. 1/2007 S. 40
OAAAC-18010