BFH Beschluss v. - IV B 75/05

Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eines freiberuflich und gewerblich tätigen Steuerpflichtigen; Büroräume, Werkstatträume, Lagerräume und Arbeitsräume als häusliches Arbeitszimmer

Gesetze: EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6, EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b

Instanzenzug:

Gründe

I. Die verheirateten Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Systemanalytiker freiberuflich tätig; außerdem erzielt er mit einem EDV-Handel Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Klägerin ist im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung bei dem Kläger angestellt.

Die Kläger bewohnen ein Einfamilienhaus, dessen Nutzfläche sie zu 60 v.H. zu beruflichen bzw. betrieblichen Zwecken und zu 40 v.H. zu privaten Wohnzwecken nutzen. Im Kellergeschoss konfiguriert der Kläger die im EDV-Handel verkauften Geräte. In dem über das Treppenhaus erreichbaren Obergeschoss befinden sich zwei Büroräume und ein WC mit Dusche.

In den Streitjahren (1993 bis 1996) war der Kläger im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit ausschließlich für einen Auftraggeber tätig, den er jeweils an annähernd 200 Tagen aufsuchte. Dafür machte er Abwesenheitszeiten zwischen 10 und 12 Stunden, bisweilen bis zu 13 Stunden geltend, sodass sich bei einer Fahrzeit von insgesamt 2,5 bis 3 Stunden eine Arbeitszeit vor Ort von 7 bis 10 Stunden ergab.

Nach einer Betriebsprüfung sah der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die im Obergeschoss beruflich/ betrieblich genutzten Räume als Arbeitszimmer an, bei dem die Höhe der abziehbaren Aufwendungen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf 2 400 DM begrenzt sei; die Aufwendungen für die Wege vom Einfamilienhaus zu dem Auftraggeber unterwarf das FA der Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte.

Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde. Die Kläger halten folgende Rechtsfragen für klärungsbedürftig:

„Liegt in dem Fall, in dem der Steuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit erzielt, dann ein häusliches Arbeitszimmer gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Ziff. 6b EStG vor, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderen Arbeitsplatz verfügt und seine Arbeitsräume für die gewerbliche Einkunftserzielung für einen dauerhaften Publikumsverkehr geöffnet hält, im Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit diese dadurch gekennzeichnet ist, dass nicht nur untergeordnete theoretische komplexe, schöpferische Problemlösungen erarbeitet werden und so den Mittelpunkt der freiberuflichen Tätigkeit im Arbeitszimmer darstellen?

Liegen daher Fahrten zwischen Betriebsstätte und Betriebsstätte (Geschäftsreise) vor, wenn der Steuerpflichtige von seinem Betriebssitz aus den Hauptauftraggeber aufsucht und seine übrige nicht untergeordnete freiberufliche und gewerbliche Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer abwickelt?

Sind kombinierte Büro-, Werkstatt-, Lager und Arbeitsräume, die für die gewerbliche und freiberufliche Tätigkeit genutzt werden, als häusliches Arbeitszimmer zu betrachten?”

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei soll es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig sein muss (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom IV B 6/04, BFH/NV 2006, 22; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 23, m.w.N.). Eine Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 28; Senatsbeschluss vom IV B 24/04, BFH/NV 2006, 91).

2. Die von den Klägern gestellten Rechtsfragen sind nicht mehr klärungsbedürftig, soweit sie im Streitfall überhaupt klärungsfähig wären.

a) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Büro-, Werkstatt-, Lager- und Arbeitsräume, die ein Steuerpflichtiger in dem von ihm bewohnten Einfamilienhaus für seine gewerbliche und freiberufliche Tätigkeit nutzt, als häusliche Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG anzusehen sind, ist hinreichend geklärt.

Um ein Arbeitszimmer handelt es sich bei einem Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient, wobei es ohne Bedeutung ist, ob der Raum eine Betriebsstätte i.S. des § 12 der Abgabenordnung (AO 1977) darstellt (, BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203, und vom XI R 89/00, BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185). Ein Arbeitszimmer in einem selbst genutzten Einfamilienhaus ist grundsätzlich „häuslich” in diesem Sinne (BFH-Urteile in BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203, und vom VI R 156/01, BFHE 202, 116, BStBl II 2004, 75).

Für andere Zwecke genutzte Räumlichkeiten, die sich regelmäßig im Hinblick auf ihre Ausstattung und insbesondere auf ihre Widmung für den Publikumsverkehr von einem häuslichen Arbeitszimmer unterscheiden, fallen nicht unter die Abzugsbeschränkung; die Feststellungslast dafür trägt der Steuerpflichtige (Senats-urteil in BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203). Die Widmung für den Publikumsverkehr muss nach außen erkennbar sein (Senats-urteil in BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203). Publikumsverkehr schließt die Einbindung in die häusliche Sphäre im Übrigen nur dann aus, wenn er intensiv und dauerhaft ist (Senatsurteil vom IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43; , BFH/NV 2004, 1387).

Diesen Grundsätzen entspricht das angefochtene Urteil. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) handelte es sich bei den Räumlichkeiten im Obergeschoss des Einfamilienhauses der Kläger um Büroräume, die in die häusliche Sphäre im Wohnhaus der Kläger eingebunden waren und als Arbeitszimmer genutzt wurden. Die Aufwendungen für die im Kellergeschoss genutzten Räume wurden bereits vom FA in voller Höhe als Betriebsausgaben anerkannt.

Soweit die Kläger darauf abstellen, dass die Räume im Obergeschoss für einen dauerhaften Publikumsverkehr geöffnet gewesen seien, ist diese Annahme durch die Feststellungen des FG nicht gedeckt. Mangels einer insoweit erhobenen Verfahrensrüge wäre der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO in einem künftigen Revisionsverfahren an die Feststellungen des FG gebunden. Im Übrigen ergeben sich auch aus den Darlegungen der Kläger keine über die bloße Behauptung hinausgehenden Anhaltspunkte für eine dauerhafte Öffnung zu Besuchszwecken; eine solche dürfte im Hinblick auf die vom FG festgestellten Abwesenheitszeiten des Klägers und die Art seiner Tätigkeit auch eher fern liegen.

b) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein häusliches Arbeitszimmer Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung eines Steuerpflichtigen bildet, ist ebenfalls nicht mehr klärungsbedürftig.

aa) Denn es ist bereits geklärt, dass es dafür auf den inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen ankommt, der nur im Wege einer umfassenden Wertung der Gesamttätigkeit festgestellt werden kann; die Würdigung aller Umstände des Einzelfalles obliegt dabei in erster Linie dem FG (vgl. u.a. Senatsurteil vom IV R 19/03, BFHE 208, 263, BStBl II 2005, 212, m.w.N.). Zu Recht hat das FG —entgegen der Darstellung in der Beschwerde— darüber hinaus entschieden, dass die Aufhebung der Abzugsbeschränkung nicht voraussetzt, dass das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt einer jeden einzelnen betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bilden muss, es vielmehr auf die Beurteilung der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung ankommt (Hinweis auf , BFH/NV 2005, 174, und in BFHE 208, 263, BStBl II 2005, 212).

bb) In der Rechtsprechung des BFH geklärt ist darüber hinaus, dass ein häusliches Arbeitszimmer zwar zum Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit werden kann, wenn darin die geschäftsleitenden Ideen entwickelt und die unternehmensbezogenen Entscheidungen für den auswärtigen Tätigkeitsbereich getroffen werden; das gilt jedoch —auch wenn der Steuerpflichtige über keinen anderweitigen festen Arbeitsplatz verfügt— nur dann, wenn die Entwicklung von Ideen und das Fällen von Entscheidungen für seine Tätigkeit insgesamt prägend sind (, BFHE 210, 493, BStBl II 2006, 18). Das angefochtene Urteil entspricht diesen Grundsätzen; Gesichtspunkte, die eine erneute Entscheidung des BFH erforderlich machen können, ergeben sich aus der Beschwerdebegründung nicht.

c) Schließlich ist auch die Frage, ob für Fahrten eines freiberuflich und gewerblich tätigen Steuerpflichtigen von seinem Einfamilienhaus, in dem sich beruflich/betrieblich genutzte Räumlichkeiten befinden, zu seinem Hauptauftraggeber als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte der Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG unterliegen, nicht mehr klärungsbedürftig. Wie der BFH wiederholt entschieden hat, können beruflich/betrieblich genutzte Räumlichkeiten im Einfamilienhaus eines Steuerpflichtigen nicht als „Betriebsstätte” i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG angesehen werden; auf Art und Umfang der im häuslichen Bereich ausgeübten betrieblichen Tätigkeit kommt es dabei nicht an (vgl. z.B. , BFH/NV 2000, 699; vom XI R 90/96, BFH/NV 1999, 41; , juris). Auch diesen Grundsätzen entspricht das angefochtene Urteil. Gesichtspunkte, die eine Befassung des BFH mit dieser Frage erfordern, ergeben sich aus den Darlegungen der Kläger nicht.

3. Soweit sich die Kläger im Stil einer Revisionsbegründung gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung und die vom FG vorgenommene Einzelfallwürdigung wenden, reicht dies zur ordnungsgemäßen Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes nicht aus (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom IV B 67/04, BFH/NV 2006, 234). Die Sachverhaltswürdigung kann im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht überprüft werden. Denn sie ist einerseits einzelfallbezogen und gehört andererseits zum Bereich der Tatsachenfeststellungen durch das FG, an die der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich gebunden ist (vgl. Senatsbeschluss vom IV B 185/03, BFH/NV 2005, 2224).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2243 Nr. 12
KÖSDI 2006 S. 15305 Nr. 11
KÖSDI 2006 S. 15305 Nr. 11
YAAAC-17989