BFH Beschluss v. - X B 154/05

Rüge einer Divergenz erfordert Darlegung einer Abweichung im Grundsätzlichen; Verzicht auf Einvernahme eines Auslandszeugen

Gesetze: FGO § 76, FGO § 96, FGO § 115 Abs. 2; AO § 90 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend machen, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, ist die Beschwerde unzulässig. Den behaupteten Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) haben die Kläger mit der Beschwerdebegründung nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wären hierfür substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist, erforderlich gewesen. Hierzu hätte sich die Beschwerde insbesondere mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen müssen (BFH-Beschlüsse vom III B 65/01, BFH/NV 2002, 217; vom VIII B 132/02, BFH/NV 2003, 65; vom X B 115/02, BFH/NV 2003, 1340; vom VII B 17/04, BFH/NV 2005, 935; vom VIII B 87/05, BFH/NV 2006, 1328). Darüber hinaus wäre auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen gewesen, wobei ein Allgemeininteresse nicht dadurch dargelegt wird, dass die Fehlerhaftigkeit der konkreten Entscheidung geltend gemacht wird (BFH-Beschlüsse vom III B 143/04, BFH/NV 2005, 1632; vom VIII B 52/05, BFH/NV 2006, 1155).

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die von den Klägern formulierten Fragestellungen weisen keinen hinlänglich konkretisierten und präzisierten Inhalt auf, um darauf eine aussagekräftige Antwort geben zu können.

Die Kläger führen zunächst aus, es sei klärungsbedürftig, „ob die nachträgliche Vereinbarung von (weiteren) Sicherheiten das Vertragsverhältnis steuerrechtlich beeinflusst” und ob ein Unterschied „zwischen Angehörigen oder…nahen Angehörigen vorliegt”. Eine konkrete Rechtsfrage, über die der BFH im Interesse der Allgemeinheit noch zu entscheiden hätte, wird damit nicht aufgezeigt. Daran ändert sich auch nichts, wenn zum näheren Verständnis auf die nachfolgenden Erläuterungen der Kläger zurückgegriffen wird. Denn diese Erläuterungen beschränken sich darauf, das vom Finanzgericht (FG) angenommene besondere familiäre Näheverhältnis zwischen dem Kläger und seinem als Darlehensgeber aufgetretenen Bruder sowie den fehlenden Interessengegensatz zwischen ihnen und die mangelnde Ernsthaftigkeit bei der Durchführung des Darlehensvertrags in Abrede zu stellen und damit die Richtigkeit der Sachverhaltswürdigung des FG zu beanstanden. Ein Rechtsproblem, das über die Nachprüfung der im Einzelfall ergangenen Entscheidung des FG hinausreichen würde, ergibt sich daraus nicht.

Gleiches gilt auch für den weiteren Vortrag, der BFH habe —soweit ersichtlich— über einen dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt, „dass finanzielle Probleme eine weitere Zinszahlung zwischenzeitlich verhindern, noch nicht entschieden”. Die grundsätzliche Bedeutung der Sache wird damit nicht ausreichend dargelegt. Denn eine solche Feststellung allein lässt noch nicht erkennen, inwieweit die sich aus ihr ergebenden Rechtsfragen klärungsbedürftig sind (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 34, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

2. Die von den Klägern erhobene Divergenzrüge ist ebenfalls unzulässig. Auch insoweit wird ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht hinreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

a) Macht der Beschwerdeführer geltend, die Revision sei zuzulassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordere, so muss er in der Beschwerdebegründung substantiiert aufzeigen, inwieweit über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen oder welche sonstigen vergleichbaren Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 40). Rügt der Beschwerdeführer —wie hier— eine Abweichung des angefochtenen FG-Urteils von Entscheidungen des BFH, so muss er tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom  XI B 152/01, BFH/NV 2002, 1484; vom II B 41/02, BFH/NV 2003, 1067; vom X B 149/04, BFH/NV 2005, 1618). Dafür genügt es nicht, zwar einen Rechtssatz aus dem BFH-Urteil herauszustellen, sodann jedoch sinngemäß nur geltend zu machen, das FG habe diesen Rechtssatz im Ergebnis falsch auf den konkreten Streitfall angewendet. Wird dabei nicht zugleich auch ein abstrakter Rechtssatz aus dem Urteil der Vorinstanz benannt, der mit demjenigen der BFH-Entscheidung im Grundsätzlichen nicht übereinstimmt, so wird auf diese Weise keine Divergenz bezeichnet, sondern bloß ein im Zulassungsverfahren unbeachtlicher Subsumtionsfehler behauptet (vgl. BFH-Beschlüsse vom XI B 145/99, BFH/NV 2003, 497; vom IX B 94/02, BFH/NV 2003, 617; vom III B 131/03, BFH/NV 2005, 339; vom I B 24/05, BFH/NV 2006, 74; vom IX B 38/05, BFH/NV 2006, 772).

b) Der Hinweis der Kläger, die Vorentscheidung stehe in Widerspruch zu dem Senatsurteil vom X R 139/95 (BFH/NV 1999, 780), reicht zur Darlegung einer zur Zulassung der Revision führenden Rechtsprechungsdivergenz nicht aus.

Die Kläger führen selbst aus, das FG habe darauf abgestellt, dass langfristige Ausleihungen auch bei günstigen Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers im Zeitpunkt der Kreditgewährung „grundsätzlich” einer werthaltigen und verkehrsüblichen Besicherung bedürften. Dieser Rechtssatz steht mit den abstrakten Erwägungen des beschließenden Senats offenkundig nicht in Widerspruch. Im Urteil in BFH/NV 1999, 780 heißt es unter II.1. der Gründe (am Ende) ausdrücklich, „grundsätzlich” müssten Darlehensverträge unter nahen Angehörigen Vereinbarungen über Laufzeit, Art und Weise der Rückzahlung sowie Höhe und Zahlungszeitpunkt der Zinsen enthalten; bei langfristigen Darlehen müsse der Rückzahlungsanspruch ausreichend gesichert sein.

Soweit der Senat in dem genannten Urteil sodann entschieden hat, dass es der steuerrechtlichen Anerkennung der übernommenen Darlehensschuld nicht entgegenstehe, dass bei Übernahme des Darlehens Laufzeit und Verzinsung noch nicht wie unter Fremden geregelt waren, sondern erst sechs Wochen später vereinbart wurden, bezogen sich diese Ausführungen erkennbar nur auf den seinerzeit zur revisionsrichterlichen Überprüfung anstehenden Einzelfall. Dass das FG die Umstände des Streitfalls anders gewürdigt hat, begründet daher keine Divergenz im Grundsätzlichen, die als solche geeignet wäre, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu gefährden.

c) Daraus, dass der BFH in seinem Urteil vom VIII R 28/97 (BFH/NV 1999, 616) eine in verschiedenen Punkten von dem unter Fremden Üblichen abweichende Vertragsgestaltung steuerrechtlich anerkannt hat, ergibt sich ebenfalls noch kein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Wenn die Kläger zusätzlich vortragen, die einzelnen vom FG angeführten BFH-Urteile seien nicht geeignet, die Entscheidungsgründe zu stützen, so machen sie damit der Sache nach keine Abweichung in der grundsätzlichen Beurteilung der maßgeblichen Rechtsfragen geltend, sondern eine ihrer Meinung nach unrichtige Anwendung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung herausgearbeiteten Rechtssätze auf den im Streitfall gegebenen Sachverhalt.

3. Soweit die Kläger vorbringen, das FG habe weder die Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Bruder vom über die Sicherungsübereignung des Warenbestandes an Teppichen noch den diesbezüglichen Sachvortrag bei der Urteilsbegründung berücksichtigt, ist der damit unausgesprochen behauptete Verstoß gegen das Gebot, der Urteilsfindung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), nicht schlüssig dargelegt. Ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ergibt sich daraus nicht, weil nicht erkennbar ist, inwiefern die Entscheidung des FG auf der unterlassenen Heranziehung dieses Sachvortrags beruhen könnte. Denn nach dem hierfür maßgeblichen materiell-rechtlichen Standpunkt des FG (vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 96, m.w.N.) kam es auf die nachträgliche Gestellung von Sicherheiten im Jahre 1993 nicht mehr an, da es jedenfalls im Zeitpunkt der Kreditgewährung Anfang 1989 (und auch in den nachfolgenden Jahren) an einer verkehrsüblichen Besicherung wie zwischen fremden Dritten fehlte.

4. Ohne Erfolg rügen die Kläger schließlich, dass das FG den Sachverhalt von Amts wegen unzureichend aufgeklärt habe, indem es —ohne allerdings die zu bezeugenden Tatsachen als wahr unterstellen zu wollen— von einer Zeugeneinvernahme des im Ausland lebenden Bruders des Klägers, des Darlehensgebers A, Abstand genommen habe. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 1 und § 96 FGO) liegt jedenfalls nicht vor.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein im Ausland ansässiger Zeuge vom FG nicht zu laden, sondern vom Beteiligten, der die Vernehmung dieses Zeugen beantragt, nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu stellen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 121/99, BFH/NV 2000, 1450; vom VI B 161/04, BFH/NV 2005, 1088). Kommt der Beteiligte, der sich auf einen solchen Zeugen beruft, seiner erhöhten Mitwirkungspflicht nicht nach, darf das FG ohne Berücksichtigung dieses Beweismittels den ihm vorliegenden Sachverhalt nach freier Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) würdigen (, BFH/NV 2005, 568).

b) Nach dem beurkundeten Inhalt der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem hat der Klägervertreter, dessen Verfahrenshandlungen sich die Kläger nach § 155 FGO i.V.m. § 85 der Zivilprozessordnung (ZPO) zurechnen lassen müssen (Senatsbeschlüsse vom X B 25/99, BFH/NV 1999, 1612; vom X B 26/01, BFH/NV 2002, 180), auf die Einvernahme des Zeugen A verzichtet. Zwar ist § 399 ZPO, der einer Prozesspartei den für das Gericht bindenden Verzicht auf einen von ihr vorgeschlagenen Zeugen ermöglicht, im finanzgerichtlichen Verfahren wegen des hier geltenden Untersuchungsgrundsatzes unanwendbar (Gräber/ Koch, a.a.O., § 82 Rz 29). Indessen ist eine solche Verzichtserklärung im Regelfall so zu verstehen, dass der Beteiligte damit sein Einverständnis mit einer entsprechenden Einschränkung der von Amts wegen durchzuführenden Beweisaufnahme bekundet. Für den Streitfall liegt dies umso mehr nahe, als es den Klägern nicht gelungen ist, den von ihnen benannten Zeugen im Termin zu stellen, und das Gericht selbst zur Beweiserhebung über die Aussage des Auslandszeugen nicht verpflichtet war. Unter diesen Voraussetzungen stellt es keinen Verfahrensmangel dar, wenn das FG davon abgesehen hat, den Klägern durch Vertagung der Verhandlung erneut die Gelegenheit zu geben, den Zeugen zu einem späteren Zeitpunkt zum Termin zu stellen.

c) Dagegen können die Kläger nicht mit Erfolg anführen, das FG habe ihnen vor Einholung der Verzichtserklärung eine Zusage dahin gehend gemacht, die in das Wissen des Zeugen gestellten Tatsachen würden als wahr angesehen werden. Es kann offenbleiben, ob die Kläger damit einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO bereits ausreichend dargelegt haben. Der gerügte Verstoß gegen den Grundsatz fairer Verfahrensführung liegt jedenfalls nicht vor. Die behauptete Zusage, die das Gericht nach dem Vortrag der Kläger ohnehin nur auf eine „sinngemäß” gestellte Nachfrage hin gegeben haben soll, ergibt sich aus der Verhandlungsniederschrift nicht und wird von den Klägern auch sonst nicht glaubhaft gemacht.

5. Soweit die Kläger meinen, es sei „weiterhin” von grundsätzlicher Bedeutung, ob das FG aus der faktischen Einstellung der Zinszahlungen im Verwandtenverhältnis auf einen „Mangel an Ernstlichkeit” habe schließen dürfen, haben sie dies erstmals im Schriftsatz vom geltend gemacht. Die aufgeworfene Fragestellung ist daher nicht innerhalb der —am abgelaufenen— Begründungsfrist vorgetragen worden und damit verspätet. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an ihre Begründung grundsätzlich nur nach den innerhalb der Begründungsfrist vorgebrachten Ausführungen zu beurteilen; spätere Darlegungen sind —abgesehen von bloßen Erläuterungen und Ergänzungen, um die es sich hier aber nicht handelt— nicht zu berücksichtigen (Senatsbeschlüsse vom X B 23/00, BFH/NV 2001, 437; vom X B 152/02, BFH/NV 2003, 1603; vom X B 94/05, BFH/NV 2006, 1142). Im Übrigen lässt auch diese Fragestellung nicht erkennen, inwieweit an ihrer Beantwortung ein über den Einzelfall hinausreichendes Klärungsinteresse der Allgemeinheit besteht.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2285 Nr. 12
OAAAC-16990