BAG Urteil v. - 7 AZR 201/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BetrVG § 29 Abs. 2 Satz 3; BGB § 242

Instanzenzug: ArbG München 30 Ca 23474/02 vom LAG München 9 Sa 751/04 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Höhe der Betriebsrente des Klägers.

Der am geborene Kläger war vom bis zum bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom erteilte ihm die Beklagte eine Versorgungszusage nach einer seinerzeit bestehenden Einheitsregelung (PZ 60). Zur Anpassung und Änderung dieser Versorgungsordnung wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom an den Betriebsrat der L AG in M. Zum damaligen Zeitpunkt bestanden im Unternehmen der Beklagten der Hauptbetrieb in M und weitere Depotbetriebe im Umland, für die jeweils Betriebsräte gebildet waren. Vorsitzender des Betriebsrats in M (im Folgenden: Betriebsrat) war Herr W, der zugleich Vorsitzender des bei der Beklagten errichteten Gesamtbetriebsrats war.

In der Folgezeit fanden zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat Verhandlungen über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Änderung der betrieblichen Altersversorgung statt. Ein Entwurf der Betriebsvereinbarung war in der Sitzung vom auch Gegenstand der Erörterung im Gesamtbetriebsrat. Im Protokoll dieser Sitzung heißt es dazu:

"Ein Papier über Ruhegeldordnung liegt vor, das zur gegebenen Zeit vom BR bearbeitet werden muss."

Das Thema "Ruhegeldordnung" stand nicht auf der Tagesordnung der Sitzung vom , an der vier Gesamtbetriebsratsmitglieder nicht teilnahmen.

Unter dem wurden vom Vorstand der Beklagten und dem "Betriebsrat der Firma L AG, M" zwei Betriebsvereinbarungen über eine Ruhegeldordnung und Besitzstandsregelung vereinbart. Beide Betriebsvereinbarungen (im Folgenden: BV 85) waren von Herrn W unterzeichnet. Über dessen Unterschrift war der Zusatz "Betriebsrat der L AG" enthalten.

Der Kläger bezieht seit dem eine gesetzliche Altersrente und eine auf der Grundlage der BV 85 berechnete Betriebsrente von der Beklagten.

Der Kläger hat mit der am beim Arbeitsgericht München zu Protokoll erklärten Klage zunächst die Nachzahlung der auf der Grundlage der PZ 60 berechneten Betriebsrente für das Jahr 2000 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 2.554,56 Euro verlangt und die Klage im Jahr 2003 auf die Ansprüche aus dem Jahr 2001 erweitert. Er hat die Auffassung vertreten, seine Betriebsrente sei nicht auf der Grundlage der BV 85, sondern der PZ 60 zu berechnen. Die BV 85 habe die PZ 60 nicht abgelöst, da sie nicht von dem zuständigen Gesamtbetriebsrat abgeschlossen worden sei. Dieser habe in der Sitzung vom weder einen Beschluss über den Abschluss der BV 85 gefasst, noch habe ein solcher Beschluss gefasst werden dürfen, da dieser Punkt nicht auf der Tagesordnung aufgeführt gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den Betrag von 2.554,56 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den Betrag von 2.554,56 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, dass die PZ 60 durch die BV 85 wirksam abgelöst worden sei. Es verstoße überdies gegen Treu und Glauben, wenn sich der Kläger nach fast 20 Jahren auf einen formellen Mangel bei der Beschlussfassung des Gesamtbetriebsrats berufe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht nach den Klageanträgen erkannt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger die Zahlung einer auf der Grundlage der PZ 60 berechneten Betriebsrente verlangen kann. Der Kläger hat für die Jahre 2000 und 2001 Anspruch auf die rechnerisch unstreitige Differenzvergütung in Höhe von jeweils 2.554,56 Euro. Die PZ 60 ist nicht durch die BV 85 abgelöst worden, da die BV 85 nicht von dem zuständigen Gesamtbetriebsrat, sondern von dem Betriebsrat des Hauptbetriebs in M abgeschlossen worden ist. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht verwirkt. Die Beklagte konnte nicht in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen, von dem Kläger auf die Zahlung der auf der Grundlage der PZ 60 berechneten Betriebsrente nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.

I. Der Kläger kann für die Jahre 2000 und 2001 die Zahlung einer auf der Grundlage der PZ 60 berechneten Betriebsrente verlangen. Die BV 85 hat die Ansprüche aus der PZ 60 nicht beschränkt, da sie nicht von dem zuständigen Gesamtbetriebsrat abgeschlossen worden ist.

1. Vertraglich begründete Ansprüche der Arbeitnehmer auf Sozialleistungen, die auf eine vom Arbeitgeber gesetzte Einheitsregelung oder eine Gesamtzusage zurückgehen, können durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung in den Grenzen von Recht und Billigkeit beschränkt werden, wenn die Neuregelung insgesamt bei kollektiver Betrachtung nicht ungünstiger ist (BAG Großer Senat - GS 1/82 - BAGE 53, 42 = AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 17 = EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 17, zu C der Gründe). Es kann dahinstehen, ob die in der BV 85 getroffenen Regelungen insgesamt bei kollektiver Betrachtung nicht ungünstiger als die Regelungen der PZ 60 sind. Die BV 85 hat die Ansprüche aus der PZ 60 nicht beschränkt, da sie von dem Betriebsrat und damit einem unzuständigen Betriebsratsgremium abgeschlossen worden ist. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass für den Abschluss der BV 85 nach § 50 Abs. 1 BetrVG der seinerzeit bei der Beklagten gebildete Gesamtbetriebsrat zuständig war. Hierüber besteht zwischen den Parteien letztlich auch kein Streit.

2. Die BV 85 ist nicht zwischen der Beklagten und dem seinerzeit bei ihr errichteten Gesamtbetriebsrat abgeschlossen worden, sondern zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt. Für einen gleichzeitigen Abschluss der BV 85 durch den Betriebsrat und den Gesamtbetriebsrat war es nicht ausreichend, dass Herr W zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen zugleich Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats war und die BV 85 für diesen unterzeichnen wollte. Denn der möglicherweise bestehende Wille, für den Gesamtbetriebsrat zu handeln, ist nicht erkennbar geworden.

Auf das Zustandekommen einer Betriebsvereinbarung finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Abschluss von Verträgen Anwendung. Der Betriebsrat wird nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG im Rahmen der von ihm gefassten Beschlüsse durch seinen Vorsitzenden vertreten. Gleiches gilt nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für den Gesamtbetriebsrat. Nach § 164 Abs. 1 BGB setzt eine wirksame Vertretung voraus, dass der Vertreter erkennbar im Namen des Vertretenen gehandelt hat. Dabei macht es nach § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll. Es kann dahinstehen, ob bei Abschluss einer Betriebsvereinbarung für die Erkennbarkeit des Vertretungswillens wegen des nach § 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bestehenden Schriftformerfordernisses ausschließlich auf die in der Vertragsurkunde verkörperten Umstände abzustellen ist (vgl. zu Tarifverträgen - AP TVG § 1 Nr. 36 = EzA TVG § 1 Nr. 46, zu III 2 c der Gründe; - 4 AZR 170/99 - BAGE 94, 266 = AP TVG § 1 Kündigung Nr. 4 = EzA TVG § 1 Nr. 42, zu II 2 a der Gründe) oder ob auch sonstige Begleitumstände berücksichtigt werden können. Weder aus der BV 85 selbst noch aus den sonstigen Umständen kommt zum Ausdruck, dass Herr W die Vereinbarung für den Gesamtbetriebsrat abgeschlossen hat. Nach dem Rubrum und dem der Unterschrift beigefügten Zusatz hat ausschließlich der Betriebsrat die BV 85 abgeschlossen und Herr W nur als Vorsitzender des Betriebsrats die Urkunden unterzeichnet. Der Gesamtbetriebsrat wird an keiner Stelle der Vereinbarung erwähnt. Die sonstigen Begleitumstände bestätigen dieses Ergebnis. Die Beklagte hat die Verhandlungen über die BV 85 ausschließlich mit dem Betriebsrat geführt. Sie ist nicht an den Gesamtbetriebsrat, sondern an den Betriebsrat herangetreten, um eine Anpassung der einzelvertraglich erteilten Versorgungszusagen zu erreichen. Auch der weitere Schriftverkehr und die Verhandlungen über die BV 85 sind ausschließlich zwischen dem Betriebsrat bzw. einzelnen Betriebsratsmitgliedern und der Beklagten geführt worden. Schließlich entsprach ein gleichzeitiger Abschluss der BV 85 durch den Gesamtbetriebsrat und den Betriebsrat nicht der in § 50 Abs. 1 und 2 BetrVG vorgesehenen Trennung der Zuständigkeiten auf Betriebsratsseite.

3. Da die BV 85 nicht mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossen wurde, bedarf es keiner Entscheidung, ob der Gesamtbetriebsrat in der Sitzung vom einen Beschluss über die Zustimmung zum Abschluss der BV 85 gefasst hat. Ein derartiger Beschluss des Gesamtbetriebsrats wäre zudem bereits aus formellen Gründen unwirksam, da die Einladung zu der Betriebsratssitzung keinen entsprechenden Tageordnungspunkt enthielt und die Tagesordnung in der Sitzung am nicht ergänzt werden konnte, weil nicht alle Mitglieder des Gesamtbetriebsrats anwesend waren.

a) Nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG hat der Vorsitzende die Mitglieder des Betriebsrats rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu den Sitzungen zu laden. Die Einhaltung der nach § 51 Abs. 2 Satz 3 BetrVG auch für den Gesamtbetriebsrat geltenden Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ( - 7 ABR 14/92 - AP BetrVG 1972 § 29 Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 29 Nr. 2, zu B II 2 a der Gründe; - 6 AZR 405/86 - BAGE 58, 221 = AP BetrVG 1972 § 29 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 29 Nr. 1, zu II 3 c der Gründe) unverzichtbare Voraussetzung für die Wirksamkeit eines in der Sitzung gefassten Betriebsratsbeschlusses. Danach konnten die Mitglieder des Gesamtbetriebsrats in der Sitzung am keinen Beschluss über eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Ablösung der PZ 60 fassen. Nach den von der Revision nicht gerügten Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war dieser Punkt nicht auf der Tagesordnung der Gesamtbetriebsratssitzung enthalten.

b) Das Landesarbeitsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Einladungsmangel nicht geheilt worden ist.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die fehlende Aufnahme eines Tagesordnungspunkts in die Einladung grundsätzlich geheilt und eine festgesetzte Tagesordnung geändert oder ergänzt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass der vollzählig versammelte Betriebsrat einstimmig sein Einverständnis erklärt, den Beratungspunkt in die Tagesordnung aufzunehmen und darüber zu beschließen. Andernfalls kann ein Beschluss des Betriebsrats zu einem nicht in der Tagesordnung aufgeführten Punkt nicht wirksam gefasst werden ( - 1 ABR 17/02 -BAGE 105, 19 = AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 4, zu B I 2 a der Gründe; - 7 ABR 14/92 - AP BetrVG 1972 § 29 Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 29 Nr. 2, zu B II 2 d der Gründe; - 6 AZR 405/86 - BAGE 58, 221 = AP BetrVG 1972 § 29 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 29 Nr. 1, zu II 3 c der Gründe; ebenso ErfK/Eisemann 6. Aufl. § 29 BetrVG Rn. 3; Richardi/Thüsing BetrVG 10. Aufl. § 29 Rn. 39).

An dieser Rechtsprechung hält der Senat trotz der hieran von Teilen des Schrifttums (vgl. etwa Fitting BetrVG 23. Aufl. § 29 Rn. 48; GK-BetrVG/Raab 8. Aufl. § 29 Rn. 53 ff.; DKK/Wedde BetrVG 10. Aufl. § 29 Rn. 20 ff.) geäußerten Kritik, wonach ein Mehrheitsbeschluss der in der Betriebsratssitzung anwesenden Betriebsratsmitglieder zur Ergänzung der Tagesordnung ausreichen soll, fest. Die vorherige Mitteilung der Tagesordnung dient der sachgerechten Vorbereitung der Betriebsratsmitglieder im Vorfeld der Betriebsratssitzung ( - AP BetrVG 1972 § 29 Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 29 Nr. 2, zu B II 2 a der Gründe; - 6 AZR 405/86 - BAGE 58, 221 = AP BetrVG 1972 § 29 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 29 Nr. 1, zu II 3 c aa, bb der Gründe). Sie soll den Betriebsratsmitgliedern Gelegenheit geben, sich ein Bild über die in der Sitzung zu treffenden Entscheidungen zu machen und es ihnen ermöglichen, sich auf die Beratung der einzelnen Tagesordnungspunkte ordnungsgemäß vorzubereiten. Nur bei Kenntnis der Tagesordnung hat ein verhindertes Betriebsratsmitglied die Möglichkeit, seine Betriebsratskollegen schon vor der Sitzung über seine Auffassung in einer bestimmten Angelegenheit zu unterrichten und sie zu überzeugen oder sie ggf. auch nur zu bitten, seine Argumente in der Betriebsratssitzung zumindest vorzutragen. Diese Möglichkeit würde einem verhinderten Betriebsratsmitglied genommen, wenn die Tagesordnung durch einen Mehrheitsbeschluss der anwesenden Betriebsratsmitglieder ergänzt werden könnte. Außerdem eröffnet die vorherige Bekanntgabe der Tagesordnung dem Betriebsratsmitglied die Möglichkeit zu prüfen, ob es eine bestehende Terminkollision zugunsten der Betriebsratssitzung oder zugunsten des anderen Termins löst. Diesen Funktionen würde eine Tagesordnung nicht mehr gerecht, wenn sie in der Betriebsratssitzung, in der nicht alle Betriebsratsmitglieder anwesend sind, durch Beschluss der teilnehmenden Betriebsratsmitglieder ergänzt werden könnte. Dadurch könnten Betriebsratsmitglieder von der Beschlussfassung in einer bestimmten Angelegenheit ausgeschlossen werden.

Die nur eingeschränkte Möglichkeit zur Ergänzung der Tagesordnung in einer Betriebsratssitzung steht kurzfristigen Änderungen der Tagesordnung nicht entgegen. Für deren Bekanntgabe sieht das Gesetz keine besondere Frist oder Form vor. Nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG hat der Betriebsratsvorsitzende die Mitglieder des Betriebsrats rechtzeitig unter Bekanntgabe der Tagesordnung zu laden. Dies ermöglicht auch eine kurzfristige, ggf. fernmündliche Information der Betriebsratsmitglieder über die Themen, über die eine Beschlussfassung beabsichtigt ist. Die Frist darf nur nicht so kurz bemessen sein, dass eine sachgerechte Sitzungsvorbereitung der Betriebsratsmitglieder nicht möglich ist. Dies gilt auch für Änderungen und Ergänzungen der Tagesordnung.

bb) Danach war eine Beschlussfassung des Gesamtbetriebsrats über die Ergänzung der Tagesordnung nicht möglich, weil vier Gesamtbetriebsratsmitglieder in der Sitzung am nicht anwesend waren.

II. Der Kläger hat die Betriebsrentenansprüche nach der PZ 60 für die Jahre 2000 und 2001 nicht verwirkt. Die Revision rügt zu Unrecht die unzutreffende Anwendung von § 242 BGB durch das Landesarbeitsgericht. Auf Grund der von der Beklagten in den Vorinstanzen vorgetragenen Tatsachen musste das Landesarbeitsgericht nicht zu dem Schluss kommen, dass die mit der Klage geltend gemachten Nachzahlungsansprüche verwirkt sind.

1. Die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Sie setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage war (sog. Zeitmoment) und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und sich darauf eingerichtet hat, dieser werde sein Recht auch künftig nicht mehr geltend machen (sog. Umstandsmoment). Zum Zeitablauf müssen daher besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzukommen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Die Verwirkung soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen und ein anerkennenswertes Vertrauen des Schuldners in das Ausbleiben seiner Inanspruchnahme durch den Gläubiger schützen. Es ist aber nicht der Zweck der Verwirkung, Schuldner, denen gegenüber die Gläubiger längere Zeit ihre Rechte nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig gewesen sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden ( - AP BGB § 823 Schutzgesetz Nr. 27 = EzA BGB § 852 Nr. 1, zu B I 2 der Gründe mwN). Die Inanspruchnahme von Vertrauen setzt die Kenntnis des Schuldners von einem möglichen Anspruch eines Dritten voraus. Fehlt es hieran, kann der Schuldner auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung allenfalls allgemein, nicht aber konkret hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs vertrauen. Den Schutz vor unbekannten Forderungen hat das Verjährungsrecht zu gewährleisten, nicht aber Treu und Glauben ( - BAGE 97, 326 = AP BGB § 242 Verwirkung Nr. 46 = EzA BGB § 242 Verwirkung Nr. 1, zu I 2 der Gründe).

2. Danach musste das Landesarbeitsgericht die Verwirkung des Anspruchs des Klägers für die Jahre 2000 und 2001 auf Betriebsrente nach der PZ 60 nicht in Betracht ziehen. Die Beklagte hat in den Vorinstanzen nicht vorgetragen, dass sie mit einer entsprechenden Forderung des Klägers rechnete und auf ihr Ausbleiben vertraut hat. Das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment ist daher nicht erfüllt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
DB 2007 S. 696 Nr. 12
OAAAC-16912

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein