BVerwG Urteil v. - 2 C 14.05

Leitsatz

1. Die Befähigungsvoraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV sind auch dann im bisherigen Bundesgebiet erworben worden, wenn die im bisherigen Bundesgebiet absolvierten Teile der Ausbildung zeitlich mindestens die Hälfte der Gesamtausbildung ausmachen.

2. Die Einrede der Verjährung gegenüber Besoldungsansprüchen ist unzulässig, wenn der Beamte durch das Verhalten der Behörde veranlasst worden ist, verjährungshemmende Schritte zu unterlassen.

Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1; 2. BesÜV § 4; BGB § 197 a.F.

Instanzenzug: VG Greifswald VG 6 A 3562/04 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

I

Die Klägerin ist Justizoberinspektorin im Dienst des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Mit Urkunde vom wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Rechtspflegeranwärterin ernannt. Die berufspraktische Studienzeit von 18 Monaten während des 1., 3. und 5. Studienabschnitts absolvierte sie am Amtsgericht Lübeck. Dort legte sie die schriftliche Laufbahnprüfung ab. Die Fachstudienzeit von weiteren 18 Monaten im 2. und 4. Studienabschnitt absolvierte sie an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in Güstrow, an der sie auch die mündliche Laufbahnprüfung ablegte. In der Zeit zwischen der schriftlichen und der mündlichen Laufbahnprüfung war sie im Rahmen eines Dienstleistungsauftrags kurzzeitig am Amtsgericht Neustrelitz tätig.

Mit Wirkung vom wurde die Klägerin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Justizinspektorin z.A. ernannt und erhielt gekürzte Dienstbezüge gemäß § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV. Mit Schreiben vom erhob sie Widerspruch gegen die Höhe ihrer Dienstbezüge und beantragte einen ruhegehaltfähigen Zuschuss gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV.

Nach Zurückweisung des Widerspruchs hat die Klägerin Klage erhoben, der das Verwaltungsgericht teilweise stattgegeben hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Ein Beamter sei dann aufgrund der im bisherigen Bundesgebiet erlangten Befähigungsvoraussetzungen ernannt worden, wenn er einen beachtlichen Teil der Ausbildung im bisherigen Bundesgebiet durchlaufen habe. Die Klägerin habe die gesamte berufspraktische Ausbildung und damit die Hälfte der Fachausbildung im bisherigen Bundesgebiet absolviert. Unerheblich sei, dass sie die mündliche Laufbahnprüfung im Beitrittsgebiet abgelegt habe. Zwar zähle diese zu den Befähigungsvoraussetzungen für die Laufbahn des gehobenen Dienstes, diene aber letztlich nur dem Nachweis der bereits erworbenen Befähigungen. Im Übrigen habe sich die mündliche Prüfung an den Ausbildungsstandards des bisherigen Bundesgebietes orientiert; zudem sei der schriftliche Teil der Laufbahnprüfung in Schleswig-Holstein abgelegt worden. Ohne erfolgreiche Absolvierung der im bisherigen Bundesgebiet durchgeführten Ausbildungsabschnitte hätte das Land Mecklenburg-Vorpommern die Klägerin nicht zur Beamtin auf Probe ernannt. Die Tätigkeit der Klägerin im Beitrittsgebiet zwischen schriftlicher und mündlicher Laufbahnprüfung ändere nichts an dieser Beurteilung, da sie lediglich der Überbrückung zwischen den Prüfungsteilen gedient habe.

Die Klage sei jedoch unbegründet, soweit ein Zuschuss für das Jahr 1999 begehrt werde, da dieser Anspruch mit Ablauf des Jahres 2003 verjährt sei. Die Erhebung der Einrede der Verjährung sei dem Beklagten nicht aufgrund des Erlasses des Finanzministeriums des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom verwehrt. Bei dem Erlass handele es sich um ein Verwaltungsinternum. Im Übrigen sei darin nur ein Verzicht auf die Erhebung der Einrede gegenüber denjenigen ausgesprochen worden, die die gesamte Ausbildung im bisherigen Bundesgebiet absolviert hätten, so dass die Klägerin auch tatbestandlich nicht davon erfasst werde.

Gegen dieses Urteil richten sich die vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevisionen des Beklagten und der Klägerin. Beide rügen die Verletzung materiellen Rechts.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom aufzuheben, soweit es die Klage abgewiesen hat, und den Beklagten unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom zu verurteilen, an die Klägerin einen Zuschuss gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 2. BesÜV auch für das Jahr 1999 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Die Vertreterin des Bundesinteresses trägt vor, es müsse im Einzelfall entschieden werden, inwieweit Zeiten, die im Rahmen des Erwerbs der Befähigungsvoraussetzungen für die jeweilige Laufbahn im Beitrittsgebiet abgeleistet worden seien, dem Zweck der Zuschussregelung entgegenstünden.

II

1. Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage für die Zeit ab Januar 2000 zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat Anspruch auf den begehrten ruhegehaltfähigen Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge gemäß § 4 Abs. 1 der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung - 2. BesÜV -) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl I S. 779) und mit Wirkung ab dem , ergänzt durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Lehrerbesoldung vom (BGBl I S. 2186). Zwar ist § 4 durch Art. 1 Nr. 1 der zum in Kraft getretenen Vierten Besoldungsübergangs-Änderungsverordnung vom (BGBl I S. 2713) geändert und der Zuschuss - nunmehr als Ermessensleistung - an strengere Voraussetzungen gebunden worden. Gemäß § 12 der 2. BesÜV in der Fassung des Art. 1 Nr. 6 der Vierten Besoldungsübergangs-Änderungsverordnung ist § 4 allerdings noch in der bis zum geltenden Fassung auf Beamte, Richter und Soldaten weiter anzuwenden, die - wie die Klägerin - bis zu diesem Tage ernannt worden sind.

Gemäß § 4 Abs. 1 der 2. BesÜV in der hier noch maßgeblichen Fassung erhalten Beamte mit Anspruch auf Besoldung nach § 2 der 2. BesÜV einen ruhegehaltfähigen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen, wenn sie aufgrund der im bisherigen Bundesgebiet oder im Ausland erworbenen Befähigungsvoraussetzungen ernannt werden.

Die Klägerin hatte seit ihrer Ernennung zur Beamtin auf Probe zum Anspruch auf Besoldung. Sie stand zwar bereits während ihres Vorbereitungsdienstes in einem Dienstverhältnis zu dem Land Mecklenburg-Vorpommern. Als Beamtin auf Widerruf erhielt sie jedoch keine Dienstbezüge, sondern sonstige Bezüge (vgl. § 59 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 1 BBesG). Seit dem gehört die Klägerin zu dem in § 1 und § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV bestimmten Personenkreis und erhält abgesenkte Dienstbezüge gemäß § 73 BBesG i.V.m. §§ 1, 2 der 2. BesÜV, die gegenwärtig noch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen (vgl. - BVerfGE 107, 257 <268 f.> unter Hinweis auf den - BVerfGE 107, 218 ff.; Kammerbeschluss vom - 2 BvR 1883/99 - ZBR 2004, 100; BVerwG 2 C 27.95 - BVerwGE 101, 116 <120 ff.> und vom - BVerwG 2 C 24.98 - Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 3 S. 6).

Den Begriff "Befähigungsvoraussetzungen" definieren weder die Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung noch sonstige besoldungsrechtliche Vorschriften. Er entstammt dem Laufbahnrecht und umfasst sämtliche Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen, die die spezifisch fachbezogene Vorbildung für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben der jeweiligen Laufbahn vermitteln (vgl. Urteile vom a.a.O. S. 118, vom - BVerwG 2 C 5.00 - Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 8 S. 17, vom - BVerwG 2 C 69.03 - ZBR 2005, 39, vom - BVerwG 2 C 70.03 - LKV 2005, 68). Allerdings gehören nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts allgemeine Schul- und Bildungsabschlüsse aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zu der geforderten dienstrechtlichen Vorbildung, weil die fachliche Qualifikation, auf die es insofern maßgeblich ankomme, regelmäßig durch den Vorbereitungsdienst und - soweit vorgeschrieben - die Laufbahnprüfung erworben werde (vgl. a.a.O. S. 272, Kammerbeschlüsse vom a.a.O. und vom - 2 BvR 538/00 - ZBR 2004, 169, 171). Dadurch werden dem Anwendungsbereich des § 4 der 2. BesÜV auch Beamte zugeordnet, die ihre Kindheit und Jugend bis zum Abitur im Beitrittsgebiet verbracht haben und sich nur vorübergehend und unter Beibehaltung ihres Lebensmittelpunktes im Beitrittsgebiet zur Ausbildung in das bisherige Bundesgebiet begeben haben. Der Senat ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefolgt.

Davon ausgehend werden die Befähigungsvoraussetzungen für den gehobenen Dienst gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1, 3 BRRG durch den Vorbereitungsdienst erworben, der mit der Laufbahnprüfung abschließt. Entsprechende landesrechtliche Regelungen enthalten § 23 Abs. 1 Nr. 3, § 17 LBG M-V i.V.m. § 25 Abs. 1, 4 der Landesverordnung über die Laufbahnen der Beamten des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom (GVOBl M-V 1994, 861). Ob diese Befähigungsvoraussetzungen "im bisherigen Bundesgebiet" erlangt worden sind, ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausschließlich ortsbezogen zu beurteilen. Es kommt maßgeblich darauf an, ob der Beamte, Richter oder Soldat die als Befähigungsvoraussetzungen bestimmten Ausbildungen und Prüfungen an einem Ort im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland außerhalb der Grenzen der in Art. 3 EV genannten Länder und Landesteile oder im Ausland absolviert hat. Denn § 4 der 2. BesÜV enthält sich jeglicher Bewertung der Qualität von Ausbildung, von Vorbildungs- und Ausbildungsabschlüssen sowie der Eignung, Leistung und fachlichen Befähigung des begünstigten Personenkreises. Die Gleichwertigkeit der Vor- und Ausbildungen im bisherigen Bundesgebiet und dem Beitrittsgebiet wird vielmehr ohne weiteres vorausgesetzt (vgl. z.B. §§ 13 ff., 122 BRRG).

Nicht entscheidend ist hingegen die dienstrechtliche Verbindung eines Bediensteten zu einer Behörde oder einem Dienstherrn mit Gebietshoheit (vgl. dazu im Einzelnen Urteil vom a.a.O.). Deshalb kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin ihren Vorbereitungsdienst und die Laufbahnprüfung statusrechtlich als Beamtin auf Widerruf des Landes Mecklenburg-Vorpommern absolviert hat. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Klägerin vor Beginn des Vorbereitungsdienstes ihren Hauptwohnsitz im bisherigen Bundesgebiet begründet hatte. § 4 der 2. BesÜV stellt nicht auf den früheren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt ab. Im Übrigen wird der Lebensmittelpunkt in aller Regel im Beitrittsgebiet gelegen haben, wenn dort die allgemeine Schulausbildung abgeschlossen worden ist.

§ 4 der 2. BesÜV enthält keine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass die Befähigungsvoraussetzungen sowohl im bisherigen Bundesgebiet als auch im Beitrittsgebiet erworben werden. Namentlich dem Wortlaut lässt sich hierfür nichts entnehmen.

Die Befähigungsvoraussetzungen müssen auch dann als im bisherigen Bundesgebiet oder im Ausland erworben gelten, wenn der dort durchgeführte Teil der fachspezifischen Ausbildung und der Abschlussprüfung zeitlich mindestens die Hälfte der Gesamtausbildung ausmacht. Unter dieser Voraussetzung ist die örtliche Zuordnung der Ausbildung zu dem bisherigen Bundesgebiet von einem solchen Gewicht, dass ihr aus Gründen der Gleichbehandlung Rechnung getragen werden muss. Vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG wäre es nicht zu rechtfertigen, dass diejenigen, die die Befähigungsvoraussetzungen gänzlich im ehemaligen Bundesgebiet erworben haben, in den Genuss des Zuschusses gelangen, während diejenigen, die Ausbildungs- oder Prüfungsteile von nachrangigem Gewicht im Beitrittsgebiet abgelegt haben, davon ausgeschlossen sind.

Danach erfüllt die Klägerin noch die Voraussetzungen des § 4 der 2. BesÜV, weil sie die Hälfte ihrer Fachausbildung im bisherigen Bundesgebiet durchlaufen hat. Das Verwaltungsgericht hat bindend (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass die Klägerin alle fachpraktischen Studienzeiten, die gemäß § 14 Abs. 2 Satz 4 BRRG die Ausbildung in fachbezogenen Schwerpunktbereichen der Laufbahnaufgaben umfassen, in Schleswig-Holstein und die fachtheoretische Studienzeit von gleicher Dauer in Mecklenburg-Vorpommern verbracht hat; den schriftlichen Teil der Laufbahnprüfung hat sie in Schleswig-Holstein, die abschließende mündliche Laufbahnprüfung in Mecklenburg-Vorpommern abgelegt. Demnach entfallen die zeitlichen Anteile an der Ausbildung und Prüfung gleichgewichtet auf das bisherige Bundesgebiet und ein neues Bundesland.

Die Tätigkeit beim Amtsgericht Neustrelitz aufgrund eines Dienstleistungsauftrags war nach der Ausbildungs- und Prüfungsordnung nicht regulärer Bestandteil des Vorbereitungsdienstes und gehörte nicht zu den Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen, die die spezifisch fachbezogene Vorbildung für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben der Laufbahn des gehobenen Justizdienstes vermittelten. In § 6 der damals für die Ausbildung geltenden Verordnung des Landes Schleswig-Holstein vom (GVOBl S. 540) sind die Studienabschnitte, in die sich der Vorbereitungsdienst gliedert, abschließend benannt. Eine Tätigkeit im Rahmen des Dienstleistungsauftrags ist darin nicht aufgeführt. Eine solche diente vielmehr nur der Überbrückung des Zeitraums zwischen schriftlicher und mündlicher Prüfung. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde die Klägerin insoweit bereits in ihrem späteren Tätigkeitsbereich eingesetzt, ohne dass ihr noch prüfungsbezogene Lerninhalte vermittelt wurden.

Die Klägerin hat damit Anspruch auf den von ihr begehrten ruhegehaltfähigen Zuschuss zur Ergänzung ihrer Dienstbezüge gemäß § 4 Abs. 1 der 2. BesÜV und in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 BGB (vgl. BVerwG 9 C 6.01 - BVerwGE 116, 312 <325> m.w.N.) auch auf Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der rückständigen Beträge.

2. Die Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg, weil der Anspruch auf Zahlung des Zuschusses gemäß § 4 der 2. BesÜV für vor dem liegende Zeiten verjährt ist. Auch insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden.

Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB in der Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom (BGBl I S. 3138) i.V.m. § 197 BGB in der bis zum geltenden Fassung (a.F.) galt für Ansprüche auf "Besoldungen", die vor dem bestanden haben, noch eine Verjährungsfrist von vier Jahren, die gemäß § 201 BGB a.F. mit dem Schluss des Jahres begann, in dem der Anspruch entstanden ist. Danach war der Anspruch der Klägerin im Jahre 2004, als sie die Zahlung des ruhegehaltfähigen Zuschusses beantragt hatte, für die Zeit vor dem verjährt. Daran hat sich durch die Neuregelung der Verjährungsvorschriften durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts nichts geändert.

Der Dienstherr ist nicht nur berechtigt, sondern nach dem Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung (vgl. §§ 58, 59 Landeshaushaltsordnung Mecklenburg-Vorpommern) grundsätzlich auch verpflichtet, gegenüber Besoldungs- und Versorgungsansprüchen die Einrede der Verjährung geltend zu machen (vgl. BVerwG 2 C 32.81 - BVerwGE 66, 256 <261> m.w.N.; BVerwG 2 B 23.92 - Buchholz 239.1 § 35 BeamtVG Nr. 3 S. 1 <2>). Damit wird dem Rechtsfrieden wie auch möglichen Beweisschwierigkeiten Rechnung getragen, ohne dass der Grundsatz der Alimentationspflicht prinzipiell in Frage gestellt wird. Die Geltendmachung der Einrede kann jedoch unter besonderen Umständen des einzelnen Falls als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten und damit unzulässig sein. Zwar ist im Rahmen der Prüfung des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht zu berücksichtigen. Stellt die Verjährungseinrede aber keine unzulässige Rechtsausübung dar, kann sie nicht wegen Verletzung der Fürsorgepflicht ermessensfehlerhaft sein (vgl. Urteil vom a.a.O. S. 259 f.). Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erfordert ein qualifiziertes Fehlverhalten des Dienstherrn, das nicht notwendig schuldhaft zu sein braucht, das aber angesichts der Umstände des Einzelfalls die Einrede der Verjährung deshalb als treuwidrig erscheinen lässt, weil der Beamte veranlasst worden ist, verjährungsunterbrechende oder - nunmehr - verjährungshemmende Schritte zu unterlassen. Unerheblich ist, ob der Beamte keine Kenntnis von den ihm zustehenden Ansprüchen hatte oder ob er von der rechtzeitigen Geltendmachung bewusst abgesehen hat, weil er nach Treu und Glauben davon ausgehen konnte, der Dienstherr werde sich nicht auf die Verjährung berufen.

Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat sich der Beklagte nicht so verhalten, dass die Klägerin darauf vertrauen durfte, die Einrede der Verjährung werde nicht erhoben. Der Erlass des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom konnte der Klägerin schon deshalb keinen Anlass gegeben haben, von der rechtzeitigen Geltendmachung ihrer Ansprüche auf erhöhte Besoldung auch für das Jahr 1999 abzusehen, weil der Erlass zu einem Zeitpunkt ergangen ist, zu dem die Ansprüche für die Zeit vor dem bereits verjährt waren.

Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass das Landesbesoldungsamt dem Erlass des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom zu Unrecht nicht nachgekommen ist. In welchen Fällen nach diesem Erlass von der Einrede der Verjährung abgesehen werden soll, können die Gerichte nicht durch Auslegung ermitteln. Der Erlass ist keine Rechtsnorm, sondern eine Verwaltungsvorschrift, durch die sich der Dienstherr selbst bindet, um - soweit ihm ein Ermessensspielraum zukommt - entsprechend der Zielsetzung der zugrunde liegenden Rechtsvorschriften eine gleichmäßige Ermessensausübung gegenüber den betroffenen Beamten sicherzustellen; er entfaltet Außenwirkung für den einzelnen betroffenen Beamten nur mittelbar über dessen in Art. 3 Abs. 1 GG geschütztes Recht, entsprechend der in der "antizipierten Verwaltungspraxis" zum Ausdruck kommenden Ermessensbindung der Verwaltung gleichmäßig behandelt zu werden; die gegenüber dem einzelnen Beamten unmittelbar verbindliche Konkretisierung der Besoldung erfolgt in der Regel mit der Auszahlung oder mit der Weigerung, weitere Zahlungen zu leisten. Die Verwaltungsvorschrift ist daher nicht wie eine Rechtsnorm aus sich heraus, sondern gemäß der von ihrem Urheber gebilligten oder doch geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis auszulegen (stRspr, vgl. etwa BVerwG 2 C 14.75 - BVerwGE 52, 193 <199>, vom - BVerwG 2 C 26.78 - Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 20, vom - BVerwG 2 C 5.79 - Buchholz 232 § 25 BBG Nr. 1, vom - BVerwG 2 C 10.83 - Buchholz 237.0 § 87 BaWüLBG Nr. 1, vom - BVerwG 2 C 19.94 - Buchholz 237.6 § 75 NdsLBG Nr. 3).

Das Verwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Beklagte über die in dem Erlass angesprochenen "reinen Fälle" der ausschließlich in den Altbundesländern absolvierten Ausbildungen und Prüfungen hinaus auch bei den "Mischfällen" auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat. Dies wird auch von der Klägerin nicht behauptet.

Aus Gründen der Gleichbehandlung ist der Beklagte nicht verpflichtet, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Unter welchen Voraussetzungen Beamte einen Anspruch auf die erhöhte Besoldung geltend machen können, wenn sie die Befähigungsvoraussetzungen teilweise im früheren Bundesgebiet und teilweise im Beitrittsgebiet erworben haben, ist nicht Gegenstand der in dem Erlass des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gewesen und war auch bislang in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Danach bestand für den Beklagten, der davon ausgegangen ist, die Klägerin habe bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf den ruhegehaltfähigen Zuschuss zur Ergänzung der Dienstbezüge gemäß § 4 Abs. 1 der 2. BesÜV, ausreichender Grund, im vorliegenden Falle nicht von der Einrede der Verjährung abzusehen.

Der Beklagte war schließlich nicht verpflichtet, die Klägerin über einen möglichen Anspruch aus § 4 der 2. BesÜV zu informieren. Sondergesetzliche Informationspflichten bestehen insoweit nicht. Auch die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht begründet keine allgemeine Pflicht des Dienstherrn, seine Bediensteten über alle für sie einschlägigen Vorschriften zu belehren oder sie auf für sie möglicherweise günstige Gerichtsentscheidungen hinzuweisen (vgl. BVerwG 2 C 19.90 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 5 S. 4 f. = ZBR 1993, 182 <183>). Der Beklagte war auch nicht ausnahmsweise verpflichtet, die Klägerin darüber zu unterrichten, dass ihr möglicherweise und im Widerspruch zu der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteile vom - 6 AZR 611/98 - AP Nr. 71 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte = ZTR 2001, 46 und vom - 6 AZR 401/99 - ZTR 2002, 239 <nur LS>) aufgrund der (Kammer-)Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ein Anspruch auf den ruhegehaltfähigen Zuschuss zustehen könnte. Der Klägerin war es ohne weitere Voraussetzungen unbenommen, wegen der Vorenthaltung des besoldungserhöhenden Zuschusses Widerspruch und Klage zu erheben und damit eine Unterbrechung/Hemmung der Verjährung herbeizuführen.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Revisionsverfahren auf 5 700 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG; zweifacher Jahresbetrag des geltend gemachten Zuschusses).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 28/2006 S. 2327
WAAAC-15907