Leitsatz
[1] Wird im Urteilsverfahren vor den Arbeitsgerichten ein Vergleich geschlossen, so entsteht eine Terminsgebühr. Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV stellt auf den Vergleichsabschluss in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ab. Unerheblich ist, ob der Vergleich in mündlicher Verhandlung protokolliert oder schriftlich nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wird.
Gesetze: ArbGG § 12a Abs. 1 Satz 1; ArbGG § 46 Abs. 2; ArbGG § 54 Abs. 1 Satz 1; RVG § 11; RVG-VV Teil 3 Vorbemerkung 3; RVG-VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 128 Abs. 2; ZPO § 278 Abs. 6
Instanzenzug: ArbG Koblenz 3 Ca 2282/04 vom LAG Rheinland-Pfalz 8 Ta 255/05 vom
Gründe
I. Der Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis zum Kläger unter dem ordentlich gekündigt, wogegen der Kläger beim Arbeitsgericht Koblenz mit Eingang am eine Kündigungsschutzklage (- 3 Ca 2281/04 -) erhob.
Gleichzeitig reichte er auch eine Zahlungsklage wegen Lohnzahlungsverzugs ein (Arbeitsgericht Koblenz - 3 Ca 2282/04 -). Auf die Anberaumung eines Gütetermins durch das Arbeitsgericht Koblenz reagierten die Prozessbevollmächtigten beider Parteien mit Entwürfen für einen Vergleich im schriftlichen Verfahren. Durch Beschluss gem. § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO stellte das Arbeitsgericht schließlich im Rechtsstreit - 3 Ca 2282/04 - das Zustandekommen und den Inhalt eines zwischen den Parteien nach § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO geschlossenen Vergleichs fest, durch den auch das Kündigungsschutzverfahren - 3 Ca 2281/04 - erledigt wurde.
Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Beklagten setzte das Arbeitsgericht Koblenz sodann gem. § 11 RVG eine Verfahrensgebühr und eine Einigungsgebühr gegen den Beklagten als Auftraggeber fest. Den weiteren Antrag des Beklagtenvertreters vom , auch noch eine Terminsgebühr nach § 11 RVG festzusetzen, lehnte das ab, da bei einem schriftlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO gerade keine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde blieb vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz erfolglos, das in seinem Beschluss vom - 8 Ta 255/05 - die Rechtsbeschwerde zugelassen hat.
II. Die Rechtsbeschwerde hat im Grundsatz Erfolg.
1. Gegen die Zulässigkeit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen und im Übrigen form- und fristgemäß eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde bestehen keine Bedenken.
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch im Wesentlichen Erfolg, da dem Beschwerdeführer eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Anlage 1 RVG gegen die von ihm vertretene Partei zusteht (§ 11 RVG, § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG).
a) Das Landesarbeitsgericht nimmt auf den zur Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte ergangenen - VI ZB 81/03 - NJW 2004, 2311) Bezug. Danach lösten die außerhalb eines gerichtlichen Termins geführte Auseinandersetzung und Verhandlung der Parteien oder ihrer Vertreter vor einem schriftlichen Vergleichsabschluss (§ 278 Abs. 6 ZPO) keine Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO aus, sondern sie wurden durch die Prozessgebühr abgegolten. Wie für den Sechsten Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem ergänzenden Beschluss vom (- VI ZB 81/03 - juris) deutet auch für das Landesarbeitsgericht schon der Wortlaut der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV darauf hin, dass von dieser Vorschrift nur Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO sowie §§ 307, 495a ZPO erfasst werden sollen. Hätte jeder Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO zu einer Terminsgebühr führen sollen, wäre die Formulierung, dass "in einem solchen Verfahren" ein Vergleich geschlossen wird, nicht erforderlich gewesen. Bei einem Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO seien Arbeits- und Zeitaufwand des Prozessbevollmächtigten in der Regel geringer als bei der Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins; zudem widerspräche eine Terminsgebühr bei schriftlichem Vergleichsabschluss dem Interesse der Parteien, die Kosten so gering wie möglich zu halten.
b) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
aa) Durch das am in Kraft getretene RVG wurde das anwaltliche Gebührenrecht durch Einführung einer Terminsgebühr neu geordnet. Anders als bei der früheren Verhandlungs- und Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nrn. 2, 4 BRAGO kommt es für die Terminsgebühr nicht mehr darauf an, ob in dem Termin Anträge gestellt werden oder ob die Sache erörtert wird. Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 der Anlage 1 zum RVG (Vergütungsverzeichnis - VV) entsteht die Terminsgebühr nicht nur für die Vertretung in einem Gerichtstermin oder für die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins, sondern ausdrücklich auch für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts, wobei dies nicht für Besprechungen nur mit dem Auftraggeber gilt. Gegenüber der früheren Verhandlungs- und Erörterungsgebühr sollte also der Anwendungsbereich für die Terminsgebühr erweitert werden. Nach der Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten soll der Anwalt in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen. Deshalb soll die Gebühr nunmehr auch schon verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirkt, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Regelung zielen. Solche Besprechungen wurden bisher nicht honoriert. Den Parteien soll die nach früherem Recht geübte Praxis, einen gerichtlichen Verhandlungstermin anzustreben, in dem ein bereits ausgehandelter Vergleich nach "Erörterung der Sach- und Rechtslage" protokolliert wird, erspart bleiben (Begründung des Regierungsentwurfs vom RVG, BT-Drucks. 15/1971 S. 208, 209).
bb) Ein Gerichtstermin oder ein von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumter Termin, in dem der Beklagte zu vertreten gewesen wäre, hat im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Koblenz - 3 Ca 2282/04 - nicht stattgefunden. Ob der Beschwerdeführer im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG-VV an Besprechungen mitgewirkt hat, die nicht nur mit dem Beklagten als Auftraggeber erfolgten und die auf die Vermeidung der Erledigung des Verfahrens gerichtet waren, kann den Akten nicht entnommen werden. Nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV entsteht eine Terminsgebühr für einen tatsächlich nicht wahrgenommenen Termin aber auch dann, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, entweder im Einverständnis mit den Parteien oder gem. § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden wird oder in - und das ist gegenüber der Rechtslage nach § 35 BRAGO neu - in einem solchen Verfahren, dh. in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Im Urteilsverfahren vor den Arbeitsgerichten ist die mündliche Verhandlung vorgeschrieben (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 128 Abs. 1 ZPO). Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 ZPO) und über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 ZPO) finden keine Anwendung (§ 46 Abs. 2 Satz 2 ArbGG). Die mündliche Verhandlung beginnt mit der Güteverhandlung (§ 54 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Die Überlegung des Beschwerdegerichts, im Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO sei die mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben, weil der feststellende Beschluss des Gerichts nach § 128 Abs. 4 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen könne, schöpft den Bedeutungsgehalt der Variante (4) der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV nicht aus. Der Wortlaut dieser Vorschrift legt die Auslegung näher, dass der in Variante (4) geregelte Abschluss eines schriftlichen Vergleichs für alle die Verfahren gilt, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (nunmehr - NJW 2006, 157; BB 2005, 2600; Zöller/Greger ZPO 25. Aufl. § 278 Rn. 27; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe RVG 17. Aufl. VV 3104 Rn. 61 ff.). Nach der amtlichen Begründung soll Teil 3 des RVG-VV für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten einschl. der Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen sowie für die Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit gelten (BT-Drucks. 15/1971 S. 208). Auch das spricht gegen die Annahme, Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV sei nur dann in Betracht zu ziehen, wenn mit Einverständnis der Parteien in einem schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO entschieden werde. Eben diese Verfahrensmöglichkeit schließt das Arbeitsgerichtsgesetz aus. Die einengende Auslegung wird schließlich den allgemeinen Vorstellungen des Gesetzgebers nicht gerecht, der den Anwendungsbereich der neuen Terminsgebühr gegenüber dem früheren Recht ausweiten wollte, um im Interesse auch der Gerichte zu vermeiden, die früher geübte Praxis zu perpetuieren, einen gerichtlichen Verhandlungstermin nur um einer anwaltlichen Gebühr willen anzustreben. In den arbeitsgerichtlichen Verfahren, in dem ein schriftlicher Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wird, fällt daher eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Variante (4) RVG-VV an.
3. Im Übrigen wird das Arbeitsgericht über die Höhe dieser Gebühr noch zu befinden haben. Dabei wird es zu beachten haben, dass der Beschwerdeführer die Terminsgebühr aus einem Vergleichswert berechnet, der nicht nur die Addition des Streitwerts des Verfahrens - 3 Ca 2281/04 - und des Verfahrens - 3 Ca 2282/04 -, beide Arbeitsgericht Koblenz, enthält. Weitere mitverglichene Ansprüche sind nur dann einzubeziehen, wenn sie rechtshängig waren (Nr. 3104 Abs. 3 RVG-VV).
III. Da der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde und seiner Rechtsbeschwerde im Wesentlichen durchdringt, sind Gebühren für das Beschwerde- und das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu erheben (Nr. 8613 und 8621 der Anlage 1 zum GKG).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2006 S. 1916 Nr. 35
BB 2006 S. 2760 Nr. 50
DB 2006 S. 2020 Nr. 37
NJW 2006 S. 3022 Nr. 41
QAAAC-15802
1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein