BSG Urteil v. - B 2 U 33/01 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: RVO § 539 Abs 2; RVO § 539 Abs 1 Nr 1; SGG § 163; SGG § 54 Abs 2

Instanzenzug: SG Heilbronn vom

Gründe

I

Streitig ist die Anerkennung und Entschädigung des Unfalles des Klägers am als Arbeitsunfall.

Der am geborene Kläger ist der Enkel des Beigeladenen zu 1. Dieser betreibt einen Bauernhof, auf dem sich der Kläger in den Sommerferien des Jahres 1996 zu Besuch aufhielt. Am begleitete der Kläger den Beigeladenen zu 1 zunächst zum Grasholen auf eine Wiese. Danach wollte dieser noch eine Fuhre Mist ausbringen. Dafür stellte er einen Miststreuer, auf dem ein Mistkran aufgebaut und der über eine Zapfwelle mit einem Traktor verbunden war, unmittelbar an die Mistgrube, um den Mist aus der Grube in den daneben stehenden Anhänger zu befördern. Als die Grube fast leer war, stieg der Beigeladene zu 1 bei laufendem Motor und sich drehender Zapfwelle in die Grube hinunter und kehrte Mistreste zusammen. Unterdessen kam eine Nachbarin auf den Hof und verwickelte ihn in ein Gespräch. Nachdem die Nachbarin den Hof wieder verlassen hatte, ging der Beigeladene zu 1, der aus der Mistgrube herausgestiegen war, damit er die Nachbarin trotz des Motorlärms verstehen könne, um den Mistlader herum. Dabei sah er den Kläger direkt an der Zapfwelle zwischen dem Mistlader und dem Traktor hängen; der rechte Arm war abgerissen und lag neben dem Kläger auf dem Boden.

Gegenüber dem Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) gab der Beigeladene zu 1 an, der Kläger habe vor dem Unfall keinerlei landwirtschaftliche Tätigkeiten ausgeübt. Später erklärte der Beigeladene zu 1 in einem Fragebogen der Beklagten, an der Zugdeichsel habe ein Besen gelehnt. Vermutlich habe der Kläger diesen Besen nehmen wollen, nachdem er schon bei der vorherigen Mistfuhre den Hof mit dem Besen zusammen gekehrt habe.

Mit Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Anerkennung und Entschädigung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Der Beigeladene zu 1 habe weder bei den Ermittlungen an Ort und Stelle noch vor der Kriminalpolizei über Hilfeleistungen des Klägers berichtet, dem TAD vielmehr gesagt, der Kläger habe vor dem Unfall keinerlei landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, sondern sich aus Neugier bzw kindlichem Interesse dem Stalldunglader genähert.

Das Sozialgericht (SG) hat den Beigeladenen zu 1 als Zeugen vernommen sowie den Kläger persönlich angehört. Durch Urteil vom hat es die Klage abgewiesen. Es könne offen bleiben, ob es überhaupt als Arbeit anzusehen sei, wenn ein acht Jahre alter Junge den Hof zusammenkehre. Jedenfalls sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger im Zeitpunkt des Unfalles eine versicherte Tätigkeit verrichtet habe. Der Großvater des Klägers habe zum Unfallhergang keine Angaben machen können. Gleiches gelte für den Kläger selbst, der sich möglicherweise wegen seiner Sprachbehinderung nicht mehr erinnern könne, was er im Unfallzeitpunkt habe tun wollen. Es könne durchaus sein, dass er beabsichtigt habe, den Besen zu ergreifen, um den vom Mistladen verschmutzten Hof zu fegen. Objektive Anhaltspunkte dafür gebe es aber nicht. Genauso gut könne der Kläger aus kindlichem Interesse an der sich bewegenden Maschine oder in der Absicht, den Traktor zu besteigen, zu der Deichsel hingegangen sein.

Vor dem Landessozialgericht (LSG) haben der Großvater des Klägers sowie dessen Haftpflichtversicherung ihre Beiladung unter Hinweis darauf beantragt, dass vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart (Az 11 U 60/00) ein Zivilprozess des Klägers gegen seinen Großvater auf Schadensersatz und Schmerzensgeld schwebe, der zurzeit ausgesetzt sei. Das LSG hat - nach Vornahme der beantragten Beiladung - die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom ). Das SG habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt festgestellt und rechtsfehlerfrei entschieden. Versicherungsschutz komme hier nur gemäß § 539 Abs 2 iVm § 539 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Betracht. Die danach unter Unfallversicherungsschutz stehende arbeitnehmerähnliche Tätigkeit könne auch bei Kindern vorliegen. Ein Mindestalter gebe es nicht. Nach der Rechtsprechung der Landessozialgerichte könne auch ein 4 1/2-jähriges Kind arbeitnehmerähnlich tätig sein. Jedoch bleibe stets zu prüfen, ob die Handlungstendenz des Kindes nicht wesentlich (oder gar ausschließlich) darauf gerichtet gewesen sei, sich spielerisch zu betätigen oder das Verhalten Erwachsener aus seinem Spieltrieb heraus nachzuahmen. Der vom SG festgestellte und durch zusätzliche Ermittlungsbemühungen nicht mehr weiter aufzuhellende Sachverhalt gebe für die Annahme, der Kläger habe nach seiner Handlungstendenz wie ein Arbeitnehmer für den Beigeladenen zu 1 tätig sein wollen, keinen tragfähigen objektiven Anhaltspunkt. Vielmehr weise alles darauf hin, dass er aus kindlichem Spieltrieb heraus das Verhalten Erwachsener habe nachahmen wollen. So spreche bereits eine Vermutung regelmäßig dafür, dass die Betätigung eines Schulkindes der (seinerzeitigen) Altersgruppe des Klägers während eines Ferienaufenthaltes im landwirtschaftlichen Betrieb eines (nahen) Verwandten wesentlich nicht von fremdwirtschaftlicher arbeitnehmerähnlicher, sondern von spielerischer, außerdem verwandtschaftlicher Handlungstendenz geprägt sei. Wenn ein Kind "Ferien auf dem Bauernhof" verbringe, werde (und solle) es sich (selbstverständlich) betätigen und seine Ferientage nicht mit untätigem Herumsitzen verbringen, sondern (wie hier mit dem Großvater) auch aufs Feld gehen oder in den Stall und hierbei auch einmal Hand anlegen. Bei allen Betätigungen dieser Art gehe es gemäß der nach außen hervortretenden - allein maßgeblichen - Handlungstendenz des Kindes jedoch regelmäßig nicht um einen Einsatz als Arbeitnehmer, als eine Art Landarbeiter, sondern um kindliches Spiel, unbeschadet dessen, dass dabei das eine oder andere Brauchbare für den landwirtschaftlichen Unternehmer herauskommen möge. Diese Regelvermutung, die als gewichtiges Indiz und nicht im (strengen) Sinne des Anscheinsbeweises zu verstehen sei, brauche naturgemäß nicht in jedem Falle zuzutreffen. Freilich müssten dann aber hinreichend gewichtige objektive Anhaltspunkte festzustellen sein, die das kindliche Verhalten in Fällen der vorliegenden Art dem gesetzlich gegen Unfallgefahren versicherten Bereich arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit zuwiesen. Daran fehle es hier.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügen der Kläger sowie die Beigeladenen zu 1 und 2 die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG sei - im Wege des Indizienbeweises - belegt, dass sich der Kläger im Unfallzeitpunkt iS des § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO betätigt habe. Was er getan habe (Hoffegen), entspreche aus der auch vom LSG für zutreffend gehaltenen Sicht des objektiven Beobachters exakt dem, was - in derselben Situation - auch ein landwirtschaftlicher Helfer und/oder ein Lehrling zu tun gehabt hätte. Genau an dem Ort, wo der Kläger verunglückt sei, nämlich an der Zugdeichsel, habe das Gerät (Besen) gestanden, das der Kläger gebraucht habe, um das zu tun, was ihn an den vorherigen Tagen bei den vorangegangenen Mistfuhren das Vorbild des Großvaters gelehrt habe. Genau zu derjenigen Zeit, als der Kläger verunglückt sei, sei vom Arbeitsablauf her das Zusammenkehren an der Reihe gewesen. Der Anhänger sei beladen, die Grube leer gewesen, der Großvater wieder aus ihr herausgestiegen, so dass jetzt, bevor man den Mist aufs Feld führe, habe zusammengekehrt und aufgeladen werden müssen, was beim Beladen des Anhängers daneben gefallen sei. Es verstoße gegen Denkgesetze, den sich aus den festgestellten Indizien ergebenden Tätigkeitswillen des Klägers in Frage zu stellen, weil es der Beigeladene zu 1 ja nur als "Vermutung" geäußert habe, dass der Kläger habe kehren wollen. Der Logik entbehre auch die Annahme des LSG, der Kläger sei hingelaufen, weil er auf den Traktor habe steigen wollen.

Soweit das angefochtene Urteil ein Zusammenkehren des daneben gefallenen Mistes schon dem Grunde nach nicht als Tätigkeit iS des § 539 Abs 2 RVO begreifen wolle, überspanne es die Anforderungen und verkenne den Zweck der Regelung. Die "Vermutung", dass die Betätigung eines Schulkindes während eines Ferienaufenthaltes im landwirtschaftlichen Betrieb eines nahen Verwandten wesentlich nicht von fremdwirtschaftlicher arbeitnehmerähnlicher, sondern von spielerischer, außerdem verwandtschaftlicher Tendenz geprägt sei, gehe an der Lebenswirklichkeit vorbei. In der kleinbäuerlichen Landwirtschaft werde "von Kindesbeinen an jede helfende Hand gebraucht". Schon das Kindergartenkind führe Kühe zur Weide. Schon vom Grundschüler werde getan, was auch der Kläger getan habe, nämlich mit der Heugabel Mist und Heu gegabelt. Der Kläger habe auch nicht "Ferien auf dem Bauernhof" verbracht, sondern sei als Enkel eingebunden in den Familienverband Großvater - Großmutter - Stiefvater, der den Unfallbetrieb gemeinschaftlich bewirtschafte. Der Kläger habe bei seinen häufigen Aufenthalten auf dem Hof der Familie den Beigeladenen zu 1 beim Arbeiten beobachtet und habe dabei, zu dessen Freude, gezeigt, was im Bericht des TAD der Beklagten "kindliches Interesse" genannt werde.

Das LSG habe zudem seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts vom Amts wegen verletzt. Mit dem vom LSG selbst als "Hilfsbeweisantrag" bezeichneten Antrag habe er beantragt gehabt, ihn nochmals anzuhören, sowie den Beigeladenen zu 1 erneut zu vernehmen. Diesen Beweisantrag habe das LSG zu Unrecht abgelehnt. Das LSG erachte die "Handlungstendenz" des Klägers als erheblich. Dafür sei das "Gesamtbild, dass die Tätigkeit abgibt" entscheidend. Ein solches Gesamtbild habe sich dem LSG aber weder aus der Sitzungsniederschrift des SG mit den dort fixierten Aussagen des Klägers und des Beigeladenen zu 1 noch aus dem Bericht des TAD der Beklagten vermittelt. Der Kläger sowie der Beigeladene zu 1 seien demgegenüber unmittelbar vor dem Berufungsgericht zu vernehmen gewesen, damit das LSG sich den notwendigen persönlichen Eindruck hätte verschaffen können.

Der Kläger sowie die Beigeladenen zu 1 und 2 beantragen,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom sowie das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom und den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall vom als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

II

Die Revisionen des Klägers und des Beigeladenen zu 1 sind unbegründet, die der Beigeladenen zu 2 ist unzulässig.

Letzteres folgt aus der fehlenden Beschwer der Beigeladenen zu 2. Zwar können, worauf die Beigeladenen zu 1 und 2 in ihrer Revisionsbegründung zutreffend hingewiesen haben, Beigeladene grundsätzlich von den Hauptbeteiligten des Rechtsstreits unabhängig Rechtsmittel einlegen, weil sich nach § 141 Abs 1 SGG die Rechtskraft des Urteils auf alle Beteiligten erstreckt. Indes begründet dies allein nicht die Befugnis zur Einlegung des Rechtsmittels. Hierfür ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) weiter erforderlich, dass der Rechtsmittelkläger durch das angefochtene Urteil in eigenen Rechten iS von § 54 Abs 2 Satz 1 SGG verletzt, also materiell beschwert sein kann. Das angefochtene Urteil muss unmittelbar zu einer Beeinträchtigung der subjektiven Rechte des Beigeladenen führen. Dass seine berechtigten Interessen berührt werden, genügt nicht (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl stellvertretend BSG SozR 3-1500 § 75 Nr 31 mwN; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl, Vor § 143 RdNr 4a).

Gegenstand des Urteils des LSG ist allein die Frage der Anerkennung des streitigen Unfalls als Arbeitsunfall und dessen Entschädigung. Dadurch kann zwar der Beigeladene zu 1 als landwirtschaftlicher Unternehmer, nicht aber die Beigeladene zu 2 als Privathaftpflichtversicherer des Beigeladenen zu 1 beschwert sein. Allein dem Beigeladenen zu 1 ist durch § 639 Satz 1 RVO die Antrags- und Klagebefugnis gegen die gegenüber dem Kläger ergangenen Bescheide der Beklagten eingeräumt. Nach dieser Vorschrift können Personen, deren Ersatzpflicht durch § 636 oder § 637 RVO beschränkt ist, und von denen der Verletzte, seine Angehörigen oder seine Hinterbliebenen Schadensersatz fordern, statt des Berechtigten die Feststellungen nach § 638 Abs 1 RVO beantragen oder das entsprechende Verfahren nach dem SGG betreiben. Als landwirtschaftlicher Unternehmer ist die Haftung des Beigeladenen zu 1 gemäß § 636 Abs 1 RVO gegenüber dem Kläger beschränkt. Dieser fordert von dem Beigeladenen zu 1 auch Schadensersatz und Schmerzensgeld und zwar im Rahmen des zur Zeit ausgesetzten Verfahrens vor dem OLG Stuttgart.

Im Gegensatz zum Beigeladenen zu 1 sind die Voraussetzungen des § 639 RVO für die Beigeladene zu 2 nicht erfüllt, denn sie wird gegenüber dem Kläger von den Haftungsausschlüssen der §§ 636, 637 RVO nicht erfasst. Das ergibt sich schon daraus, dass die Beigeladene zu 2 nur gegenüber dem Beigeladenen zu 1 aus dem mit diesem abgeschlossenen Versicherungsvertrag, nicht aber gegenüber dem Kläger wegen der möglichen Aufsichtspflichtverletzungen des Beigeladenen zu 1 unmittelbar haftet. Es bestehen keinerlei unmittelbare rechtliche Beziehungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 2, in die durch das angefochtene Urteil eingegriffen werden könnte. Das Urteil des LSG hat über die Frage der Haftung der Beigeladenen zu 2 gegenüber dem Beigeladenen zu 1 auch nur teilweise nicht entschieden. Eine Bindung der Zivilgerichte an unanfechtbare Entscheidungen über die Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt und in welchem Umfang von welchem Träger der Unfallversicherung Leistungen zu gewähren sind (§ 638 Abs 1 RVO), ergibt sich nur im Verfahren "über Ersatzansprüche der in den §§ 636 und 637 genannten Art", also hier in dem Verfahren des Klägers gegen den Beigeladenen zu 1 vor dem OLG Stuttgart.

Dass ein Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer gemäß oder entsprechend § 639 RVO berechtigt ist, die Feststellungen nach § 638 Abs 1 RVO zu betreiben (vgl BSGE 80, 279 = SozR 3-2200 § 639 Nr 1), ergibt sich aus der besonderen Stellung der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer nach dem Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (PflVG). Nach § 3 Nr 1 PflVG kann der Verletzte seinen Anspruch auf Ersatz des Schadens auch gegen den Versicherer (des Unfallverursachers) geltend machen. Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherungsnehmer haften gemäß § 3 Nr 2 PflVG dem Verletzten als Gesamtschuldner. Der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer haftet somit gegenüber dem Verletzten unmittelbar, so dass er die Voraussetzungen der §§ 636, 639 RVO jedenfalls analog erfüllt (vgl BSG aaO). Ein derartiger direkter Anspruch des Verletzten gegenüber dem Haftpflichtversicherer besteht indes allein im Rahmen des § 3 PflVG; im Verhältnis des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 2 besteht ein Direktanspruch nicht.

Die Revisionen des Klägers und des Beigeladenen zu 1 sind unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen, denn der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten nicht iS von § 54 Abs 2 SGG beschwert. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen und daher gemäß § 163 SGG für das Revisionsgericht bindend sind, hat der Kläger am keinen Arbeitsunfall erlitten.

Soweit die Anwendung des materiellen Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung betroffen ist, richtet sich die Beurteilung noch nach den Vorschriften der RVO, da der geltend gemachte Arbeitsunfall vor dem In-Kraft-Treten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes; § 212 SGB VII).

Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeit erleidet. Dazu ist in der Regel erforderlich, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat (BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84). Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sog innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (stRspr BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92; BSG SozR 2200 § 548 Nr 82, 95, 97; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 27; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 38). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 32). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19). Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 4 und Nr 17), so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 2200 § 548 Nr 90). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1 mwN). Es muss also sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine - noch - versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84 mwN). Lässt sich nicht feststellen, ob der Versicherte bei einer Tätigkeit verunglückt ist, die - wenn feststellbar - in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden hätte, trifft die objektive Beweislast für das Vorliegen dieser Verrichtung den Versicherten (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19; - HV-Info 1984, Nr 15, 40; BSGE 58, 76, 79 = SozR 2200 § 548 Nr 70; s auch BVerfG SozR 2200 § 548 Nr 36).

Von den in § 548 Abs 1 Satz 1 RVO genannten Vorschriften kommt für den Versicherungsschutz des Klägers allein § 539 Abs 2 RVO, wonach gegen Arbeitsunfall ferner Personen versichert sind, die wie ein nach Abs 1 Versicherter tätig werden, in Betracht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt die Anwendung des § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO (beschäftigtenähnliche Tätigkeit) voraus, dass es sich um eine ernstliche, dem in Betracht kommenden fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ungeachtet des Beweggrundes für den Entschluss, tätig zu werden, unter solchen Umständen tatsächlich geleistet wird, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist (s BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 15; Brackmann/Wiester, SGB VII, § 2 RdNr 804, 818 ff, jeweils mwN). Bei einer Tätigkeit gemäß § 539 Abs 2 RVO braucht eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen nicht vorzuliegen. Entscheidend ist, ob nach dem Gesamtbild der Tätigkeit diese beschäftigtenähnlich ausgeübt wird. Es ist unerheblich, welches Alter, welches Geschlecht und welche wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung die handelnde Person hat. Auch Kinder können in einem Beschäftigungsverhältnis stehen oder wie ein Beschäftigter tätig werden ( - HV-Info 1993, 2215). Es muss sich aber um eine ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechende ernsthafte Arbeitstätigkeit und nicht um eine spielerische Beschäftigung handeln (vgl Brackmann/Wiester, aaO, § 2 RdNr 809). Darüber hinaus ist für den Fall, dass der Verletzte - wie hier - mit dem Unternehmer verwandt ist, danach abzugrenzen, ob die Tätigkeit eher einer innerfamiliären Gefälligkeit entsprach, also familienhaft geprägt war (vgl - aaO mwN).

Wie im Rahmen einer Beschäftigung nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO muss auch für die Beurteilung einer Tätigkeit wie ein Beschäftigter nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO der volle Beweis für das Vorliegen der Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (vgl BSGE 58, 80. 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1 mwN). Daran fehlt es hier. Nach den Feststellungen des LSG befand sich der Kläger während des Gesprächs zwischen dem Beigeladenen zu 1 und der Nachbarin auf dem Hofgelände. Was er dort unmittelbar vor dem Unfall getan hat oder hat tun wollen, konnte das LSG nicht feststellen. Es hat sich zu einer derartigen Feststellung - wie schon das SG - aufgrund der von dem Beigeladenen zu 1 auch als Zeuge gegenüber dem SG gemachten Aussagen nicht in der Lage gesehen. Insbesondere hat das LSG nicht festgestellt, dass der Kläger vor dem Unfall einen Besen hat zur Hand nehmen und damit den Hof fegen wollen. Es ist somit nicht festgestellt, dass der Kläger vor dem Unfall überhaupt eine Tätigkeit ausgeübt hat oder hat ausüben wollen, die die Voraussetzungen gemäß § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO erfüllen könnte.

Die hiergegen vom Kläger und dem Beigeladenen zu 1 erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Soweit sie im Einzelnen vorbringen, das LSG hätte im Wege des Indizienbeweises zu der Feststellung kommen müssen, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt den Hof gefegt habe, rügen sie die vom LSG vorgenommene freie richterliche Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Diese vom Tatsachengericht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unter Einschluss der Beweisaufnahme nach der Überzeugungskraft der jeweiligen Beweismittel frei vorzunehmende Würdigung (vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 128 RdNr 4 mwN) kann das Revisionsgericht nur darauf prüfen, ob das Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat, und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt hat (st Rspr vgl - HVBG-Info 1996, 2071; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19 und zuletzt - jeweils mwN; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl, III, RdNr 162 f sowie IX, RdNr 286). Darüber hinaus muss sich ergeben, dass sich das LSG bei Unterlassung derartiger Verstöße zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte gedrängt fühlen müssen.

Zwar haben die Revisionskläger behauptet, es verstoße gegen Denkgesetze, den sich aus den festgestellten Indizien ergebenden Tätigkeitswillen des Klägers (zum Fegen des Hofes) in Frage zu stellen. Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt darin indes nicht. Ein solcher besteht nur, wenn aus den gesamten Gegebenheiten nur eine Schlussfolgerung gezogen werden kann, jede andere, also auch die, welche das Gericht tatsächlich gezogen hat, nicht "denkbar" ist, wenn das Gericht also einen unmöglichen Schluss gezogen hat (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19; Meyer-Ladewig, aaO, § 128 RdNr 12, mwN). Die hier vom LSG aus dem Umstand, dass niemand den Kläger unmittelbar vor dem Unfall gesehen hat, gezogene Schlussfolgerung, dass der Kläger auch durchaus aus anderen Gründen als der Absicht, einen Besen zu ergreifen, nämlich aus kindlichem Interesse an der sich bewegenden Maschine oder in der Absicht, den Traktor zu besteigen, zu der Unfallstelle gelangt ist, ist nachvollziehbar; auf Grund allgemeiner Denkgesetze ist hier keinesfalls nur die eine Folgerung möglich, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat.

Entgegen dem weiteren Vortrag der Revisionen musste sich das LSG auch nicht aus anderen Gründen zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts gedrängt fühlen. Eine solche Sachlage hätte bestanden, wenn nach der bisherigen Beweisaufnahme weitere Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten, deren Ausschöpfung sich dem LSG aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen hätte aufdrängen müssen. Insofern haben die Revisionen lediglich vorgebracht, das LSG hätte den Kläger und den Beigeladenen zu 1 als Zeugen unmittelbar vernehmen müssen, um sich selbst den notwendigen persönlichen Eindruck verschaffen zu können. Hinsichtlich der gerügten Nichtanhörung des Klägers ist darauf hinzuweisen, dass, anders als im Zivilprozess, wo grundsätzlich auf Antrag der Gegenpartei die Parteivernehmung durchgeführt werden muss, im sozialgerichtlichen Verfahren eine förmliche Parteivernehmung als Beweismittel nicht vorgesehen ist. Denn § 118 Abs 1 SGG verweist auf zahlreiche Vorschriften der ZPO über die Beweisaufnahme, nicht aber auf die §§ 445 ff ZPO (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 2; Meyer-Ladewig, aaO, § 103 RdNr 12 mwN). Das schließt zwar nicht aus, einen Verfahrensbeteiligten persönlich anzuhören bzw den Sachverhalt mit den Beteiligten zu erörtern (s § 106 Abs 3 Nr 7 SGG; Meyer-Ladewig, aaO). Eine rechtliche Verpflichtung des Gerichts hierzu besteht jedoch nicht.

Hinsichtlich der gerügten Nichtvernehmung des Beigeladenen zu 1 als Zeugen kann offen bleiben, ob das LSG nach dessen Beiladung den Großvater des Klägers - weil nunmehr selbst Beteiligter des Verfahrens - überhaupt noch förmlich als Zeugen hätte vernehmen dürfen. Jedenfalls wäre das LSG zu einer Wiederholung der schon vom SG durchgeführten Zeugenvernehmung nur dann verpflichtet gewesen, wenn es Zweifel an der Wahrheit der Aussage gehabt hätte und diese Aussage nach Aktenlage abweichend vom SG hätte würdigen wollen (vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 128 RdNr 6a mwN). Gerade das war nicht der Fall, denn das LSG hat - wie schon das SG - die Zeugenaussagen des Beigeladenen zu 1 als wahrheitsgemäß anerkannt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es ist danach zu der Feststellung gelangt, dass sich eben nicht feststellen lasse, was der Kläger vor dem Unfall überhaupt habe tun wollen und insbesondere dass er den Hof habe fegen wollen.

Nach diesen tatsächlichen Feststellungen des LSG entbehren die rechtlichen Erörterungen zu der Frage, ob die eventuelle Absicht des Klägers, den Hof zu fegen, als beschäftigtenähnliche Tätigkeit iS des § 539 Abs 2 RVO zu werten sei oder nicht, der tatsächlichen Grundlage. Der Senat hat daher auch keine Veranlassung, zu der vom LSG für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Rechtsfrage, nach welchen Maßstäben die Handlungstendenz in (landwirtschaftlichen) Betrieben verunglückender Kinder im Einzelnen festzustellen sei, Stellung zu nehmen.

Nach alledem waren die Revision der Beigeladenen zu 2 als unzulässig zu verwerfen sowie die Revisionen des Klägers und des Beigeladenen zu 1 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Fundstelle(n):
HAAAC-15215