BSG Urteil v. - B 10 KR 2/04 R

Leitsatz

Das Vermieten eigener Wohnungen ist keine selbstständige Erwerbstätigkeit, wenn die daraus erzielten Einkünfte steuerrechtlich nicht solchen aus einem Gewerbebetrieb zugeordnet werden können.

Gesetze: KVLG 1989 § 2 Abs 1 Nr 1; KVLG 1989 § 2 Abs 3 S 1; KVLG 1989 § 2 Abs 4a; SGB IV § 15; SGB V § 5 Abs 5; EStG § 2 Abs 1; GG Art 2 Abs 1; GG Art 3 Abs 1; GG Art 14 Abs 1; GG Art 20 Abs 3

Instanzenzug: SG Itzehoe S 5 KR 62/00 vom

Gründe

Nach den damit maßgebenden rechtlichen Kriterien ist das LSG auf der Grundlage der von ihm festgestellten, vom Kläger nicht bestrittenen Tatsachen zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger seine Wohnungen als Privatperson und nicht als selbstständig Erwerbstätiger vermietet hat. Das LSG hat insoweit ausgeführt, die in den vom Kläger vorgelegten Einkommensteuerberechnungen festgesetzten Einkünfte für die Jahre 1996 und 1997 seien solche aus Vermietung und Verpachtung gewesen, also Überschusseinkünfte und nicht Gewinn aus Gewerbebetrieb. Letzteres wäre zwar insbesondere dann anzunehmen, wenn der Kläger die Wohnungen gewerblich verwaltet hätte, also seine Tätigkeit auf die Erzielung von Erwerbseinkommen gerichtet gewesen wäre (vgl hierzu , unveröffentlicht; vgl auch BSG SozR 3-2400 § 15 Nr 6). Dafür ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte. Demnach hat hier eine Einordnung der von dem Kläger erzielten Einkünfte anhand der Feststellungen der Finanzverwaltung zu erfolgen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist nur dann nicht auf die Feststellungen der Finanzverwaltung zurückzugreifen, wenn der Betroffene gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen oder steuerrechtlichen Bewertung des Finanzamtes schlüssige und erhebliche Einwendungen erhebt (vgl BSG SozR 3-2400 § 15 Nr 4; BSGE 73, 77 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 9 mwN). Das hat der Kläger hier nicht getan. Zutreffend hat das LSG daher auch geschlossen, der Kläger habe im gesamten hier streitigen Zeitraum, also bis zum , aus der Vermietung seiner Wohnungen keinen Gewinn iS des § 15 SGB IV erzielt. Die Unterstellung des LSG, eine Änderung in der Einkunftsart habe sich insoweit auch in den Jahren 1998 und 1999 nicht ergeben, hat der Kläger nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen, sodass der Senat an diese tatrichterliche Feststellung gebunden ist (§ 163 SGG).

Der Kläger wendet sich gegen das Berufungsurteil in diesem Punkt im Wesentlichen mit der Begründung, das gefundene Ergebnis sei nicht mit dem Regelungszweck des § 2 KVLG 1989 zu vereinbaren. Hiervon vermag sich der Senat nicht zu überzeugen. Regelungszweck des § 2 Abs 4a KVLG 1989 ist ua die Missbrauchsabwehr. So soll einerseits vermieden werden (so BT-Drucks 11/2237 S 159), dass ein nicht versicherungspflichtiger Selbstständiger durch Aufnahme einer niedrig vergüteten, aber versicherungspflichtigen "Nebenbeschäftigung" den umfassenden Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung erhält, obwohl er weder zu dem des Solidarschutzes bedürftigen Personenkreis gehört, noch nach seinem Arbeitseinkommen bzw seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu den Lasten der Solidargemeinschaft beiträgt (vgl BSGE 77, 93, 96 f = SozR 3-5420 § 3 Nr 1). Andererseits verfolgt die Regelung das Ziel zu verhindern, dass Haupterwerbslandwirte, die in der KVdL versicherungspflichtig sind, wegen einer abhängigen Nebenbeschäftigung in die allgemeine Krankenversicherung, also in ein anderes Sicherungssystem, abwandern (vgl BSG aaO; SozR 3-5420 § 3 Nr 3). Diese Gedanken lassen sich ohne weiteres auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen. Werden neben der landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit weitere Einkünfte erzielt, hängt der Verbleib im System nicht davon ab, wie hoch die Einkünfte sind, sondern ob sie entsprechend der gesetzlichen Systematik ein Ausscheiden rechtfertigen. Anknüpfungspunkt ist insoweit ausschließlich das Vorliegen einer gesetzlich definierten, sozialversicherungsrechtlich relevanten Einkommensquelle. Dadurch wird dem Grundgedanken der Solidarität - hier bezogen auf die Stabilisierung des agrarsozialen Sicherungssystems - Rechnung getragen.

(3) Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen die ihn treffende Versicherungspflicht in der KVdL teilt der Senat ebenfalls nicht. Weder ist eine Verletzung des grundrechtlich geschützten Eigentums (Art 14 GG), noch der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG) oder des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG) festzustellen.

Einen Eingriff in eine möglicherweise durch das GG als Eigentum geschützte sozialversicherungsrechtliche Position macht der Kläger nicht substantiiert geltend. Ein solcher ist vorliegend auch nicht zu erkennen. Dem Kläger wird kein Recht aus dem Sozialversicherungsverhältnis entzogen, sondern es wird ihm - nach seinem Verständnis - die Teilhabe an einem Sozialversicherungssystem aufgedrängt. Durch die Begründung der Versicherungspflicht in der KVdL ist das Eigentum (Art 14 Abs 1 Satz 1 GG) des Klägers jedoch nicht berührt. Das betreffende Grundrecht schützt nicht das Vermögen als solches gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungspflichten und Zwangsbeiträgen (so zur Beitragspflicht in der landwirtschaftlichen Altershilfe bereits BVerfGE 78, 232, 243). Ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie kommt nur dann in Betracht, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen, dh eine erdrosselnde Wirkung ausüben. Demgemäß könnte das Eigentum des Klägers durch die Auferlegung von Zwangsbeiträgen allenfalls dann verletzt sein, wenn die Beiträge über jedes Maß hinausgehen würden. Ein derartig krasser Fall ist jedoch durch die Auferlegung einer Beitragslast, die sich zwischen 137,- und 146,- DM/Monat bewegte, nicht gegeben, zumal sich die Höhe der Beiträge ua nach der Größe des Unternehmens und damit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmers richtet (vgl BSGE 81, 294 = SozR 3-5868 § 1 Nr 1).

Zu prüfen bleibt mithin eine Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit des Klägers (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 GG) dadurch, dass er - unter Außerachtlassung seiner privaten Krankenversicherung (PKV) - zwangsweise in der KVdL gegen das Risiko der Krankheit abgesichert ist. Aber auch dieses Grundrecht ist nicht verletzt. Im Rahmen des Art 2 Abs 1 GG ist vor allem das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu prüfen. Diesem Maßstab hält die Regelung des § 2 Abs 1 Nr 1, Abs 4a KVLG 1989 Stand; sie ist geeignet und erforderlich, das gesetzgeberische Ziel der Systembereinigung sowie der Erzielung von Spareffekten zu erreichen. Es sollte die Beitragsbemessung nach der Ertragskraft des landwirtschaftlichen Betriebes nur noch auf diejenigen erstreckt werden, die ihren beruflichen Schwerpunkt in der Landwirtschaft haben (BT-Drucks 12/5700, Vorblatt III, zu B.). Gleichzeitig sollte hierdurch zur finanziellen Stabilisierung des agrarsozialen Sicherungssystems - Leitgedanke für vielfältige Neuregelungen durch das ASRG 1995 (vgl BT-Drucks 12/5700 Vorblatt I, zu A., ferner S 62 f, Begründung A. I) - beigetragen werden. Beide Ziele entsprechen als solche den Wertungen des GG. Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass bei allen krankenversicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmern ein vergleichbares Schutzbedürfnis bestehe, welches ihre Einbeziehung in die Versicherungspflicht rechtfertige, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl BVerfGE 29, 221 = SozR Nr 7 zu Art 2 GG). Es kommt nicht darauf an, ob der Einzelne für sich geltend machen kann, über ausreichende andere Einkünfte und Vermögen zu verfügen und anderweitig Vorsorge getroffen zu haben (vgl BSG SozR 3-2600 § 2 Nr 5 S 32 mwN; , JURIS).

Die damit einhergehende gesetzgeberische Wohltat - und um eine solche handelt es bei der Pflichtversicherung in der KVdL - belastet den Kläger auf der anderen Seite nicht unzumutbar; ein Verstoß gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn (Proportionalität) liegt nicht vor. Bei der erforderlichen Abwägung der öffentlichen Interessen gegen diejenigen des Klägers könnte zwar zu Gunsten des Klägers sprechen, dass er ggf wegen der Begründung seiner Pflichtversicherung in der KVdL seine vorherige PKV aufgegeben oder neben der Pflichtversicherung weiterhin Beiträge zur PKV entrichtet hat, um sich ein höheres Sicherungsniveau zu erhalten. Feststellungen hierzu liegen nicht vor; der Kläger hat insoweit nichts vorgebracht. Einer weiteren Sachaufklärung bedurfte es insoweit nicht; die Interessenabwägung würde auch in diesem Fall zu Gunsten des öffentlichen Interesses ausfallen.

Die Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der KVdL beruht letztendlich auf seiner persönlichen Entscheidung, neben der Verwaltung seines Vermögens in Gestalt von Mietwohnungen ein landwirtschaftliches Unternehmen zu begründen. Er konnte insoweit nicht darauf vertrauen, nicht mit den sich hieraus ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen konfrontiert zu werden. Den Kläger hat die Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer auch nicht überraschend oder gar rückwirkend getroffen. Die sich aus § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 ergebende Rechtslage ist durch das Gesundheitsreformgesetz vom (BGBl I, 2477, 2557 f) zum , mit einem der hier anzuwendenden Fassung im Wesentlichen gleichen Inhalt, in Kraft getreten. Die Pferdezucht hat der Kläger erst 1993 aufgenommen und nochmals drei Jahre später durch Zupachtungen so vergrößert, dass die eine Versicherungspflicht auslösende Mindestgröße erreicht wurde.

Schließlich wird durch die Regelung auch der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG nicht verletzt. Der Kläger benennt zwei Vergleichsgruppen, von denen er meint, er würde ohne sachlichen Grund anders als diese behandelt. Dieses sind die anderweitig hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen, die gemäß § 2 Abs 4a KVLG 1989 in der KVdL nicht pflichtversichert sind, und die selbstständigen Landwirte, die sich die Pachtzinsen aus der Verpachtung ihrer landwirtschaftlichen Flächen als Gewinn nach § 13a Abs 3 Nr 4 EStG anrechnen lassen können und müssen. Zwischen den Ausgangssituationen dieser beiden Personengruppen und der des Klägers bestehen jedoch Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen; ungleiche Behandlung und rechtfertigender Grund stehen auch in einem angemessenen Verhältnis zueinander (vgl BVerfGE 82, 126, 146 mwN).

Die angegriffene Regelung führt dazu, dass die Beiträge zur KVdL systemgerecht nur dann aus dem landwirtschaftlichen Betrieb ermittelt werden, wenn dieser den Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit darstellt. Die Versicherung in der KVdL tritt insbesondere neben einer hauptberuflichen selbstständigen Erwerbstätigkeit außerhalb der Landwirtschaft (vgl § 2 Abs 4a KVLG 1989) und einer hauptberuflichen abhängigen Beschäftigung (vgl § 3 KVLG 1989 iVm § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V) zurück. Wird dagegen neben der Landwirtschaft - wie im Falle des Klägers - keine berufliche Tätigkeit verrichtet, so ist es nicht anders als angemessen, es bei der Versicherung in der KVdL zu belassen. Ebenso wenig, wie die Begründung der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung abstrakt vom erzielten Einkommen oder vorhandenen Vermögen abhängig ist, sondern insbesondere von der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit, muss die Freistellung von der Versicherungspflicht auf Grund von sozialrechtlich nicht relevantem Einkommen erfolgen (vgl dazu BSGE 53, 242, 244 f = SozR 2200 § 1248 Nr 36).

Im Gegensatz zur Wertung von Mieteinnahmen aus der Verwaltung eigenen Vermögens als Überschusseinkünfte werden die Zinsen aus Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen steuerrechtlich jedenfalls solange als Gewinn aus dem landwirtschaftlichen Unternehmen behandelt, bis dieses endgültig aufgegeben worden ist. Dabei handelt es sich um so grundlegend verschiedene Lebenssachverhalte, dass differenzierte Folgerungen im Hinblick auf die Krankenversicherungspflicht geradezu geboten sind. Aus steuerrechtlicher Sicht könnten Pachtzinsen zwar auch bei vollständiger Verpachtung des landwirtschaftlichen Betriebes als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 2 Abs 1 Nr 1, §§ 13 bis 14a EStG) gewertet werden und unterlägen als Gewinneinkünfte (§ 2 Abs 2 Nr 1 EStG) der Einkommensteuer, solange der Verpächter nicht die Betriebsaufgabe erklärt hat. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass derjenige, der Einkünfte aus der Verpachtung von landwirtschaftlichen Flächen erzielt, bis zur Abgabe des Unternehmens iS des § 21 ALG weiterhin landwirtschaftlicher Unternehmer ist; er kann jederzeit die aktive Betätigung als landwirtschaftlicher Unternehmer wieder aufnehmen. Aus diesem Grunde wird von ihm auch die Erklärung der Abgabe des Unternehmens bzw die Stilllegung der Flächen oder das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs 4 ALG gefordert. Ist diese Voraussetzung erfüllt, ergibt sich eine andere versicherungs- und steuerrechtliche Lage; das Bedürfnis nach sozialer Sicherung auf Grund landwirtschaftlicher Betätigung ist entfallen. Bis dahin besteht konsequenterweise grundsätzlich auch eine Versicherungspflicht in der KVdL. Vom Zeitpunkt der Betriebsaufgabe an werden die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs 1 Nr 6 EStG) auch steuerlich anders zugeordnet; sie sind dann als Überschusseinkünfte (§ 2 Abs 2 Nr 2 EStG) zu versteuern (vgl , JURIS; BFHE 79,195, 197) und damit kein Arbeitseinkommen iS des § 15 SGB IV mehr. Derjenige hingegen, der von vornherein lediglich Mieteinnahmen hat, ohne ein Gewerbe zu betreiben, lebt von seinem Vermögen, ohne in irgendeiner Form der Landwirtschaft verbunden zu sein; eine Versicherungspflicht in der KVdL kommt mithin auf Grund dieser Gegebenheiten für sich genommen nicht in Betracht. Ebensowenig reicht dieser Umstand für eine Entlassung aus der Versicherungspflicht in der KVdL aus, wenn ein selbstständiger Landwirt unabhängig von seinem landwirtschaftlichen Unternehmen Einkünfte aus der Vermietung von Wohnungen erzielt. Diese sozialversicherungsrechtliche Wertung findet wiederum ihre Parallele im Steuerrecht; solche Mieteinkünfte gelten als Überschuss- und nicht als Gewinneinkünfte aus Gewerbebetrieb.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Fundstelle(n):
DStR 2006 S. 2218 Nr. 49
NAAAC-14588