Leitsatz
1. Schließt der Jugendvertreter innerhalb der letzten drei Monate des Ausbildungsverhältnisses mit dem öffentlichen Arbeitgeber einen befristeten Arbeitsvertrag ab, so kann darin nach den Umständen des Einzelfalls der Verzicht auf unbefristete Weiterbeschäftigung liegen.
2. Dass der Arbeitgeber sich auf einen derartigen Verzicht beruft, ist nicht allein deswegen treuwidrig, weil er seiner Hinweispflicht nach § 9 Abs. 1 BPersVG nicht nachgekommen ist.
Gesetze: BPersVG § 9
Instanzenzug: VG Stuttgart VG PB 21 K 1/04 vom VGH Mannheim VGH PB 15 S 1129/04 vom
Gründe
Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92 a Satz 1 ArbGG haben keinen Erfolg. Die allein erhobene Grundsatzrüge greift nicht durch, weil die Voraussetzungen nach § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nicht vorliegen.
1. In Abschnitt 2 a der Beschwerdebegründung der Beteiligten zu 2 und 3 wird folgende als grundsätzlich bezeichnete Rechtsfrage aufgeworfen: "Bedeutet der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags zwischen einem Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung und dem Arbeitgeber einen Verzicht auf das Recht des Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung, seine Weiterbeschäftigung gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG zu verlangen, wenn der befristete Arbeitsvertrag geschlossen wird, bevor das Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung die Ausbildung beendet und Weiterbeschäftigung gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG verlangt hat?" Diese Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist, soweit sie über die Bewertung des Einzelfalls hinaus einer generellen Beantwortung zugänglich ist, ohne weiteres zu bejahen.
Dass der Jugendvertreter innerhalb des gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG maßgeblichen Dreimonatszeitraums über einen Weiterbeschäftigungsanspruch verfügen kann, ergibt sich schon daraus, dass er nicht gezwungen ist, das Weiterbeschäftigungsverlangen geltend zu machen, sondern davon in freier Entscheidung absehen kann. Dem entspricht es, dass er ein geltend gemachtes Weiterbeschäftigungsverlangen bis zum Abschluss einer Berufsausbildung wirksam widerrufen kann. Ebenso wenig bestehen grundsätzliche Bedenken gegen die Wirksamkeit einer innerhalb der letzten drei Monate vor Ausbildungsende abgegebenen Erklärung, mit welcher der Jugendvertreter gegenüber dem Arbeitgeber auf seinen Weiterbeschäftigungsanspruch verzichtet (vgl. zu allem: - juris Rn. 25; Fischer/Goeres, in: GKÖD V, K § 9 Rn. 7 und 30; Faber, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 9 Rn. 34; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, Betriebsverfassungsgesetz, 22. Aufl. 2004, § 78 a Rn. 27). Eine solche Verzichtserklärung kann in beiderseitigem Interesse liegen, etwa wenn der Jugendvertreter für die Zeit nach Ausbildungsende bereits eine anderweitige Beschäftigungszusage hat und der Arbeitgeber über den Arbeitsplatz frühzeitig verfügen will.
Eine solche Verzichtserklärung kann ausdrücklich, aber auch konkludent erfolgen. Letzteres kann auch durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages innerhalb der letzten drei Monate vor Ausbildungsende geschehen. Solches wird man etwa dann bedenkenfrei annehmen können, wenn im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss besprochen wurde, dass der Jugendvertreter für die Zeit ab Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses eine anderweitige Weiterbeschäftigungszusage hat. Ob im Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages zwischen dem Jugendvertreter und dem öffentlichen Arbeitgeber innerhalb der letzten drei Monate vor Ausbildungsabschluss zugleich ein Verzicht auf den Weiterbeschäftigungsanspruch zu sehen ist, beurteilt sich daher nach den Umständen des Einzelfalls und ist einer weiteren generalisierenden Klärung nicht zugänglich. Dass der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall unter Würdigung der maßgeblichen Umstände den Vertragsschluss als Verzicht gewertet hat, verleiht der aufgeworfenen Frage keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
2. Sowohl die Beteiligte zu 1 (Abschnitt C 1 ihrer Beschwerdebegründung) als auch die Beteiligten zu 2 und 3 (Abschnitt 2 c ihrer Beschwerdebegründung) werfen in der Sache übereinstimmend die Frage auf, ob den Arbeitgeber auch in den Fällen, in denen die Auszubildende weniger als drei Monate vor Abschluss ihrer Ausbildung zur Jugendvertreterin gewählt wird, die Verpflichtung trifft, sie entsprechend § 9 Abs. 1 BPersVG von der fehlenden Weiterbeschäftigungsabsicht zu unterrichten. Diese Rechtsfrage ist nicht entscheidungserheblich.
Entscheidungserheblichkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage sich auf eine von mehreren selbständig tragenden Begründungen des Beschwerdegerichts bezieht, ohne dass zugleich gegen die anderen Begründungen zulässige und begründete Rügen vorgebracht werden (vgl. - AP Nr. 27 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz; - BAGE 63, 58, 62 f.; Müller-Glöge, in: Germelmann/Matthes/ Prütting/Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz, 5. Aufl. 2004, § 72 Rn. 13, § 72 a Rn. 5 a). Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof zu der genannten Rechtsfrage - in verneinender Weise - Stellung genommen (Beschlussabdruck S. 13 f.). In einer weiteren Begründung hat er sich aber die Rechtsauffassung der Beteiligten im Ergebnis zu Eigen gemacht und ist davon ausgegangen, dass die Mitteilungspflicht nach § 9 Abs. 1 BPersVG den Arbeitgeber auch im vorliegenden Fall trifft (Beschlussabdruck S. 14). Auch unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung ist der Verwaltungsgerichtshof zu seiner dem Antrag der Arbeitgeberin stattgebenden Entscheidung gelangt, durch welche die Beteiligten beschwert werden. Von der Beantwortung der Rechtsfrage könnte daher die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde nur abhängen, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht von seiner weiteren Begründung getragen wird. Die gegen diese Begründung gerichteten Grundsatzrügen greifen jedoch nicht durch, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen.
3. Im Kern übereinstimmend werfen die Beteiligte zu 1 (Abschnitt C 2 der Beschwerdebegründung) und die Beteiligten zu 2 und 3 (Abschnitt 2 b der Beschwerdebegründung) die Frage auf, ob die Jugendvertreterin den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages als Verzicht auf den Weiterbeschäftigungsanspruch gegen sich gelten lassen muss, wenn der Arbeitgeber seiner Mitteilungspflicht nach § 9 Abs. 1 BPersVG nicht nachgekommen ist. Diese Rechtsfrage ist zwar entscheidungserheblich, wenn man mit der weiteren Begründung des Verwaltungsgerichtshofs von einer Mitteilungspflicht des Arbeitgebers auch im vorliegenden Fall ausgeht. Sie hat jedoch keine grundsätzliche Bedeutung. Denn sie lässt sich auch ohne vertiefte Prüfung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren beantworten, so dass es der Durchführung eines solchen Verfahrens nicht bedarf.
a) Soweit die Beteiligten zu 2 und 3 geltend machen, bei Nichterfüllung der Mitteilungspflicht durch den Arbeitgeber könne der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages nicht als Verzicht auf den Weiterbeschäftigungsanspruch gewertet werden, ist zunächst auf die Ausführungen unter Abschnitt 1 dieses Beschlusses zu verweisen. Danach kann auch die fehlende Mitteilung nach § 9 Abs. 1 BPersVG kein Umstand sein, der die Wertung als Verzicht ausnahmslos hindert. Ein Verzicht kann auch in solchen Fällen z.B. dann angenommen werden, wenn die Begleitumstände bei Vertragsschluss deutlich machen, dass der Jugendvertreter über seine Rechte aus § 9 Abs. 2 BPersVG unterrichtet ist. Es bleibt daher auch in dieser Hinsicht dabei, dass es von den Umständen des Einzelfalls abhängt, ob der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages als Verzicht auf den Weiterbeschäftigungsanspruch des Jugendvertreters gewertet werden kann.
b) Soweit die Beteiligten geltend machen, es sei treuwidrig, wenn sich der Arbeitgeber bei unterbliebener Mitteilung nach § 9 Abs. 1 BPersVG auf den Verzicht auf die unbefristete Weiterbeschäftigung beruft, ist Rechtsgrundsätzlichkeit ebenfalls zu verneinen. Die Frage lässt sich nämlich anhand der zu diesem Problemkreis bereits vorliegenden Senatsrechtsprechung beantworten.
Nach § 9 Abs. 5 BPersVG sind die Regelungen in § 9 Abs. 2 bis 4 BPersVG unabhängig davon anzuwenden, ob der Arbeitgeber seiner Mitteilungspflicht nach § 9 Abs. 1 BPersVG nachgekommen ist. Schon daraus folgt, dass die Nichterfüllung der Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 1 BPersVG, den Jugendvertreter über die fehlende Übernahmeabsicht zu unterrichten, keine Bedeutung für die Frage hat, ob ein Weiterbeschäftigungsverhältnis nach Maßgabe von § 9 Abs. 2 bis 4 BPersVG zustande gekommen ist. Hinzu kommt, dass die Hinweispflicht des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 1 BPersVG inhaltlich nicht auf die Belehrung des Jugendvertreters über seine Rechte aus § 9 Abs. 2 BPersVG gerichtet ist. Der Jugendvertreter muss daher in jedem Falle sein Weiterbeschäftigungsverlangen nach Maßgabe von § 9 Abs. 2 BPersVG form- und fristgerecht geltend machen. Unterlässt er dies, so ist sein Versäumnis nicht allein deswegen unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben unbeachtlich, weil der Arbeitgeber seine Hinweispflicht aus § 9 Abs. 1 BPersVG verletzt hat. Ein treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers kann vielmehr erst bei Hinzutreten besonderer, außergewöhnlicher Umstände bejaht werden. Dies ist der Fall, wenn das Verhalten darauf abzielt, den Auszubildenden von der form- und fristgerechten Geltendmachung seines Weiterbeschäftigungsverlangens abzuhalten, obwohl die hieraus dem Auszubildenden entstehenden Nachteile für den Arbeitgeber vorhersehbar waren und deren Abwendung dem Arbeitgeber möglich und zumutbar gewesen wäre (vgl. BVerwG 6 P 15.83 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 4 S. 5; BVerwG 6 P 20.94 - BVerwGE 102, 100, 104 f.; Fischer/Goeres, a.a.O., Rn. 20; Faber, a.a.O., Rn. 29; zu § 78 a BetrVG: - AP Nr. 7 zu § 78 a BetrVG 1972 Bl. 748; - BAGE 50, 79, 83 f.; Fitting u.a., a.a.O., Rn. 16 und 23). Der in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung, bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen die Hinweispflicht sei das Weiterbeschäftigungsverlangen des Jugendvertreters in Anwendung von § 162 BGB stets als form- und fristgerecht gestellt anzusehen (vgl. Altvater/Hamer/ Ohnesorg/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 5. Aufl. 2004, § 9 Rn. 7 und 19; Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 10. Aufl. 2004, § 9 Rn. 11), ist die höchstrichterliche Rechtsprechung demnach nicht gefolgt.
Die nicht form- oder fristgerechte Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsverlangens und der ausdrückliche oder konkludente Verzicht auf den Weiterbeschäftigungsanspruch sind vergleichbare Fallgestaltungen. Es ist daher gerechtfertigt, die in der Senatsrechtsprechung anerkannten Grundsätze auch auf die zweitgenannte Variante anzuwenden. Wenn sich der Arbeitgeber auf den Verzicht beruft, so ist dies nicht schon immer dann treuwidrig, wenn er seiner Hinweispflicht aus § 9 Abs. 1 BPersVG nicht nachgekommen war. Es müssen vielmehr besondere, außergewöhnliche Umstände hinzutreten. Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitgeber darauf abzielte, den Jugendvertreter mit dem Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages davon abzuhalten, sein auf Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses gerichtetes Weiterbeschäftigungsverlangen gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG geltend zu machen. Dass das Verhalten der Antragstellerin hier von einer derartigen Intention geprägt war, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Würdigung der Umstände des Falles nicht feststellen können. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sind mit dieser Einzelfallwürdigung nicht verbunden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
QAAAC-13161