Leitsatz
Dem Europäischen Gerichtshof wird die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverhältnisse über einen Milcherzeugungsbetrieb oder eine Milcherzeugungsfläche daran gebundene Referenzmengen auch dann an den Verpächter zurückfallen können, wenn dieser nicht selbst Erzeuger ist oder wird, sofern er die Referenzmenge in kürzester Frist über die staatliche Verkaufsstelle an einen Dritten überträgt, der diese Eigenschaft besitzt.
Gesetze: VO (EWG) Nr. 3950/92 Art. 7 Abs. 2; ZAV § 12 Abs. 2
Instanzenzug: VG Stade VG 6 A 1053/01 vom OVG Lüneburg OVG 10 LC 102/03 vom
Gründe
I
Der Kläger führt einen Milcherzeugungsbetrieb. Sein Rechtsvorgänger hatte von dem Beigeladenen im Jahr 1974 unbefristet eine Fläche von 4,1862 ha hinzugepachtet, die er zur Milcherzeugung nutzte. Im Jahr 2000 schlossen der Kläger und der Beigeladene einen Pachtaufhebungsvertrag zum . Auf dessen Antrag hin bescheinigte die Landwirtschaftskammer Hannover - die Rechtsvorgängerin der Beklagten - dem Beigeladenen mit Bescheid vom , geändert am , den Übergang einer Referenzmenge von 9 315 kg auf ihn; zugleich verfügte sie, dass eine weitere Referenzmenge von 4 588 kg zugunsten der Landesreserve eingezogen werde, weil der Beigeladene selbst keine Milch erzeuge. Den Widerspruch des Klägers wies die Landwirtschaftskammer zurück.
Auf die Klage hin hat das Verwaltungsgericht Stade die Bescheide aufgehoben. Mit Urteil vom hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus: Bei der Beendigung eines Pachtverhältnisses über eine Milcherzeugungsfläche falle eine entsprechende Referenzmenge nur dann an den Verpächter zurück, wenn dieser selbst Milcherzeuger sei oder die Fläche unverzüglich wieder an einen Milcherzeuger übertrage. Damit solle verhindert werden, dass Referenzmengen nicht zur Vermarktung von Milch, sondern dazu verwendet würden, unter Ausnutzung ihres Marktwertes rein finanzielle Vorteile aus ihnen zu ziehen. An diesen Grundsätzen sei auch angesichts der Neuregelung des deutschen Milchabgabenrechts zum festzuhalten, nach der eine Übertragung von Referenzmengen - abgesehen von Ausnahmen - nur noch flächenungebunden im Wege des Verkaufs über eine staatliche Verkaufs-stelle zulässig sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Der Beigeladene äußert sich nicht. Die Vertreterin des Bundesinteresses unterstützt die Revision.
II
Die Entscheidung der Revision hängt von der Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl Nr. L 405 S. 1) in der Fassung der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1256/1999 des Rates vom (ABl Nr. L 160 S. 73) ab. In Frage steht, ob Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 dahin auszulegen ist, dass bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverhältnisse über einen Milcherzeugungsbetrieb oder eine Milcherzeugungsfläche daran gebundene Referenzmengen auch dann an den Verpächter zurückfallen können, wenn dieser nicht selbst Erzeuger ist oder wird, sofern er die Referenzmenge in kürzester Frist über eine staatliche Verkaufsstelle an einen Dritten überträgt, der diese Eigenschaft besitzt. Das Verfahren ist deshalb auszusetzen, und die Auslegungsfrage ist gemäß Art. 234 EG dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.
1. a) Die Übertragung von Referenzmengen wird vor allem durch Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 geregelt. Hiernach werden die Referenzmengen eines Betriebes bei Verkauf, Verpachtung oder Vererbung des Betriebes nach von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen mit dem Betrieb auf die Erzeuger übertragen, die den Betrieb übernehmen. Für Betriebsflächen gilt Entsprechendes. Vergleichbares gilt gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 für die Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverträge.
Deutschland hatte die Einzelheiten der flächengebundenen Übertragung von Referenzmengen in der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) vom in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl I S. 586), zuletzt geändert durch die Dreiunddreißigste Änderungsverordnung vom (BGBl I S. 535), festgelegt.
b) Art. 8a Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 ermächtigt die Mitgliedstaaten jedoch, die Bestimmungen über die Übertragung von Referenzmengen nach Art. 7 Abs. 1 nicht anzuwenden. Nach Art. 8 Buchst. b der Verordnung können die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Umstrukturierung der Milcherzeugung nach objektiven Kriterien die Bedingungen festlegen, unter denen sich die Erzeuger zu Beginn eines Zwölfmonatszeitraums durch die zuständige Behörde oder die von ihr benannte Stelle Referenzmengen gegen Entgelt zuweisen lassen können, die am Ende des vorangegangenen Zwölfmonatszeitraums von anderen Erzeugern gegen eine in einem Betrag oder in mehreren Jahresbeträgen angewiesene Entschädigung in Höhe dieses Entgelts endgültig freigesetzt wurden; nach Buchstabe e derselben Vorschrift können sie auf Antrag des Erzeugers die endgültige Übertragung von Referenzmengen ohne entsprechende Flächenübertragung und umgekehrt gestatten.
Gestützt hierauf hat Deutschland mit der Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung - ZAV) vom (BGBl I S. 27), die am in Kraft getreten ist, die Übertragung von Referenzmengen neu geregelt. Hiernach können Referenzmengen vorbehaltlich der Übergangsregelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV nicht mehr flächengebunden übertragen werden. Eine flächenungebundene Übertragung kommt nur noch in bestimmten Fällen in Betracht (Erbfolge, § 7 Abs. 1 Satz 2 ZAV; Verkauf, Verpachtung oder vergleichbare Übertragung des gesamten Betriebs, § 7 Abs. 2 ZAV; Auflösung einer Gesellschaft, § 7 Abs. 3 ZAV). Ansonsten können Referenzmengen nur noch zum 1. April oder zum 30. Oktober eines jeden Kalenderjahres über staatliche Verkaufsstellen in einem regulierten Verfahren flächenlos verkauft werden (§§ 8 bis 11 ZAV).
c) Art. 8a Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 gestattet den Mitgliedstaaten nur zu beschließen, die Bestimmungen über die Übertragung von Referenzmengen nach Art. 7 Abs. 1 nicht anzuwenden. Die Bestimmungen des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung bleiben von der Ermächtigung ausgenommen. Für die Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverträge, die nach altem Recht geschlossen wurden, gilt daher das bisherige Recht.
Demzufolge hat Deutschland für Pachtverträge, die Referenzmengen betreffen und vor dem geschlossen worden sind, in § 12 ZAV eine Sonderregelung getroffen. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV gehen, soweit derartige laufende Pachtverträge mit Ablauf des oder später beendet werden, die entsprechenden Referenzmengen nach den Bestimmungen der bisherigen Milch-Garantiemengen-Verordnung auf den Verpächter mit der Maßgabe über, dass 33 vom Hundert der zurückgewährten Referenzmengen zugunsten der staatlichen Reserve eingezogen werden. Gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ZAV gilt der Abzug zugunsten der staatlichen Reserve - abgesehen von Sonderfällen - nicht, wenn der Verpächter nachweisen kann, dass er die Referenzmenge für die eigene Milcherzeugung benötigt.
2. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft die Beendigung eines vor dem geschlossenen Pachtvertrages über eine Milcherzeugungsfläche. Der mit den angefochtenen Bescheiden bescheinigte Referenzmengenübergang findet daher seine Grundlage in § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV. Nach Auffassung der Vorinstanzen ist diese Vorschrift einschränkend dahin auszulegen, dass Anlieferungs-Referenzmengen bei Auslaufen von Altpachtverträgen nur dann an den Verpächter zurückfallen, wenn dieser selbst Milcherzeuger ist.
Im nationalen Recht findet diese Auffassung keine Stütze. Der Wortlaut der Vorschrift gibt für die Einschränkung nichts her. Die Bestimmung sieht den Übergang der Referenzmenge "auf den Verpächter" vor, ohne jede Einschränkung. Auch die in Bezug genommenen Vorschriften der Milch-Garantiemengen-Verordnung knüpfen den Übergang nicht an die einschränkende Voraussetzung, dass der Verpächter selbst Milch erzeugt. Dass § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV im Gegenteil auch diejenigen Fälle erfassen will, in denen der Verpächter nicht selbst Milch erzeugt, zeigt § 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ZAV. Hiernach unterbleibt der in § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV vorgesehene Abzug zugunsten der staatlichen Reserve, wenn der Verpächter die Anlieferungs-Referenzmenge für die eigene Milcherzeugung benötigt. Die Zusatzabgabenverordnung geht also davon aus, dass der Verpächter die Referenzmenge in jedem Falle erlangt; wenn er selbst Milch erzeugt, erlangt er sie ungeschmälert, wenn er selbst aber keine Milch erzeugt, wird sie um ein Drittel gekürzt.
Die Vorinstanzen berufen sich für ihre einschränkende Auslegung auf Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92. Sie meinen, diese Vorschrift lasse den Übergang von Referenzmengen auf einen Verpächter, der nicht Milcherzeuger ist oder alsbald wird, nur dann zu, wenn dieser die Referenzmenge sofort an einen Milcherzeuger weitergebe; das sei bei einem Verkauf über die staatliche Verkaufsstelle nicht möglich. Sie gelangen damit zu demselben Ergebnis wie der Bundesgerichtshof, der einen Übergang der Referenzmenge auf den Verpächter für mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) schlechterdings unvereinbar hält, wenn der Verpächter die Referenzmenge nur verkaufen kann und will (Urteil vom - XII ZR 165/01 - RdL 2005, 82).
3. Der Senat kann dieser Auffassung nicht folgen. Nach seiner Ansicht können bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverhältnisse über einen Milcherzeugungsbetrieb oder eine Milcherzeugungsfläche daran gebundene Referenzmengen auch dann an den Verpächter zurückfallen, wenn dieser nicht selbst Erzeuger ist oder wird, sofern er die Referenzmenge in kürzester Frist über die staatliche Verkaufsstelle an einen Dritten überträgt, der diese Eigenschaft besitzt.
a) Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 werden bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverhältnisse, abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen, die verfügbaren Referenzmengen der betreffenden Betriebe nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bestimmungen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten ganz oder teilweise "auf die Erzeuger übertragen, die sie übernehmen". Dies ist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Thomsen (Urteil vom - Rs. C-401/99 - Slg. 2002, I-5775, 5791) dahin auszulegen, dass bei Beendigung eines landwirtschaftlichen Pachtvertrages über einen Milcherzeugungsbetrieb die vollständige oder teilweise Übertragung der daran gebundenen Referenzmenge auf den Verpächter nur dann möglich ist, wenn dieser entweder selbst Erzeuger ist oder hierzu konkrete Vorbereitungen trifft oder wenn er im Zeitpunkt der Beendigung des Pachtvertrages die verfügbare Referenzmenge auf einen Dritten überträgt, der diese Eigenschaft besitzt (ebd. Rn. 41 ff., 46). Der Übergang der Referenzmenge auf einen Verpächter, der nicht selbst Erzeuger ist oder alsbald wird, setzt mithin voraus, dass der Verpächter im Zeitpunkt der Beendigung des Pachtvertrages die verfügbare Referenzmenge auf einen Milcherzeuger überträgt.
Dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs lässt sich nicht entnehmen, dass die Weitergabe der Referenzmenge durch den Verpächter nur flächengebunden oder nur im Wege der Verpachtung, nicht aber im Wege des flächenlosen Verkaufs erfolgen dürfe. Zwar entwickelt das Urteil seine Auslegung mit Blick auf eine flächengebundene Weitergabe der Referenzmenge, wie sie im Ausgangsfall nach dem damaligen nationalen - deutschen - Recht vornehmlich in Betracht kam (EuGH, Slg. 2002, I-5775, 5791 Rn. 42). Die Formulierungen seiner Schlussfolgerung lassen aber die Art und Weise der Weitergabe offen (ebd. Rn. 46). Entscheidend ist damit lediglich, dass die Referenzmenge bei Beendigung des Pachtvertrages wieder auf einen Erzeuger übertragen wird.
Dem Übergang der Referenzmenge auf den Verpächter steht auch nicht entgegen, dass diesem unmöglich wäre, die Referenzmenge "im Zeitpunkt der Beendigung des Pachtvertrages" wieder auf einen Erzeuger zu übertragen. Das ist nicht wörtlich zu verstehen. Den Anforderungen des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 ist vielmehr genügt, wenn der Verpächter in diesem Zeitpunkt konkrete Vorbereitungen dafür trifft, die Pachtflächen in kürzester Zeit an einen Milcherzeuger zu übertragen. Das zeigt der Europäische Gerichtshof selbst, indem er für den vergleichbaren Fall der Aufnahme einer eigenen Milcherzeugung durch den Verpächter genügen lässt, dass dies "in kürzester Zeit" erfolgt (EuGH, Slg. 2002, I-5775, 5791 Rn. 45; vgl. Senat, BVerwG 3 C 30.03 - Buchholz 421.512 MGVO Nr. 139). Die kürzest mögliche Zeit hängt aber von den gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten ab. Unter der Geltung der neuen Zusatzabgabenverordnung ist eine Übertragung an einen Erzeuger nur durch Verkauf über die Milchbörse zu festgesetzten Terminen möglich. Die Weiterübertragung an einen Erzeuger erfolgt daher "in kürzester Zeit", wenn der Verpächter die Referenzmenge zum nächsten hierfür vorgesehenen Zeitpunkt über die Milchbörse zum Kauf anbietet (ebenso Europäische Kommission, AUR 2003, 78). Dementsprechend hat der Verordnungsgeber § 12 Abs. 2 ZAV durch die Zweite Änderungsverordnung vom (BGBl I S.89) dahin ergänzt, dass eine unverzügliche Übertragung dann anzunehmen ist, wenn der Verpächter, der nicht selbst Erzeuger ist oder wird, beim nächstfolgenden Übertragungstermin für die gesamte Referenzmenge ein Angebot bei der Verkaufsstelle einreicht und bei diesem oder dem darauf folgenden Übertragungstermin zum Zuge kommt. Diese Ergänzung ist zwar im vorliegenden Rechtsstreit noch nicht anwendbar, bestätigt aber die hier vertretene Rechtsauffassung.
b) Aus Sinn und Zweck des Gemeinschaftsrechts ergibt sich nichts anderes.
aa) Die Bindung der Referenzmenge an einen Milcherzeuger findet ihren Grund nicht erst in der Übertragung von Referenzmengen oder gar in einem bestimmten Übertragungssystem. Sie folgt vielmehr bereits aus dem Wesen der Referenzmenge selbst. Die Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 verpflichtet die Mitgliedstaaten unter anderem dazu, auf die Anlieferung von Milch eine Zusatzabgabe zu erheben und von dieser Abgabepflicht nur im Rahmen einer Referenzmenge freizustellen. Dabei geht die Verordnung davon aus, dass eine Referenzmenge nur Milcherzeugern zustehen darf, dass sie also an einen Milch erzeugenden Betrieb gebunden ist (Grundsatz der Betriebsbindung der Referenzmenge; vgl. hierzu allgemein BVerwG 3 C 48.02 - Buchholz 451.512 MGVO Nr. 138 S. 26 ff.). Damit soll verhindert werden, dass Referenzmengen nicht zur Erzeugung oder Vermarktung von Milch, sondern dazu verwendet werden, unter Ausnutzung ihres Marktwerts rein finanzielle Vorteile aus ihnen zu ziehen (, Karlsson - Slg. 2000, I-2737, 2760 Rn. 57; Urteile vom - Rs. C-313/99, Mulligan - Slg. 2002, I-5719, 5750 Rn. 26 f., 30 und - Rs. C-401/99, Thomsen - Slg. 2002, I-5775, 5791 Rn. 32, 39, 45). Dementsprechend nimmt das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung an, dass die Referenzmenge dem Inhaber eines Milcherzeugungsbetriebes für diesen Betrieb zusteht und an dessen Eigentumsschutz teilnimmt ( BVerwG 3 C 35.03 - BVerwGE 121, 382 <391> m.w.N.).
Für die Übertragung von Referenzmengen ist hieraus - ganz allgemein und unabhängig von dem jeweiligen Übertragungssystem - zu folgern, dass die Übertragung nur von Erzeuger zu Erzeuger erfolgen darf. Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 gibt diesem Grundsatz Ausdruck. Allerdings geht die Vorschrift von einem Übertragungssystem aus, nach dem Referenzmengen im Regelfall nur flächengebunden übertragen werden können (Urteil vom a.a.O. <385>). Die Vorschrift findet keine Anwendung, wenn sich der jeweilige Mitgliedstaat demgegenüber für ein flächenungebundenes Übertragungssystem entschieden hat, wie dies in Deutschland seit Erlass der Zusatzabgabenverordnung der Fall ist. Auch dann gilt aber der allgemeine Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, dass Referenzmengen nur Milcherzeugern zustehen, also nur von Erzeuger zu Erzeuger übertragen werden dürfen, wie der Wortlaut von Art. 8 Buchst. b und e der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 belegt.
bb) Allerdings betrachtet das Gemeinschaftsrecht die Übertragung von Referenzmengen als Gesamtakt. Das Gemeinschaftsrecht schließt nicht aus, dass dieser Gesamtakt nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates sich aus mehreren Einzelakten zusammensetzt. Damit schließt es den Durchgangserwerb von Nichterzeugern nicht aus, sofern dieser nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates erforderlich ist (, Thomsen - Slg. 2002, I-5775, 5791 Rn. 43). Dieser Durchgangserwerb muss wirklich "Durchgangserwerb", also seiner Natur nach vorübergehend sein. Damit muss er erforderlich sein, also als systembedingtes Zwischenstadium eines Gesamtvorgangs erscheinen, der zum Übergang der Referenzmenge vom bisherigen auf einen neuen Erzeuger führt; und er darf nur von kürzester Dauer sein.
Der Europäische Gerichtshof hat diese Grundsätze mit Blick auf § 7 MGV aufgestellt; ihm stand dabei vor Augen, dass ein Verpächter, der nicht selbst Milch erzeugte, eine Milcherzeugungsfläche samt darauf ruhender Referenzmenge vom bisherigen Pächter zurückerlangte und alsbald an einen neuen Pächter weitergab. Den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts ist in Fällen wie diesem genügt, wenn beide Pächter Milcherzeuger sind und der "Durchgangserwerb" beim Verpächter nur von kürzester Dauer ist. Die Milch-Garantiemengen-Verordnung sah den Direktübergang der Referenzmenge von Pächter zu Pächter nicht vor, so dass der Durchgangserwerb des Verpächters systembedingt und insofern erforderlich war. Der Europäische Gerichtshof hat damit zwei Übertragungen zusammengefasst und als Teilakte eines Gesamtakts beurteilt.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs beansprucht aber gleichermaßen für Übergangsfälle wie den vorliegenden Geltung, bei denen nur der eine Teilakt nach insofern fortgeltendem altem Recht als flächengebundene, der andere hingegen nach dem mittlerweile geltenden neuen Recht nur als flächenlose Übertragung - nämlich nur als Verkauf über die staatliche Verkaufsstelle - möglich ist. Auch für diese Übergangsfälle sieht das deutsche Recht den Direktübergang der Referenzmenge vom bisherigen Pächter auf den Käufer nicht vor; der Durchgangserwerb des Verpächters/Verkäufers ist auch hier systembedingt erforderlich. Das ist aber unschädlich, wenn dieser Durchgangserwerb von kürzester Dauer ist (ebenso Europäische Kommission, AUR 2003, S. 78).
cc) Richtig ist, dass die Zusatzabgabenverordnung in derartigen Fällen den Verkaufserlös nicht dem alten Pächter, sondern dem Verpächter und damit einem Nichterzeuger zuerkennt. Dieser Umstand als solcher wird indes vom europäischen Gemeinschaftsrecht nicht missbilligt. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger insofern auf den Leitgedanken des Gemeinschaftsrechts, dass verhindert werden soll, dass Referenzmengen nicht zur Erzeugung oder Vermarktung von Milch, sondern dazu verwendet werden, unter Ausnutzung ihres Marktwerts rein finanzielle Vorteile aus ihnen zu ziehen. Diesem Ziel ist dadurch Genüge getan, dass der Vorteil der Befreiung von der Milchabgabe, den die Referenzmenge verkörpert, nur Erzeugern zusteht. Ihm steht eine mitgliedstaatliche Rechtsordnung nicht entgegen, nach der Referenzmengen - mit oder ohne Fläche - von Nichterzeugern entgeltlich an Erzeuger verpachtet oder ihnen auf andere Weise überlassen werden können. Zwar zieht der Nichterzeuger aus der Referenzmenge dann einen rein finanziellen Vorteil. Die Referenzmenge wird aber gleichwohl zur Erzeugung oder Vermarktung von Milch verwendet, so dass der vom Europäischen Gerichtshof missbilligte Gegensatz nicht besteht. Dass derartige Fallgestaltungen vom Gemeinschaftsrecht akzeptiert werden, zeigen Art. 6 und Art. 8 letzter Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 in ihrer ursprünglichen Fassung, umgesetzt durch § 7a und § 7 Abs. 2a MGV, wonach die entgeltliche Überlassung einer Referenzmenge durch einen Nichterzeuger an einen Erzeuger zulässig war, und belegt zudem gerade das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Thomsen, dem die Verpachtung einer Referenzmenge durch einen Nichterzeuger zugrunde lag.
In Wahrheit liegt dem Vorbringen des Klägers der Gedanke zugrunde, dass der Erlös aus dem Verkauf der Referenzmenge billiger- und gerechterweise nicht dem Verpächter, sondern dem alten Pächter zustehe. Diese Frage betrifft nicht die Regelungsspielräume, welche das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten belässt; sie ist vielmehr eigentumsrechtlicher Natur. Der rechtliche Maßstab für ihre Beantwortung findet sich daher nicht im europäischen Milchabgabenrecht, sondern im Eigentumsgrundrecht. Mit dem Eigentumsgrundrecht ist eine derartige Regelung aber vereinbar, solange der gebotene Pächterschutz gewährleistet wird. Das ist nach § 12 Abs. 2 ZAV in Verbindung mit § 7 Abs. 4 MGV der Fall (stRspr; vgl. BVerwG 3 C 47.88 - BVerwGE 84, 140 <145 ff.> und vom - BVerwG 3 C 42.88 - BVerwGE 87, 94 <99 ff.>).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DAAAC-12484