BGH Beschluss v. - 2 StR 450/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StGB § 20; StGB § 21

Instanzenzug:

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Betrugs in acht Fällen, Betrugs in zwei Fällen, versuchten Betrugs, Bagatellbetrugs in vier Fällen und versuchten Bagatellbetrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hält der Maßregelausspruch über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Diese - unbefristete und für den Betroffenen schon deshalb in besonderem Maße belastende - Maßregelanordnung setzt die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 26 f.; 42, 385 f.), ferner, daß der Täter in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begangen hat, die mit diesem Defekt in einem kausalen, symptomatischen Zusammenhang steht. Daß diese Voraussetzungen gegeben sind, ist im angefochtenen Urteil nicht rechtsfehlerfrei dargelegt.

Das Landgericht hat sich zur Schuldfähigkeit des Angeklagten den Ausführungen des gehörten Sachverständigen Dr. B. angeschlossen. Im Urteil ist zu dessen Auffassung u. a. ausgeführt: "Diese neurotische Persönlichkeit des Angeklagten zeige sich in Ängstlichkeit, Depression, Gehemmtheit, Unsicherheit, Verletzlichkeit und Rigidität. Der Angeklagte lebe in dem ständigen Konflikt zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und dem Bedürfnis nach Anerkennung einerseits sowie der Angst vor Verletzungen andererseits. Diese Persönlichkeitsstörung des Angeklagten führe dazu, dass er, sobald er sich in Freiheit befindet und mithin für sein Leben selbst sorgen muss, immer wieder in die gleichen Verhaltensmuster zurückfalle um sich Annehmlichkeiten und Anerkennung zu verschaffen. Dabei erkenne der Angeklagte ohne Weiteres das Unrecht seiner Taten, sei jedoch aufgrund der neurotischen Persönlichkeitsstörung, einer anderen seelischen Abartigkeit, nur sehr eingeschränkt in der Lage, dieses Verhalten zu steuern. Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei erheblich eingeschränkt."

Diese Ausführungen der Strafkammer zur Persönlichkeitsstörung des Angeklagten und zu der das Gutachten des Sachverständigen tragenden fachlichen Begründung sind so allgemein gehalten, daß sich nicht zuverlässig beurteilen läßt, ob die festgestellte Störung den vom Landgericht mit dem Sachverständigen angenommenen Schweregrad eines Eingangsmerkmals der §§ 20, 21 StGB erreicht und darauf beruhend eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) vorliegt. Die Urteilsgründe selbst bezeichnen die Persönlichkeitsstörung, deren beschriebene Auswirkungen prinzipiell der üblichen Bandbreite menschlicher Eigenschaften und Verhaltensweisen entsprechen, nur als "andere seelische Abartigkeit", nicht aber als schwere andere seelische Abartigkeit. Die Urteilsausführungen belegen auch nicht, daß die Persönlichkeitsstörung den Angeklagten erheblich beeinträchtigt und damit den von § 21 StGB vorausgesetzten Schweregrad erreicht. Dazu bedarf es einer Gesamtschau, ob die nicht pathologisch bestimmten Störungen in ihrem Gewicht den krankhaften seelischen Störungen entsprechen und Symptome aufweisen, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 28; 37, 397, 401; ). Das Zurückfallen in immer wieder gleiche Verhaltensmuster ist gerade bei Betrügern häufig zu beobachten. Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kommt aber nur in Betracht, wenn feststeht, daß der Täter aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (BGHSt 42, 385, 388; BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 13). Ob die Persönlichkeitsstörung die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, erheblich vermindert hat, ist desweiteren eine vom Richter ohne Bindung an die Auffassung des Sachverständigen zu beantwortende Rechtsfrage (BGHSt 43, 66, 77), bei der auch normative Erwägungen eine Rolle spielen. Insoweit lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, ob die Strafkammer, die sich ohne weitere Ausführungen dem Sachverständigen angeschlossen hat, von zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen ist.

Über den Maßregelausspruch ist deshalb neu zu befinden. Die Aufhebung der zugehörigen Feststellungen nötigt auch zur Aufhebung des an sich nicht zu beanstandenden Strafausspruchs.

Fundstelle(n):
PAAAC-09999

1Nachschlagewerk: nein