BGH Beschluss v. - 2 StR 383/03

Leitsatz

[1] Zum Erlaß eines kammerinternen Geschäftsverteilungsplans.

Gesetze: GVG § 21 g Abs. 1; GVG § 21 g Abs. 2; StPO § 338 Ziff. 1

Instanzenzug: LG Frankfurt vom

Gründe

Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 21 g GVG sind durch die kammerinterne Geschäftsverteilung gewahrt. Der letzte Beschluß in dieser Hinsicht datiert vom . Die Verfügung des im Geschäftsjahr 2002 zur Kammer gekommenen neuen Vorsitzenden vom bestätigt lediglich den Fortbestand des rechtsgültigen und rechtzeitigen Kammerbeschlusses vom für das Jahr 2002, für das dieser Beschluß Geltung haben sollte. Im übrigen führt der neue Vorsitzende, wie auch seine Vorgänger die in dem Kammerbeschluß vom erwähnte Liste. Sie deckt sich mangels außerordentlicher Vorkommnisse mit der Reihenfolge der Zählkarten. Danach trägt die streitgegenständliche Strafsache eine gerade Ordnungszahl (10)."

Zur kammerinternen Geschäftsverteilung ergibt sich im übrigen folgendes:

Am haben die damaligen Mitglieder der 4. Strafkammer

- Vorsitzender Richter am Landgericht P. und die Richter am Landgericht K. und Dr. Sch. - einen schriftlichen Beschluß zur Geschäftsverteilung gefaßt und in den Punkten I. bis VI. u. a. geregelt, daß der Vorsitzende für alle bei der 4. Strafkammer eingehenden Anklagen ein Register führt und daß die mit ungerader Nummer eingetragenen Sachen auf den stellvertretenden Vorsitzenden (BE I), die mit gerader Nummer eingetragenen Sachen auf den weiteren Beisitzer (BE II) entfallen.

Durch weiteren Beschluß zur Geschäftsverteilung vom haben die Richter am Landgericht Dr. E. , Dr. Sch. und K. - nach Ausscheiden des bisherigen Vorsitzenden - bestimmt, daß der Richter am Landgericht Dr. E. die vom Vorsitzenden zu erledigenden Aufgaben, der Richter am Landgericht K. weiterhin die dem stellvertretenden Vorsitzenden übertragenen Aufgaben übernimmt und der Richter am Landgericht Dr. Sch. BE II bleibt.

Schließlich wurde am erneut ein Beschluß von dem Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. E. und den Richtern am Landgericht Dr. Sch. und K. gefaßt.

Dieser Beschluß lautet:

"Die Kammergeschäftsverteilung vom i. V. m. dem Beschluß vom wird wie folgt klarstellend ergänzt:

VII.

Anträge im Sicherungsverfahren (§§ 413 ff. StPO) sind wie Anklagen zu behandeln.

Wird in einer Sache eine Anklage oder ein Antrag im Sicherungsverfahren zurückgenommen bzw. ein Verfahren eingestellt und sodann im selben oder in einem späteren Jahr entweder eine neue Anklage erhoben oder ein Antrag im Sicherungsverfahren (§§ 413 ff. StPO) gestellt, ist diese neue Anklage bzw. der neue Antrag im Register des Vorsitzenden als neue Sache einzustellen. Berichterstatter bleibt jedoch entsprechend den Grundsätzen zu VI. der bisherige Berichterstatter."

In Nr. VI. des am beschlossenen Mitwirkungsplans ist bestimmt, daß in Verfahren, in denen bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden hat, oder die durch Urteil, Einstellung oder sonst beendet worden sind und die zu einer weiteren Bearbeitung Anlaß geben, von dem seinerzeit tätigen Berichterstatter oder dessen Nachfolger weiterbearbeitet werden.

Ein Beschluß zur Regelung der Geschäftsverteilung für das Jahr 2002 wurde nicht erlassen. Der Vorsitzende verfügte jedoch unter dem wie folgt:

" 1. Kammerinterne Geschäftsverteilung § 21 GVG

Es soll für die weitere Dauer des Geschäftsjahres bei den bisherigen bereits schriftlich niedergelegten Mitwirkungsgrundsätzen der 4. Strafkammer bleiben.

2. Herren K. , Dr. Sch. z. K.

3. zur Sachakte."

II. Der Rüge kann der Erfolg nicht versagt bleiben.

Nach den vom Bundesgerichtshof (BGHZ 126, 63) und vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 95, 322 = NJW 1997, 1497f. und BVerfGE 97, 1 = NJW 1998, 743) entwickelten Grundsätzen zur Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG muß die Zuständigkeit innerhalb des Spruchkörpers eines Gerichts und der darin bestehenden Sitzgruppen durch Mitwirkungsgrundsätze generell im voraus nach objektiven Merkmalen der anhängigen Sache bestimmt sein.

Nach § 21 g Abs. 2 GVG sind die Mitwirkungsgrundsätze für die kammerinterne Geschäftsverteilung durch Beschluß aller dem Spruchkörper angehörenden Berufsrichter vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer zu beschließen. Sie haben Geltung nur für das betreffende Geschäftsjahr und treten mit dessen Ablauf ohne weiteres außer Kraft (BGH NJW 1999, 796; BVerwG NJW 1991, 1370).

Eine solche kammerinterne Geschäftsverteilung hatte sich die 4. Strafkammer für das Geschäftsjahr 2001 durch den Beschluß vom und die Änderungs- bzw. Ergänzungsbeschlüsse vom und gegeben. Hingegen ist eine schriftliche Regelung für das Jahr 2002 unterblieben. Eine Auslegung der Verfügung des Vorsitzenden vom 14./ als eines etwa im Umlaufverfahren ergangenen Beschlusses zur Geschäftsverteilung 2002 kommt nicht in Betracht, denn diese Verfügung ist den weiteren Kammermitgliedern nicht zur Billigung, sondern nur zur Kenntnis vorgelegt worden, so daß es bereits an entsprechenden Willensäußerungen der Beisitzer fehlt. Im übrigen gehen sowohl die Verfügung wie auch der Beschluß der Kammer vom , mit dem der Besetzungseinwand zurückgewiesen wurde, davon aus, daß die Mitwirkungsgrundsätze für das Jahr 2002 bereits durch Beschluß der Kammer vom geregelt worden waren.

In dem Beschluß der Kammer vom kann jedoch - entgegen der Auffassung des Landgerichts - eine Regelung der kammerinternen Mitwirkungsgrundsätze für das Jahr 2002 nicht gesehen werden. Ein entsprechender Wille der Kammermitglieder ist dem nach allgemeinen Grundsätzen auszulegenden Beschluß nicht zu entnehmen.

Für eine Auslegung in diesem Sinne könnte zwar der Zeitpunkt der Beschlußfassung - ein Monat vor Beginn des Geschäftsjahres 2002 - sprechen, denn nach § 21 g Abs. 2 GVG ist die Regelung vor Beginn des Geschäftsjahres zu beschließen. Demgegenüber wird aber das Geschäftsjahr 2002 in dem Beschluß nicht erwähnt. Wäre eine Regelung gewollt gewesen, nach der die für das Jahr 2001 beschlossenen Grundsätze auch für das Jahr 2002 Geltung haben sollten, wäre dies aber zu erwarten gewesen. Im Eingangssatz wird der Beschluß vielmehr als klarstellende Ergänzung zur Kammergeschäftsverteilung vom und vom bezeichnet. Dementsprechend wird den in diesen Beschlüssen niedergelegten Mitwirkungsgrundsätzen für das Jahr 2001 auch nur ein weiterer Unterpunkt - "VII." - zugefügt und auch nur eine bestimmte Fallgestaltung, nämlich die erneute Erhebung einer Anklage oder eines Antrags im Sicherungsverfahren geregelt, nachdem bereits vorher einmal die Anklage oder der Antrag zurückgenommen oder das Verfahren eingestellt war. Zwar sollte diese ergänzende und klarstellende Regelung, die auf Punkt VI. des Beschlusses vom Bezug nimmt, auch für erneute Anklagen und Anträge gelten, die in einem "späteren Jahr" eingehen. Damit hat die Kammer das in § 21 g Abs. 2 GVG niedergelegte Jährlichkeitsprinzip nicht beachtet, hingegen erlaubt diese Formulierung nicht die Auslegung, die Kammer habe damit allgemein auf den für 2001 beschlossenen Mitwirkungsplan Bezug genommen und dessen Geltung auch für das Jahr 2002 (und darüberhinaus?) beschlossen.

Ob die Kammer, was nahe liegt, jedenfalls mündlich beschlossen hat, die Mitwirkungsgrundsätze des Jahres 2001 auch für das Jahr 2002 anzuwenden, kann dahinstehen. Denn damit wäre der vorgeschriebenen Schriftform nicht genügt, die jedenfalls nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 95, 322 = NJW 1997, 1497) verfassungsrechtlich geboten ist. Soweit in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs NStZ-RR 2003, 14 eine noch nach § 21 g GVG a.F. ergangene mündliche Regelung der Mitwirkungsgrundsätze hingenommen worden ist, betraf dies - worauf in der Entscheidung auch ausdrücklich abgestellt worden ist - einen Fall in der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Übergangsfrist (), die den Fachgerichten eingeräumt war, um sich auf die Verschärfung der verfassungsrechtlichen Anforderungen einzustellen.

Ob ein den Anforderungen des § 21 g GVG entsprechender Mitwirkungsplan in dem Beschluß vom , mit dem der Besetzungseinwand zurückgewiesen worden war, gesehen werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung, weil dieser Beschluß jedenfalls nicht für das vorliegende Verfahren Gültigkeit haben könnte, da damit für den konkreten Fall eine unzulässige Einzelfallregelung getroffen worden wäre.

Durch das Fehlen eines nach § 21 g GVG von den Kammermitgliedern zu erstellenden Mitwirkungsplans wird allerdings das Gebot des gesetzlichen Richters dann nicht verletzt, wenn ein Spielraum bei der Heranziehung der einzelnen Richter nicht besteht, wie es etwa bei dem nicht überbesetzten Spruchkörper der Fall ist. Im vorliegenden Fall hat die Kammer aber in reduzierter Besetzung nach § 76 Abs. 2 GVG verhandelt. Zwar wird die Reduzierung der Besetzung erst mit dem von allen drei Richtern erlassenen Eröffnungsbeschluß vorgenommen. In der kammerinternen Geschäftsverteilung muß aber jedenfalls geregelt werden, welcher Richter nicht an der Hauptverhandlung teilnimmt, wenn die Zweierbesetzung beschlossen werden sollte (BVerfG - Kammer - Beschluß vom - 2 BvR 1825/02; BGH NJW 2000, 371 = JR 2000,166 m. Anm. Katholnigg). Da eine solche Regelung für das Jahr 2002 nicht vorliegt, kann das Urteil keinen Bestand haben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
FAAAC-09878

1Nachschlagewerk: ja