BGH Beschluss v. - X ZR 37/03

Leitsatz

[1] Wird Unkenntnis vom wahren Zeitpunkt der Berufungseinlegung geltend gemacht, muß zur Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist innerhalb der Zwei-Wochen-Frist dargelegt werden, warum nicht bereits vor dem Zugang der gerichtlichen Mitteilung über den Zeitpunkt der Berufungseinlegung der wahre Zeitpunkt hätte erkannt werden können.

Gesetze: ZPO § 234 Abs. 1; ZPO § 234 Abs. 2

Instanzenzug: Bundespatentgericht vom

Gründe

I. Die beklagte Patentinhaberin hat gegen das am verkündete und ihrem prozeßbevollmächtigten Patentanwalt am zugestellte Urteil des Bundespatentgerichts in einer Patentnichtigkeitssache am Berufung beim Bundesgerichtshof eingelegt. Mit Schriftsatz vom hat sie "zu unserer am eingelegten Berufung ... gebeten, die Frist zur Einreichung einer Begründung um 14 Tage zu verlängern". Am hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten eine Mitteilung des Senats vom erhalten, daß die Berufungsbegründungsfrist versäumt sei.

Mit an diesem Tage beim Bundesgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom hat die Beklagte die Berufung begründet und Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Rechtfertigung dieses Antrags hat die Beklagte dabei geltend gemacht, die bei ihrem Prozeßbevollmächtigten mit der Berechnung und Überwachung von Fristen betraute, stichprobenartig überprüfte und bisher zuverlässige Kanzleiangestellte M. habe die Berufungsbegründungsfrist mit zwei Monaten ab Zustellung des angefochtenen Urteils berechnet und notiert, obwohl sie von allen Gesetzesänderungen, die Auswirkungen auf die Fristenberechnung hätten, unverzüglich in Kenntnis gesetzt worden sei. In einem Schriftsatz vom hat die Beklagte dann noch ergänzend geltend gemacht, ihr Prozeßbevollmächtigter sei bei der Unterzeichnung des Schriftsatzes vom davon ausgegangen und habe davon ausgehen dürfen, daß die Berufungsschrift vom erst am per Fax an den Bundesgerichtshof gesendet worden sei, weil fristwahrende Schriftstücke in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten generell erst am letzten Tag der zu beachtenden Frist herausgingen.

II. Die Berufung ist unzulässig und deshalb gemäß § 113 Abs. 1 PatG zu verwerfen.

1. Gemäß § 111 Abs. 2 Satz 2 PatG war die Berufung in einer Frist von einem Monat zu begründen, die mit der Einlegung der Berufung, also am begann. Innerhalb dieser Frist ist eine Berufungsbegründung nicht erfolgt. Die Berufungsbegründung der Beklagten ist erst am beim Bundesgerichtshof eingegangen.

2. Der Beklagten darf wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Auch die Antragsfrist für die Wiedereinsetzung ist nicht gewahrt.

a) Im Falle der Berufung in Patentnichtigkeitssachen muß das Wiedereinsetzungsgesuch in entsprechender Anwendung von § 234 Abs. 1 und 2 ZPO (Sen.Urt. v. - X ZR 154/99, GRUR 2000, 1010 - Schaltmechanismus) bei dem Bundesgerichtshof innerhalb einer Frist von zwei Wochen angebracht werden, die mit dem Tage beginnt, an dem das Hindernis behoben ist, das der rechtzeitigen Begründung der Berufung entgegenstand. Der Antrag muß die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten (§ 236 Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung). Hierzu gehört auch der Sachvortrag, aus dem sich entnehmen läßt, daß der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig nach Behebung des Hindernisses gestellt ist (, FamRZ 2001, 416 m.w.N.). Da nach ständiger Rechtsprechung (z.B. Sen.Beschl. v. - X ZB 14/01, BGH-Report 2001, 982) die Nachholung von die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Angaben oder ein Nachschieben neuer Begründung nach Ablauf der Frist grundsätzlich nicht möglich ist, steht auch hierzu - wenn es sich nicht um bloße Ergänzungen ergänzungsbedürftiger Angaben handelt - nur die Frist von zwei Wochen zur Verfügung.

Diesen Anforderungen genügt der Schriftsatz vom nicht.

Ursache der Verhinderung der Beklagten, die Berufung rechtzeitig zu begründen, war im Streitfall - wie die Beklagte geltend macht - ihre Unkenntnis, daß die Berufung bereits am eingelegt war und die Berufungsbegründungsfrist einen Monat ab diesem Zeitpunkt beträgt. Der Sachvortrag der Beklagten im Schriftsatz vom befaßt sich demgegenüber vornehmlich im Hinblick auf die Voraussetzung des § 233 ZPO, daß eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten, mit der Frage, warum es zu dieser Unkenntnis gekommen ist. Zu dem für die Fristberechnung maßgeblichen Wegfall der Verhinderung heißt es dort nur, durch den am eingegangenen Gerichtsbescheid vom sei man von dem Fristversäumnis in Kenntnis gesetzt worden. Das allein vermag die Wahrung der Frist jedoch nicht darzutun. Denn ein Hindernis ist nicht erst bei Kenntnis des wahren Sachverhalts entfallen; ein Hindernis ist im Sinne von § 234 Abs. 2 ZPO auch behoben, sobald das Fortbestehen der Ursache der Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist (, FamRZ 2001, 416; Beschl. v. - II ZR 225/98, NJW 2000, 592 m.w.N.). Das hätte im Streitfall ein Eingehen innerhalb der Zwei-Wochen-Frist darauf erforderlich gemacht, warum die Beklagte nicht bereits vor dem Zugang der Mitteilung des Senats vom hätte erkennen können, daß die Berufung bereits am eingelegt war und die Berufungsbegründungsfrist einen Monat beträgt. Hiermit befaßt sich jedoch erst der ergänzende Schriftsatz vom .

b) Aber auch dann, wenn man die dortigen Angaben der Beklagten mitberücksichtigt, verbleibt es bei der Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs.

Nach ständiger Rechtsprechung muß ein Rechtsanwalt bei fristwahrenden Prozeßhandlungen selbständig und eigenverantwortlich überprüfen, ob die betreffende Frist richtig ermittelt und eingetragen ist (z.B. , MDR 2002, 841; Urt. v. - V ZR 434/00, NJW 2001, 2336). Zu diesen Prozeßhandlungen gehört auch der Antrag auf Verlängerung der betreffenden Frist. An einen Patentanwalt, der in einem Nichtigkeitsberufungsverfahren als Prozeßbevollmächtigter auftritt, sind dieselben Anforderungen zu stellen (Sen.Beschl. v. - X ZR 128/00, GRUR 2001, 411 - Wiedereinsetzung V). Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hätte sich mithin bei der Unterzeichnung des Verlängerungsantrags vom nicht auf eine geübte Praxis verlassen dürfen, daß Fristen bis zum letzten Tag genutzt worden sind, sondern selbst überprüfen müssen, wann die Berufung eingelegt war und die Berufungsbegründungsfrist ablief.

Danach hätte der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten bereits am erkennen müssen, daß die Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen war. Das muß sich die Beklagte zurechnen lassen (Senat aaO). Innerhalb der damit ab dem laufenden Zwei-Wochen-Frist ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist jedoch nicht gestellt worden.

3. Angesichts dieser Umstände kommt auch eine Wiedereinsetzung nach § 236 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO nicht in Betracht.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, § 121 Abs. 2 PatG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NAAAC-05195

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja