BGH Urteil v. - VIII ZR 93/04

Leitsatz

[1] Durch einen im Rahmen der gerichtlichen Güteverhandlung geschlossenen Widerrufsvergleich der Parteien wird die Verjährung eines von dem Vergleich erfaßten Schadensersatzanspruches gemäß § 203 Satz 1 BGB bis zur Erklärung des Widerrufs gehemmt.

Gesetze: BGB § 203 Satz 1

Instanzenzug: AG Charlottenburg

Tatbestand

Die Beklagte war Mieterin einer Wohnung in dem Haus K. Straße in B. . Nach dem Mietvertrag vom hatte sie die Schönheitsreparaturen vorzunehmen. Durch Kaufvertrag vom erwarb der Kläger die Wohnung von der damaligen Eigentümerin, der L. Handelsgesellschaft mbH. Mit Schreiben vom an die Hausverwaltung kündigte die Beklagte das Mietverhältnis zum . Mit weiterem Schreiben vom lehnte die Beklagte gegenüber der Bevollmächtigten des Klägers die Ausführung von Schönheitsreparaturen ab. Am übergab der Sohn der Beklagten die Wohnungsschlüssel an die Bevollmächtigte des Klägers.

Mit der am zugestellten Klage hat der Kläger in der Eigenschaft als Wohnungseigentümer die Beklagte auf Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen und wegen Mietausfalls in Anspruch genommen. Insgesamt hat er Zahlung von 13.244,95 € nebst Zinsen verlangt. Darüber hinaus hat er die Feststellung begehrt, daß ihm die Beklagte sämtliche weiteren Schäden aufgrund der Übergabe der Wohnung in einem nicht vertragsgemäßen Zustand zu ersetzen habe. Am ist der Kläger im Grundbuch als Wohnungseigentümer eingetragen worden. Dies ist der Beklagten am durch Einsicht eines ihrer Prozeßbevollmächtigten in das Grundbuch bekannt geworden. In der Güteverhandlung vor dem Amtsgericht am haben die Parteien einen Widerrufsvergleich geschlossen, wonach die Beklagte 10.000 € in zwei Raten an den Kläger zahlt. Weiter heißt es in dem protokollierten Vergleich unter Nr. 2:

"Die Parteien sind sich dahin einig, daß mit Abschluß dieses Vergleichs sämtliche gegenseitigen Ansprüche abgegolten sind betreffend das Wohnverhältnis über die Wohnung K. Str. in B. mit Ausnahme etwaiger Betriebs- und Heizkosten."

Die Beklagte hat den Vergleich am , dem letzten Tag der vereinbarten Widerrufsfrist, widerrufen. Anschließend hat sie geltend gemacht, daß der streitige Schadensersatzanspruch dem Kläger nicht zustehe, da dieser erst am und damit nach Ende des Mietverhältnisses und Entstehung des streitigen Schadensersatzanspruchs Eigentümer der Wohnung geworden sei. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom , der dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am übergeben worden ist, unter Vorlage einer schriftlichen Bestätigung der Voreigentümerin der Wohnung behauptet, diese habe ihm bereits im Juni 2002 sämtliche aus dem Mietvertrag über die verkaufte Wohnung vom ab dem Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung am entstehenden Forderungen abgetreten. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Amtsgericht hat der Klage hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs wegen unterlassener Schönheitsreparaturen in Höhe von 10.168,86 € nebst Zinsen stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Landgericht zugelassenen Revision, mit der sie weiterhin die vollständige Abweisung der Klage erstrebt.

Gründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in GE 2004, 626 abgedruckt ist, hat ausgeführt:

Der in der Berufungsinstanz allein noch streitgegenständliche Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 326 Abs. 1 BGB wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen sei nicht gemäß § 548 BGB n.F. verjährt. Die Hemmung der Verjährung sei nicht bereits mit der Klageerhebung, sondern erst aufgrund des am zugestellten Schriftsatzes vom eingetreten. Denn die Geltendmachung eines abgetretenen statt eines eigenen Rechts stelle eine Klageänderung dar. Die Verjährung werde aber nur in Bezug auf den zunächst rechtshängigen Streitgegenstand gehemmt. Die Verjährungsfrist sei nicht bereits seit der Schlüsselrückgabe am oder dem Ende des Mietvertrages am gelaufen, sondern seit dem . Denn wenn eine Fristsetzung aufgrund einer Erfüllungsverweigerung des Schuldners - hier Schreiben der Beklagten vom - entbehrlich sei, bedürfe es einer Ablehnungserklärung des Schuldners (richtig: Gläubigers), durch die erst der Schadensersatzanspruch bei gleichzeitigem Untergang des Erfüllungsanspruchs (§ 326 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB) entstehe. Der Beginn der Verjährungsfrist für einen Anspruch könne indes nicht vor dessen Entstehen liegen. Durch § 548 BGB n.F. sei insoweit keine Änderung eingetreten. Der Hinweis in der Gesetzesbegründung, daß die Regelung eine § 198 BGB a.F. vorrangige Sonderregelung sei, sei im Gesetzeswortlaut nicht zum Ausdruck gekommen. Zwar sei § 198 BGB aufgehoben worden. Die Neufassung der Verjährungsvorschriften enthalte in § 200 BGB jedoch eine gleichlautende Regelung.

Die Verjährung sei auch aus einem weiteren Grund nicht eingetreten. Die Parteien hätten vor Ablauf der Verjährungsfrist, die frühestens mit Rückgabe der Schlüssel am begonnen habe, am Verhandlungen über den Anspruch gemäß § 203 BGB n.F. aufgenommen, indem sie einen Vergleich mit einer Widerrufsmöglichkeit bis zum geschlossen hätten. Mit ihrem Widerruf am habe die Beklagte die Fortsetzung der Verhandlungen im Sinne von § 203 BGB n.F. abgelehnt. Demzufolge habe die Verjährungsfrist jedenfalls nicht vor dem Ablauf von weiteren drei Monaten, das heißt nicht vor dem geendet.

II.

Diese Ausführungen halten mit der in zweiter Linie gegebenen Begründung der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand, so daß die Revision zurückzuweisen ist. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß der von dem Kläger - zuletzt gemäß § 398 BGB aus abgetretenem Recht der L. Handelsgesellschaft mbH - gegen die Beklagte geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung der vertraglichen Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen aus § 326 Abs. 1 BGB (in der bis zum geltenden Fassung, im folgenden: a.F.) in der bereits in der Berufungsinstanz nicht mehr streitigen Höhe von 10.168,86 € nicht nach § 548 BGB verjährt ist.

1. § 326 Abs. 1 BGB a.F. ist hier gemäß Art. 229 § 5 EGBGB noch anzuwenden, da das Mietverhältnis zwischen der L. Handelsgesellschaft mbH und der Beklagten vor dem entstanden und vor dem beendet worden ist. Die in der Revisionsinstanz allein noch streitige Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus § 326 Abs. 1 BGB a.F. ist dagegen gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nach den seit dem geltenden Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zu beurteilen. Diese finden gemäß der genannten Überleitungsbestimmung auf die am bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Erst recht gilt das für Ansprüche, die - wie der hier in Rede stehende Schadensersatzanspruch - vor dem noch nicht entstanden und auch noch nicht verjährt sind (Senatsurteil vom - VIII ZR 114/04, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, NJW 2005, 739 unter II 2 b).

2. Demgemäß hat das Berufungsgericht hier zutreffend die Verjährungsregelung des § 548 BGB herangezogen. Nach deren Absatz 1 Satz 1 verjähren die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, zu denen auch der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung der vertraglich geschuldeten Schönheitsreparaturen aus § 326 Abs. 1 BGB a.F. gehört, in sechs Monaten. Nach Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Wie der Senat nach Erlaß des angefochtenen Urteils entschieden hat, gilt das entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts angesichts des ebenfalls anzuwendenden § 200 Satz 1 BGB - anders als nach §§ 558 Abs. 2, 198 BGB a.F. (vgl. dazu BGHZ 107, 179, 184; 138, 49, 51; , WM 1999, 1136 unter 6; ferner KG (RE) NJW-RR 1997, 392) - auch dann, wenn die genannten Ersatzansprüche erst zu einem späteren Zeitpunkt entstehen, weil mit § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB im Sinne des § 200 Satz 1 BGB ein anderer Verjährungsbeginn als der der Entstehung des Anspruchs bestimmt worden ist (Senatsurteil vom , aaO unter II 3).

Hier hat die Verjährung daher bereits mit der Rückgabe der Wohnungsschlüssel durch den Sohn der Beklagten an die Bevollmächtigte des Klägers am begonnen. In diesem Zeitpunkt hat der Kläger die Wohnung im Sinne des § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB zurückerhalten. Zum einen liegt in der Rückgabe der Wohnungsschlüssel die erforderliche vollständige und unzweideutige Besitzaufgabe der Beklagten als Mieterin; zum anderen ist der Kläger in die Lage versetzt worden, sich durch die nunmehr erworbene unmittelbare Sachherrschaft ungestört ein Bild von dem Zustand der Wohnung zu machen (vgl. , WM 2004, 537 unter II 3 a m.w.Nachw.). Der Kläger war zwar nicht Vermieter, da er erst am im Grundbuch als Wohnungseigentümer eingetragen wurde und deswegen zu keinem Zeitpunkt nach § 566 BGB anstelle der L. Handelsgesellschaft mbH in das zum gekündigte Mietverhältnis mit der Beklagten eingetreten ist. Die Übergabe der Wohnungsschlüssel an ihn beziehungsweise seine Bevollmächtigte erfolgte jedoch ersichtlich mit Einwilligung der Vermieterin, die dem Kläger ausweislich ihrer Bestätigung vom bereits im Juni 2002 sämtliche aus dem Mietverhältnis mit der Beklagten ab dem Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung am entstehenden Forderungen abgetreten hatte.

3. Die mithin gemäß §§ 548 Abs. 1 Satz 2, 200 Satz 1, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Satz 1 BGB regulär mit Ablauf des eintretende Verjährung des vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ist nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts nicht schon durch die Erhebung der Klage am gemäß §§ 204 Abs. 1 Nr. 1, 209 BGB gehemmt worden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterbricht die Erhebung der Klage nach § 209 Abs. 1 BGB a.F. die Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden, also nur für den streitgegenständlichen prozessualen Anspruch (Senatsurteil BGHZ 104, 6, 12; BGHZ 132, 240, 243; Urteil vom - VI ZR 246/94, WM 1996, 125 = NJW 1996, 117 unter II 2 a; Urteil vom - VI ZR 101/98, WM 1999, 1065 = NJW 1999, 2110 unter II 2, jew. m.w.Nachw.). Für die nach neuem Recht an die Stelle der Unterbrechung getretene Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gilt nichts anderes (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 204 Rdnr. 13). Danach ist hier durch die Erhebung der Klage keine Hemmung der Verjährung des in Rede stehenden Schadensersatzanspruchs aus § 326 Abs. 1 BGB a.F. eingetreten. Der Kläger verfolgt diesen Anspruch gemäß dem Schriftsatz vom nach § 398 BGB aus abgetretenem Recht der L. Handelsgesellschaft mbH, die ihm nach den unangegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen die Forderung im Juni 2002 übertragen hatte. In der Klageschrift hat er den Anspruch dagegen zunächst - zu Unrecht, weil er mangels Eintragung noch nicht nach § 566 BGB anstelle der L. Handelsgesellschaft mbH in den Mietvertrag mit der Beklagten eingetreten war (vgl. oben unter II 2) - aus eigenem Recht als neuer Wohnungseigentümer geltend gemacht. Damit hatte die ursprüngliche Klage einen anderen Streitgegenstand. In dem Übergang von einem Anspruch aus eigenem Recht zu einem solchen aus abgetretenem Recht liegt wegen der Änderung des dazu vorgetragenen Lebenssachverhalts ein Wechsel des Streitgegenstandes im Sinne einer Klageänderung nach § 263 ZPO ( aaO unter II 2 c aa; Urteil vom - III ZR 53/98, WM 1999, 704 unter 3; Musielak/Foerste, ZPO, 4. Aufl., § 263 Rdnr. 3; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 263 Rdnr. 7; MünchKomm/Lüke, ZPO, 2. Aufl., § 263 Rdnr. 16; ferner BVerfGE 54, 117, 127 f.; anders aaO unter II 2 für den Sonderfall einer stillen Sicherungszession, bei der der Zedent aufgrund der ihm eingeräumten Einziehungsermächtigung grundsätzlich die an den Sicherungszessionar abgetretene Forderung geltend macht, auch wenn er Zahlung an sich verlangt).

4. Die Verjährung des von dem Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ist jedoch nach der ebenfalls zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts vor ihrer Vollendung am gemäß § 203 Satz 1 BGB durch den im Rahmen der gerichtlichen Güteverhandlung geschlossenen Widerrufsvergleich der Parteien vom gehemmt worden. Dadurch sind die Parteien in Verhandlungen über den Anspruch eingetreten. Dem steht nicht entgegen, daß der von dem Kläger zuletzt aus abgetretenem Recht der L. Handelsgesellschaft mbH verfolgte Anspruch gemäß den vorstehenden Ausführungen nicht Streitgegenstand der ursprünglich erhobenen und zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch nicht geänderten Klage gewesen ist. Ungeachtet dessen erfaßt der Vergleich auch diesen Anspruch. Das ergibt eine Auslegung, die der Senat selbst vornehmen kann, da sie das Berufungsgericht unterlassen hat und dazu keine weiteren Feststellungen erforderlich sind. Nach Nr. 2 des Vergleichs sind sich die Parteien darüber einig, "daß mit Abschluß dieses Vergleichs sämtliche gegenseitigen Ansprüche abgegolten sind betreffend das Wohnverhältnis über die Wohnung K. Str. in B. mit Ausnahme etwaiger Betriebs- und Heizkosten." Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Abgeltungsklausel haben die Parteien sämtliche Ansprüche betreffend das Wohnverhältnis der Beklagten mit Ausnahme der hier nicht in Rede stehenden Betriebs- und Heizkosten zum Gegenstand des Vergleichs gemacht. Zu den von dem Vergleich erfaßten Ansprüchen gehört danach nicht nur der vom Kläger mit der ursprünglichen Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus eigenem Recht, sondern auch der von ihm zuletzt verfolgte Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht, da dieser ebenfalls das Wohnverhältnis der Beklagten und sogar den nämlichen Schaden betrifft. Das erscheint auch insoweit unbedenklich, als der Beklagten beziehungsweise ihrem Prozeßbevollmächtigten bei Abschluß des Widerrufsvergleichs durch vorherige Einsicht in das Grundbuch bekannt war, daß der Kläger darin erst am als Eigentümer der Wohnung eingetragen worden war.

5. Die aufgrund des Widerrufsvergleichs vom schwebenden Verhandlungen der Parteien sind durch den Widerruf der Beklagten im Schriftsatz vom , der dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am zugestellt worden ist, beendet worden, da die Beklagte mit dem Widerruf die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert hat. Zu diesem Zeitpunkt hat die Hemmung der Verjährung nach § 203 Satz 1 BGB geendet. Gemäß § 203 Satz 2 BGB tritt die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein. Zuvor und damit in unverjährter Zeit hat der Kläger mit Schriftsatz vom , der dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am durch Übergabe zugestellt worden ist, den Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht der L. Handelsgesellschaft mbH gerichtlich geltend gemacht.

Fundstelle(n):
DB 2005 S. 1905 Nr. 35
NZM 2005 S. 535 Nr. 14
AAAAC-04654

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja