BGH Urteil v. - VIII ZR 265/03

Leitsatz

[1] Bei einem Kauf auf Probe beginnt die Widerrufsfrist des Verbrauchers nach § 312 d BGB nicht vor dem Zeitpunkt, in dem der Kaufvertrag durch Billigung für diesen bindend geworden ist.

Gesetze: BGB § 312 d; BGB § 355; BGB § 455

Instanzenzug: LG Osnabrück vom AG Osnabrück vom

Tatbestand

Der Beklagte bestellte bei der Klägerin, die einen Kunstversand betreibt, am telefonisch eine aus sechs Bildern bestehende Kunstgrafikmappe "O. " zum Preis von 1.194,12 € einschließlich Mehrwertsteuer, wobei ein Kauf auf Probe vereinbart wurde. Die Ware wurde an den Beklagten am ausgeliefert. In dem beigefügten Schreiben mit der Überschrift "Auftrag-Nr. ..., Rechnung-Nr. ... und Lieferschein" heißt es wie folgt:

"Wir danken für den Abschluß des Kaufs auf Probe vom und übersenden anbei die bestellte Kunstgrafikmappe. Bei einem Kauf auf Probe steht die Billigung der gekauften Grafikmappe in Ihrem Belieben. Der Kauf ist unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung geschlossen. Die Billigungsfrist beträgt zwei Wochen ab Eingang der Ware bei Ihnen. Ihr Schweigen gilt als Billigung (§ 454, 455). Billigen Sie nicht, sind Sie verpflichtet, auf meine Gefahr und meine Kosten die Kunstgrafikmappe zuzusenden."

In einem weiteren Abschnitt des Schreibens heißt es:

"Wichtig

Widerrufsbelehrung:

Sie können den auf Probe geschlossenen Kaufvertrag innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen widerrufen, anderenfalls der Kauf auf Probe rechtsverbindlich wird. Die Frist zum Widerruf beginnt mit dem Erhalt der Bilder durch Zustellung bei Ihnen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs an die Firma E. ... (Klägerin). Widerrufen Sie, sind Sie verpflichtet, die erhaltenen Bilder auf meine Gefahr und meine Kosten zurückzusenden. Zur Ausübung Ihres Widerrufs genügt es auch, wenn Sie die Bilder innerhalb von zwei Wochen an den Widerrufsempfänger zurückschicken. Die Zwei-Wochen-Frist beginnt mit dem Erhalt der Bilder durch Zustellung bei Ihnen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung. ..."

Am gab der Beklagte die Ware durch Aufgabe zur Post an die Klägerin zurück.

Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Lieferung der Grafikmappe in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

In der Revisionsverhandlung vom , zu welcher die Klägerin zu Händen ihres zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten ordnungsgemäß geladen worden ist, hat diese sich nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

Gründe

I.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Parteien hätten einen wirksamen Kauf auf Probe abgeschlossen, der nach Ablauf der Billigungsfrist durch Eintritt der aufschiebenden Bedingung wirksam geworden sei. Der Beklagte habe kein Widerrufsrecht gemäß § 312 d BGB mehr, weil die Klägerin alle Verpflichtungen nach den Vorschriften über Fernabsatzverträge erfüllt habe und die Widerrufsfrist abgelaufen sei. Die zweiwöchige Frist habe am geendet, nachdem die Klägerin unter dem dem Beklagten die Ware und die Belehrung zugestellt habe. Den Informationspflichten gemäß der Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht (BGB-InfoV) sei die Klägerin nachgekommen.

Erfolglos wende sich der Beklagte gegen die "Kombination" der Billigungsfrist des Kaufs auf Probe und der Widerrufsfrist bei Fernabsatzverträgen. Zwar werde der Kauf auf Probe erst bei Eintritt der aufschiebenden Bedingung und damit erst nach Ablauf der Billigungsfrist wirksam. Der Eintritt der Bedingung sei jedoch nicht Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist. Der Gesetzgeber habe dem Verbraucher mit der Widerrufsfrist bei Fernabsatzverträgen Gelegenheit zur Prüfung geben wollen, ob er an den Vertrag gebunden sein wolle. Eine ähnliche Überlegung werde der Käufer anstellen, der sich zu einem Kauf auf Probe entschließe. In beiden Fällen werde er nach Erhalt der Ware zu prüfen haben, ob es bei dem Vertrag bleiben solle. Die Verdoppelung der Billigungsfrist bei einer solchen Konstellation benachteilige die Interessen des Verkäufers unangemessen; denn je länger die Ware bei dem Käufer verbleibe, um so mehr bestehe die Gefahr ihrer Beeinträchtigung. Der Käufer könne sich binnen zwei Wochen entscheiden, wobei diese Frist ausreiche.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, so daß der Revision der Erfolg nicht zu versagen war. Dabei war über die Revision des Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden; das Urteil beruht jedoch nicht auf der Säumnis der Klägerin (BGHZ 37, 79).

1. Zwischen den Parteien ist aufgrund der Bestellung des Beklagten vom , wie die Vorinstanzen rechtsfehlerfrei und unangegriffen festgestellt haben, ein Kauf auf Probe im Sinne des § 454 BGB geschlossen worden, der unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung durch den Beklagten stand. Die vereinbarte Billigungsfrist von zwei Wochen begann mit Eingang der Grafikmappe bei dem Beklagten am und endete am , so daß die Rücksendung der Ware am verspätet erfolgte und das Schweigen des Beklagten während der vereinbarten Frist als Billigung des Kaufvertrages anzusehen ist (§ 455 Satz 2 BGB).

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der Beklagte den Kaufvertrag jedoch mit Rücksendung der Ware am gemäß §§ 312 d Abs. 1 Satz 1, 355 BGB wirksam widerrufen.

a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Kaufvertrag am telefonisch und damit als Fernabsatzvertrag im Sinne des §§ 312 b Abs. 1 und 2 BGB geschlossen worden ist, so daß dem Beklagten gemäß §§ 312 d Abs. 1 Satz 1, 355 BGB ein Widerrufsrecht zusteht.

b) Nach § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB, der § 361 a Abs. 1 Satz 1 BGB in der Fassung des Gesetzes vom (BGBl. I 897) entspricht, ist der Verbraucher, dem durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt ist, "an seine auf den Abschluß des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat". Obwohl nach dem Gesetzeswortlaut nicht der Vertrag als Ganzes, sondern nur die auf den Vertragsschluß zielende Willenserklärung des Verbrauchers zu widerrufen ist, wird das Widerrufsrecht überwiegend als besonders ausgestaltetes Rücktrittsrecht verstanden, das den zunächst wirksam zustande gekommenen Vertrag durch Widerruf der Willenserklärung des Verbrauchers in ein Abwicklungsverhältnis umgestaltet (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 355 Rdnr. 3; Ring in Anwaltskommentar Schuldrecht, § 312 d Rdnr. 6; ders. § 355 Rdnr. 2; Reich, EuZW 1997, 581, 585; Bülow, ZIP 1999, 1293, 1295; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1281; siehe auch Staudinger/Kaiser, BGB, 2001, § 361 a Rdnr. 17). Dies entspricht Art. 6 der Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz vom (ABl. EG Nr. L 114 vom = NJW 1998, 212), der dem Verbraucher das Recht einräumt, "jeden Vertragsschluß im Fernabsatz innerhalb einer Frist von mindestens sechs Werktagen ohne Angabe von Gründen und ohne Strafzahlung (zu) widerrufen". Nach dieser Auffassung konnte das Widerrufsrecht des Beklagten frühestens mit dem Wirksamwerden des geschlossenen Kaufvertrages, somit erst nach Ablauf der Billigungsfrist am entstehen.

c) Soweit die Entstehung des Widerrufsrechts bereits für den Zeitpunkt angenommen wird, in dem die auf Abschluß des Fernabsatzvertrages gerichtete Willenserklärung des Verbrauchers wirksam wird, ohne daß es darauf ankommen soll, ob die Willenserklärung bzw. der Vertrag ansonsten wirksam ist oder nicht (MünchKommBGB/Wendehorst, 4. Aufl., Bd. 2 a, § 312 d Rdnr. 18 f.; MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 355 Rdnr. 21), führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Auch wenn bereits mit Abschluß des Vertrages vom von einem aufschiebend bedingten Kaufvertrag ausgegangen wird (vgl. RGZ 94, 285, 287; 137, 297, 298; Metzger in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 495 Rdnr. 1; Staudinger/Mader, BGB, 1995, § 495 Rdnr. 2; a.A. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 2 1. Halbband, 13. Aufl., S. 144 f.), bedarf es noch einer weiteren Voraussetzung zum Vertragsschluß. Durch diesen Vertrag ist bis zum Ablauf der Billigungsfrist lediglich der Verkäufer gebunden, während die Entscheidung über die Billigung oder Mißbilligung im freien Belieben des Käufers steht (RG JW 1923, 605; Metzger aaO; Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 495 Rdnr. 1; MünchKommBGB/H.P. Westermann, 3. Aufl., § 495 Rdnr. 1 f.). Da erst die Billigung der für den eigentlichen Vertragsabschluß entscheidende Zeitpunkt ist, geht die Gefahr des zufälligen Untergangs noch nicht während der Schwebezeit, sondern erst mit der Billigung auf den Käufer über (Senatsurteil vom - VIII ZR 175/73, DB 1975, 589 unter II 3; Metzger aaO Rdnr. 7; Staudinger/Mader aaO, § 495 Rdnr. 21; Soergel/Huber aaO, § 495 Rdnr. 10); für den Verlust der Gewährleistungsrechte nach § 460 BGB a.F. (§ 442 BGB n.F.) ist ebenfalls erst der Zeitpunkt der Billigung und nicht der Abschluß des aufschiebend bedingten Kaufvertrages maßgebend (RGZ 94, 285, 287; MünchKommBGB/H.P. Westermann aaO, § 495 Rdnr. 9; Soergel/Huber aaO § 495 Rdnr. 11). Mit Rücksicht darauf, daß somit erst die Billigung des Käufers den zunächst auf Probe abgeschlossenen Kaufvertrag voll wirksam macht und den Käufer vertraglich bindet, erscheint es gerechtfertigt, die Billigung als den nach § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB maßgeblichen Zeitpunkt anzusehen, von dem an die Widerrufsfrist für die auf den Abschluß des Verbrauchervertrages gerichtete Willenserklärung des Käufers zu laufen beginnt.

d) Auch die mit der Billigungsfrist des § 455 BGB einerseits und des Widerrufsrechts nach § 312 d BGB andererseits verfolgten unterschiedlichen Ziele stehen einem Parallellauf beider Fristen entgegen. Während mit der Übergabe der Sache beim Kauf auf Probe der mit der Billigungsfrist verfolgte Zweck in erster Linie darin besteht, dem Käufer Gelegenheit zur Prüfung der Tauglichkeit der Sache zu geben (BGHZ 119, 35, 39; Staudinger/Mader aaO, § 495 Rdnr. 5), will das nunmehr in den §§ 312 b bis 312 d BGB geregelte Fernabsatzrecht vor den spezifischen Gefahren von Verträgen schützen, bei denen der Verbraucher regelmäßig die Ware oder Dienstleistung sowie die Person seines Geschäftspartners vor Vertragsschluß nicht zu sehen bekommt. Für den Verbraucher besteht in einem solchen Fall die Gefahr, daß er die nötigen Informationen über die Ware oder Dienstleistung und die Person des Vertragspartners infolge verringerter Rückfragemöglichkeiten entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nur in "flüchtiger" Form erhält. Abgesehen davon, daß der Verbraucher die Eigenschaften der zu erwerbenden Ware oder Dienstleistung mangels unmittelbarer Möglichkeit der Inaugenscheinnahme und Untersuchung nicht zur Kenntnis nehmen kann, besteht für ihn vielfach auch keine Möglichkeit, von der Seriosität seines Vertragspartners selbst einen Eindruck zu gewinnen und insbesondere in Erfahrung zu bringen, an wen er sich wegen möglicher Gewährleistungsrechte zu wenden hat (MünchKommBGB/Wendehorst aaO, Vor § 312 b Rdnr. 4 unter Hinweis auf die Erwägungsgründe 11, 13 und 14 der Richtlinie 97/7/EG vom ; siehe auch Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, BGB, 2003, Einf. Vor § 312 b Rdnr. 1; Fuchs aaO).

Damit stehen aber der Regelungszweck des Fernabsatzrechts als Verbraucherschutzrecht und der mit dem Kauf auf Probe verfolgte Zweck nebeneinander. Sind dem Käufer, der einen Kaufvertrag auf Probe abgeschlossen hat, sowohl die vertragliche Billigungsfrist des § 455 BGB wie das gesetzliche Widerrufsrecht gemäß §§ 312 d, 355 BGB eingeräumt worden, müssen ihm die genannten Fristen auch in vollem Umfang erhalten bleiben.

3. Die mit Ablauf der zweiwöchigen Billigungsfrist erst beginnende Widerrufsfrist wäre danach nicht abgelaufen, als der Beklagte am die Grafikmappe durch Aufgabe zur Post an die Klägerin zurückgegeben und damit sein Widerrufsrecht ausgeübt hat (§§ 312 d Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 1 Satz 2 BGB). Da die Klägerin den Beklagten entgegen ihrer Informationspflicht gemäß § 312 c Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Nr. 1 BGB-InfoV nicht zutreffend über den Beginn der Widerrufsfrist unterrichtet hat, wäre zudem das Widerrufsrecht des Beklagten gemäß § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB ohnehin nicht erloschen. Mangels Vorliegens eines wirksamen Kaufvertrages ist daher der mit der Klage verfolgte Kaufpreisanspruch der Klägerin nicht begründet, so daß die Klage unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts sowie Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils abzuweisen ist.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BB 2004 S. 1246 Nr. 23
DB 2004 S. 1934 Nr. 36
XAAAC-04402

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein