Leitsatz
[1] Zum Erfordernis der Unterzeichnung der Berufungsbegründung durch einen postulationsfähigen Rechtsanwalt.
Gesetze: ZPO § 520 Abs. 5; ZPO § 130 Nr. 6
Instanzenzug: LG Hamburg 316 S 152/04 vom AG Hamburg-Barmbek 816 C 202/03 vom
Gründe
Die Beklagten waren Mieter einer Wohnung der Klägerin in H. . Die Klägerin hat von ihnen restliche Miete sowie Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen und Beschädigung der Mietsache verlangt. Das Amtsgericht hat der Klage gegen die Beklagte zu 1 teilweise stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage - ebenso wie die Widerklage der Beklagten zu 1 - abgewiesen. Beide Beklagte haben Berufung eingelegt. Am letzten Tag der bis zum verlängerten Berufungsbegründungsfrist ging beim Landgericht kurz vor Mitternacht eine vom Telefaxgerät des Beklagten zu 2 übermittelte Berufungsbegründungsschrift ein, deren letzte Seite vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten unterzeichnet war. Das Landgericht hat die Beklagten auf Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit der Berufungsbegründung hingewiesen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat sich zu dem Hinweis nicht geäußert und sein Mandat niedergelegt. Daraufhin hat das Landgericht die Berufung der Beklagten unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), jedoch unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
1. Die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 2 ist schon deshalb nicht zulässig, weil der Beklagte zu 2 durch das angefochtene Urteil des Amtsgerichts nicht beschwert und seine Berufung deshalb bereits aus diesem Grund als unzulässig zu verwerfen war (§§ 511, 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
2. Auch hinsichtlich der Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 1 liegen die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vor. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil die Berufungsbegründungsschrift nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 5 in Verbindung mit § 130 Nr. 6 und § 78 ZPO genügt, bietet entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keinen Anlass zur Fortbildung des Rechts. Die der Entscheidung zugrunde liegenden rechtlichen Maßstäbe sind geklärt und bedürfen keiner Fortentwicklung.
Als bestimmender Schriftsatz muss die Berufungsbegründung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich von einem zur Vertretung bei dem Berufungsgericht berechtigten Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein (, NJW 2005, 2709 unter III 2 a aa m.w.Nachw.). Die Unterzeichnung durch einen postulationsfähigen Rechtsanwalt stellt keine bloße Formalität dar; sie ist äußerer Ausdruck für die vom Gesetz geforderte Prüfung des Inhalts der Begründungsschrift durch den Anwalt (BGH, aaO unter III 2 a bb m.w.Nachw.). Da sich das Gesetz aus Gründen der Rechtssicherheit mit dem äußeren Merkmal der Unterschrift begnügt, ohne einen darüber hinausgehenden Nachweis zu fordern, dass der Anwalt den Prozessstoff eigenverantwortlich durchgearbeitet hat und die Verantwortung für dessen Inhalt tragen will, besteht zwar für ein Berufungsgericht in aller Regel kein Anlass, den Inhalt einer anwaltlich unterschriebenen Berufungsbegründung darauf zu überprüfen, in welchem Umfang und wie gründlich der Anwalt den Prozessstoff tatsächlich durchgearbeitet hat (BGH, aaO unter III 2 a bb (1) m.w.Nachw.). Dies gilt aber nicht, wenn nach den Umständen außer Zweifel steht, dass der Rechtsanwalt den Schriftsatz ohne eigene Prüfung, also unbesehen unterschrieben hat (BGH, aaO unter III 2 a bb (2)).
So verhält es sich im vorliegenden Fall. Das Berufungsgericht hat aufgrund einer zutreffenden Gesamtwürdigung von Form und Inhalt der Berufungsbegründungsschrift, insbesondere des fehlenden Sinnzusammenhangs im Übergang zur letzten Seite des Schriftsatzes sowie aufgrund der Unterschiede im Erscheinungsbild und in der sprachlichen Diktion zwischen den ersten beiden Seiten und der letzten Seite, mit Recht die Überzeugung gewonnen, dass die ersten beiden Seiten ohne Kenntnis des Prozessbevollmächtigten von deren Inhalt mit der letzten, vom Prozessbevollmächtigten unterzeichneten Seite verbunden worden sind. Damit hat der Prozessbevollmächtigte nicht, wie es erforderlich ist, die Verantwortung für den Inhalt der gesamten Berufungsbegründungsschrift übernommen. Dafür spricht auch, dass die Berufungsbegründung nicht von der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten, sondern kurz vor Mitternacht vom Telefaxgerät des Beklagten zu 2 übermittelt worden war, dass die Beklagten die ihnen vom Berufungsgericht eingeräumte Möglichkeit, die Auffälligkeiten des Schriftsatzes zu erklären, nicht wahrgenommen haben und dass ihr Prozessbevollmächtigter, ohne sich zu dem gerichtlichen Hinweis zu äußern, das Mandat niederlegte. Die spätere Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in dessen erst nach dem Verwerfungsbeschluss verfassten Schriftsatz vom ist wegen der Unzulässigkeit neuen Tatsachenvortrages im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen (§ 577 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 559 ZPO; , NJW-RR 2004, 1364 unter II 2 c).
3) Die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 1 ist auch nicht unter verfassungsrechtlichem Gesichtspunkt (Art. 103 Abs. 1 GG) zulässig. Das Berufungsgericht hat den Beklagten vor seiner Entscheidung rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gewährt. Es hat seine Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit der Berufungsbegründung vor der Verwerfung der Berufung den Beklagten mitgeteilt und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Durch die Verfügung vom hat es die anwaltlich vertretenen Beklagten darauf hingewiesen, dass "Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen, da Inhalt und Absender der Berufungsschrift vom (Fax) nicht unbedingt erkennen lassen, dass es sich um einen den Anforderungen des § 520 ZPO genügenden Schriftsatz handelt". Das reichte unter den gegebenen Umständen angesichts der nicht zu übersehenden und auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellten Auffälligkeiten der Berufungsbegründung gegenüber einem Anwalt aus, um die bestehenden Zweifel auszudrücken, ob der Schriftsatz den Anforderungen des § 520 Abs. 5 i.V.m. § 130 Nr. 6 ZPO genügt. Im Übrigen hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht gerügt, dass der Hinweis etwa unverständlich sei, sondern das Mandat, ohne sich zu dem Hinweis zu äußern, niedergelegt. Das Berufungsgericht hatte deshalb keine Veranlassung, seine Bedenken zu konkretisieren.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 1208 Nr. 17
NJW-RR 2006 S. 342 Nr. 5
DAAAC-03856
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein