Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 91 Abs. 2 Satz 3; ZPO § 91 Abs. 1
Instanzenzug: LG Landshut vom
Gründe
I.
Die Klägerin, die Deutsche Telekom AG mit dem Sitz in Bonn, hatte gegen die Beklagte, die in Landshut ein Gastronomieunternehmen betreibt, aus einem Kauf- und Montagevertrag sowie einem Mietvertrag eine Forderung in Höhe von insgesamt 892,23 €. Mit der Durchführung des Mahnverfahrens beauftragte sie eine Heidelberger Anwaltskanzlei, die sie in derartigen Fällen stets einschaltet. Nachdem die Beklagte gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt hatte, gab das zuständige Mahngericht das Verfahren an das Amtsgericht Landshut ab. Mit der Vertretung im streitigen Verfahren beauftragte die Klägerin eine Münchner Anwaltskanzlei.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Landshut erging gegen die Beklagte Versäumnisurteil; die Kosten des Verfahrens wurden der Beklagten auferlegt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluß vom hat das Amtsgericht die der Klägerin zu erstattenden Kosten antragsgemäß wie folgt festgesetzt:
Verauslagte Gerichtskosten 138,05 €
10/10 Mahnverfahrensgebühr (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) 66,47 €
Pauschsatz (§ 26 BRAGO) 9,97 €
10/10 Prozeßgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) 66,47 €
5/10 Verhandlungsgebühr (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO) 33,23 €
Pauschsatz (§ 26 BRAGO) 14,98 €
Tage- und Abwesenheitsgeld (§ 28 BRAGO) 15,34 €
Fahrtkosten (§ 28 BRAGO) 35,10 €
insgesamt 379,61 €
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Landgericht den Kostenfestsetzungsbeschluß abgeändert und den Erstattungsbetrag auf 258,20 € festgesetzt. Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
II.
Das Landgericht meint, die Klägerin sei nach dem Grundsatz der kostensparenden Prozeßführung gehalten gewesen, bereits für das Mahnverfahren einen Rechtsanwalt am Sitz des Prozeßgerichts zu beauftragen; besondere Kenntnisse des Telekommunikationsrechts seien entgegen der Auffassung der Klägerin im vorliegenden Fall nicht erforderlich gewesen. Überdies sei, wie auch das Vorgehen der Klägerin zeige, von vornherein zu erkennen gewesen, daß ein eingehendes Mandantengespräch entbehrlich gewesen sei. Unter diesen Umständen seien die Kosten, die durch die Einschaltung der Heidelberger Kanzlei im Mahnverfahren und die Reise eines Münchner Rechtsanwaltes zum Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht Landshut entstanden seien, nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Prüfung nicht in vollem Umfang stand.
1. Die Kosten, die der Klägerin durch die Beauftragung verschiedener Rechtsanwälte einerseits für das Mahnverfahren und andererseits für das anschließende streitige Verfahren entstanden sind, sind ihr von der Beklagten gemäß § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO dem Grunde nach zu erstatten. Nach dieser Bestimmung sind die Kosten mehrerer Anwälte insoweit erstattungsfähig, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten mußte. Letzteres war hier nicht der Fall; denn der mit der Durchführung des Mahnverfahrens beauftragte Heidelberger Rechtsanwalt hätte vor dem Amtsgericht Landshut als Prozeßbevollmächtigter der Klägerin auftreten können. Auch sonst liegen keine Gründe vor, die jenen Anwalt an der Wahrnehmung des Verhandlungstermins in Landshut gehindert hätten.
Eine Erstattung kommt daher nur in Betracht, soweit die durch den Anwaltswechsel entstandenen Mehrkosten auch der Höhe nach notwendig waren und diejenigen Kosten nicht übersteigen, die bei Beauftragung eines einzigen Anwalts entstanden wären. Die danach erforderliche Vergleichsberechnung hängt davon ab, ob die in Bonn ansässige Klägerin für das Mahnverfahren einen Rechtsanwalt an einem dritten Ort (Heidelberg) einschalten durfte, obwohl erkennbar war, daß bei Wahrnehmung eines Verhandlungstermins in Landshut nicht unerhebliche Reisekosten oder die Kosten für einen Unterbevollmächtigten anfallen würden oder sogar - wie geschehen - ein Anwaltswechsel erforderlich werden würde.
2. Nach § 91 Abs. 1 ZPO hat die obsiegende Partei Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren; dazu zählen auch die Reisekosten für die Wahrnehmung auswärtiger Termine. Bei der Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozeßkosten in diesem Sinne "notwendig" waren, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (Senatsbeschluß vom - VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898 = WM 2003, 1617 = BGHReport 2003, 152 unter II 2 b bb; , BGHReport 2004, 345 unter II 2 b bb). Die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei stellt in der Regel eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dar, weil ein persönliches Informations- und Beratungsgespräch zwischen Partei und Anwalt mindestens zu Beginn eines Mandats in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle erforderlich und sinnvoll ist (BGH aaO und Beschluß vom - IV ZB 32/03 unter III 1). Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, daß ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozeßführung nicht erforderlich sein wird (Senatsbeschluß vom aaO unter II 2 b bb (1) und (2)). Auch in diesem Fall kann die Partei aber einen vernünftigen und anzuerkennenden Anlaß haben, noch nicht sogleich einen Anwalt am Sitz des Prozeßgerichts zu mandatieren. Ausnahmsweise kann es auch gerechtfertigt sein, daß ein überregional tätiges Unternehmen aus bestimmten gewichtigen Gründen einen Anwalt hinzuzieht, der nicht an seinem Geschäftsort, sondern an einem dritten Ort ansässig ist.
3. Nach diesen Grundsätzen war die Klägerin entgegen der Auffassung des Landgerichts auch unter Berücksichtigung des Gebots der Kosteneinsparung nicht verpflichtet, schon für das Mahnverfahren einen Rechtsanwalt am Sitz des (späteren) Prozeßgerichts einzuschalten. Zwar war auch aus der Sicht der Klägerin ein persönliches Informationsgespräch mit dem zu beauftragenden Anwalt offenbar entbehrlich; denn sonst hätte sie die Sache nicht routinemäßig zur Durchführung des Mahnverfahrens an die von ihrem Sitz in Bonn weit entfernte Heidelberger Kanzlei abgegeben. Die Klägerin hat jedoch andere nachvollziehbare, einleuchtende und wirtschaftlich sinnvolle Gründe für die Mandatierung der Heidelberger Rechtsanwälte angeführt. Wie sie im einzelnen dargelegt hat, überträgt sie sämtliche für das Mahnverfahren vorgesehenen Forderungsfälle jener Kanzlei, weil diese personell und organisatorisch in der Lage ist, die große Zahl einschlägiger Verfahren, die bei der Klägerin als einem bundesweit tätigen Konzern mit vielen Millionen Kunden ständig anfallen, ordnungsgemäß zu bearbeiten. Die Konzentration der Mahnverfahren auf eine Anwaltskanzlei erscheint auch deshalb sinnvoll, weil, wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, etwa 90 % der Verfahren ohne Widerspruch des Schuldners durchgeführt werden. Bei einer derartigen Sachlage ist es weder möglich noch zumutbar, aus der Vielzahl der einschlägigen Fälle diejenigen herauszusuchen, in denen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Schuldner Widerspruch einlegen wird und deshalb die Durchführung des Mahnverfahrens an sich zweckmäßigerweise sogleich am Gerichtsstand des Schuldners zu beantragen wäre.
Ob dies ausnahmslos zu gelten hat oder ob insbesondere in Fällen, in denen der Schuldner seinen Wohnsitz in der Nähe des Sitzes des Gläubigerunternehmens hat, etwaige spätere Reisekosten eines am dritten Ort ansässigen Anwalts nicht als notwendig anzuerkennen sind, kann hier offen bleiben (vgl. dazu Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 91 Rdnr. 13, Stichwort "Mahnverfahren", Ziff. 1) a.E.; MünchKomm-ZPO/Belz, 2. Aufl., § 91 Rdnr. 67 m.w.Nachw. [Fn. 243]); denn die Beklagte ist dadurch, daß die Klägerin mit der Durchführung des Mahnverfahrens nicht einen an ihrem Sitz in Bonn, sondern einen in Heidelberg ansässigen Anwalt beauftragt hat, kostenmäßig nicht beschwert.
4. a) Durfte die Klägerin nach alledem eine Heidelberger Anwaltskanzlei für das Mahnverfahren gegen die Beklagte einschalten, dann ist für die nach § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO anzustellende Vergleichsberechnung zunächst darauf abzustellen, welche Reisekosten bei dem Heidelberger Anwalt entstanden wären, wenn er den Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht Landshut wahrgenommen hätte. Nach den Ausführungen der Rechtsbeschwerde wären hierfür Fahrtkosten von rund 187 € und ein Tage- und Abwesenheitsgeld von 31 €, insgesamt somit 218 € angefallen. Zuzüglich der Prozeßgebühr von 66,47 €, auf die die Mahnverfahrensgebühr anzurechnen wäre (§ 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BRAGO), der Verhandlungsgebühr von 33,23 € und der Auslagenpauschale (§ 26 BRAGO) von 14,98 € hätte sich bei den Anwaltskosten ein erstattungsfähiger Gesamtbetrag von 332,68 € ergeben.
b) Diesem Betrag sind allerdings nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, die durch die Beauftragung eines Münchner Rechtsanwaltes entstandenen Kosten gegenüberzustellen, sondern nur diejenigen Kosten, die angefallen wären, wenn die Klägerin nach der Einlegung des Widerspruchs durch die Beklagte einen am Ort des Prozeßgerichts Landshut ansässigen Anwalt für das streitige Verfahren mandatiert hätte. Denn wenn eine Partei von der ihr grundsätzlich zuzubilligenden Möglichkeit Gebrauch macht, nach dem Mahnverfahren aus sachlichen Gründen - etwa wegen der großen Entfernung vom Sitz des Mahnanwalts zum Gerichtsort - für das streitige Verfahren einen anderen Rechtsanwalt zu beauftragen, wird sie dem Gebot der Kosteneinsparung in aller Regel nur gerecht, wenn sie nicht abermals einen an einem dritten Ort ansässigen Anwalt auswählt, sondern einen solchen, der seinen Sitz am Ort des Prozeßgerichts hat. Davon geht offensichtlich auch die Klägerin aus; sie meint jedoch, es sei ihr nicht zuzumuten, einen Rechtsanwalt in Landshut zu beauftragen, der in einem früheren Verfahren möglicherweise schon einmal eine Gegenseite vertreten habe und der überdies über keine besonderen Kenntnisse auf dem Gebiet des Telekommunikationsrechts verfüge. Diese Einwände greifen nicht durch.
Zu Recht hat schon das Landgericht darauf hingewiesen, daß die Klägerin nichts Substantiiertes für die Gefahr einer Interessenkollision vorgetragen hat. Im übrigen ist es ihr ohne weiteres möglich und zumutbar, mit Hilfe ihrer Rechtsabteilung, ihrer Landshuter Niederlassung oder der im Mahnverfahren tätig gewesenen Heidelberger Kanzlei unter den in Landshut ansässigen Anwälten einen Prozeßbevollmächtigten auszuwählen, der noch nicht in einem früheren Rechtsstreit die Gegenseite vertreten hat. Auch im Hinblick auf den Gegenstand des Verfahrens, der keine speziellen Fragen des Telekommunikationsrechts aufwarf, war die Beauftragung einer Münchner Kanzlei offensichtlich nicht erforderlich.
c) Hätte die Klägerin dementsprechend einen Landshuter Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten für das streitige Verfahren vor dem Amtsgericht ausgewählt, wären keinerlei Reisekosten angefallen. Vielmehr wären insoweit nur die Prozeßgebühr, die Verhandlungsgebühr und die Auslagenpauschale in Höhe von insgesamt 114,68 € entstanden. Zuzüglich der Mahnverfahrensgebühren des Heidelberger Anwalts in Höhe von 76,44 € (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 26 BRAGO) hätten sich notwendige Kosten der Klägerin von zusammen 191,12 € errechnet. Die von der Klägerin verauslagten, ebenfalls zu erstattenden Gerichtskosten von 138,05 € können bei dieser Vergleichsberechnung unberücksichtigt bleiben, weil sie jeweils in gleicher Höhe anzurechnen sind.
5. Nach alledem waren auch bei Beauftragung verschiedener Rechtsanwälte für das Mahnverfahren und für das anschließende streitige Prozeßverfahren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Klägerin Anwaltskosten lediglich in Höhe von insgesamt 191,12 € notwendig. Sie sind, da sie die Kosten eines Rechtsanwalts (oben 4 a) nicht übersteigen, voll zu erstatten; angesichts der deutlichen Differenz zur Obergrenze des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO bedarf es keiner weiteren Feststellungen zur genauen Höhe der fiktiven Reisekosten des Heidelberger Anwalts. Zuzüglich der verauslagten Gerichtskosten (138,05 €) betragen die als notwendig anzuerkennenden Kosten der Klägerin mithin 329,17 €.
III.
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin war daher der angefochtene Beschluß in dem aus dem Entscheidungssatz ersichtlichen Umfang abzuändern (§ 577 Abs. 5 ZPO). Im übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DAAAC-03736
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein