BGH Beschluss v. - VIII ZB 117/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: EGZPO § 26 Nr. 8; ZPO § 97 Abs. 1; ZPO § 238 Abs. 2; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 574 Abs. 2; ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 1

Instanzenzug: LG Kleve vom

Gründe

I.

Die Klägerin hat die Beklagte aus einem am geschlossenen Kaufvertrag über einen gebrauchten Pkw auf Zahlung von 4.748,83 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Nachdem die Beklagte die Klageforderung in Höhe eines Teilbetrages von 1.278,23 € anerkannt hatte, hat das Amtsgericht die Beklagte durch Urteil vom zur Zahlung des anerkannten Betrages nebst Zinsen verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen.

Gegen das den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am zugestellte Urteil haben diese am (Montag) Berufung eingelegt und sodann mit Schriftsatz vom , eingegangen bei Gericht am gleichen Tage, die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat beantragt. Nachdem die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit gerichtlichem Schreiben vom , zugestellt am , auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen worden waren, haben diese für die Klägerin mit Schriftsatz vom Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Rechtfertigung haben sie vorgetragen, die Fristversäumnis beruhe darauf, daß die Rechtsanwaltsfachangestellte P. die Berufungsbegründungsfrist nach Eingangsbestätigung des Gerichts nach alter Rechtslage notiert habe, obwohl sie durch - von ihr unterzeichnete - Dienstanweisung vom auf die Änderung der Berufungsbegründungsfristen hingewiesen worden sei, die sich durch die am in Kraft getretene ZPO-Reform ergeben hat. Da in der Folgezeit bis zum in der Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin keinerlei Berufungsfristen und dementsprechend auch keine Begründungsfristen zu notieren gewesen seien, sei die Änderung bei der Angestellten P. offenbar in Vergessenheit geraten.

Das Landgericht hat den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung gegen das als unzulässig verworfen.

Gegen den am zugestellten Beschluß richtet sich die am eingegangene Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit der sie ihr Wiedereinsetzungsgesuch weiterverfolgt und die Aufhebung der vom Landgericht ausgesprochenen Verwerfung der Berufung erstrebt. Sie macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, die sie in der Frage sieht, ob es im Rahmen der ZPO-Reform ausreichend gewesen sei, mit dem geschulten und zuverlässigen Büropersonal, dem die Berechnung der im Büro geläufigen Fristen übertragen worden sei, die neue Fristensituation zu erörtern und darüber eine - abgezeichnete - Dienstanweisung zu erstellen.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft (vgl. , NJW 2002, 3029 unter II); daß die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO nicht erreicht ist, ist unschädlich (, NJW 2002, 3783 unter II 1; , NJW-RR 2003, 132 unter II 1).

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (vgl. aaO; , NJW 2003, 437 unter II 1). Ein solcher Fall liegt nicht vor.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsanwalt die Berechnung der allgemein anfallenden einfachen Fristen sowie die Führung des Fristenkalenders im Rahmen einer von ihm zu verantwortenden Büroorganisation auf sein geschultes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal zur selbständigen Erledigung übertragen (vgl. BGHZ 43, 148, 153; , NJW 2000, 1872 unter a; , NJW-RR 2001, 1072 unter II m.w.Nachw.). Allerdings muß der Rechtsanwalt durch geeignete Anweisungen sicherstellen, daß ihm die Feststellung des Beginns und des Endes der Fristen in den Fällen vorbehalten bleibt, die in seiner Praxis ungewöhnlich sind oder bei deren Berechnung Schwierigkeiten auftreten können (BGHZ aaO; siehe auch Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rdnr. 23 Stichwort "Übertragung auf Büropersonal" m.w.Nachw.).

Ob der Rechtsanwalt diesen Sorgfaltsanforderungen nachgekommen ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das Berufungsgericht hat unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze im Streitfall das Vorliegen einer geläufigen Routinefrist verneint, da im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin ein Fall, in dem eine Berufungsbegründungsfrist nach neuem Recht (§ 520 Abs. 1 Satz 1 ZPO) berechnet werden mußte, noch nicht aufgetreten war und dies im vorliegenden Verfahren erstmals notwendig wurde. Damit hat das Berufungsgericht unter Würdigung der konkreten Einzelfallumstände einen Sorgfaltsverstoß des Klägersvertreters bejaht, ohne daß eine abstrakte, der Verallgemeinerung zugängliche Rechtsfrage, insbesondere die Behandlung der Berufungsbegründungsfristen nach neuem Recht, aufgeworfen wird.

b) Das Berufungsgericht hat auch nicht die Anforderungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand überspannt und dadurch das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes und rechtliches Gehör verletzt. Voraussetzung für eine hierauf gestützte Rechtsbeschwerde ist, daß nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zutage tritt, also offenkundig ist, und die angefochtene Entscheidung hierauf beruht ( aaO unter II 3 b aa; , zur Veröffentlichung bestimmt unter II 2 b dd). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

3. Nach alledem war die Rechtsbeschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zu verwerfen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
XAAAC-03712

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein